Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 05.08.2009
Aktenzeichen: 4 K 709/09
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 200 Abs. 1
AO § 200 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

ohne mündliche Verhandlung

in der Sitzung vom 05.08.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist die Festlegung des Prüfungsortes durch das Finanzamt.

Der Kläger betreibt ein Gewerbe der Eisenflechterei. Er verfügt über keine Geschäftsräume. Mit Prüfungsanordnung vom 27.01.2009 ordnete das Finanzamt bei dem Kläger eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO hinsichtlich der Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2005 bis 2007 an.

Der Prozessbevollmächtigte beantragte mit Schreiben vom 29.01.2009 die Durchführung der Prüfung in seiner Steuerkanzlei. Dies wurde damit begründet, dass der Kläger über keine Geschäftsräume verfüge und alle Geschäftsunterlagen sowie die vom Kläger benannte Auskunftsperson in der Steuerkanzlei seien. Weiter wurde vorgetragen, dass der Steuerpflichtige ein Wahlrecht habe, ob die Prüfung in den Wohnräumen oder an Amtsstelle stattfinde, wenn keine geeigneten Geschäftsräume vorhanden sind.

Mit Verwaltungsakt vom 02.02.2009 ordnete das Finanzamt die Prüfung an Amtsstelle an. Gegen diesen Verwaltungsakt legte der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 03.02.2009 Einspruch ein und beantragte die Durchführung in seiner Steuerkanzlei.

Das Finanzamt wies mit Einspruchsentscheidung vom 16.04.2009 den Einspruch als unbegründet zurück.

Zur Begründung führte es im Einspruchsverfahren und der Einspruchsentscheidung im Wesentlichen aus:

Der Steuerpflichtige könne grundsätzlich nicht verlangen, dass die Prüfung in den Büroräumen des Steuerberaters oder Buchführungshelfers durchgeführt werde. Zwar könne der Steuerpflichtige eine Prüfung an einem anderen Ort, insbesondere im Büro seines steuerlichen Beraters beantragen. In diesem Falle habe das Finanzamt unter Berücksichtigung der Belange der Verwaltung und der schutzwürdigen Interessen des Steuerpflichtigen eine Ermessensentscheidung zu treffen.

Die vom Kläger vorgetragenen Gesichtspunkte für eine Prüfung in der Steuerkanzlei würden jedoch die vom Finanzamt angeführten Gesichtspunkte für eine Prüfung an Amtsstelle nicht überwiegen. Zwar bestehe bei einer Prüfung im Büro des steuerlichen Beraters die Möglichkeit, auftretende Zweifelsfragen durch ein persönliches Gespräch mit dem Berater schnell und unkompliziert zu klären. Dies gelte insbesondere für die vom steuerlichen Berater selbst erstellten Unterlagen. Die dadurch ermöglichte zeitliche Straffung der Prüfung stelle grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse des Steuerpflichtigen dar. Dem stehe jedoch das Interesse der Verwaltung gegenüber, dass die Arbeitszeit des Betriebsprüfers nicht für uneffektive Fahrtzeiten verloren gehe. Im Streitfall liege die Kanzlei des Steuerberaters in 1 und damit außerhalb des Prüfungsgebietes des beklagten Finanzamts. Bei einer Durchführung der Prüfung in der Kanzlei wäre von der Betriebsprüferin eine tägliche Fahrtstrecke von über 200 km und eine Fahrtzeit vom zwei bis zweieinhalb Stunden zu bewältigen. Hierdurch entstünden erhöhte Fahrtkosten und eine zusätzliche Arbeitszeitbelastung der Betriebsprüferin. Außerdem sei der persönliche Kontakt mit dem Steuerberater während der Prüfung nicht unbedingt erforderlich. Der Betriebsprüfer erstelle bei den Prüfungen an Amtsstelle Fragenkataloge, die an den Steuerpflichtigen bzw. dessen Berater übermittelt würden und von diesem zu beantworten seien. Dies wäre auch bei einer Prüfung in der Steuerkanzlei nicht anders. Auch hier sei nicht gewährleistet, dass der Steuerberater als Auskunftsperson dauernd zur Verfügung stehe. Im Streitfall verursache der Transport der Prüfungsunterlagen, die aus drei Leitzordnern, einem Kanzleiordner und einem Geschäftskonto bestünden, keine wesentlichen Schwierigkeiten. Zudem könne die Prüfung an Amtsstelle unabhängig von den Bürozeiten des Steuerberaters durchgeführt werden.

Daraus ergebe sich, dass den schutzwürdigen Interessen des Klägers zumindest gleichwertige Interessen der Verwaltung gegenüberstehen würden.

