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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 02.07.2009
Aktenzeichen: 7 K 328/08
Rechtsgebiete: EStG, AO, BGB, GG


Vorschriften:

EStG § 2 Abs. 1
EStG § 2 Abs. 3
EStG § 19 Abs. 1
EStG § 24
EStG § 34 Abs. 1
EStG § 34 Abs. 2
AO § 34
AO § 70 Abs. 1
AO § 173 Abs. 1
BGB § 1902
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Rechtsstreit

...

hat der 7. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 02.07.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, ob an den Kläger gezahlte Entschädigungen als Ersatz für entgangene Einnahmen anzusehen sind.

Der Kläger erzielte in den Streitjahren 2000 und 2001 neben den streitgegenständlichen Zahlungen einer Versicherung Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung. Der Kläger ist schwerbehindert (Grad der Behinderung 80%) und bezieht eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Verwaltung seines Vermögens obliegt daher seinem Vater als gerichtlich bestelltem Betreuer.

Der Kläger wurde am 14.10.1989 bei einer privaten Autofahrt aufgrund eines unverschuldeten Verkehrsunfalls schwer verletzt. Die Behinderung ist die Folge der damals erlittenen Verletzungen. Bis zum 31.12.1999 leistete die Versicherung der Unfallverursacherin Vorschüsse auf den Erwerbs- und Verdienstausfallschaden i. H. v. 94.119,86 DM.

Der Kläger erhob am 17.5.1999 Klage gegen die Versicherung. Zur Begründung des Klageantrags wurde auf ein durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen am 17.9.2000 erstelltes Gutachten über die Höhe des Verdienstausfalles Bezug genommen. Gegenstand des Gutachtens war die Ermittlung von Umfang und Höhe des dem Kläger wegen des Verkehrsunfalls am 14.10.1989 entstandenen Erwerbsschadens sowie die Höhe des unfallbedingt entstandenen Ausführungs- und Betreuungsschadens für die Zeit vom 14.10.1989 bis 31.12.2000. Unter Tz. 2.5 dieses Gutachtens wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verdienstausfallentschädigung gemäß § 24 EStG zu versteuern sei, jedoch durch den Steuersatz für außerordentliche Einkünfte nach § 34 EStG privilegiert werde. Die Ermittlung der Höhe der Forderung erfolgte in der Weise, dass auf die Summe der entgangenen Nettlöhne für den Gutachtenszeitraum die nach den geltenden Steuergesetzen berechnete steuerliche Belastung aufgeschlagen wurde, so dass die geltend gemachte Verdienstausfallentschädigung als "Bruttobetrag" die hierauf zu zahlenden Steuern umfasste (S. 41 des Gutachtens).

Im Klageantrag vom 16.11.2000, mit dem der Klageantrag vom 17.5.1999 erweitert wurde, wurde die Verdienstausfallentschädigung (Tz. 1a) für den Zeitraum vom 14.10.1989 bis 31.12.2000 in der vom Gutachter ermittelten Höhe, incl. der Steuerbeträge, geltend gemacht. Dieser Summe von 222.900 DM wurden "bereits bezahlte Leistungen" i. H. v. 96.587,30 DM gegenübergestellt, so dass sich eine Restforderung von 126.312,70 DM ergab. Die Forderung für die Zeit ab 1.1.2001 (Tz. 2) wurde im Klageantrag nicht beziffert.

