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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 13.11.2008
Aktenzeichen: 4 K 826/07
Rechtsgebiete: GrEStG, EStG, GG


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 1
EStG § 7 Abs. 5
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6
GG Art. 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 13.11.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

3. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Erhöhung der Grunderwerbsteuer für den Erwerb eines eigengenutzten Wohnhauses von 2 v.H. auf 3,5 v.H. verfassungswidrig geworden ist nach Wegfall der Eigenheimförderung durch das Eigenheimzulagengesetz.

Die beiden Kläger sind verheiratet und haben zwei Kinder im Alter von sechs und zwei Jahren. Mit notariellem Vertrag vom 28.02.2007 erwarben sie die im Grundbuch des Amtsgerichts 1 für 2 Blatt { } und { } eingetragenen Grundstücke:

Fl.Nr.{ } /3 Str. 1, Gebäude- und Freifläche zu 987 qm

Fl.Nr. { } /11 Nähe Str. 1, Landwirtschaftsfläche zu 804 qm

gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 350.000 EUR.

Das Gebäude Str. 1 besteht aus einer Wohnung im Untergeschoß, welche vermietet ist und bleibt, sowie aus einer nach dem Erwerb eigengenutzten Wohnung im Erdgeschoß und Dachgeschoß.

Mit Bescheiden jeweils vom 23.03.2007 setzte das Finanzamt sowohl gegen die Klägerin als auch gegen den Kläger Grunderwerbsteuer aus der hälftigen Bemessungsgrundlage (= 175.000 EUR) in Höhe von je 6.125 EUR fest.

Die Einspruchsverfahren blieben erfolglos, die Einspruchsentscheidungen sind vom 09.05.2007.

Die Kläger haben Klage erhoben und beantragt,

die Einspruchsentscheidungen vom 09.05.2007 aufzuheben und die Grunderwerbsteuerbescheide vom 23.03.2007 dahin zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer nur mit 2 v.H. der Bemessungsgrundlage festgesetzt wird.

Weiter beantragen sie,

das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob § 11 Abs. 1 GrEStG in der Fassung des Art. 7 Nr. 6 des Jahressteuergesetzes 1997 insoweit verfassungswidrig ist, als die Vorschrift den Erwerb eines Wohnhauses zur Eigennutzung mit dem erhöhten Steuersatz von 3,5 v.H. der Grunderwerbsteuer unterwirft.

Für den Fall des Unterliegens beantragen die Kläger

die Zulassung der Revision.

Sie begründen die Anträge im Wesentlichen wie folgt:

Durch den Wegfall der Eigenheimförderung, welche es in den letzten Jahrzehnten immer gegeben habe - lediglich in verschiedenen Ausformungen, sei die Grunderwerbsbesteuerung für ein selbst genutztes Eigenheim in eine Schieflage geraten, die nicht mehr verfassungsmäßig sei. Zu beachten sei nämlich auch, dass der Grunderwerbsteuersatz gegenüber früheren höchstrichterlichen Entscheidungen erheblich angehoben worden sei. Auch dies sei ein Unterschied zu solchen früheren Entscheidungen, welche zu den Belastungen durch die Grunderwerbsteuer Stellung bezogen hätten.

Ziel der Politik sei es immer gewesen, die Eigenheimquote zu fördern, insbesondere auch im Hinblick auf eine entsprechende Altersvorsorge. Durch den Wegfall der Eigenheimzulage und das Bestehen lassen der Grunderwerbsteuer in der festgesetzten Höhe ergebe sich aber eine Schieflage, die die jetzige Hauserwerbergeneration, mit in diesem Fall zwei kleinen Kindern, mehr als doppelt belaste.

Es sei kaum möglich, eine einzelne Steuerart isoliert zu betrachten. Das Finanzamt müsse sich vom Sinn und Zweck des Besteuerungssystems leiten lassen und nicht vom Wortlaut einer einzelnen punktuellen Vorschrift.

Für den Fall des Unterliegens sei die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da die Frage, ob die Grunderwerbsteuerfestsetzung mit dem erhöhten Steuersatz von 3,5 v.H. beim Erwerb eines eigengenutzten Wohnhauses verfassungsgemäß ist, nachdem mit der Abschaffung der Eigenheimzulage jegliche staatliche Förderung beim Erwerb eines eigengenutzten Familienheims entfallen ist, von der Rechtsprechung bisher noch nicht entschieden sei.

Das Finanzamt hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Für den Fall des Unterliegens beantragt es ebenfalls

die Zulassung der Revision.

Es begründet die Anträge im Wesentlichen wie folgt:

Das Wohnen gehöre zwar zum Existenzminimum, es müsse jedoch nicht im eigenen Haus vollführt werden. Der Erwerb eines Eigenheimes sei nicht existenznotwendig. Dieses Bedürfnis könne auch in einer Mietwohnung befriedigt werden (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 09.11.2000, IV 126/2000).

