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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 01.04.2008
Aktenzeichen: 2 K 1176/2007
Rechtsgebiete: UStG, FGO


Vorschriften:

UStG § 9
FGO § 41 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

2 K 1176/2007

Feststellung der Rechtswidrigkeit des Umsatzsteuerbescheids 2004 vom 01.02.2006

In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 01.04.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Streitig ist, ob das Finanzamt in dem Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 01.02.2006 zu Recht den Vorsteuerabzug versagt hat.

Die Klägerin ist eine am 25.11.2002 gegründete GmbH, die Immobilien vermittelte. Alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin war A B, wohnhaft in C., D. Laut Handelsregisterauszug wurde die Gesellschaft am 04.10.2007 aufgelöst und Rechtsanwalt E.F. als Liquidator bestellt.

In den Umsatzsteuervoranmeldungen I - III/2004 beantragte die Klägerin einen Vorsteuerabzug i.H.v. 28.453,93 EUR, der im Wesentlichen aus Rechnungen für den Bau der "Seniorenresidenz G" resultierte. Bei einer daraufhin am 04.11.2004 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass der Vorsteuerabzug zu versagen sei, weil die geltend gemachten Vorsteuern im Zusammenhang mit steuerfreien Umsätzen aus Grundstücksveräußerungen stünden und eine Option zur Umsatzsteuerpflicht gem. § 9 UStG ausgeschlossen sei (vgl. Bericht über die Umsatzsteuersonderprüfung vom 30.11.2004).

Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ entsprechende Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für das I. und III. Kalendervierteljahr 2004. Die Klägerin legte gegen den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für das III. Kalendervierteljahr 2004 vom 16.12.2004 Einspruch ein und trug zur Begründung vor, dass sie nicht Bauherrin, sondern lediglich die mit der Errichtung der Anlage betraute Baufirma sei und ihr folglich der volle Vorsteuerabzug zustehe. Bauherr sei der Grundstückseigentümer E.F., der die Wohneinheiten umsatzsteuerfrei an private Erwerber veräußere. Aus dem mit dem Bauherrn abgeschlossenen Kooperationsvertrag vom 01.07.2003 ergebe sich, dass ihr die schlüsselfertige Erstellung des Bauvorhabens auf eigene Regie übertragen sei und der Bauherr ihr die für die Bauausführung anfallenden Materialkosten und Löhne zur Verfügung zu stellen habe. Nach Abnahme und schlüsselfertiger Herstellung der Seniorenresidenz habe sie die von ihr erbrachten Leistungen nach Einheitspreisen und unter Berücksichtigung der bereits bevorschussten Materialkosten und Löhnen abzurechnen.

Mit Bescheid vom 22.07.2005 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuervorauszahlung für das IV. Kalendervierteljahr 2004 i.H.v. 1.152 EUR fest. Da die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung die Umsatzsteuererklärung 2004 nicht einreichte, schätzte das Finanzamt in Anlehnung an die Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung vom 04.11.2004 die Besteuerungsgrundlagen und versagte insbesondere den Vorsteuerabzug. Es erließ am 01.02.2006 einen gem. § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheid und setzte die Umsatzsteuer für 2004 auf 3.520 EUR fest. Im Rahmen der Abrechnung teilte es mit, dass von der Finanzkasse bereits 24.392,30 EUR ausbezahlt worden seien und mithin insgesamt 27.912,30 EUR geschuldet würden. Die Klägerin legte sowohl gegen den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für das IV. Kalendervierteljahr 2004 als auch gegen den Umsatzsteuerjahresbescheid 2004 Einspruch ein.

Bei einer erneuten Umsatzsteuersonderprüfung kam der Prüfer nunmehr zum Ergebnis, dass der Klägerin als der ausführenden Baufirma ein Vorsteuerabzug in Höhe von 37.869,22 EUR zustehe, die auf dem Baukonto eingegangenen Zahlungen in Höhe von 347.727 EUR aber gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 4 UStG steuerpflichtige Abschlagszahlungen darstellten (vgl. Bericht vom 19.09.2006).

Das Finanzamt erließ daraufhin am 06.10.2006 einen gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2004 und setzte die Umsatzsteuer nunmehr auf 17.767,10 EUR fest. Im Abrechnungsteil führte es aus, dass 24.392,30 EUR bereits von der Finanzkasse ausgezahlt worden seien, mithin insgesamt 42.159,40 EUR geschuldet würden. Auch gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 30.07.2007 setzte das Finanzamt unter Kürzung der steuerpflichtigen Umsätze auf 253.177 EUR die Umsatzsteuer 2004 auf 2.639,10 EUR herab und wies die Einsprüche im Übrigen als unzulässig bzw. unbegründet zurück.

Die Klägerin hat am 11.07.2007 noch vor Ergehen der Einspruchsentscheidung am 30.07.2007 Klage erhoben und beantragt festzustellen,

dass der Bescheid über Umsatzsteuer 2004 vom 01.02.2006 rechtswidrig ist.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen Folgendes vor:

Aufgrund der Feststellungen einer Umsatzsteuersonderprüfung habe das Finanzamt mit Bescheid vom 01.02.2006 die Umsatzsteuer für 2004 auf 3.520 EUR festgesetzt und bereits ausgezahlte Vorsteuern in Höhe von 24.392,30 EUR zurückgefordert. Sie sei zur Zahlung aber nicht verpflichtet, da das Finanzamt mit dem Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 06.10.2006 ihr Recht auf Vorsteuerabzug anerkannt habe. Allerdings sei auch diese Umsatzsteuerfestsetzung dem Grunde und der Höhe nach unrichtig, denn das Finanzamt habe private Kaufpreiszahlungen an den Grundstückseigentümer und Bauherrn als Abschlagszahlungen an sie behandelt. Der mit F geschlossene Kooperationsvertrag sehe vor, dass ihre Schlussrechnung erst nach Fertigstellung und Verkauf aller Wohnungen gestellt werde. Abschlagszahlungen seien nicht vereinbart worden, da die Erwerber der Wohneinheiten vertraglich verpflichtet gewesen seien, den Kaufpreis für die jeweilige Wohnung einschließlich Grundstücksanteil auf ein Baukonto einzuzahlen. Dieses Geld sei dann von F an sie weitergeleitet worden, um das Bauvorhaben zu finanzieren.

Das Finanzamt mache nicht mehr bestehende Steueransprüche geltend und betreibe Vollstreckungsmaßnahmen aus dem rechtswidrigen Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 01.02.2006, insbesondere werde der Grundstückseigentümer und Bauherr F aufgrund eines Schuldbeitritts in Anspruch genommen. Der Gegenstand des Umsatzsteuerbescheides 2004 vom 01.02.2006 sei aber ein völlig anderer als der des Umsatzsteuerbescheides 2004 vom 06.10.2006, denn durch letzteren werde nicht mehr die Rückzahlung ausgezahlter Umsatzsteuererstattungsbeträge, sondern nunmehr zu wenig entrichtete Umsatzsteuerzahlungen gefordert. Insoweit liege keine Änderung des Bescheides vom 01.02.2006, sondern eine Neufestsetzung von Steueransprüchen aufgrund der Abstandsnahme von einer rechtsfehlerhaften Rechtsauffassung vor.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor:

Die am 11.07.2007 beim Finanzgericht eingegangene Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 01.02.2006 sei unzulässig, weil die Einspruchsentscheidung über die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide 2004 vom 01.02.2006 bzw. 06.10.2006 erst am 30.07.2007 ergangen sei. Die Klage sei aber auch in der Sache unbegründet.

Nach dem Kooperationsvertrag sei die Klägerin verpflichtet gewesen, die "Seniorenresidenz G" im Rahmen einer Werklieferung schlüsselfertig zu erstellen. Die dazu erforderlichen Mittel seien vom Auftraggeber zur Verfügung zu stellen. Auf dem Konto der Klägerin seien im Jahr 2004 278.382,30 EUR brutto aus Kaufpreisteilzahlungen verschiedener Erwerber eingegangen, deren weitere Verwendung von der Klägerin nicht nachgewiesen worden sei. Ihre Darstellung, die Zahlungen auf das Baukonto entfielen teilweise auf den verkauften Grund und Boden, sei nicht belegt und widerspreche im Übrigen auch dem Kooperationsvertrag mit dem Bauherrn F. Die Beträge seien deshalb in voller Höhe als Abschlags- bzw. Vorauszahlungen gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 4 UStG zu behandeln. Die Klägerin sei mehrmals aufgefordert worden, ihre Einsprüche durch geeignete Unterlagen zu begründen. Sie sei jedoch ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, insbesondere seien auch die Steuererklärungen für 2004 und 2005 bisher nicht beim Finanzamt eingereicht worden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg, denn sie ist bereits unzulässig.

1. Nach dem ausdrücklichen Klageantrag handelt es sich um eine Feststellungsklage, denn die Klägerin begehrt festzustellen, dass der Umsatzsteuerbescheid vom 01.02.2006 rechtswidrig ist. Gem. § 41 Abs. 1 FGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsinteresse). Ein Feststellungsinteresse besteht aber nicht, wenn der Kläger seine Rechte durch eine Gestaltungsklage verfolgen kann, § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO. Dadurch ist gewährleistet, dass die für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Vorschriften über das Vorverfahren (§ 44 FGO) und über die Klagefrist (§ 47 FGO) nicht umgangen werden (Tipke in Tipke/Kruse, AO/FGO, Kommentar, § 41, Rz. 14).

Der Klägerin fehlt vorliegend das Feststellungsinteresse für eine Feststellungsklage, denn sie hätte ihre Rechte einfacher und effektiver durch eine Anfechtungsklage gem. § 40 FGO verfolgen können. Die Klage ist daher unzulässig.

2. Auch bei entsprechender Auslegung des Klagebegehrens als Anfechtungsklage hätte die Klage keinen Erfolg. Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid vom 01.02.2006 ist vom Finanzamt durch Bescheid vom 06.10.2006 und durch die Einspruchsentscheidung vom 30.07.2007 abgeändert worden. Da der Bescheid vom 01.02.2006 keine Rechtswirksamkeit mehr entfaltet, ist weder eine Rechtsverletzung i.S.d. § 40 Abs. 2 FGO ersichtlich, noch besteht das für eine Anfechtungsklage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Ein besonderes Interesse der Klägerin an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides ist auch nicht im Hinblick auf den Schuldbeitritt des Grundstückseigentümers und Bauherrn F erkennbar. Für die Frage, ob und inwieweit dessen Schuldbeitritt wirksam ist und er vom Finanzamt in Anspruch genommen werden darf, ist das Finanzgericht nicht zuständig.

3. Nach ständiger Rechtsprechung nimmt der geänderte Bescheid den ursprünglichen Bescheid in seinem Regelungsinhalt mit auf, § 365 Abs. 3 Satz 1 AO, § 68 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Einspruch bzw. die Klage sind daher gegen den letzten Bescheid zu richten. Der Einwand der Klägerin, der Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 01.02.2006 habe einen anderen Gegenstand als der ändernde Bescheid vom 06.10.2006, weil

4. das Finanzamt in dem ersten Bescheid Vorsteuern versagte, während es in dem zweiten Bescheid die Vorsteuern zwar gewährte, aber zusätzlich die Abschlagszahlungen der Umsatzsteuer unterwarf, greift nicht durch. Beide Bescheide haben als Gegenstand die Umsatzsteuer 2004, denn nach dem geltenden Mehrwertsteuersystem sind Steuer und Vorsteuer zwei unselbständige Besteuerungsgrundlagen der Umsatzsteuer (BFH-Urteil vom 24.03.1983 V R 8/81, BStBl. II 1983, 612). Im Übrigen weist das Gericht darauf hin , dass im vorliegenden Verfahren nur die festgesetzte Umsatzsteuer Verfahrensgegenstand ist, nicht aber die im Abrechnungsteil ausgewiesene Steuer. Die Rechtmäßigkeit der Rückforderung im Voranmeldungsverfahren bereits ausgezahlter Vorsteuern ist aber Gegenstand der Abrechnung, nicht der Festsetzung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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