Lt. Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht { } am 22.3.2001 erfolgte auf den Verdienstausfall für den Zeitraum 14.10.1989 bis 31.12.2000 am 22.12.2000 eine Zahlung von 60.000 DM, so das sich die Klageforderung hierfür auf 66.312,70 DM verminderte. Die Hauptsache wurde insoweit für erledigt erklärt. In einem in dieser mündlichen Verhandlung geschlossenen Vergleich wurde vereinbart, dass auf den Verdienst- und Einkommensausfallschaden ein Betrag von noch 841.017,40 DM zu zahlen sei. Damit seien alle Verdienst- und Einkommensausfallansprüche des Klägers aus dem Verkehrsunfall für Vergangenheit und Zukunft, bekannt oder unbekannt, vorhersehbar oder unvorhersehbar, abgegolten. Daneben wurde geregelt, das die vermehrten Bedürfnisse des Klägers sowie der Betreuungs- und Haushaltsführungsschaden mit einem Betrag von noch 220.000 DM und das Schmerzensgeld mit einem Betrag von noch 180.000 DM abzugelten seien. Der Streitwert des Vergleichs wurde auf 1.748.543,61 DM festgesetzt, wobei auf den Zeitraum vom 14.10.1989 bis 31.12.2000 ein Betrag von 748.543,61 DM und auf den Zeitraum ab dem 1.1.2001 ein Betrag von 1 Mio. DM entfiel. Der Vergleichswert für den erstgenannten Zeitraum wurde wegen der vor der Vergleichsregelung am 22.12.2000 erfolgten Zahlung um 60.000 DM vermindert. Die vereinbarten Zahlungen erfolgten im Jahr 2001.

Die Einkommensteuer 2000 wurde zunächst mit Bescheid vom 24.10.2001 erklärungsgemäß auf 0 DM festgesetzt. Im März 2002 richtete der Vater des Klägers eine Anfrage zur Besteuerung von Schadensersatzleistungen für Einkommens- und Fortkommensschaden an das Bundesministerium für Finanzen. Mit Schreiben vom 10.6.2002 teilte das Finanzamt 1 zuständigkeitshalber mit, dass derartige Leistungen grundsätzlich der Besteuerung unterlägen, die konkrete steuerliche Auswirkung jedoch erst im Veranlagungsverfahren anhand der notwendigen Erklärungen und Unterlagen zu ermitteln sei. Die am 5.11.2002 eingereichte Einkommensteuererklärung 2001 enthielt keine Angaben zu Entschädigungszahlungen. Die Einkommensteuer wurde erklärungsgemäß mit Bescheid vom 17.6.2003 auf 2.932,26 EUR festgesetzt. Die am 9.9.2003 eingereichte Einkommensteuererklärung 2002 enthielt wiederum keine Angaben zu einer Entschädigung.

Der zuständige Bearbeiter des Finanzamts fragte daraufhin am 19.2.2004 beim Vater des Klägers nach, ob eine Entschädigung gezahlt worden sei. Der Vater des Klägers bestätigte dies, war jedoch der Auffassung, dass die erhaltenen Entschädigungsleistungen nicht steuerpflichtig seien und weigerte sich deshalb, eine Ausfertigung der Vergleichsregelung vorzulegen. Aufgrund von Auskunftsersuchen an das zuständige Gericht und die Versicherungsgesellschaft erhielt das Finanzamt schließlich Auszüge aus der Vergleichsvereinbarung vom 22.3.2001, wonach - neben Schmerzensgeld und Ausgleichszahlungen für vermehrte Bedürfnisse - auf den Verdienst- und Einkommensausfallschaden "noch" 841.017,40 DM zu leisten waren. Daraufhin setzte das Finanzamt mit gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändertem Bescheid vom 24.1.2005 die Einkommensteuer 2001 auf 191.488,52 EUR herauf.

Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seinen steuerlichen Berater, mit Schreiben vom 23.2.2005, eingegangen beim Finanzamt am 25.2.2005, Einspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei der im Jahr 2001 erhaltenen Versicherungserstattung i. H. v. 841.017,40 DM um eine echte Schadensersatzleistung handle, die nicht steuerbar sei. Ein direkter Zusammenhang mit einer Einkunftsart sei nicht zwingend gegeben, da er, der Kläger, sich erst in der Ausbildung zum Krankenpfleger befunden habe. Die Abfindungssumme stelle keinesfalls einen konkreten Verdienstausfall dar, sondern sie gelte jeglichen Vermögenszuwachs sowohl im Erwerbsleben als auch im Privatleben ab. Nach dem BGB sei der Geschädigte so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten. Das BGB sei Bundesrecht, während die Steuergesetze Angelegenheit der Länder seien. Es gelte der Grundsatz: Bundesrecht bricht Landesrecht. Als Bemessungsgrundlage hätten entsprechend dem Sachverständigengutachten die jährlichen Nettoeinkünfte gedient, die aufgrund der Verletzungen von ihm, dem Kläger, nicht erzielt werden könnten. Einkommen beziehe er erst bei Anlage des dafür notwendigen Kapitals durch die erwirtschafteten Zinsen, die nach § 20 EStG steuerbar seien. Sollte die Besteuerung nach § 24 Nr. 1a EStG greifen, müsse berücksichtigt werden, dass die Abfindung zu "Nettolohnvereinbarungen" erfolgt sei und durch die Besteuerung der fiktive Nettolohn vermindert würde. Durch die Zusammenballung auf einen Veranlagungszeitraum werde dem Kläger die Möglichkeit genommen, jahresbezogene steuerliche Vergünstigungen in Anspruch zu nehmen. Ziehe man vom Schadensersatz in Höhe von 430.005,36 EUR (841.017,40 DM) die geforderten Steuern ab (233.808,37 EUR), verblieben 196.196,99 EUR. Die Halbierung dieses Kapitals durch den Staat sei für ihn, den Kläger, nicht hinnehmbar.

Das Finanzamt teilte dem Kläger mit, dass für das Streitjahr 2001 begünstigte Einkünfte i. H. v. 788.717 DM und laufende Einkünfte i. H. v. 52.300 DM anzusetzen seien, was zu einer Erhöhung der Einkommensteuer um 13.906,62 EUR zuzüglich Zinsen und Solidaritätszuschlag führen würde, und wies auf die drohende Verböserung gem. § 367 Abs. 2 AO und die Möglichkeit, dieser durch die Rücknahme des Einspruchs zu entgehen, hin.

Am 14.11.2006 erließ das Finanzamt einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2000, in dem die am 22.12.2000 erhaltene Teilzahlung für die Verdienstausfallentschädigung vom 14.10.1989 bis 31.12.2000 i. H. v. 60.000 DM gemäß § 24 Nr. 1a EStG besteuert wurde. Die Einkommensteuer 2000 wurde auf 7.307,38 EUR festgesetzt.

Mit Schreiben vom 27.11.2006, eingegangen beim Finanzamt am 28.11.2006, legte der Kläger, vertreten durch seinen steuerlichen Berater, gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Zur Begründung verwies er auf den bereits eingelegten Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 2001. Es handele sich um eine echte Schadensersatzleistung, die nicht steuerbar sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 28.1.2008 wies das Finanzamt den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2000 vom 14.11.2006 als unbegründet zurück und setzte die Einkommensteuer 2001 unter Zurückweisung des Einspruchs auf 205.395,15 EUR nebst Zinsen i. H. v. 23.808 EUR herauf. Zur Begründung wurde angegeben, die Entschädigung falle, soweit sie für Verdienstausfall gewährt worden sei, unter § 24 Nr. 1 lit. a EStG. Die Berechnungsmethode sei unerheblich. Für den Zeitraum vom 14.10.1989 - 31.12.2000 sei die Steuerbelastung in die Höhe der Entschädigung ohnehin einberechnet worden. Selbst wenn dies für den anschließenden Zeitraum nicht der Fall gewesen sein sollte, folge daraus keine andere steuerliche Behandlung. Einen Vorrang des bürgerlichen Rechts vor dem ebenfalls bundesrechtlichen Einkommensteuergesetz gebe es nicht. Der Kläger habe bei der Berechnung der zivilrechtlichen Forderung die Steuerbelastung nach dem unmissverständlichen Hinweis des Gutachters auch für den zweiten Zeitraum einkalkulieren müssen. Zugunsten des Klägers ging das Finanzamt davon aus, dass die Entschädigung im Vergleichsverfahren, ausgehend vom zivilrechtlichen Klageantrag vom 16.11.2000, für zwei abgegrenzte Zeiträume zu ermitteln sei, nämlich zunächst für den Zeitraum vom 14.10.1989 bis 31.12.2000 und anschließend für die Zeit ab 1.1.2001. Eine ermäßigte Besteuerung der Entschädigung für den Zeitraum vom 14.10.1989 - 31.12.2000 komme mangels Zusammenballung auf einen Veranlagungszeitraum nicht in Betracht. Die am 22.12.2000 zugeflossenen 60.000 DM seien daher im Änderungsbescheid zutreffend als laufende Einkünfte behandelt worden. Die Änderung sei innerhalb der verlängerten Festsetzungsfrist möglich gewesen, da im Hinblick auf die steuerlichen Ausführungen im Sachverständigengutachten von einer leichtfertigen Steuerverkürzung auszugehen sei. Die im Jahr 2001 zugeflossene Entschädigung sei in einen Teilbetrag für den Zeitraum vom 14.10.1989 - 31.12.2000, auf den der ermäßigte Steuersatz nicht anzuwenden sei, und in einen weiterhin steuerlich begünstigten Teilbetrag für den anschließenden Zeitraum aufzuteilen.

