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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 14.08.2008
Aktenzeichen: 4 K 875/08
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 3
EStG § 4 Abs. 5
EStG § 9 Abs. 5
EStG § 24
EStG § 34 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 14.08.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Einkommensteuerbescheid 1999 vom 15.10.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2005 wird geändert. Die Einkommensteuer wird auf 53.710 DM (= 27.461 EUR) festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Tatbestand:

Streitig ist noch, ob Aufwendungen des Klägers für ein häusliches Arbeitszimmer bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in voller Höhe als Werbungskosten abzugsfähig sind und ob eine Abfindung anlässlich der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers die Voraussetzungen des § 3 Nr. 9 EStG bzw. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG erfüllt. Bezüglich der Höhe der wegen der doppelten Haushaltsführung bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers abzugsfähigen Werbungskosten haben sich die Beteiligten im Klageverfahren geeinigt.

1. Der am 18.09.1934 geborene Kläger war bis 30.06.1999 bei der Deutschen Milch-Kontor GmbH (künftig: GmbH) in 1 nichtselbständig tätig. Er trat am 01.06.1973 bei der GmbH ein und wurde nach dem Dienstvertrag vom 06.06.1973 mit Wirkung zum 01.07.1973 zum Geschäftsführer bestellt. Mit Dienstvertrag vom 17.05.1989 wurde er zum Vorsitzenden der Geschäftsführung berufen. In § 8 letzter Absatz dieses Dienstvertrages ist geregelt, dass die Zahlung des Ruhegelds mit Beendigung der Vertragslaufzeit gemäß § 9 einsetzt. In § 9 ist ausgeführt, dass der Vertrag zum 01.07.1989 beginnt und an die Stelle des bisherigen Dienstvertrages vom 06.06.1973 tritt; er ist mit einer Frist von 12 Monaten zum 30.06.1994 kündbar. Unterbleibt die Kündigung, verlängert sich der Vertrag bis zum 30.06.1999.

Am 08.06.1999 schlossen der Kläger und die GmbH eine Aufhebungsvereinbarung. In dieser ist festgelegt, dass der Kläger zum 30.06.1999 aus der Geschäftsführung ausscheidet und ihm deshalb eine Abfindung i.H.v. 50.000 DM gezahlt wird. Damit seien alle Ansprüche abgegolten, ausgenommen die Ruhegeldansprüche ab 01.10.1999.

Der Kläger ist der Auffassung, dass für diese Abfindung der Freibetrag nach § 3 Nr. 9 EStG i.H.v. 24.000 DM zu gewähren sei und für den verbleibenden Betrag die Steuerermäßigung des § 34 EStG. Das Finanzamt veranlagte zunächst erklärungsgemäß unter Vorbehalt der Nachprüfung.

In der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2005, mit der der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde, vertrat es die Meinung, dass die Voraussetzungen des § 3 Nr. 9 EStG nicht vorlägen, da die Beendigung des Dienstverhältnisses zum 30.06.1999 bereits in dem Dienstvertrag vom 17.05.1989 geregelt worden sei. Bei einem befristeten Dienstverhältnis beruhe dessen Beendigung nicht auf einem Verhalten des Arbeitgebers, sondern auf der früheren Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es handele sich auch nicht um eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1a und b i.V.m. § 34 EStG.

Dagegen trägt der Kläger vor, dass sowohl § 3 Nr. 9 EStG als auch § 34 EStG anwendbar seien. Nach dem Urteil des BFH vom 10.09.2003 (XI R 9/02, BStBl. II 2004, 349) liege eine Entschädigung i.S.d. § 24 EStG auch dann vor, wenn bereits bei Beginn des Dienstverhältnisses ein Ersatzanspruch für den Fall der betriebsbedingten Kündigung oder Nichtverlängerung des Dienstverhältnisses vereinbart worden sei.