Mit der Klage wird begehrt, den Verwaltungsakt vom 02.02.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.04.2009 aufzuheben und die Steuerkanzlei des Prozessbevollmächtigten als Ort der Betriebsprüfung zu bestimmen. Hilfsweise wird begehrt, das beklagte Finanzamt zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Grundsätze des Gerichts, einen neuen Verwaltungsakt zur Bestimmung des Orts der Betriebsprüfung zu erlassen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen:

Die Festlegung des Prüfungsorts durch das Finanzamt sei ermessensfehlerhaft und verletze den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger arbeite als Subunternehmer für andere Baufirmen. Seine Privatwohnung sei eine Dachetagenwohnung, die als Ort der Prüfung nicht bereit stehe. Die Besteuerungsunterlagen des Klägers bestünden aus einem Leitzordner je Streitjahr, der jeweils das einzige Girokonto mit allen wesentlichen Vorgängen und die Kassenführung enthalte. Dazu komme ein Leitzordner der Steuerkanzlei.

Im Streitfall sei das beklagte Finanzamt für das Veranlagungsfinanzamt 2 örtlich zuständig. Diese Zuständigkeitsanordnung bedinge eine gewisse Reisetätigkeit einschließlich des damit verbundenen Zeitaufwands sowie der Reisekosten und des Risikos des Straßenverkehrs. Eine Entfernung von 100 km einfach und eine Fahrtzeit von etwa einer Stunde im Streitfall seien durchaus angemessen und richtig. Zudem sei bei normalem Verlauf der Außenprüfung beim Kläger lediglich mit einer Prüfungsdauer von 2 bis 3 Tagen zu rechnen.

Der Kläger habe den Prozessbevollmächtigten ausdrücklich als Auskunftsperson benannt. In der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten mit der Auskunftsperson vor Ort sei ein effizienter Prüfungsablauf am besten gewährleistet. Für die Durchführung der Außenprüfung stünde ein Arbeitsraum mit Telefon-, Fax-, E-Mail-Anschluss sowie Literaturausstattung für den Außenprüfer zur Verfügung. Auch sei es unverständlich, wie der Steuerberater Fragen des Betriebsprüfers per Fax oder E-Mail beantworten solle, wenn ihm die Unterlagen nicht zur Verfügung stehen, da diese an Amtsstelle sind. Die Steuerkanzlei des Prozessbevollmächtigten sei durchgehend von 8.00 bis 17.00 Uhr sowie am Freitag von 8.00 bis 12.00 Uhr geöffnet. Für die vom Finanzamt angeführten Gesichtspunkte "Kosten" bzw. "Kostenreduzierung" fehle die Rechtsgrundlage.

Das Finanzamt beantragt Klageabweisung und verweist zur Begründung auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO) einverstanden erklärt.

Dem Gericht liegt die vom Finanzamt überlassene Rechtsbehelfsakte vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung der Außenprüfung in der Steuerkanzlei des Prozessbevollmächtigten. Die Festlegung des Prüfungsorts "an Amtsstelle" durch das Finanzamt ist nicht als ermessensfehlerhaft zu beanstanden.

Nach § 200 Abs. 2 Satz 1 AO hat der Steuerpflichtige die in § 200 Abs. 1 AO genannten Unterlagen in seinen Geschäftsräumen oder, soweit ein zur Durchführung der Außenprüfung geeigneter Geschäftsraum nicht vorhanden ist, in seinen Wohnräumen oder an Amtsstelle vorzulegen.

1. Die Festlegung des Prüfungsortes mit Verwaltungsakt vom 02.02.2009 ist ein selbständiger Verwaltungsakt, der gesondert von der Prüfungsanordnung ergeht und gesondert angefochten werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 24.02.1989 III R 36/88, BStBl. 1989, 445; Klein/Rüsken, AO, § 200, Rz. 17; Pahlke/Koenig/Intemann, AO, § 200, Rz. 49; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 200 AO, Rz. 39; Frotscher, AO, § 200 Rz. 25; Eckhoff in Hübschmasnn/Hepp/Spitaler, AO, § 200, Rz. 173). Über den Antrag auf Durchführung der Außenprüfung an einem anderen Ort ist durch Verpflichtungsklage zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.1992 X R 116/90, BFH/NV 1992, 757; Klein/Rüsken, AO, § 200, Rz. 16a).

2. Die Festlegung des Prüfungsortes ist eine Ermessensentscheidung, die vom Gericht nur nach § 102 Satz 1 FGO darauf überprüft werden kann, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (vgl. BFH-Urteil vom 26.07.2007 VI R 68/04, BStBl. II 2009, 338; BFH-Beschluss vom 30.11.1988 I B 73/88, BStBl. II 1989, 265). Für die Auswahl des Prüfungsortes ergibt sich aus § 200 Abs. 2 Satz 1 AO, dass die Außenprüfung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen oder, soweit diese nicht vorhanden sind, in dessen Wohnräumen oder an Amtsstelle durchzuführen ist.