Die Beträge errechnete das Finanzamt wie folgt:

 Gegenstandswert des Vergleichs1.688.543,61 DM
davon Gegenstandswert des Verdienstausfalls1.066.312,70 DM
Vergleichssumme Verdienstausfall841.017,40 DM
Anteil am Gegenstandswert des Verdienstausfalls78,87%
Anteil des Gegenstandswerts für 1989 - 200066.312,70 DM
Anteil des Zeitraums 1989 - 2000 an der Vergleichssumme52.300,82 DM
Anteil des Zeitraums ab 2001788.717,00 DM

Mit seiner Klage vom 28.2.2008 wendet sich der Kläger gegen die steuerliche Erfassung der Entschädigung. Er ist der Ansicht, die Entschädigung beziehe sich nicht auf einen konkreten Verdienstausfall, sondern auf einen entgangenen Vermögenszuwachs. Nach dem BGB sei er, der Kläger, so zu stellen, als ob das schädigende Ereignis nicht eingetreten sei. Der entgangene Arbeitslohn sei jedoch nicht als Bruttolohn konkret bezifferbar. Der fiktive Nettolohn sei lediglich die Berechnungsgrundlage für einen normativen Schaden. Einkommen könne er, der Kläger, erst in Form der Erträge aus diesem Kapitalstock erzielen. Dem Finanzamt stehe kein Anspruch auf die entgangenen fiktiven Steuern zu. Eine Halbierung des Kapitals sei keinesfalls hinnehmbar. Entschädigungen seien vom Bundesminister der Finanzen nur im Fall von Schadensersatzrenten als steuerpflichtig angesehen worden, und selbst diese sehe das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 5.7.2007 (4 K 1535/05) als steuerfrei an.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2000 vom 14.11.2006 und 2001 vom 24.1.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.1.2008 die Einkommensteuer, den Solidaritätszuschlag und die Zinsen zur Einkommensteuer 2000 und 2001 auf jeweils 0 DM herabzusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht des Finanzamts ergibt sich aus dem Inhalt des zivilrechtlichen Klageantrags vom 16.11.2000, dem Sachverständigengutachten und dem Vergleichsprotokoll, dass mit der Vergleichssumme von 841.017,40 DM der verletzungsbedingte Ausfall der Arbeitskraft entschädigt worden sei, woraus sich die Steuerbarkeit der Ersatzleistung ergebe.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

I.

Die in den Jahren 2000 und 2001 für den Verdienstausfall gewährten Entschädigungszahlungen sind steuerpflichtig.

1. Nach § 24 Nr. 1 lit. a EStG gehören zu den Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. Entschädigungen in diesem Sinn liegen vor, wenn Leistungen unmittelbar dazu dienen, den Verlust von entgangenen oder entgehenden Einnahmen auszugleichen, die, ihren Zufluss unterstellt, unter eine der in § 2 Abs. 3 Nr. 1 - 7 EStG genannten Einkunftsarten gefallen wären (BFH-Urteil vom 22.04.1982 III R 135/79, BStBl II 1982, 496). Für Fälle, in denen Ersatz für andere, bereits steuerbare Einkünfte geleistet wird, z.B. wegen Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit, hat der BFH seine Rechtsprechung zur Steuerbarkeit von Schadensersatzrenten ausdrücklich aufrechterhalten (BFH-Urteile vom 26.11.2008 X R 31/07, BFH/NV 2009, 470; vom 25.10.1994 VIII R 79/91, BStBl II 1995, 121).