In dem ursprünglichen Dienstvertrag vom 06.06.1973 sei man davon ausgegangen, dass das Dienstverhältnis aus Altersgründen mit Vollendung des 65. Lebensjahres ende. Im neuen Dienstvertrag vom 17.05.1989 sei der Wunsch des Aufsichtsrats berücksichtigt worden, dass die Dienstzeit mit Ende des Monats enden solle, in dem der Kläger letztmals an einer Gesellschafterversammlung teilnimmt, dies sei der Monat Juni gewesen. Als Ausgleichszahlung für den Verzicht des Klägers auf Ausübung seiner Tätigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres sei festgelegt worden, dass die Zahlung des Ruhegeldes mit Beendigung der Vertragslaufzeit gemäß § 9 einsetze. Im Jahr 1999 seien Zweifel aufgekommen, ob der Kläger Arbeitslosengeld beantragen könne, was zu einem Rückgriff auf seinen Arbeitgeber hätte führen können. Um insoweit Unsicherheiten zu beseitigen, seien die 50.000 DM Abfindung bezahlt worden.

Das Finanzamt hat dazu erwidert, dass in dem Arbeitsvertrag vom 17.05.1989 unmissverständlich geregelt worden sei, dass das Arbeitsverhältnis, sofern es nicht vorher gekündigt werde , zum 30.06.1999 ende und in lückenlosem Anschluss daran die Zahlung des Ruhegeldes i.H.v. 50% des zuletzt bezogenen Aktivgehaltes einsetze. Dem Kläger habe danach ein monatliches Ruhegehalt von 16.295 DM zugestanden. Für die Zeit vom 01.07.1999 bis 30.09.1999 (drei Monate) ergäben sich 48.885 DM. Nichts anderes habe der Kläger erhalten, indem ihm per Aufhebungsvereinbarung 50.000 DM gezahlt worden seien.

2. Die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer berücksichtigte das Finanzamt i.H.v. 2.400 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Die vom Kläger insoweit geltend gemachten Aufwendungen i.H.v. insgesamt 3.252 DM erkannte es deshalb nicht an, weil das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung gebildet habe. Die Abschreibungen für die Einrichtung des Arbeitszimmers mit 1.214,72 DM wurden vom Finanzamt anerkannt. Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielte der Kläger im Streitjahr in Höhe von ./. 19.202 DM.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Aufwendungen für das Arbeitszimmer in der nachgewiesenen Höhe von 3.252 DM - ohne Einrichtung - anzusetzen seien. Dazu legte er einen Mietvertrag mit seiner Ehefrau vor, wonach er das Zimmer für einen Jahresbetrag von 3.252 DM, der jeweils zum 30.06. eines jeden Jahres zu zahlen ist, gemietet hat. Die Miete setzte sich zusammen aus einem monatlichen Grundmietpreis i.H.v. 196 DM, einer Heizkostenpauschale i.H.v. 10 DM, Stromkosten i.H.v. 15 DM und Reinigung i.H.v. 50 DM und betrug insgesamt monatlich 271 DM.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, dass er sich nach dem Eintritt in den Ruhestand wieder zum Steuerberater hat bestellen lassen. Diese Tätigkeit hat er nicht in dem häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt.

3. Bezüglich der Höhe der Aufwendungen wegen der doppelten Haushaltsführung einigten sich die Beteiligten im Klageverfahren. Das Finanzamt erkannte zusätzliche Aufwendungen für Abschreibungen für Abnutzung und Schuldzinsen des Klägers i.H.v. 4.238 DM an, die dieser erstmals im Klageverfahren geltend gemacht hatte, sowie Reinigungskosten i.H.v. 135 DM.

Die Kläger haben beantragt, den Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 15.10.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.09.2005 dahin zu ändern, dass die Aufwendungen für den im Rahmen der Kapitaleinkünfte angemieteten Büroraum statt mit 2.400 DM mit 3.252 DM berücksichtigt werden, die Abfindung von 50.000 DM in Höhe von 24.000 DM nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei bleibt und wegen des Restbetrags von 26.000 DM nach § 34 EStG ermäßigt besteuert wird sowie weitere Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung von 4.373 DM berücksichtigt werden.

