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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 19.05.2009
Aktenzeichen: 4 K 1535/08
Rechtsgebiete: FGO, BGB, AO


Vorschriften:

FGO § 44
FGO § 46 Abs. 1 S. 1
BGB § 133
AO § 110 Abs. 1
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
AO § 355 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

4 K 1535/08

Einkommensteuer 1997 bis 2000 (Eingang 24.09.2008)

In dem Rechtsstreit

...

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ... und ...

die Richterin am Finanzgericht ...,

die ehrenamtlichen Richter ... und ...

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 19.05.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Dipl.-Ing. auf dem Gebiet der Hochdrucktechnik. Er reichte seine Einkommensteuererklärung für die Jahre 1997 bis 1999 am 02.08.2001 beim Finanzamt ein. Dabei erklärte er Einkünfte als beschränkt Steuerpflichtiger aus Vermietung und Verpachtung des Hauses Str 1 in 1. Einkünfte aus selbständiger Arbeit, nichtselbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb wurden nicht erklärt.

Der Kläger war nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes der Verwaltungsgemeinschaft zunächst bis zum 31.12.1996 in der Str 1 in 1 gemeldet. In der Zeit vom 15.01.2000 bis 31.12.2001, vom 01.01.2005 bis zum 10.05.2005, vom 06.03.2006 bis zum 10.03.2006 und am 13.06.2007 war er ebenfalls dort gemeldet.

Nach Auskunft der spanischen Behörden vom 19.09.2006 hat der Kläger keinen steuerlichen Wohnsitz in Spanien und dort 1997 bis 2004 keine Einkommensteuererklärungen abgegeben.

Am 01.09.1997 hat der Kläger mit seinem Sohn A eine Vereinbarung abgeschlossen, die u.a. vorsah, dass der Sohn für jeden abgewickelten Auftrag in Bezug auf das EDV-Programm an den Kläger privat eine Lizenzgebühr für die Vertriebsrechte in Höhe zwischen 17 und 55% bezahlt. Weiter sah der Vertrag vor, dass der Sohn an Fa. EDV-S.L. für jeden abgewickelten Auftrag eine Lagergebühr bezahlt. Am 01.01.1998 schloss der Kläger als Bevollmächtigter der Firma Fa. 2 Ltd ., Spanien , mit der Firma des Sohnes eine Kooperationsvereinbarung.

Beim Kläger fand für die Jahre 1997 bis 2000 eine Fahndungsprüfung statt, die mit Fahndungsbericht vom 08.08.2006 und Ermittlungsbericht vom 10.08.2006 abgeschlossen wurde. Die Steuerfahndung und dem folgend das Finanzamt vertraten die Auffassung, dass der Kläger entgegen seinen Angaben in den Steuererklärungen für die Jahre 1997 bis 1999 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei, da er in 1 noch seine Wohnung bzw. seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Diesen Wohnsitz in 1 habe er beibehalten und weiter genutzt und von dort seinen Beruf ausgeübt. Er habe sich zwar in der Zeit von 1997 bis 1999 häufig in Spanien aufgehalten, dort jedoch nie einen eigenen Haushalt besessen und meist auf seinem hochseetauglichen Motorboot gelebt. Im Jahr 2000 habe der Kläger seinen Wohnsitz wieder offiziell nach 1 verlegt und gleichzeitig ein gewerbliches Einzelunternehmen angemeldet und betrieben.

Weiter vertrat die Steuerfahndung die Auffassung, dass der Kläger in den Jahren 1997 bis 1999 für seine Tätigkeit und die Zurverfügungstellung von "Knowhow" erhebliche Zahlungen (Provisionen) seines Sohnes A erhalten habe, die er in seinen Einkommensteuererklärungen vom 02.08.2001 nicht erklärt habe.

Das Finanzamt erließ am 04.09.2006 für die Streitjahre 1997 bis 2000 Einkommensteuerbescheide, in denen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß der Einkommensteuererklärung des Klägers und Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach dem Bericht der Steuerfahndung vom 08.08.2006 in Höhe von 28.785 DM für 1997, 96.992 DM für 1998, 101.108 DM für 1999 und 46.382 DM für 2000 angesetzt wurden. Das Finanzamt stützte sich dabei auf das Gutachten des Wirtschaftsprüfers 2 über die Auseinandersetzung der EDV-GbR vom 25.10.2000. Die Bekanntgabe der Bescheide erfolgte mit einfachem Brief an die Adresse Str. 1 in 1 .

Mit Schreiben vom 19.10.2006 sandte der Kläger diese Bescheide im Original an das Finanzamt zurück. Er führte in dem Schreiben, in dem als Adresse nur Cypern angegeben war, aus, dass er seit dem 1. Januar 1997 in Spanien seinen Wohnsitz genommen habe und daher in Deutschland nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig sei. Die vom Finanzamt genannten Beträge seien nicht an ihn, sondern gemäß dem mit seinem Sohn A geschlossenen Vertrag an die Firma Fa. 2 Ltd., Spanien , bzw. an die spanische Fa. EDV- S.L. geflossen. Weiter führte er aus, dass der Prüfungsbericht der Steuerfahndung falsch sei und die Forderungen für den Zeitraum 1994 bis 2000 zwischenzeitlich verjährt seien. Er forderte das Finanzamt auf, ihn in Zukunft mit Schreiben zu verschonen. Zudem sei die Adresse in 1 schon seit langem aufgelöst worden und die Post habe sich im Briefkasten eines Nachbarn befunden.

Nachträglich wertete das Finanzamt das Schreiben des Klägers vom 19.10.2006 als Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1997 bis 2000 und wies den Kläger mit Schreiben vom 16.10.2008 auf den verfristeten Eingang hin.

Mit Schreiben vom 17.10.2008 (Eingang beim Finanzamt am 21.10.2008) beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 Abs. 1 AO. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, er habe zum Zeitpunkt der Zustellung der Einkommensteuerbescheide keinen Wohnsitz in Deutschland gehabt. Außerdem seien die einzelnen Steuerbescheide ohne Rechtsbehelfsbelehrung ergangen und der Vorgang somit rechtsungültig.

Das Finanzamt verwarf die Einsprüche des Klägers vom 19.10.2006 gegen die Einkommensteuerbescheide für 1997, 1998, 1999 und 2000 vom 04.09.2006 mit Einspruchsentscheidung vom 11.11.2008 als unzulässig.

Zur Begründung wurde in der Einspruchsentscheidung ausgeführt, dass die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre am 04.09.2006 zur Post gegeben worden seien und damit die Bekanntgabe am 07.09.2006 als bewirkt gelte. Die Steuerbescheide seien in dem Briefkasten der damals bekannten Wohnanschrift des Klägers in 1 , Str 1 eingeworfen worden und somit in dessen Machtbereich gelangt. Ob der Kläger zum damaligen Zeitpunkt einen weiteren Wohnsitz in Spanien gehabt habe, könne in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Den Vortrag des Klägers, dass die Bescheide in dem Briefkasten eines Nachbarn gelangt seien, werte das Finanzamt als Schutzbehauptung. Wenn der Kläger einen von der Lebenserfahrung abweichenden Ausnahmesachverhalt vortrage, so trage er die objektive Beweislast für die Glaubhaftmachung der behaupteten außergewöhnlichen Sachverhaltsumstände. Im Streitfall habe der Kläger weder konkrete Angaben noch Nachweise dafür erbracht, dass die Bescheide vom Briefzusteller in den Briefkasten eines Nachbarn eingeworfen worden seien. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung könne aber davon ausgegangen werden, dass Postsendungen nur in die vom Empfangsadressaten dafür bereitgestellten Vorrichtungen eingeworfen werden und sofern dies nicht möglich ist, vom Zustelldienst wieder an den Absender zurückgeleitet werden.

Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 110 AO rechtfertigen würden, seien vom Kläger nicht vorgetragen worden und auch nach Aktenlage nicht gegeben. Die Behauptung des Klägers, er habe sich zum Zeitpunkt der Bekanntgabe im Ausland aufgehalten, sei schon deshalb zweifelhaft, da sein Einspruchsschreiben vom 19.10.2006 an diesem Tag auch beim Finanzamt eingegangen sei. Aber selbst wenn sich der Kläger tatsächlich längere Zeit im Ausland aufgehalten habe, so würde dies keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen, da er Vorsorge dafür hätte treffen müssen, dass die an ihn gerichteten Schreiben ihm rechtzeitig zugehen oder Termine anderweitig erledigt werden können.

Mit der Klage beantragt der Kläger

die Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 1997 bis 2000 vom 04.09.2006 und der Einspruchsentscheidung dazu vom 11.11.2008.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass die in den Einkommensteuerbescheiden enthaltenen Zahlen der Phantasie der Sachbearbeiter des Finanzamts entstammen würden.

Der Sohn des Kls habe an die Fa. EDV- S.L. in den Jahren 1997 bis 1999 Provisionen in Höhe von 144.971,03 DM geleistet. Diese Zahlungen seien im Jahr 2000 bzw. 2001 als Stammkapital für die Gründung der Firmen EDV- GmbH und Fa. 3 GmbH eingesetzt worden. Privat habe er sich aus diesen Zahlungen an die Fa. EDV- S.L. nichts entnommen. Auch seien die angeblichen Forderungen verjährt.

Zudem habe das Finanzamt trotz mehrfacher Aufforderung keinen Nachweis für die der Einkommensteuer zugrunde liegenden Einkünfte in den Streitjahren vorgelegt. Er habe im Streitzeitraum nicht in Deutschland gewohnt und sei daher nicht einkommensteuerpflichtig gewesen. Er sei mit seinem Segelboot drei Jahre auf Tour gewesen. Beruflich habe er in den Streitjahren eine Auszeit wegen eines Burnout-Syndroms genommen und in diesem Zeitraum auch kein Einkommen erzielt. Finanzbeamte sollten endlich akzeptieren, dass Menschen wie er, die jahrelang Steuern bezahlt haben, eine Auszeit aus dem Steuerzahlungssystem nehmen. Seine Wohnung sei vermietet gewesen, den Lebensunterhalt habe er aus Rücklagen bestritten.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend dargelegt, dass das Landgericht Hanau in der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2000 die gesamte Vertragskonstruktion mit der Fa. 2 Ltd., Spanien , bzw. der Fa. EDV-S.L. nicht begriffen habe. Er sei zudem im Besitz eines spanischen Ausweises mit einer Gültigkeit von Juli 1997 bis Juli 2002 und dann verlängert bis Juli 2007.

Das Finanzamt beantragt

Klageabweisung.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klage in der Sache unbegründet sei, da der Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide 1997 bis 2000 wegen Versäumung der Rechtsbehelfsfrist unzulässig gewesen sei.

Dem Gericht liegen die Einkommensteuerakte des Klägers für die Jahre 1997 bis 2000, eine Akte Fahndungsbericht, 2 Bände Rechtsbehelfsakten, und 1 Band Vollstreckungsakten vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Das Finanzamt hat zu Recht den Einspruch des Klägers mit Schreiben vom 19.10.2006 als verfristet und damit als unzulässig verworfen und eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt.

1. Die Klage ist zulässig. Zwar war zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Klage am 24.09.2008 die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 11.11.2008 hinsichtlich der Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 1997 bis 2000 noch nicht ergangen. Die Klage ist jedoch nicht wegen der fehlenden vorherigen Durchführung eines Vorverfahrens nach § 44 FGO unzulässig. Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO die Klage abweichend von § 44 FGO ohne vorherigen Abschluss eines Vorverfahrens zulässig. Die vom Kläger am 24.09.2008 erhobene Klage ist als Untätigkeitsklage auszulegen. Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, Prozesserklärungen in entsprechender Anwendung des § 133 BGB auszulegen. Danach ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Weiter ist zu berücksichtigen, in welchem Umfang und in welcher Intensität der verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz durch die in Frage stehende Prozesserklärung berührt wird (vgl. BFH-Beschluss vom 19.07.2005 XI B 206/04, BFH/NV 2006, 68 m.w.N.). Über die Einsprüche des Klägers vom 19.10.2006 hatte das Finanzamt auch im September 2008 und damit fast 2 Jahre seit Erhebung der Rechtsbehelfe noch nicht entschieden. In der Klageschrift hat der Kläger ausgeführt, dass sein Einspruch durch Rücksendung der Steuerbescheide vom Finanzamt nicht beachtet werde. Da es sich im Streitfall beim Kläger um keinen Rechtsanwalt, Steuerberater oder anderen Berufsträger handelt, legt das Gericht sein Rechtsschutzbegehren als Untätigkeitsklage aus.