Es gibt keine Rechtsprechungsgrundsätze, nach denen Schadensersatzrenten unabhängig vom Zweck, zu dem sie bezahlt werden, steuerfrei wären. Auch dem vom Kläger angeführten Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 5.7.2007 lässt sich ein solcher Grundsatz nicht entnehmen. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hatte - anders als im vorliegenden Fall - über eine Schadensersatzrente wegen eines Haushaltsführungsschadens zu befinden. Das Ergebnis, dass eine nicht für Verdienstausfall gewährte Entschädigung nicht allen wegen ihrer Auszahlung in wiederkehrenden Beträgen zu versteuern ist, steht zur Behandlung einer einmaligen Entschädigung für Verdienstausfall nicht in Widerspruch.

Im vorliegenden Fall wurden die streitigen Zahlungen am 22.12.2000 und im Jahr 2001 aufgrund der Vergleichsvereinbarung vom 22.3.2001 ausdrücklich "auf den Verdienst- und Einkommensausfallschaden" bezüglich der beabsichtigten Tätigkeit des Klägers als Krankenpfleger vorgenommen. Die Einkünfte aus der Tätigkeit als Krankenpfleger fallen unter § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG und damit unter § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG. Die weiteren Schäden in Gestalt von Mehraufwendungen in der Haushaltsführung und der immaterielle Schaden wurden gesondert berechnet. Die Zahlungen auf den Verdienst- und Erwerbsschaden sind daher als Entschädigung für entgangene Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit anzusehen.

2. Ausreichend ist ein Zusammenhang mit einer beabsichtigten, aber noch nicht aufgenommenen nichtselbständigen Arbeit. Es kommt nicht darauf an, ob die Tätigkeit schon begonnen wurde oder die geschädigte Person - wie im vorliegenden Fall der Kläger - sich noch in der Ausbildung befand. Entscheidend für die Annahme einer Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 lit. a EStG ist lediglich, dass die Zahlung nicht auf der bisherigen Rechtsgrundlage erfolgt, was sonst zu laufenden Einkünften beispielsweise aus nichtselbständiger Arbeit erfolgen würde. Die neue Rechtsgrundlage kann aber unzweifelhaft an die Stelle eines fiktiven Vergütungsanspruchs gegen einen potenziellen Arbeitgeber treten, auch wenn dieses Arbeitsverhältnis aufgrund der Folgen des schädigenden Ereignisses tatsächlich nicht mehr zustanden kommt (so auch Urteil des FG Köln vom 02.06.2004 III R 135/79, EFG 2004, 1604). § 24 Nr. 1 lit. a EStG spricht insoweit ausdrücklich von entgangenen und e n t g e h e n d e n Einnahmen.

3. Steuerpflichtig ist der dem Kläger zugeflossene Betrag. Festgesetzt werden nicht fiktive Steuern, die angefallen wären, wenn der Kläger seinem angestrebten Beruf hätte nachgehen können, sondern die auf die tatsächlich gezahlten Entschädigungen entfallenden Steuern. Die Entschädigung ist auch nicht deshalb steuerfrei, weil sie als "Nettolohnvereinbarung" anzusehen wäre. Der vom Kläger angenommene Vorrang des Zivilrechts vor dem ebenfalls bundesrechtlich geregelten Einkommensteuerrecht besteht nicht. Zwar hat der Steuerpflichtige die Möglichkeit, durch entsprechende zivilrechtliche Vertragsschlüsse steuerliche Folgen herbeizuführen. Wird beispielsweise nur ein bestimmter Arbeitslohn vereinbart und ausbezahlt, kann auch nur dieser besteuert werden. Der Steuerpflichtige kann aber nicht durch eine zivilrechtliche "Nettolohnvereinbarung" erreichen, dass nach dem Einkommensteuergesetz als steuerpflichtiger Arbeitslohn anzusehende Zahlungen bzw. Entschädigungen für entgangenen Arbeitslohn nicht der Steuer unterliegen, da es ansonsten ins Belieben der Steuerpflichtigen gestellt wäre, ob sie Steuern bezahlen wollen oder nicht.