Ursache der ertragsteuerlichen Förderung in den letzten Jahren sei nicht die Kompensation der durch den Erwerb entstandenen Grunderwerbsteuer gewesen.

Für den Fall des Unterliegens sei die Revision aus den vom Kläger genannten Gründen zuzulassen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Senat hält die Erhöhung der Grunderwerbsteuer auf 3,5 v.H. auch für selbstgenutztes Wohneigentum trotz Wegfalls der Eigenheimförderung für verfassungsgemäß, so dass eine Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage der Frage an das Bundesverfassungsgericht nicht geboten ist.

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Kaufvertrag, welcher den Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks begründet, der Grunderwerbsteuer. Ausnahmeregelungen für selbstgenutztes Wohneigentum sind nicht vorhanden. Der Gesetzgeber hat den allgemein geltenden Grunderwerbsteuersatz (§ 11 Abs. 1 GrEStG) durch das Jahressteuergesetz 1997 von 2 v.H. auf 3,5 v.H. erhöht. Die Anhebung des Steuersatzes soll die durch den Wegfall der Vermögensteuer entstehenden Steuermindereinnahmen der Länder teilweise kompensieren (BT-Drs. 13/5952, S. 27, 44).

Das Bundesverfassungsgericht und auch der BFH erachten die Besteuerung des Erwerbs von selbstgenutztem Wohneigentum an sich ebenso wie die Anhebung des Grunderwerbsteuersatzes auf 3,5 v.H. nicht für verfassungswidrig (BVerfG-Beschluss vom 08.01.1999 1 BvL 14/98, BStBl. II 1999, 152; BFH-Beschluss vom 17.06.1998 II B 33/98, BFH/NV 1999, 76; BFH-Beschluss vom 03.08.2005 II B 37/05, BFH/NV 2006, 122).

In der Literatur wird die Erhöhung des Grunderwerbsteuersatzes von 2 v.H. auf 3,5 v.H. zwar als "steuer-, vermögens- und sozialpolitisch verfehlt" angesehen, jedoch für verfassungsgemäß erachtet (Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Auflage 2005, Einleitung Rn. 11). Das "ehedem austarierte Verhältnis von maßvollem Steuersatz und Wegfall der Befreiungsvorschriften" sei zwar durch die Erhöhung des Steuersatzes aus dem Lot geraten, man könne die Erhöhung des Steuersatzes jedoch nicht als "maßlos" bezeichnen (Boruttau/Fischer, GrEStG, 16. Auflage 2007, Vorb Rn. 92). Allerdings laufe die Anhebung den Reformbestrebungen von 1983 zuwider, so dass die Gefahr bestehe, dass die Grunderwerbsteuer - wieder - zu einem Hemmnis für den Grundstücksverkehr werde und der Ruf nach Befreiung bestimmter Erwerbsvorgänge von der Grunderwerbsteuer lauter werde (Boruttau/Viskorf, GrEStG, 16. Auflage 2007, § 11 Rn. 19).

Im Streitfall erfüllt der Erwerb des Grundstücks durch die Kläger zur Selbstnutzung den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, auf die Bemessungsgrundlage ist ein Steuersatz von 3,5 v.H. zu erheben.

2. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Abschaffung der Eigenheimzulage vom 22.12.2005 (BGBl. I 2005, 3680) die Zulagenförderung eigengenutzten Wohneigentums eingestellt. Im Streitfall sieht das Gericht auch nach Wegfall der Eigenheimzulage keinen Verstoß gegen Art. 14, 6 oder 3 Abs. 1 GG aufgrund des um 1,5 Prozentpunkte erhöhten Grunderwerbsteuersatzes auch auf selbstgenutztes Wohneigentum, so dass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht geboten ist.

a. Der Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG ist erst dann betroffen, wenn die aus dem fluktuierenden Vermögen zu zahlenden Steuern den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend beeinträchtigen, dass sie erdrosselnde Wirkung haben (BFH-Beschluss vom 17.06.1998 II B 33/98, BFH/NV 1999, 76). Bezüglich der Grunderwerbsteuer führte der BFH in dem Beschluss ausdrücklich aus, dass von einer erdrosselnden Wirkung der Grunderwerbsteuer keine Rede sein kann und ergänzte, dass dies erst recht unter Berücksichtigung eines Anspruchs auf Eigenheimzulage gelte, denn in diesem Fall reduziere sich die Belastung im Wesentlichen auf einen Zinsverlust.

Der Prüfungsmaßstab der erdrosselnden Wirkung ist weiter dahingehend zu präzisieren, ob durch die Anhebung des Steuersatzes um 1,5 Prozentpunkte bereits eine Behinderung des Grundstücksverkehrs bewirkt wird. Der Grunderwerbsteuerbericht vom 08.02.1979 (BT-Drs. 8/2555, S. 7) stellte u.a. das Modell vor, die Grunderwerbsteuerbefreiungen - ausdrücklich auch die Steuerbefreiungen beim Erwerb von Wohngebäuden zur Eigennutzung - abzubauen und gleichzeitig den Steuersatz auf 2 v.H. zu senken; der damalige Steuersatz betrug 7 v.H. und sah zahlreiche Steuerbefreiungen vor. Bei Anhebung des Steuersatzes auf 3,5 v.H. durch das Jahressteuergesetz 1997 liegt immer noch eine Senkung der steuerlichen Belastung auf die Hälfte des vormaligen Ausgangsniveaus von 7 v.H. vor. Die Freistellung des Erwerbs selbstgenutzten Wohneigentums zur Vermeidung von Behinderungen im Grundstücksverkehr erscheint dem Senat daher nicht zwingend geboten.

Überdies beträgt die im Regelfall übliche Courtage von Grundstücksmaklern bereits 3 v.H. zuzüglich Umsatzsteuer (entspricht derzeit insgesamt 3,57 v.H.), so dass eine erdrosselnde Wirkung einer Erhöhung des Steuersatzes um 1,5 Prozentpunkte auf 3,5 v.H. eindeutig ausgeschlossen werden kann (Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Auflage 2005, Einleitung Rn. 11).

b. Ein Verstoß gegen Art. 6 GG ist nicht erkennbar, denn der Erwerb eines Wohnheims zu Eigentum ist für eine Familie nicht existenznotwendig (FG Nürnberg, Urteil vom 09.11.2000 IV 126/2000, [...]). Das für eine Familie existenznotwendige Wohnbedürfnis kann ebenso gut durch Anmietung einer Immobilie befriedigt werden.

c. Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist gleichfalls nicht ersichtlich.

(1) Ausgangspunkt der Wohnungsbauförderung ist die schlechte Wohnungsversorgung in der Nachkriegszeit gewesen (BT Drs. 16/108, S. 3). Mit der Begründung, dass diese in Deutschland mittlerweile gut ist, ließ der Gesetzgeber die Wohnungsbauförderung in Form der Eigenheimzulage ab Ende 2005 auslaufen. Da keine Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes erfolgt ist, wird seit dem 01.01.2006 Grunderwerbsteuer erhoben, die Eigenheimzulage für Erwerbe nach diesem Zeitpunkt jedoch nicht mehr gewährt. Die Änderung einer Gesetzeslage als solche verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Darüber hinaus sind auch vor der Abschaffung der Eigenheimzulage Fallkonstellationen denkbar, in welchen Grunderwerbsteuer zu entrichten war, Eigenheimzulage jedoch nicht gewährt wurde (z.B. bei Überschreiten der Einkunftsgrenze) bzw. keine Grunderwerbsteuer anfiel, aber Eigenheimzulage gewährt werden konnte (z.B. beim entgeltlichen Erwerb in gerader Linie).

Das rückwirkend zum 01.01.2008 in Kraft getretene Gesetz zur verbesserten Einbeziehung der selbstgenutzten Wohnimmobilie in die geförderte Altersvorsorge (Eigenheimrentengesetz - EigRentG) sieht nunmehr eine Förderung des Erwerbs selbstgenutzten Wohneigentums im Rahmen der steuerlich geförderten Altersvorsorge ("Riester-Rente") vor (vgl. BT-Drs. 9670; Risthaus, DB Beilage 6/2008).

(2) Zur weiteren Argumentation führt der Gesetzgeber im Rahmen der Abschaffung der Eigenheimzulage an, dass die Beibehaltung der Zulage allokationsverzerrende Wirkung habe, wenn die Möglichkeit der degressiven Abschreibung im Mietwohnungsneubau - wie geplant - entfalle (BT Drs. 16/108, S. 3). § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 EStG, welcher die degressive Absetzung für Abnutzung bei Mietwohngebäuden regelt, ist - ebenfalls - seit 01.01.2006 auslaufendes Recht. Auch der Vergleich mit derartigen Grundstücken führt daher nicht zu einer Ungleichbehandlung.

3. Da ein Verstoß gegen Verfassungsrecht bezüglich der Frage, ob § 11 Abs. 1 GrEStG 1997 insoweit verfassungswidrig ist, als die Vorschrift den Erwerb eines Wohnhauses zur Eigennutzung mit dem erhöhten Steuersatz von 3,5 v.H. der Grunderwerbsteuer unterwirft, nach Auffassung des Senats nicht gegeben ist, war die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht geboten.

4. Allerdings war die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die Frage, ob die Grunderwerbsteuerfestsetzung mit dem erhöhten Steuersatz von 3,5 v.H. beim Erwerb eines eigengenutzten Wohnhauses nach Abschaffung der staatlichen Förderung hierfür noch verfassungsgemäß ist, von grundsätzlicher Bedeutung und in der Rechtsprechung ersichtlich noch nicht entschieden ist.

5. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger, § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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