2. Der Einspruch des Klägers ist erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingelegt worden.

a) Nach § 355 Abs. 1 Satz 1 AO sind Einsprüche gegen einen Steuerbescheid innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids einzulegen. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 355 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977).

b) Unter Bekanntgabe im Sinne des 122 Abs. 2 Nr. 1 AO wird nicht nur die tatsächliche Kenntnisnahme verstanden. Vielmehr ist ein Schriftstück schon dann zugegangen, wenn es derart in den Machtbereich des Empfängers (Inhaltsadressaten) gelangt ist, dass er unter Ausschluss unbefugter Dritter von dem Schriftstück Kenntnis nehmen und diese Kenntnisnahme nach allgemeinen Gepflogenheiten auch erwartet werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 13.10.1994 IV R 100/93, BStBl II 1995, 484; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 122 AO Rz. 7 und § 124 AO Rz. 8). Bestreitet der Empfänger, einen schriftlichen Verwaltungsakt innerhalb der Drei-Tage-Frist des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 erhalten zu haben, hat er nach ständiger Rechtsprechung des BFH substantiiert Tatsachen vorzutragen, die schlüssig auf einen späteren Zugang hindeuten und damit Zweifel an der Zugangsvermutung begründen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 31.03.2008 III B 151/07, BFH/NV 2008, 1335; vom 06.09.2001 X B 47/01, BFH/NV 2002, 350 m.w.N.; Pahlke/Koenig, AO § 122 Rz. 72; Klein/Brockmeyer, AO § 122 Rz. 53 ff; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 122 AO Rz. 59). An diese Substantiierung sind zwar keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, jedoch kann sich der Steuerpflichtige nicht erfolgreich mit dem einfachen Bestreiten des rechtzeitigen Zugangs begnügen. Auch die allgemeine Behauptung, die Bescheide nicht rechtzeitig erhalten zu haben, reicht nicht aus.

c) Im Streitfall hat der Kläger nichts vorgetragen, was schlüssig auf einen späteren Zugang hindeutet. Er hat nur ganz allgemein ausgeführt, die Bescheide verspätet erhalten zu haben. Die Nachbarn und Freunde hätten gewusst, dass er 1 verlassen habe und hätten ihm die Post nachgesandt, da sie die Schlüssel hatten. Auch der Postbote wäre informiert gewesen. Damit waren die Bescheide nach der Auffassung des Senats in den Machtbereich des Klägers gelangt, sodass dieser hiervon Kenntnis nehmen konnte und diese Kenntnisnahme nach allgemeinen Gepflogenheiten auch erwartet werden konnte. Unerheblich ist es hierbei, dass der Kläger sich für die Adresse Str 1 in 1 beim Einwohnermeldeamt abgemeldet hatte. Die Zugangsvermutung ist auch nicht durch die Einlassung einer eventuell durch Nachbarn erfolgten Nachsendung erschüttert. Der Kläger konnte in der mündlichen Verhandlung nicht sagen, zu welchem Zeitpunkt und von wem er die Bescheide erhalten hat. Die Bescheide seien ihm auf irgendeine Weise zugegangen. Auch konnte er nicht mehr sagen, an welchem Ort er die Bescheide erhalten hat. Er hat lediglich ausgesagt, dass er im Jahr 2006 überwiegend in Holland gewesen sei, das Schreiben vom 19.10.2006 in Zypern verfasst und bei seiner Rückkehr nach Deutschland beim Finanzamt eingeworfen habe. Damit hat der Kläger nicht substantiiert Tatsachen vorgetragen, die schlüssig auf einen späteren Zugang hindeuten und damit Zweifel an der Zugangsvermutung begründen können. Hierfür hätte es zumindest der Angabe des Zeitpunktes und des Orts des Erhalts der Bescheide bedurft und einer Angabe, auf welchem Weg und von wem die Bescheide an den Kläger weitergeleitet wurden. Das Vorbringen des Klägers zum Zugang beschränkt sich auf unsubstantiiertes Bestreiten. Auch ist es für den Senat unglaubwürdig, dass Nachbarn und Freunde über den momentanen Aufenthaltsort des Klägers informiert gewesen sein sollen, um ihm Post nachzuschicken, wenn er andererseits angibt, mit seinem Boot auf dem Meer unterwegs gewesen zu sein. Zudem spricht gegen den Vortrag des verspäteten Zugangs, dass der Kläger die Bescheide vom 04.09.2006 zurück gesandt hat, ohne einen verspäteten Zugang zu rügen.