4. Die Frage, wie die Höhe der Entschädigung ermittelt wurde, spielt daher für die Besteuerung keine Rolle. Der Besteuerung unterliegt der ausbezahlte Betrag. Selbst wenn der Kläger zu seinen Ungunsten beim letzten Teil der Entschädigung eine Berechnung auf der Grundlage eines entgangenen Nettoverdienstes akzeptiert hätte, ohne die anfallende Steuer zu berücksichtigen, was allerdings aufgrund der Ausführungen des Gutachters zur Berücksichtigung der steuerlichen Belastung bei der Berechnung der zu fordernden Entschädigung nach Überzeugung des Senats nicht der Fall war, fiele diese Folge in seinen Risikobereich.

Die Entschädigungszahlungen sind daher steuerpflichtig.

II.

Der ermäßigte Steuersatz ist lediglich für den auf die Zeit ab dem 1.1.2001 und nicht für den auf die Zeit vom 14.10.1989 - 31.12.2000 entfallenden Teil der im Jahr 2001 gezahlten Entschädigung anzuwenden.

1. Eine Aufteilung der Zahlungen ist bei klar abgrenzbaren Zeiträumen grundsätzlich möglich (BFH-Urteil vom 21.1.2004 XI R 40/02, BStBl II 2004, 716; Schmidt, EStG, 28. Aufl., § 34, Rn. 17). Im vorliegenden Fall ist eine Aufteilung der Entschädigungszahlungen für den Verdienstausfall auf die Zeit vom 14.10.1989 - 31.12.2000 und auf die Zeit ab dem 1.1.2001 vorzunehmen. Die bis zum 31.12.2000 erfolgten Zahlungen entfielen auf den erstgenannten Zeitraum. Die im Jahr 2001 geleistete Zahlung ist entsprechend den im Zivilverfahren getroffenen Vereinbarungen aufzuteilen (52.300,82 DM für die Zeit bis zum 31.12.2000 und 788.717,00 DM für die Zeit ab dem 1.1.2001).

2. Für die Zahlung am 22.12.2000 und den auf die Zeit bis 31.12.2000 entfallenden Anteil der Zahlung im Jahr 2001 ist der ermäßigte Steuersatz nicht zu gewähren.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind außerordentliche Einkünfte i.S.d. §§ 34 Abs. 1 und Abs. 2, 24 Nr. 1 lit. a EStG nur gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG bezweckt, die Härten auszugleichen, die sich aus der progressiven Besteuerung ergeben. Dementsprechend sind Entschädigungen i.S.d. § 24 Nr. 1 lit. a EStG grundsätzlich nur dann außerordentliche Einkünfte, wenn die Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten, vollständig in einem Betrag gezahlt wird oder wenn die Entschädigung nur Einnahmen eines Jahres ersetzt, sofern sie im Jahr der Zahlung mit weiteren Einkünften zusammenfällt und der Steuerpflichtige im Jahr der entgangenen Einnahmen keine weiteren (nennenswerten) Einnahmen gehabt hat (vgl. BFH-Urteil vom 06.09.2000 XI R 19/00, BFH/NV 2001, 431). Ausnahmen hiervon sind nur in eng begrenzten Fällen möglich. Der BFH lässt sie beispielsweise zu, wenn neben der Hauptentschädigungsleistung in anderen Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge Übergangsleistungen gewährt werden (BFH-Urteil vom 3.7.2002 XI R 80/00, BStBl II 2004, 447; vom 21.1.2004 XI R 33/02, BStBl II 2004, 715 und XI R 22/03, BFH/NV 2004, 1226 sowie vom 14.4.2005 XI R 11/04, BFH/NV 2005, 1772). Derartige Zusatzleistungen bleiben nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit außer Betracht, wenn sie auf sozialen Erwägungen beruhen, in der Höhe hinter der sich sonst ergebenden tariflichen Zusatzbelastung für die übrige Entschädigung zurückbleiben oder die Aufteilung aufgrund von besonderen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen erfolgte. Auch verschiedene Finanzgerichte haben insbesondere bei geringen Teilleistungen in anderen Veranlagungszeiträumen den ermäßigten Steuersatz gewährt (FG Köln vom 17.11.2004, 7 K 2006/03, EFG 2005, 446; FG Nürnberg vom 26.2.2009 4 K 1370/2008).

b) Im vorliegenden Fall liegt bei den Zahlungen für den Zeitraum vom 14.10.1989 - 31.12.2000 keine Zusammenballung der Einkünfte i.S.d. § 34 EStG vor. Die Entschädigung für den genannten Zeitraum wurde in mindestens drei Tranchen, nämlich i. H. v. 94.119,86 DM in den Jahren 1989 - 1999, i. H. v. 60.000 DM im Jahr 2000 und in Gestalt eines Anteils i. H. v. 52.300,82 DM an der im Jahr 2001 vereinbarten Vergleichssumme von 841.017,40 DM ausgezahlt. Die Zahlungen sind dem Kläger daher in mindestens drei verschiedenen Veranlagungszeiträumen zugeflossen. Es ist nicht feststellbar, dass die Aufteilung der Zahlungen auf besonderen sozialen Erwägungen beruht hätte. Nach dem Verlauf des Zivilprozesses sind jedenfalls für die Zahlung am 22.12.2000 prozessuale Erwägungen anzunehmen. Die einzelnen Zahlungen standen auch von der Größenordnung her in keinem krassen Missverhältnis, sondern hatten jeweils einen erheblichen, weit über die steuerliche Auswirkung des ermäßigten Steuersatzes hinausgehenden Umfang. Eine Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist daher insoweit nicht möglich.

c) Für den auf die Zeit ab dem 1.1.2001 entfallenden größten Teil der Zahlung im Jahr 2001 hat das Finanzamt zutreffend den ermäßigten Steuersatz gewährt, da insoweit eine Zusammenballung der ansonsten auf viele Jahre zu verteilenden Entschädigung vorlag.

III.

Die vom Kläger angenommene Unzumutbarkeit der steuerlichen Belastung vermag der Senat nicht zu erkennen. Im vorliegenden Fall folgt die Höhe der steuerlichen Belastung aus der Höhe der zugeflossenen Entschädigung. Der Umstand, dass sich selbst bei Gewährung des ermäßigten Steuersatzes für den größten Teil der im Jahr 2001 zugeflossenen Entschädigung immer noch ein hoher Durchschnitts- und ein hoher Grenzsteuersatz ergeben, ist die Folge der im Gesetz für die Streitjahre vorgesehenen Progression des Steuertarifs. Die gesetzliche Regelung ist nach Überzeugung des Senats verfassungsgemäß.

a) Die Einkommensteuerbelastung verletzt den Kläger nicht in seinem Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 des Grundgesetzes (GG). Zwar fällt die Steuerbelastung in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie. Der Zugriff auf das durch Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Eigentum ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 18.01.2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97). Aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 GG lässt sich keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung ("Halbteilungsgrundsatz") ableiten. Auch der Rechtsprechung des BVerfG zur Vermögensteuer (vgl. Entscheidung des BVerfG vom 22.06.1995, 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121) kann keine solche Belastungsobergrenze entnommen werden, die unabhängig von der Steuerart der Vermögensteuer Geltung beanspruchen könnte (vgl. Entscheidungen des BVerfG vom 18.01.2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 und vom 18.02.2009 1 BvR 1334/07, BFH/NV 2009, 880).