a) Da im Streitfall zur Prüfung geeignete Geschäftsräume nicht vorhanden sind und der Kläger einer Prüfung in seinen Wohnräumen nicht zugestimmt hat, kommt an sich nach dem Wortlaut des Gesetzes nur eine Prüfung an Amtsstelle in Betracht. Der Gesetzestext ist jedoch nicht abschließend. Der Steuerpflichtige kann auch eine Prüfung an einem anderen Ort, insbesondere im Büro seines steuerlichen Beraters beantragen. Er hat zwar keinen Anspruch auf Durchführung der Prüfung bei seinem steuerlichen Berater, jedoch darauf, dass das Finanzamt die Gründe für und gegen die in Betracht kommenden Prüfungsorte ermessensgerecht abwägt. Das Finanzamt hat in diesem Fall unter Berücksichtigung der Belange der Verwaltung und der schutzwürdigen Interessen des Steuerpflichtigen eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10.02.1987 IV B 1/87 BStBl II 1987, 360 und vom 30.11.1988 I B 73/88 BStBl II 1989, 265; Pahlke/Koenig/Intemann, AO, § 200, Rz. 48; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 200 AO, Rz. 36; Frotscher, AO, § 200 Rz. 25). Einem Antrag des Steuerpflichtigen, die angeordnete Außenprüfung im Büro des steuerlichen Beraters durchzuführen, ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen, wenn dem Antrag zumindest keine gleichwertigen Verwaltungsinteressen entgegenstehen (vgl. BFH-Beschluss vom 30.11.1988 a.a.O. in BStBl II 1989, 265; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26.11.1992 XI 341/91, EFG 1993, 501; Klein/Rüsken, AO, § 200, Rz. 16; Sauer in Beermann/Gosch, AO, § 200 Rz. 54; Eckhoff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 200, Rz. 171).

b) Als Ermessensentscheidung ist der Ablehnungsbescheid nach § 102 FGO nur darauf zu überprüfen, ob er deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 29.05.1990 VII R 85/89, BStBl II 1990, 1008), hier also insbesondere, ob das Finanzamt bei Ausübung seines Ermessens die vom Kläger geltend gemachten Interessen ausreichend gegenüber eigenen Verwaltungsinteressen abgewogen hat. Die Ermessensentscheidung muss im Ablehnungsbescheid, spätestens in der Einspruchsentscheidung, begründet werden (vgl. §§ 121 Abs. 1, 126 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 AO).

c) Bei Anwendung dieser Grundsätze kann kein Ermessensfehler bei der Festlegung des Prüfungsorts "an Amtsstelle" und der Ablehnung des Antrags auf Durchführung der Prüfung in den Räumen des Steuerberaters festgestellt werden. Das Finanzamt ist bei der Abwägung zu dem durchaus vertretbaren Ergebnis gekommen, dass, wenn schon nicht die Prüfung beim Steuerpflichtigen möglich ist, eine Prüfung in den Amtsräumen stattzufinden hat. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass es den Antrag des Klägers nur ablehnen darf, wenn seinem Interesse an der Prüfung beim Steuerberater zumindest gleichwertige andere Interessen der Behörde entgegenstehen. Das Finanzamt hat die von Klägerseite für die Prüfung beim Steuerberater vorgetragenen Gründe (z.B. Vorhandensein der Prüfungsunterlagen beim Steuerberater; sofortige Beantwortung von Rückfragen durch den anwesenden Berater als Auskunftsperson) berücksichtigt, sie den Gesichtspunkten der Behörde (infolge von täglichen Fahrtzeiten von 2 bis 2 1/2 Stunden zusätzliche Arbeitsbelastung und Reisekosten; Unabhängigkeit von Bürozeiten des Steuerberaters; leichte Transportmöglichkeit der Prüfungsunterlagen wegen deren geringen Umfangs) gegenübergestellt. Nach Auffassung des Senats kann es nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, wenn die Behörde die von der Klägerseite vorgetragenen Gründe bei der Abwägung mit den Vorteilen einer Prüfung an Amtsstelle als nicht so gewichtig angesehen hat. Wenn eine sachgerechte Außenprüfung auch nach Auffassung des Gesetzgebers grundsätzlich die Prüfung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen erfordert, dann müssen die dem entgegenstehenden oder wie hier sogar für einen gar nicht im Gesetz genannten Prüfungsort (Kanzlei des Steuerberaters) sprechenden Gesichtspunkte besonders gewichtig sein, um die ansonsten im Gesetz vorgesehene Prüfung an Amtsstelle ausschließen zu können (vgl. Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26.11.1992 XI 341/91, EFG 1993, 501). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerseite angeführten BFH-Beschluss vom 05.10.1994 (I S 10/94, BFH/NV 1995, 469). In dem vom BFH entschiedenen Sachverhalt ging es um das Verhältnis der Reisekosten und des Zeitaufwandes für die Durchführung einer Außenprüfung in den Geschäftsräumen, die ja im Streitfall nicht möglich ist. Zudem erging die Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück