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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 07.07.2009
Aktenzeichen: 2 K 686/08
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1
UStG § 2
UStG § 3 Abs. 1
UStG § 15 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 07.07.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin zum Abzug von Vorsteuerbeträgen aus ihren Gutschriften gegenüber der Firma A, B, bzw. von dieser in Rechnung gestellter Mehrwertsteuer im Voranmeldungszeitraum Januar 2007 berechtigt ist.

Die Klägerin ist eine GmbH, die mit notariellem Vertrag vom 22.12.1999 in C gegründet wurde. Als Geschäftsführer sind D und E F und G H im Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist das Sammeln, Transportieren und Recycling von edelmetallhaltigen Materialien und Abfällen.

Seit dem Jahre 2001 bezog die Klägerin Katalysatoren von dem in Polen geborenen IJ. J stellte seine Lieferungen zunächst unter Anschriften in Deutschland und Polen ohne ausgewiesene Mehrwertsteuer in Rechnung. Ab dem Jahre 2002 trat J als Vermittler verschiedener in Deutschland ansässiger Firmen auf (z.B. K in L ; M in L ; N in O ; P in Q ; R in S ). Die von diesen Firmen ausgeführten Lieferungen an die Klägerin wiesen stets Mehrwertsteuer aus.

Ab Oktober 2006 vermittelte J die Lieferungen über die Firma A , die am 02.08.2006 gegründet und am 29.08.2006 in das Handelsregister beim Amtsgericht B eingetragen worden war. Gegenstand des Unternehmens war der Kauf und Verkauf sowie der Vertrieb von Bowling-Systemen und Kfz-Teilen. Als Sitz der Gesellschaft wurde B, T, bestimmt und als Geschäftsführer war U V eingetragen. Die Gewerbeanmeldung erfolgte zum 01.08.2006. V schloss am 03.08.2006 einen Mietvertrag mit der anwaltlichen Bürogemeinschaft W über einen Büroraum von 26 qm in B, T, zum Betrieb eines Büros der Firma A ab. Regelmäßige Lieferungen unter dem Namen der Firma A an die Klägerin erfolgten ab 19.09.2006 durch den polnischen Fahrer X Y und wurden mit Barscheck oder teilweise durch Verrechnungen zu Lasten der Firma R beglichen. Die Barschecks nahm überwiegend der Fahrer X Y entgegen. U V hatte für die Firma A am 19.09.2006 eine Vollmacht für X Y ausgestellt, die ihn berechtigte, Barschecks entgegenzunehmen.

Am 16.11.2006 nahm die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts Z Ermittlungen in der Steuerstrafsache gegen die Verantwortlichen der Firmen P und R bei der Klägerin vor. Im Rahmen einer Vernehmung der Geschäftsführerin E F als Zeugin erklärte diese, dass J nun bei der Firma A sei und mit dieser Firma zu ihr in Geschäftsbeziehung stehe.

Die im Klageverfahren streitigen Vorsteuerbeträge vom Januar 2007 wurden zunächst von der Klägerin in elf Gutschriften, datierend vom 02.01.2007 bis zum 30.01.2007, an die Firma A ausgewiesen, in denen sie über Monolith-Anlieferungen in der Zeit vom 10.10.2006 bis zum 07.11.2006 abrechnete und dabei insgesamt einen Umsatzsteuerbetrag von 48.786,29 EUR auswies. Über die abgerechneten Lieferungen erstellte die Firma A nach den Angaben der Klägerin vom 17.01.2007 eine Rechnung vom 19.01.2007 mit offen ausgewiesener Mehrwertsteuer in Höhe von 30.143,07 EUR und für die vom 16. bis 31.01.2007 abgerechneten Lieferungen nach den Angaben der Klägerin vom 01.02.2007 eine Rechnung vom 05.04.2007 mit offen ausgewiesener Mehrsteuer in Höhe von 18.643,23 EUR. Der Warenwert der auf diese Weise abgerechneten Lieferungen betrug insgesamt 305.556,30 EUR brutto. Die Klägerin stellte zugunsten der Firma A einen Scheck über 178.451,09 EUR am 17.01.2007 und einen Scheck über 126.898,70 EUR am 24.01.2007 aus, den Y jeweils bei der Bankfiliale in C gegen Bargeld einlöste.

Die Klägerin reichte die Umsatzsteuervoranmeldung für Januar 2007 am 26.02.2007 ein und berechnete einen Erstattungsanspruch in Höhe von 519.127,15 EUR. Darin enthalten waren die Gutschriften gegenüber der Firma A vom Januar 2007 mit einem Vorsteueranspruch von insgesamt 48.786,29 EUR.

Ab Juni 2007 führte die Steuerfahndungsstelle Ermittlungen bei der Klägerin für den Zeitraum 2001 bis August 2007 durch. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass IJ an die Klägerin Katalysatoren angeliefert habe. Im Laufe der Zeit seien die Geschäfte mit J unter wechselnden Firmennamen abgewickelt worden. Die Firma A sei als Tarnfirma anzusehen, die über keinen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügt habe. Sie habe weder Waren eingekauft noch verkauft. Sie habe ausschließlich dazu gedient, den tatsächlichen Geschäftspartner J zu verschleiern. Nur mit ihm habe die Klägerin die Liefertermine und die Konditionen vereinbart. Die tatsächlichen Verhältnisse seien den Geschäftsführern der Klägerin von Anfang an bekannt gewesen. Daher sei der Vorsteuerabzug aus den erstellten Gutschriften bzw. den Rechnungen der Firma A zu versagen (vgl. Fahndungsbericht und strafrechtlicher Zwischenbericht). Den Feststellungen des Fahndungsprüfers folgend, änderte das Finanzamt die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Januar 2007 mit dem Bescheid vom 17.08.2007, setzte einen Erstattungsanspruch von 470.341,17 EUR fest und forderte 48.785,98 EUR zurück.

Über den fristgerecht eingelegten Einspruch hatte das Finanzamt nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden.

Die Klägerin hat Untätigkeitsklage erhoben und beantragt zuletzt, den Änderungsbescheid vom 17.08.2007 über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Januar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.05.2008 aufzuheben.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen folgende Gesichtspunkte vor:

Sie befasse sich seit Jahren mit dem Recyclinggeschäft von Edelmetallen. Hierzu kaufe sie europaweit gebrauchte Autokatalysatoren auf. Danach organisiere sie die Entnahme von Edelmetallen aus diesen Katalysatoren und verwerte die zurückgewonnenen Edelmetalle durch Veräußerung am Markt. Der von ihr bestimmte Edelmetallgehalt sei Grundlage für die Wertbestimmung und die Preisbildung des eingekauften Materials. Die von ihr vorbereitete Keramikmischung werde vor allem an Firmen in den USA verkauft, wo in Schmelzöfen die eigentliche Edelmetallrückgewinnung stattfinde. Etwa 80% des von ihr geschätzten Metallwertes werde bar an die Lieferanten ausbezahlt. Erst nach dem Schmelzvorgang stehe die tatsächliche Menge des Edelmetalls und ihr Wert fest. Danach erfolge eine endgültige Abrechnung.

Die Katalysatoren würden meist in ihrem Betrieb durch Frachtführer angeliefert. Auf der Basis der Schätzkalkulation werde eine Gutschrift erteilt und der vereinbarte Preis in bar oder mit Barscheck ausbezahlt. Auch die Endabrechnung erfolge im Wege der Gutschrift. Das Gutschriftenverfahren sei erforderlich, weil die Lieferanten selbst nicht die Möglichkeit hätten, die tatsächlichen Werte der Edelmetalle und die letztendlich gewonnene Menge zu bestimmen. Als Grundlage für die Abrechnungen dienten Verwiegungsprotokolle. Bei der Anlieferung der Katalysatoren erfolge eine Begutachtung der Ware, danach eine ausführliche Verwiegung; es werde für jede Lieferung eine Eingangs- und Auftragsbestätigung erstellt. Besondere Lieferscheine seien nicht vorgelegt oder erstellt worden.

In den ersten Jahren ihrer geschäftlichen Tätigkeit sei sie nur als Zwischenhändlerin mit dem Einsammeln von Autokatalysatoren tätig gewesen. Sie habe die Waren bei Werkstätten oder Autoverwertungen aufgekauft. Dabei sei der Kontakt zu J entstanden, der damals bei der Firma 1 gearbeitet und auf eigene Rechnung mit Katalysatoren gehandelt habe. Sie habe von J als Privatperson damals Katalysatoren erworben, die dieser wohl in Polen beschafft habe. Daher sei gegenüber J damals ohne Mehrwertsteuer abgerechnet worden. Ab dem Jahre 2002 sei J nicht mehr selbst als Lieferant aufgetreten, sondern nunmehr als Handelsvertreter für verschiedene Unternehmen.

J sei auch für ihre früheren Zuliefererfirmen P und R als Handelsvertreter tätig gewesen. Im September 2006 habe er ihren Geschäftsführern mitgeteilt, dass er zukünftig die Waren im Namen und im Auftrag der Firma A liefern werde. Sie habe dann überprüft und festgestellt, dass die Firma A im Handelsregister eingetragen gewesen sei. Die Firma habe über einen eigenen Festnetzanschluss, eine eigene Faxnummer und eine eigene e-mail-Nummer verfügt. Ihr Geschäftsführer V habe sich bei ihr persönlich vorgestellt und eine Gewerbeanmeldung übergeben. Dabei habe er den Eindruck erweckt, dass er etwas von dem Geschäft verstehe. Er sei auch bei mehreren Anlieferungen persönlich anwesend gewesen. Überwiegend seien die Katalysatoren jedoch von Y, dem Fahrer eines beauftragten polnischen Frachtführers angeliefert worden. Er habe sich durch Personalpapiere und durch eine Vollmacht der Firma A als Bevollmächtigter ausgewiesen. Im November 2006 seien Steuerfahnder bei ihr vorstellig geworden, die Ermittlungen im Zusammenhang mit der Firma A geführt hätten. Sie habe die Geschäfte mit der Firma A erst dann wieder fortgesetzt, nachdem sie vom Finanzamt B die Auskunft erhalten habe, dass die Firma A steuerlich erfasst sei und zwischenzeitlich alle Steuern bezahlt habe. Erst als am 14.04.2007 ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Finanzamtes B wegen Steueransprüchen gegenüber der Firma A zugestellt worden sei, habe sie sämtliche Geschäftsbeziehungen abgebrochen.

Über die Anlieferung der Katalysatoren sei zwischen ihr und der Firma A ein zivilrechtlich wirksamer Vertrag zustande gekommen. Dies sei maßgeblich für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Soweit die Geschäfte von J vermittelt worden seien, sei dieser als Handelsvertreter für die Firma A aufgetreten. Die vertraglichen Beziehungen zwischen ihm und der Firma A seien ihr unbekannt gewesen. Auch die Fahrer hätten sich als bevollmächtigt ausgewiesen, für die Firma A zu handeln. Sie sei zudem davon ausgegangen, dass die von der Firma A gelieferten Katalysatoren aus Deutschland stammen würden.

