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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 07.08.2008
Aktenzeichen: 4 K 2028/2007
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

4 K 2028/2007

Einkommensteuer 2002

In dem Rechtsstreit

...

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

ohne mündliche Verhandlung

in der Sitzung vom 07.08.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Einkommensteuerbescheid für 2002 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden kann.

Die Kläger reichten die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2002 am 09.10.2003 ein. Auf Seite zwei des Mantelbogens wiesen die Kläger in der Zeile Vermietung und Verpachtung mit der Anzahl "1" auf eine Anlage Vermietung und Verpachtung hin. Der Einkommensteuererklärung war für das Objekt 1 eine Anlage V sowie weitere Unterlagen beigefügt. Für ein der Klägerin gehörendes Zweifamilienhaus in 2 wurde weder eine Anlage V für das Jahr 2002 eingereicht, noch wurden sonst hierfür Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt.

Mit Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 03.02.2004 veranlagte das Finanzamt die Kläger weitgehend gemäß ihrer Steuererklärung zusammen zur Einkommensteuer. Der Bescheid war nach § 165 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen für eine dauernde Last unter Bezugnahme auf das beim BFH anhängige Verfahren unter dem Az. IX R 8/98 sowie hinsichtlich der sogenannten Katalogvorläufigkeiten teilweise vorläufig. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Am 31.10.2005 erließ das Finanzamt einen nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid. Die Änderungen ergaben sich hinsichtlich des Bereichs Renten und dauernde Lasten. Der Bescheid wurde mit Ausnahme der Katalogvorläufigkeiten für endgültig erklärt.

Mit der am 25.11.2004 beim Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung für 2003 erklärten die Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auch für das im Alleineigentum der Klägerin stehende Zweifamilienhaus 2. In der Anlage V erklärten sie hierbei bei den Werbungskosten unter der Zeile 45 "auf bis zu 5 Jahre zu verteilende Erhaltungsaufwendungen nach den §§ 11 a, 11 b EStG", u.a. aus 2002 einen Betrag von 1.306,80 EUR (1/5 von 6.534 EUR). Nach der beigefügten Rechnung handelte es sich dabei um die Erneuerung der Heizkesselanlage mittels Ölkessel und Kamineinsatz.

Die Kläger beantragten mit Schreiben vom 16.06.2007 eine Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2002. Sie machten die nachträgliche Berücksichtigung von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus dem Zweifamilienhaus 2 in Höhe eines Verlustes von 5.784 EUR (Mieteinnahmen 2.147 EUR; AfA 704 EUR, sonstige Ausgaben 693 EUR; Erhaltungsaufwand 6.534 EUR) geltend. Als Begründung führten sie an, dass ihnen die Tatsache, dass eine Verteilung von Erhaltungsaufwendungen nicht möglich sei, nicht bekannt gewesen sei. Dies hätten sie erst durch die Ausführungen des Finanzamts im Verfahren zur Einkommensteuer 2003 mit dem Schreiben vom 05.04.2007 erfahren.

Das Finanzamt lehnte mit Bescheid vom 04.07.2007 den Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2002 ab.

Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos.

Mit der Klage begehren die Kläger sinngemäß, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 04.07.2007 und der Einspruchsentscheidung vom 13.11.2007 das Finanzamt zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 31.10.2005 dahin zu ändern, dass zusätzliche negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 5.784 EUR berücksichtigt werden.

Zur Begründung führen die Kläger an, dass dem Finanzamt bei Erlass des Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr vom 31.10.2005 bekannt gewesen sei, dass sie in ihrer Einkommensteuererklärung für 2003 Erhaltungsaufwendungen aus 2002 geltend gemacht hätten. Die Einreichung der Einkommensteuererklärung für 2003 am 25.11.2004 hätte für das Finanzamt Anlass sein müssen, sie darauf hinzuweisen, dass sie eine Geltendmachung des Verlustes für das Objekt 2 im Streitjahr übersehen hätten. Hätten sie gewusst, dass eine Verteilung von Erhaltungsaufwand nach den §§ 11a und 11b EStG nicht möglich sei, so hätten sie bereits im Streitjahr in der Einkommensteuererklärung die negativen Einkünfte geltend gemacht im Hinblick auf die zukünftige Vermietung. Da sie jedoch erst durch das Schreiben des Finanzamts vom 05.04.2007 Kenntnis erhalten hätten, sei es nur billig, dass eine Änderung stattzufinden habe. Zudem könne das Finanzamt ihnen nicht vorwerfen und ihnen Verschulden unterstellen, dass sie auf die Geltendmachung negativer Einkünfte im Streitjahr verzichtet haben. Die Unkenntnis steuerlicher Bestimmungen könne doch nicht zum Vorwurf groben Verschuldens gemacht werden. Ein grobes Verschulden liege im Streitfall nicht vor, da sie zu keiner Zeit vorsätzlich gehandelt und auch die zumutbare Sorgfalt nicht in ungewöhnlichem Maße verletzt hätten.