Der Vertreter des Finanzamts hat beantragt, die Klage abzuweisen mit der Maßgabe, dass die zusätzlichen Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung wie beantragt berücksichtigt werden. Weiter hat er beantragt, den Klägern wegen der erst im Klageverfahren geltend gemachten zusätzlichen Werbungskosten bei doppelter Haushaltsführung die Prozesskosten aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat nur insoweit Erfolg, als zusätzliche Werbungskosten i.H.v. 4.373 DM wegen der doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen sind. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Arbeitszimmer bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

Nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung sind Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung grundsätzlich nicht abzugsfähig. Dies gilt gemäß § 9 Abs. 5 EStG auch für die Überschusseinkünfte und somit auch für die Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG 1999 sind die Kosten für das Arbeitszimmer i.H.v. 2.400 DM abzugsfähig, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50% der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Die Beschränkung von 2.400 DM gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit befindet sich dort, wo der qualitative Schwerpunkt der Gesamttätigkeit, d.h. die für die Berufsausübung wesentliche Kerntätigkeit des Steuerpflichtigen erbracht wird (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, § 4 Rz 594 ff m.w.N.). Dabei wird der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit durch den Mittelpunkt der Haupttätigkeit indiziert (Urteil des BFH vom 16.12.2004 IV R 19/03, BStBl. II 2005, 212).

Im Streitfall war der Kläger zunächst nichtselbständig in 1 und danach als selbständiger Steuerberater tätig. Der Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit hat somit nicht in dem häuslichen Arbeitszimmer gelegen, die Aufwendungen sind deshalb nur bis zur Höhe von 2.400 DM jährlich abzugsfähig.

2. Abfindung

a) Gemäß § 3 Nr. 9 EStG sind Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses bis zu den dort bezeichneten Höchstbeträgen steuerfrei. Diese Voraussetzungen sind bei Auslaufen eines befristeten Dienstverhältnisses zu dem im Vertrag vorgesehenen Termin nicht erfüllt, denn die Auflösung ist dann nicht durch den Arbeitgeber veranlasst, sondern beruht auf der früheren Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Befristung (BFH-Urteil vom 10.09.2003 XI R 9/02, BStBl. II 2004, 349).

Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen des § 3 Nr. 9 EStG im Streitfall nicht vor, da in den §§ 8 und 9 des Vertrages vom 17.05.1989 festgelegt war, dass das Arbeitsverhältnis zum 30.06.1999 endet.

b) Bei der Zahlung handelt es sich auch nicht um eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 EStG, die nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern wäre. Zwar schließt nach dem vom Kläger zitierten Urteil des BFH (o.a. BStBl. II 2004, 349) die Vereinbarung einer Entschädigung im Fall einer betriebsbedingten Nichtverlängerung des Dienstverhältnisses bereits bei dessen Beginn nicht die Anwendung des § 34 EStG aus. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind aber außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 34 Abs. 1 EStG nur gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Wegen dieser Zusammenballung soll der ermäßigte Steuersatz einen Ausgleich schaffen. Zahlungen, die nicht an die Stelle weggefallener Einnahmen treten, sondern Erfüllungsleistungen des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses sind, sind keine Ersatzleistungen (vgl. z.B. Urteil des BFH vom 19.10.2005 XI R 24/04).

Im Streitfall ist es nicht zu einer Zusammenballung von Einkünften im Jahr 1999 gekommen. Denn dem Kläger wurde im Endeffekt im Wesentlichen nur das gewährt, was er sowieso nach dem Vertrag aus dem Jahr 1989 zu bekommen hatte, nämlich ab 01.07.1999 sein Ruhegehalt. Dies wurde zwar für drei Monate in einem Betrag gezahlt, was indes auf den Veranlagungszeitraum bezogen nicht zu einer Zusammenballung von Einkünften führte.

Die festzusetzende Steuer errechnet sich wie folgt:

 Zu versteuerndes Einkommen laut Einspruchsentscheidung187.492 DM
zusätzliche Werbungskosten./. 4.373 DM
zu versteuerndes Einkommen laut Urteil183.119 DM

Einkommensteuer laut Splittingtabelle 53.710 DM = 27.461 EUR

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 137 FGO. Die Kosten waren den Klägern auch insoweit aufzuerlegen, als sie obsiegt haben, da ihr Obsiegen auf erstmals im Klageverfahren vorgetragenen Tatsachen beruht. Schuldzinsen und Abschreibungen für die Eigentumswohnung in 1 wurden zuvor nicht beantragt.

Ende der Entscheidung

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