J sei in den letzten Jahren ausschließlich als Handelsvertreter für verschiedene Firmen ihr gegenüber aufgetreten. Mit ihm seien die Lieferkonditionen abgesprochen worden. Dies sei rechtlich nicht zu beanstanden gewesen. Er habe die Aufgabe gehabt, Katalysatoren in Polen für die von ihm vertretenen Firmen zu beschaffen. Dabei hätten sich die deutschen Firmen seiner besonderen Kenntnisse des polnischen Marktes bedient. Anlass zu einem Misstrauen habe daher nicht bestanden. Es habe für sie kein Grund zu der Annahme bestanden, dass J auf eigene Rechnung tätig gewesen sei und sich der verschiedenen Firmen nur zur Täuschung bedient hätte. Es sei eine bloße Behauptung der Steuerfahndung, dass ihr von Anfang an bekannt gewesen sei, dass die von J gelieferten bzw. vermittelten Waren aus Polen gestammt hätten. Ein mögliches steuerliches Fehlverhalten der Firma A bzw. des J könne ihr nicht angelastet werden. Es hätten auch die Ermittlungen der Steuerfahndung ergeben, dass die Firma A einen Geschäftssitz gehabt habe, an dem auch ihr Geschäftsführer V tätig gewesen sei. Dass die Belege zu den Lieferungen der Firma A in deren Geschäftsräumen nicht aufgefunden worden seien, könne nicht als Indiz für eine unkorrekte Geschäftsabwicklung gesehen werden.

Zusammenfassend sei festzustellen, dass sie tatsächlich eine Geschäftsbeziehung zur Firma A geführt habe, die alle gesetzlichen Auflagen erfüllt hätte. Sie habe auch die Ermittlungen der Steuerfahndung unterstützt und es sei ihr nicht erkennbar gewesen, dass es sich bei den Warenlieferungen angeblich um Waren des J gehandelt habe. Es könne ihr auch nicht vorgeworfen werden, dass sie Ware in Deutschland einkaufe, die ursprünglich aus dem EU-Ausland stamme. Auf diese Weise habe sie sich zulässigerweise die aufwendigen Formalitäten ersparen können, die bei einem Direktimport aus dem EU-Ausland angefallen wären.

Wegen des Vortrags im Einzelnen wird auf die Klageschrift vom 02.05.2008, auf die Schriftsätze vom 30.07.2008, vom 12.02.2009, vom 02.06.2009, auf die Stellungnahmen im Antragsverfahren (Az. 2 V 1669/2007) und auf die Vorträge in den mündlichen Verhandlungen vom 11.11.2008 und vom 07.07.2009 verwiesen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der nach Klageerhebung erstellten Einspruchsentscheidung vom 14.05.2008:

Ein Vorsteuerabzug komme nicht in Betracht, weil es sich bei der Firma A um eine Tarnfirma des IJ und es sich bei den von ihr erstellten Rechnungen um Scheinrechnungen gehandelt habe. Ein Gutglaubensschutz sei der Klägerin nicht zu gewähren, weil sie die tatsächlichen Umstände gekannt habe.

Zwar sei die Firma A wirksam errichtet und an ihrem Gesellschaftssitz angemeldet worden. Es habe durch die Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle am Geschäftssitz jedoch kein eingerichteter Geschäftsbetrieb festgestellt werden können. Geschäftsunterlagen hätten sich dort nicht befunden. Diese seien nach den Angaben des Geschäftsführers U V bei einem Bekannten aufbewahrt worden, den er nicht benannt habe. Es sei nicht nachvollziehbar gewesen, welche Waren von der Firma A eingekauft oder verkauft worden seien. V habe angegeben, die Katalysatoren seien direkt vom Hersteller an die Klägerin geliefert worden. Seine eigenen Lieferanten habe er nicht benennen wollen. Er habe die bar vereinnahmen Beträge an seinen Geschäftspartner 2 weitergezahlt.

Nach den Feststellungen der Steuerfahndung sei der Klägerin bekannt gewesen, dass hinter den Geschäften mit der Firma A letztlich J gestanden habe, auch wenn dieser nicht offiziell für die Firma aufgetreten sei. Aus Geschäftsnotizen und Wiegeprotokollen vom September 2006 ergebe sich, dass J die Lieferungen auf die neue Firma, nämlich A, veranlasst habe. Nach dem Gesamtbild der Feststellungen der Steuerfahndung habe die Klägerin die Lieferungen der Firmen P, R und A tatsächlich von dem in Polen ansässigen IJ bezogen. Die Firmen seien nur zum Schein als inländische Lieferanten benutzt worden. Bereits ab dem Jahre 2005 habe bei den Verantwortlichen der Klägerin das Einvernehmen bestanden, die Lieferungen von Altkatalysatoren aus Polen über J zu beziehen. Es sei den Beteiligten bekannt gewesen, dass die angelieferte Ware aus dem EU-Ausland stamme.

Bei den Ermittlungen der Steuerfahndung hätten sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass J für die Firma A als Handelsvertreter tätig gewesen sei. Es lägen weder Verträge noch sonstiger Schriftwechsel noch mündliche Auskünfte vor, die Anhaltspunkte für eine Tätigkeit als Handelsvertreter geben würden. Vielmehr würden die Notizen aus den zurückliegenden Jahren belegen, dass J immer wieder die Firmen, unter denen die mit ihm abgewickelten Geschäfte erfasst worden seien, nach seinem Gutdünken gewechselt habe.

Zusammenfassend sei festzustellen, dass die Firma A als Tarnfirma anzusehen sei, die hinsichtlich der behaupteten Geschäfte mit Altkatalysatoren und Monolith über keinen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügt habe. Die Gesellschaft habe offenkundig weder Waren eingekauft noch verkauft. Vielmehr habe sie ausschließlich dazu gedient, den tatsächlichen Geschäftspartner zu verschleiern. Sie sei daher im streitigen Zeitraum nicht Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes gewesen. Vielmehr habe die Klägerin die fraglichen Waren von dem in Polen ansässigen IJ direkt bezogen. Mit ihm seien Liefertermine und Konditionen vereinbart worden. J sei in eigenem Namen aufgetreten, wie es von vornherein vereinbart gewesen sei, unabhängig davon, welcher Eindruck auf den Abrechnungen und den Gutschriften habe erweckt werden sollen. Dies gehe aus den bei der Klägerin vorgefundenen Gesprächsprotokollen hervor. J sei von der Firma A GmbH nicht als Handelsvertreter bevollmächtigt gewesen. Zwischen der Klägerin und der Firma A seien zu keiner Zeit Vereinbarungen über die Lieferungen der streitbefangenen Waren zustande gekommen.

Wegen des Sachvortrags im Einzelnen verweist das Gericht auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 14.05.2008 und auf die Stellungnahmen im Klageverfahren und in dem Antragsverfahren (2 V 1669/2007).

Das Gericht hat die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht 3 zu dem Verfahren beigezogen. Es hat in dem Schreiben vom 03.04.2009 im Hinblick auf den Antrag der Klägerin,

die in Polen ansässigen und wohnhaften IJ und X Y als Zeugen zu vernehmen,

darauf hingewiesen, dass es nicht verpflichtet sei, im Ausland ansässige Zeugen zu laden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg, weil zur Überzeugung des Gerichts die Firma A tatsächlich nicht der Unternehmer war, der an die Klägerin die Monolithe geliefert hat, über die die Klägerin in ihren Gutschriften im Januar 2007 mit ausgewiesener Umsatzsteuer abgerechnet hat. Der Firma A fehlte zudem die Unternehmereigenschaft im Sinne von § 2 UStG.

Ein Vorsteuerabzug kommt nach den Umständen des Streitfalls auch nicht aus gutem Glauben in Betracht, weil die verantwortlichen Geschäftsführer der Klägerin davon Kenntnis haben konnten, dass die streitbefangenen Monolithe nicht von der Firma A geliefert worden waren, sondern von dem ihr seit langem bekannten IJ. Damit erweist sich der angefochtene Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid vom 17.08.2007 als rechtmäßig (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 2005 kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Dies gilt auch für eine vom Leistungsempfänger ausgestellte Gutschrift (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG). Dabei trägt in tatsächlicher Hinsicht der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind (ständige Rspr. vgl. BFH-Beschlüsse vom 24.07.2002 V B 25/02, BFHE 199, 85, UR 2002, 522 und vom 03.08.2007 V B 73/07, UR 2007, 944; Wagner in Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar § 15 Rz. 82 m.w.N.).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt der Anspruch auf Vorsteuerabzug nur dann in Betracht, wenn der Rechnungsaussteller bzw. der Empfänger der Gutschrift und der leistende Unternehmer im Sinne von § 2 UStG, der die in der Rechnung bzw. der Gutschrift bezeichnete Lieferung oder sonstige Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, identisch sind (vgl. BFH-Urteile vom 16.08.2001 V R 67/00, UR 2002, 213 , vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233 und vom 04.09.2003 V R 9, 10/02 BStBl. II 2004, 627 sowie BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl. II 2004, 622). Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den der Lieferung oder Leistung zu Grunde liegenden zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist danach grundsätzlich derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem Anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem Anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines Anderen bei Ausführung der entgeltlichen Leistung aufgetreten ist (BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, a.a.O. m.w.N.). Maßgeblich ist hiernach grundsätzlich, wer aus dem entsprechenden Rechtsgeschäft zu einer Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 UStG an den Leistungsempfänger verpflichtet ist (BFH-Urteil vom 26.06.2003 V R 22/02, a.a.O.). Eine von den vertraglichen Vereinbarungen abweichende Bestimmung des Leistenden kommt aber dann in Betracht, wenn nach den konkreten Umständen erkennbar eine eigene Lieferung des Handelnden und nicht eine Lieferung des durch ihn vertretenen zivilrechtlichen Vertragspartners vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 04.09.2003 V R 9, 10/02, a.a.O.). Bei dieser Beurteilung ist entscheidend darauf abzustellen, wer tatsächlich dem Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über den Liefergegenstand verschafft, den Leistungsempfänger also befähigt hat, in eigenem Namen gemäß § 3 Abs. 1 UStG über den Liefergegenstand zu verfügen (vgl. BFH-Urteil vom 04.09.2003 V R 9, 10/02, a.a.O.).

2. Im Streitfall ergibt sich nach diesen Rechtsgrundsätzen, dass die Monolith-Anlieferungen in der Zeit vom 10.10.2006 bis zum 07.11.2006, über die die Klägerin mit Gutschriften im Januar 2007 gegenüber der Firma A abrechnete, keine Lieferungen der Firma A im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 UStG waren. Denn diese Firma war tatsächlich nicht in der Lage, der Klägerin die Verfügungsmacht über diese angelieferten Monolithe zu verschaffen.

a) Die Firma A hatte erst Anfang August 2006 ihr Gewerbe angemeldet und einen Büroraum angemietet. In dem Büro befanden sich nach dem Augenschein der Steuerfahndungsbeamten am 27.11.2006 lediglich ein Schreibtisch, drei Stühle, ein Fax-Gerät und ein Telefon. Laut der Auskunft des Geschäftsführers V vom 27.11.2006 waren weitere Möbel zwar bestellt, aber noch nicht geliefert worden. Geschäftsunterlagen, aus denen sich die streitbefangenen Warenbestellungen für die Anlieferungen an die Klägerin, deren Beschaffung und deren Transport hätten nachvollziehen lassen, lagen in dem Büro nicht vor. Erst bei der Befragung durch die Beamten der Steuerfahndung am 01.12.2006 legte V eine Eingangsrechnung der Firma P über einen Warenwert von 3.062.695,39 EUR vor, die er in bar an seinen Geschäftspartner 2 bezahlt habe.

Bereits aus diesen Umständen ist zu schließen, dass die Firma A und ihr Geschäftsführer V nicht in der Lage gewesen sein konnten, ab September 2006 Warenlieferungen in Millionenhöhe an die Klägerin zu organisieren, die Monolithe bzw. Katalysatoren am Markt zu beschaffen und die Ware an die Klägerin zu transportieren. Es liegen keine Erkenntnisse vor, dass V über Branchenkenntnisse, Geschäfts- und Kundenkontakte verfügte, die ihn befähigt hätten, als Zulieferer der Klägerin wirtschaftlich in Erscheinung zu treten. Nach den Feststellungen der Steuerfahndung, denen das Gericht folgt, war es vielmehr IJ, der tatsächlich der Klägerin die benötigten Waren anbot und beschaffte. J hatte der Klägerin gegenüber, mit der er schon seit dem Jahre 2001 in Geschäftskontakt stand, Anfang September die Firma A als neue Geschäftsadresse angekündigt. Die erste Anlieferung auf den Namen der Firma A vom 19.09.2006 (Auftrags-Nummer 21320 A) führt unter dem Firmennamen zusätzlich IJ an. Auch die Auftragsbegleitpapiere zu den Lieferungen vom 10.10.2006 (Auftrags-Nummer 21377 A) und vom 13.10.2006 (Auftrags-Nummer 21378 A), über die mit den Gutschriften vom 02.01.2007 und vom 05.01.2007 abgerechnet wurde, tragen zum Firmennamen A den Namen IJ Die Lieferkonditionen waren wie bisher üblich mit IJ abgesprochen worden. Die streitbefangenen Anlieferungen erfolgten sämtlich durch X Y, der bereits früher die Anlieferungen auf den Firmennamen R besorgt hatte.

b) Für eine selbständige Tätigkeit des IJ als Handelsvertreter gemäß § 84 HGB bzw. eine andere Vertretertätigkeit des IJ gegenüber der Klägerin, etwa gemäß § 54 HGB aufgrund Handlungsvollmacht, gemäß § 55 HGB als Abschlussvertreter oder eine Bevollmächtigung im Sinne von §§ 164, 167 BGB des IJ zugunsten der Firma A, wie von der Klägerin vorgetragen, fehlen im Streitfall konkrete Anhaltspunkte. Eine entsprechende schriftliche Bevollmächtigung konnte die Klägerin nicht beibringen. Der Geschäftsführer der Firma A, U V, erwähnte bei seinen Befragungen durch die Steuerfahndung am 27.11.2006 und am 01.12.2006 nicht, dass er IJ beauftragt habe, für seine Firma tätig zu werden. Vielmehr nannte er 2 als seinen Geschäftspartner. IJ selbst erklärte bei seiner Befragung durch die polnischen Behörden, dass er zu der Firma A keine Verbindung gehabt habe (vgl. Ermittlungsakten der StA 3 ).

Auch eine Vertretungsmacht für X Y, rechtsgeschäftlich die von ihm angelieferte Ware der Klägerin zu übereignen, war weder ihm gegenüber noch gegenüber der Klägerin vom Geschäftsführer der Firma A, U V, erteilt worden. Die am 19.09.2006 gegenüber X Y schriftlich ausgestellte Vollmacht bezog sich ausdrücklich nur auf die Berechtigung, im Namen der Firma A Barschecks entgegen zu nehmen und einzulösen.

c) Aus dem Gesamtbild dieser Umstände schließt das Gericht, dass weder die Firma A noch deren Geschäftsführer U V tatsächlich in der Lage waren, die in den streitbefangenen Gutschriften vom Januar 2007 abgerechneten Anlieferungen für die Zeit vom 10.10.2006 bis zum 07.11.2006 durchzuführen und der Klägerin Substanz, Wert und Ertrag an den abgerechneten Monolithen zu verschaffen, wie es für eine umsatzsteuerlich maßgebliche Lieferung im Sinne von §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 UStG erforderlich ist. Denn die Firma A selbst hatte an diesen Waren weder Besitz noch Eigentum erkennbar erwerben können. Vielmehr erfolgte die Verschaffung der Verfügungsmacht an den Waren allein aufgrund der Tätigkeiten des X Y und des IJ.

Da für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug auf die tatsächliche Ausführung einer Lieferung zur Verschaffung der Verfügungsmacht abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil vom 04.09.2003 V R 9, 10/02, a.a.O.), kommt einer möglichen zivilrechtlichen Verpflichtung der Firma A durch eine nachträgliche Genehmigung (vgl. § 177 Abs. 1 BGB bzw. § 91a HGB) der Geschäfte aufgrund der unwidersprochenen Hinnahme der Gutschriften im Januar 2007 oder aufgrund der eigenen Rechnungsstellungen am 19.01.2007 und am 05.04.2007 keine umsatzsteuerliche Bedeutung mehr zu.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe zur Frage der tatsächlichen Ausführung der Lieferungen durch die Firma A sieht das Gericht ab und verweist auf die zutreffenden Ausführungen des Finanzamtes in der Einspruchsentscheidung vom 14.05.2008 (vgl. § 105 Abs. 5 FGO).

3. Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG auch deswegen nicht zu, weil der Firma A die hierfür erforderliche Unternehmereigenschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG fehlte.

a) Soweit eine rechtlich wirksam gegründete und tatsächlich existierende Kapitalgesellschaft als Leistender auftritt, kommt es bei der Beurteilung ihrer Unternehmereigenschaft darauf an, ob sie tatsächlich in der Lage war, Umsätze zu tätigen und zu bewirken, so dass der Abnehmer die Verfügungsmacht an den Liefergegenständen von ihr erlangt hat (vgl. BFH-Urteil vom 28.01.1999 V R 4/98, BStBl. II 1999, 628). Dabei sind die Umstände des jeweiligen Sachverhalts zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BStBl. II 1996, 620; BFH-Beschluss vom 10.05.1999 V B 1/99, BFH/NV 1999, 1526; Klenk in Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar, § 2 Rz. 225).

Unter Maßgabe von § 2 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche und berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Merkmal der Selbständigkeit findet im Umsatzsteuergesetz keine Definition. Die Regelung in Artikel 4 Abs. 4 Satz 2 der 6. EG-Richtlinie bzw. Art 11 MwStSystRL verlangt für die Selbständigkeit eine rechtliche Unabhängigkeit. Juristische Personen sind zwar unternehmerfähig, jedoch nicht schon kraft Gesellschaftsform als Unternehmer i.S.v. § 2 UStG anzusehen. Es erreicht zwar auch eine nur zum Schein gegründete juristische Person Rechtsfähigkeit, wenn ihr die Eintragung ins Handelsregister gelingt (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. § 1 Rz. 40; BFHZ 21, 378 ff). Die Unternehmereigenschaft verlangt aber zudem eine nach außen gerichtete Tätigkeit gegenüber Dritten mit dem Ziel, eine entgeltliche Leistung zu erbringen (vgl. Seite in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG-Kommentar, § 2 Rz. 70/71). Bei Anwendung der Regelungen zur Organschaft folgt aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, dass eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse dann nicht selbständig tätig wird, wenn sie finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein anderes Unternehmen eingegliedert ist. Damit fehlt einer juristischen Person die Selbständigkeit, wenn sie sich nur als willenloses Werkzeug eines anderen darstellt, also nur noch den Willen des anderen zur Geltung bringen kann (vgl. Klenk in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 2 RdNr. 60, 85; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG-Kommentar, § 2 Rz. 481; FG Nürnberg Beschluss vom 09.08.2002, Az. II 474/2001, [...]).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Firma A zur Überzeugung des Gerichts eine Selbständigkeit und damit die Unternehmereigenschaft im Sinne von § 2 UStG nicht erlangt. Sie trat vielmehr nur als willenloses Werkzeug einer ihr Handeln bestimmenden Organisation auf, deren tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeiten sie verdecken sollte.

Wie bereits oben dargestellt, ist aus den Umständen der Errichtung der Firma A, der Bestellung des Geschäftsführers U V und der Anmietung des Büroraumes darauf zu schließen, dass ihr eine wirtschaftliche Tätigkeit in der Beschaffung und im Weiterverkauf von Monolithen bzw. Katalysatoren am bestehenden Markt nicht möglich war. Es liegen keinerlei Erkenntnisse vor, die eine entsprechende Branchenkenntnis des Geschäftsführers U V nachvollziehbar machen lassen. V benannte in seiner Befragung durch die Steuerfahndung als seinen Geschäftspartner 2, der nach den Feststellungen der Steuerfahndung im Jahre 2005 als Geschäftsführer der Firma P in Q tätig war, die ebenfalls auf die Vermittlung des IJ gegenüber der Klägerin Altkatalysatoren geliefert hatte. Jedoch war die P, die als Ausstellerin der Rechnung vom 31.10.2006 an die Firma A erscheint , bereits am 08.03.2006 im Handelsregister gelöscht und es hatte sich deren Geschäftsführer 2 mit unbekannter Anschrift nach Serbien abgemeldet (vgl. Zwischenbericht). Der Klägerin gegenüber war hingegen als Ansprechpartner regelmäßig IJ aufgetreten, der unter Anderem in Vorjahren die Lieferungen unter den Firmennamen P, R in S (vgl. Zwischenbericht) und schließlich der Firma A angekündigt und der mit der Klägerin die entsprechenden Handelskonditionen vereinbart hatte.

Die Anlieferungen der streitbefangenen Waren wurden ausschließlich von X Y ausgeführt. Zwar verfügte dieser über eine Inkassovollmacht zugunsten der Firma A, jedoch sind ansonsten keine Unterlagen über die entsprechenden Transportaufträge und deren Abrechnungen gegenüber der Firma A bekannt. X Y war auch bereits für die Firma R als Transporteur und Zahlungsempfänger für Anlieferungen aufgetreten (vgl. Ermittlungsakten der StA 3 ).

Selbst unter Berücksichtigung der Ausführungen der Geschäftsführerin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, wonach sie den Eindruck gehabt habe, V verstehe etwas von den Geschäften, die unter dem Namen der Firma A getätigt worden waren und er habe sich um die erforderlichen Entsorgungsnachweise gekümmert, kommt das Gericht bei einer umfassenden Würdigung der Umstände, unter denen die Firma A gegenüber der Klägerin aufgetreten ist, zu der Überzeugung, dass sie alleine zur Verdeckung der Organisation aufgetreten ist, die tatsächlich die der Klägerin gelieferten Waren beschafft und an sie weiterveräußert hat.

4. Die Klägerin kann einen Anspruch auf den Vorsteuerabzug nicht darauf gründen, dass sie von der Unternehmereigenschaft der Firma A ausgegangen ist und aufgrund deren Eintragung in das Handelsregister und ihrer Gewerbeanmeldung auf ihre Selbständigkeit als Unternehmer vertrauen durfte.

a) Das Merkmal der Selbständigkeit als Voraussetzung der Unternehmereigenschaft und damit auch als Voraussetzung der Vorsteuerabzugsberechtigung ist nach objektiven Kriterien und nicht aus der Sicht des Leistungsempfängers zu beurteilen (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 15 Rz. 295 ff; Reiß in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 15 Rz. 83 ff; a.A. Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz. 482; Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 15 Rz. 302). Nach dem Wortlaut und auch nach Sinn und Zweck des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ist der Vorsteuerabzug nur zu gewähren, wenn die bezogene Leistung von einem Unternehmer erbracht worden ist. Im System der Allphasen-Netto-Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug soll die umsatzsteuerliche Entlastung der Vorbezüge grundsätzlich nur innerhalb der Unternehmerkette stattfinden. Dies setzt voraus, dass die bezogene Leistung tatsächlich von einem Unternehmer bewirkt worden ist. Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, ob der den Vorsteuerabzug geltend machende Unternehmer die fehlende Unternehmereigenschaft desjenigen hat erkennen können, von dem angeblich die Leistung bezogen worden ist. Fehlt es objektiv am Tatbestandsmerkmal der Unternehmereigenschaft oder kann es nicht nachgewiesen werden (vgl. Forgách in Reiß/Kraeusel/Langer, a.a.O., § 15 Rz. 85.11), so kommt ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht. Einen Gutglaubensschutz hat das Umsatzsteuergesetz insoweit nicht vorgesehen (vgl. BFH-Urteile vom 24.04.1986, V R 110/76, BFH/NV 1987, 745 und vom 01.02.2001 VR 6/00, BFH/NV 2001, 941; BFH-Beschluss vom 12.03.2008 XI B 206/06, BFH/NV 2008, 1212). Der Unternehmer trägt vielmehr allein das wirtschaftliche Risiko der tatsächlichen Existenz seines angeblichen Vertragspartners.

b) Nach diesen Grundsätzen kommt der begehrte Vorsteuerabzug nicht in Betracht, weil es der Firma A, wie oben ausgeführt, objektiv an der Unternehmereigenschaft nach § 2 UStG fehlte. Sie verfügte nicht über die erforderliche Selbständigkeit, weil sie hinsichtlich der Lieferungen von Altkatalysatoren und Monolithen in die Organisationsstruktur einer die Tätigkeiten der Firma A bestimmenden Vereinigung eingebunden war. Da somit eine objektive Tatbestandsvoraussetzung des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG fehlt, nämlich die Unternehmereigenschaft der Firma A als Empfängerin der Gutschriften, ist zwingend der Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

Als der einen Vorsteuerabzug begehrende Steuerpflichtige befindet sich die Klägerin nicht in einer Rechtsposition, die sie als Erfüllungsgehilfin des Staates hinsichtlich der Erhebung der Umsatzsteuer auszeichnet (so wohl Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 15 Rz. 104). Vielmehr kann sie als Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug nur beanspruchen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen als Vergütungsanspruch gemäß § 37 Abs. 1 AO gegeben sind (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 15 Rz. 48). Insoweit trägt die Klägerin alleine das finanzielle und wirtschaftliche Risiko, wenn sie im Geschäftsverkehr tätig ist und Warenbezüge vornimmt, für die sie ein Entgelt entrichtet, die Kosten jedoch nicht durch den Vorsteuerabzug mindern kann (vgl. FG Nürnberg-Urteil vom 18.10.2005, Az. II 364/04, [...]). Die wirtschaftliche Belastung mit nicht abziehbarer Vorsteuer kann nicht auf die Allgemeinheit überwälzt werden, sondern es ist ein möglicher zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegenüber dem Geschäftspartner geltend zu machen.

5. Auch nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des EuGH zum Vorsteuerabzug bei der Einbindung in kriminelle Karussell-Geschäfte kommt ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht (vgl. EuGH-Urteil vom 06.07.2006 C-439/04, UR 2006, 594).

a) Nach der Rechtsprechung des EuGH und dieser folgend des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 19.04.2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl. II 2009, 315 m.w.N.) verliert ein Steuerpflichtiger nicht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn er alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von einem Wirtschaftsteilnehmer verlangt werden können, um sicherzustellen, dass die Lieferungen und Leistungen für sein Unternehmen nicht in einen Betrug oder eine Steuerhinterziehung einbezogen sind. Zu den Obliegenheiten eines sorgfältigen Unternehmers gehört es dabei, dass er sich über die Richtigkeit der Geschäftsdaten seiner Vertragspartner versichert (BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BStBl. II 1996, 620). Das nationale Gericht hat aber den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu verweigern, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligte, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Dies gilt selbst dann, wenn der fragliche Umsatz den objektiven Kriterien genügt, auf denen der Begriff der Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher ausführt, und der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit beruhen (EuGH -Urteil vom 06.07.2006 C-439/04 und 440/04, UR 206, 594, dort Rz. 59).