Das Finanzamt beantragt Klageabweisung.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht möglich sei. Zwar sei der mit Schreiben vom 16.06.2007 nachträglich geltend gemachte Verlust aus dem Zweifamilienhaus 2 eine Tatsache, die dem Finanzamt bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung 2002 nicht bekannt gewesen sei, und daher eine neue Tatsache. Für die Kenntnis des Finanzamts sei hierbei aber auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr, nämlich auf den 03.02.2004, abzustellen. Dieser Bescheid sei bereits vor Eingang der Einkommensteuererklärung für 2003 am 25.11.2004 erlassen worden und habe mit Ausnahme der Vorläufigkeitstatbestände Bestandskraft erlangt. Die Kläger würden verkennen, dass der geänderte Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 31.10.2005 lediglich ein Änderungsbescheid sei, dessen Änderung sich ausschließlich auf die durch einen Vorläufigkeitsvermerk vorbehaltene dauernde Last beschränkt habe.

Den Klägern sei grobes Verschulden vorzuwerfen, denn ein Fall von grober Fahrlässigkeit liege insbesondere dann vor, wenn der Steuerpflichtige die Erklärungspflicht schlecht erfülle, indem er unzutreffende oder unvollständige Erklärungen abgebe (vgl. BFH-Urteil vom 16.09.2004, IV R 62/02, BStBl. II 2005, 75 m.w.N). Der Steuerpflichtige habe gemäß § 150 Abs. 2 Satz 1 AO die Angaben in der Steuererklärung nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Um die Steuererklärung vollständig und wahrheitsgemäß abgeben zu können, müsse er das Erklärungsformular gewissenhaft durchlesen. Die Kläger hätten eine unvollständige Einkommensteuererklärung für 2002 dadurch abgegeben, dass sie keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Zweifamilienhaus in 2 erklärt haben. Sie wären jedoch verpflichtet gewesen, für dieses Haus eine Anlage V einzureichen, da sie aus diesem Objekt Einnahmen erzielt haben.

Dem Gericht liegen die vom Finanzamt überlassenen Einkommensteuerakten für das Streitjahr sowie für die Jahre 1996 bis 2001 vor.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Das Finanzamt hat zu Recht die beantragte Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2002 abgelehnt. Die Kläger trifft am nachträglichen Bekanntwerden der steuermindernden Tatsachen ein grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

1. Als grobes Verschulden haben die Steuerpflichtigen Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Grob fahrlässig handelt nach ständiger Rechtsprechung des BFH, wer die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen und Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (vgl. BFH-Urteile vom 16.09.2004 IV R 62/02, BStBl II 2005, 75; und vom 06.10.2004 X R 14/02, BFH/NV 2005, 156 m.w.N.; Loose bei Tipke/Kruse AO/FGO § 173 AO Rz. 76). Ein grobes Verschulden kann vorliegen, wenn die Steuerpflichtigen ihrer Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommen, indem sie z.B. eine unvollständige Steuererklärung abgeben (vgl. BFH-Urteil vom 16.09.2004, IV R 62/02, BStBl. II 2005, 75 m.w.N). Zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Abgabe der Steuererklärung müssen die Steuerpflichtigen das Einkommensteuerformular und die dazugehörigen Erläuterungstexte durchlesen und die beigefügten Erläuterungen beachten. Der Steuerpflichtige handelt regelmäßig grob schuldhaft, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen ganz bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beachtet (vgl. BFH-Urteil vom 29.06.1984 VI R 181/80, BStBl II 1984, 693; Klein/Rüsken, AO § 173 Rz. 115). Zwar ist dem Steuerpflichtigen ein auf mangelnder Kenntnis steuerrechtlicher Vorschriften beruhender Rechtsirrtum im allgemeinen nicht anzulasten, dies gilt aber nur, wenn sie ihre Erklärungspflichten, zu denen es auch gehört, im Steuererklärungsformular auf bestimmte Vorgänge bezogene Fragen zu beantworten, erfüllt haben und sich aufdrängenden Zweifeln nachgehen (vgl. BFH-Urteil vom 01.10.1993 III R 58/92, BStBl. II 1994, 346). Grobe Fahrlässigkeit liegt auch vor, wenn ein Steuerpflichtiger bei einer überschaubaren Anzahl von Vermietungsobjekten es unterlässt, die Steuererklärung im Hinblick auf die Anzahl der einzelnen Objekte zu überprüfen (vgl. BFH-Urteil vom 08.12.1998 IX R 14/97, BFH/NV 1999, 743; Pahlke/Koenig, AO § 173 Rz. 121).

2. Im Streitfall trifft die Kläger am nachträglichen Bekanntwerden der steuermindernden Tatsachen ein grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Es liegt zwar eine neue Tatsache vor, denn dem Finanzamt wurde erst nach Eintritt der Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre bekannt, dass die Kläger Einkünfte in der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung in 2 erzielten. Die Kläger haben die nach ihren persönlichen Verhältnissen und Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt, denn sie haben dadurch eine unvollständige Steuererklärung abgegeben, dass sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nur für das Objekt in 1, nicht aber für das Zweifamilienhaus in 2 erklärten. Da es sich bei zwei Häusern um eine überschaubaren Anzahl von Vermietungsobjekten handelt, trifft die Kläger am nachträglichen Bekanntwerden der steuermindernden Tatsachen ein grobes Verschulden, dass sie die Steuererklärung nicht im Hinblick auf die Anzahl der einzelnen Objekte überprüft haben (vgl. BFH-Urteil vom 08.12.1998 IX R 14/97, BFH/NV 1999, 743; Pahlke/Koenig, AO § 173 Rz. 121). Gerade die Tatsache, dass die Kläger jahrelang Vermietungseinkünfte für die Wohnung in 1 erklärten, zeigt, dass ihnen bewusst war, dass die Erklärungspflicht für jedes Vermietungsobjekt besteht. Zudem haben die Kläger bei der Steuererklärung des Streitjahres Einkünfte und Werbungskosten teilweise sehr penibel und exakt angeführt (z.B. Fahrtaufwendungen zur Wohnung nach 1; Bürobedarf und Arbeitsmittel; außergewöhnliche Belastungen). Diese in anderen Bereichen festzustellende Sorgfalt zeigt, dass die Kläger nach ihren persönlichen Verhältnissen und Fähigkeiten die entsprechenden Kenntnisse hatten. Hierfür spricht schließlich auch der Beruf des Klägers als Bankkaufmann.

3. Das grobe Verschulden der Kläger ist auch nicht deshalb unbeachtlich, weil das Finanzamt eine Hinweispflicht oder Ermittlungspflicht verletzt hätte.

Für das Finanzamt bestand keine Ermittlungspflicht oder Nachfragepflicht, ob die Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung neben dem Haus in 1 auch für ein weiteres Objekt erzielt hätten. In den dem Streitjahr vorausgehenden Jahren 1996 bis 2001 hatten die Kläger nach den Steuerakten dieser Jahre ebenfalls nur Vermietungseinkünfte für die Wohnung in 1 erklärt. Daher durfte das Finanzamt davon ausgehen, dass das Mietverhältnis für das Wohnhaus in 2 seit dem Jahr 1995 nicht mehr besteht (so der Aktenvermerk vom 07.09.2005). Auch bestand für das Finanzamt nach Einreichung der Einkommensteuerklärung für 2003 am 25.11.2004 keine Hinweispflicht, dass die Kläger eine Geltendmachung des Verlustes für das Objekt 2 im Streitjahr übersehen hätten, denn zu diesem Zeitpunkt war der Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 03.02.2004 bereits bestandskräftig. Abzustellen ist hier entgegen der Klägeransicht allein auf den Einkommensteuerbescheid vom 03.02.2004 und nicht auf den Änderungsbescheid vom 31.10.2005. Der Bescheid vom 03.02.2004 wurde mit Ausnahme einiger Vorläufigkeitstatbestände bestandskräftig. Zu den Vorläufigkeitsvermerken gehörte jedoch nicht der Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sodass insoweit bereits Bestandskraft eingetreten war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.



Ende der Entscheidung

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