d) Im Streitfall hat das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1997 bis 2000 am 04.09.2006 zur Post gegeben. Damit endete die Einspruchsfrist nach §§ 108 Abs. 1 AO i.V.m. 187 ff BGB mit dem Ablauf des 09.10.2006 (Montag). Diese Frist hat der Kläger nicht eingehalten, denn er hat erst am 19.10.2006 Einspruch eingelegt.

3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war dem Kläger nicht zu gewähren, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.

a) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm nach § 110 Abs. 1 AO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist nach § 110 Abs. 2 AO innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Schuldhaft handelt nach ständiger Rechtsprechung, wer die gebotene und ihm mögliche Sorgfalt bei der Fristwahrung außer Acht lässt und dadurch die Frist versäumt (vgl. BFH-Urteil vom 04.03.1998 IX R 44/97, BFH/NV 1998, 1056, Tipke/Kruse, AO/FGO, § 110 AO, Rz. 13). Grundsätzlich muss der Steuerpflichtige bei vorübergehender Abwesenheit keine Vorkehrungen dafür treffen, dass er behördliche Fristen einhalten kann (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 110 AO, Tz. 24; Klein/Brockmeier, AO § 110 Tz. 6; Kuczynski in Beermann/Gosch, § 110 AO Rz. 34; Pahlke/Koenig, AO § 110 Rz. 39). Jedoch trifft den Steuerpflichtigen bei einer Urlaubsabwesenheit von mehr als 6 Wochen eine Pflicht dafür zu sorgen, dass ein Vertreter bestellt wird, damit ihn Zustellungen erreichen (vgl. Tipke/Kruse AO/FG § 110 AO Tz. 24; Klein/Brockmeier, AO § 110 Tz. 6; Pahlke/Koenig, AO § 110 Rz. 39). Weiter hat er Vorkehrungen zu treffen, wenn die Abwesenheit die Regel und die Anwesenheit im Inland die Ausnahme ist (Pahlke/Koenig, AO § 110 Rz. 39) oder er vor Antritt der längeren Reise mit Fristsetzungen aus Bescheiden konkret rechnen muss (vgl. BFH-Beschluss vom 11.04.2001 I B 123/00, BFH/NV 2001, 1221; Pahlke/Koenig, AO § 110 Rz. 39).

b) Im Streitfall hat der Kläger keine Vorkehrungen vorgetragen und getroffen, dass ihn fristauslösende behördliche Schreiben bei längerer Abwesenheit rechtzeitig erreichen. Das Finanzamt hatte ihm mit Schreiben vom 14.07.2006 die Prüfungsfeststellungen mitgeteilt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Dieses Schreiben hat er auch erhalten, denn er nahm mit Schreiben vom 07.08.2006 hierauf Bezug. Da der Kläger mit Bescheiden aus der Steuerfahndungsprüfung rechnen musste, hat er die gebotene und ihm mögliche Sorgfalt bei der Fristwahrung außer Acht gelassen und dadurch die Frist schuldhaft versäumt. Zudem ging die Abwesenheit des Klägers nach seinen Angaben über 6 Wochen hinaus. Das Schreiben des Klägers vom 07.08.2006, in dem er das Finanzamt auffordert, den Fahndungsbericht und Bescheide postlagernd an ihn "Pazifischen Ozean, Dritte Welle links Nr. 56" zu senden, zeigt vielmehr, dass er zum einen keine Vorkehrungen getroffen hat, um behördliche Fristen einzuhalten. Zum anderen offenbart es sein mangelndes Interesse, entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Damit hat er die Fristversäumnis verschuldet.

Danach war die Klage ohne weitere Sachprüfung als unbegründet abzuweisen (vgl. BFH-Urteil vom 20.09.1989 X R 8/86, BStBl. II 1990, 177; Gräber/von Groll, FGO, 6. Auflage, § 44 Rz. 16).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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