Nach der Rechtsprechung des EuGH genügt bereits eine fahrlässige Unkenntnis der Umstände der Mehrwertsteuerhinterziehung, wie es sich aus der Formulierung "hätte wissen müssen" ergibt. Ob der EuGH mit dieser Formulierung nach deutschem Rechtsverständnis eine grobe bzw. bewusste Fahrlässigkeit für erforderlich hält - wofür die Wortwahl "wissen müssen" spricht, oder ob bereits die einfache Fahrlässigkeit zur Versagung des Vorsteuerabzugs genügen würde, braucht hier nicht entschieden zu werden. Denn nach der Erkenntnis des Gerichts haben die Verantwortlichen der Klägerin die ihnen obliegende Sorgfalt bei der Ausführung der Geschäfte im Zusammenhang mit der Firma A in ganz erheblichem Maße verletzt, also grobfahrlässig gehandelt. Eine grobe Fahrlässigkeit ist nämlich dann gegeben ist, wenn ein Steuerpflichtiger die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände imstande ist, in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht lässt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19.02.2002 IV R 37/01, BStBl. II 2003, 385 m.w.N.).

b) Nach den Umständen des Streitfalls, wie sie sich für das Gericht darstellen, haben die Geschäftsführer der Klägerin mit grober Fahrlässigkeit gehandelt, als sie sich auf das Ansinnen ihres langjährigen Geschäftspartners IJ im September 2006 einließen, weitere von ihm organisierte Lieferungen auf den Namen der Firma A abrechnen zu lassen. Mit dieser Firma hatte die Klägerin bisher keinen Geschäftskontakt unterhalten. Angesichts ständig wechselnder Anlieferfirmen wie P oder R, die in Zusammenhang mit IJ standen, hätten die Geschäftsführer der Klägerin besondere Sorgfalt hinsichtlich der neuen Geschäftsbeziehung zur Firma A walten lassen müssen. Die Versicherung der Eintragung in das Handelsregister und der Gewerbeanmeldung reichten nicht aus, um eine tatsächlich und rechtlich unbedenkliche Geschäftstätigkeit der Firma A annehmen zu können. Auch die Besprechungen mit dem Geschäftsführer V genügten nicht, um von einer verlässlichen Geschäftsbeziehung ausgehen zu können, zumal aufgrund der Hilfestellung bei der Beantragung einer abfallrechtlichen Erzeugernummer erkennbar war, dass er in Belangen der Abfallwirtschaft nicht kundig war. Spätestens nach den Besprechungen mit der Steuerfahndung im November 2006 hätten die Verantwortlichen der Klägerin hinsichtlich der neuen Geschäftsbeziehung mit der Firma A besondere Sorgfalt walten lassen müssen. Eine telefonische Auskunft einer Finanzbeamtin über die steuerliche Erfassung der Firma genügte nicht, um die Firma A hinsichtlich der Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus auf ihren Namen ausgeführten Lieferungen unbedenklich erscheinen zu lassen. Angesichts der erheblichen Liefermengen und der großen Bargeldzahlungen hätte ein sorgfältiger Geschäftsmann das Risiko einer Vorsteuerversagung zumindest durch einen entsprechenden Sicherheitseinbehalt abgedeckt, bis sich die neue Geschäftsbeziehung auf Dauer als tragfähig und verlässlich erwiesen hätte, bzw. es wäre zunächst eine Abrechnung ohne gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer angebracht gewesen.

Zudem ist bei der Beurteilung des Verhaltens der Geschäftsführer der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit genügend Erfahrung erworben haben mussten, um die Problematik des Vorsteuerabzugs in der Branche der Abfallwirtschaft erkennen und die damit zusammenhängenden Risiken einschätzen und diese ausschließen zu können. Gerade der ständige kurzfristige Wechsel von Zulieferfirmen, die mit IJ im Zusammenhang standen, zeigt, dass die Klägerin mögliche Gefahren leichtfertig in Kauf genommen hatte. Es zeugt daher nach Auffassung des Gerichts von einer ungewöhnlichen Sorglosigkeit, im Januar 2007 gegenüber der Firma A mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer im Gutschriftenverfahren abzurechnen und sich gegen den erkennbaren Verlust des Vorsteuerabzugs nicht gegenüber der Firma A abzusichern. Das Gericht kommt daher unter den besonderen Umständen des Streitfalles zu der Auffassung, dass es für die Verantwortlichen der Klägerin ohne Weiters erkennbar war, dass die Geschäftsbeziehung zu IJ im Handel mit Altkatalysatoren und daraus gewinnbaren Materialien eine erhebliche Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens mit sich brachte. Insbesondere der ständige Wechsel der deutschen Lieferfirmen und das Auftreten der neuen Firma A hätten Anlass zu besonderer Sorgfalt geben müssen, zumal sich den Geschäftsführern der Klägerin aus den Umständen der Zusammenarbeit mit IJ und der Anlieferungen der Materialen durch polnische Frachtführer die Möglichkeit eines Umsatzsteuerbetruges hätte aufdrängen müssen.

Danach konnte die Klage unter keinen Gesichtspunkten erfolgreich sein.

Die Klägerin hat als der unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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