b) Auch einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vermag der Senat nicht zu erkennen. Die festzusetzende Steuer auf eine hohe, in wenigen Veranlagungszeiträumen ausgezahlte Entschädigung ist zwar aufgrund verschiedener Umstände wie der Progression und jährlich gewährter Grund- und Behindertenfreibeträge in der Tat höher als die Steuer, die anfallen würde, wenn die Entschädigung als Rente über Jahrzehnte hinweg ausgezahlt würde. Die unterschiedliche Behandlung ist aber in erster Linie nicht die Folge eines staatlichen Eingriffs, sondern das Ergebnis der vom Kläger im Vergleichswege mitgestalteten zivilrechtlichen Situation. Zivilrechtlich hätte durchaus die Möglichkeit einer über Jahrzehnte hinweg auszuzahlenden Rente im Raum gestanden. Die Gründe, aus denen der Kläger eine sofortige hohe Abfindung vorzog, sind teilweise vom Kläger ausdrücklich genannt (erhoffte Zinseffekte), teilweise aus den Akten erkennbar (Kauf eines Hauses) und teilweise nur zu vermuten (beispielsweise Erlebensrisiko), jedenfalls aber Ergebnis seiner eigenen Entscheidung. Die an eine Rente bzw. Abfindung durch das Einkommensteuergesetz angeknüpften Folgen führen zwar auch für sich genommen zu einem unterschiedlichen Ergebnis, das jedoch durch den ermäßigten Steuersatz des § 34 EStG gemildert wird. Die verbleibende Ungleichbehandlung entspricht dem Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit und erfolgt daher mit sachlichem Grund.

IV.

Die Änderung der ursprünglich zu niedrigen Steuerfestsetzung war verfahrensrechtlich noch möglich.

1. Die Änderung der für das Jahr 2000 festgesetzten Einkommensteuer war gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO mit Bescheid vom 14.11.2006 noch möglich. Es handelte sich um eine für das Finanzamt neue Tatsache, da die Entschädigungszahlungen bisher nicht bekannt gewesen waren. Die Festsetzungsfrist war noch nicht abgelaufen, da insoweit eine leichtfertige Steuerverkürzung vorlag (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 und § 378 Abs. 1 Satz 1 AO) und die Festsetzungsfrist sich daher gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO auf fünf Jahre verlängerte. Der Vater des Klägers hätte als Betreuer in Vermögensangelegenheiten in der Einkommensteuererklärung des Klägers für das Jahr 2000 vom 24.10.2001 die Entschädigungszahlung vom 22.12.2000 angeben müssen. Er hat das Finanzamt über diese Zahlung in Unkenntnis gelassen. Im Hinblick auf die Ausführungen im Sachverständigengutachten ist dieses Verhalten zumindest als Leichtfertigkeit anzusehen. Der Kläger muss sich das Verhalten seines Betreuers gem. § 70 Abs. 1 AO i.V.m. § 34 AO und § 1902 BGB zurechnen lassen. Es lag daher eine leichtfertige Steuerverkürzung vor. Die Festsetzungsfrist begann gem. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres, in dem die Einkommensteuererklärung 2000 abgegeben wurde , also am 31.12.2001. Sie endete daher am 31.12.2006. Die Änderung erfolgte noch im Jahr 2006 und damit rechtzeitig.

2. Dasselbe gilt für die Änderung der für das Jahr 2001 festgesetzten Einkommensteuer mit der Einspruchsentscheidung. Die Überprüfung im Einspruchsverfahren war zwar nach Bestandskraft des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides 2001 vom 17.6.2003 beschränkt. Der sich aus dem Änderungsbescheid vom 24.1.2005 ergebende Änderungsrahmen ist jedoch eingehalten, da der Gegenstand des Änderungsbescheides und nicht die Höhe der festgesetzten Steuer hierfür maßgeblich ist. Die Änderung der ursprünglichen Steuerfestsetzung erfolgte aufgrund der nachträglich bekanntgewordenen Entschädigungszahlung im Jahr 2001. Der Umstand, dass ein Teil dieser Zahlung auf den Zeitraum bis 31.12.2000 entfallen war, für den weitere Zahlungen in anderen Veranlagungszeiträumen erfolgt waren, betraf denselben Lebenssachverhalt und konnte daher im Rahmen der Einspruchsentscheidung zum Nachteil des Klägers berücksichtigt werden. Darüber hinaus war die Änderung aus den gleichen Gründen wie die Änderung für das Vorjahr durch die Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gedeckt. Die Festsetzungsfrist begann in diesem Fall mit dem Ende des Jahres 2002, in dem die Einkommensteuererklärung 2001 abgegeben wurde, und endete am 31.12.2007. Auch hier erfolgte die Änderung rechtzeitig.

V.

Der Solidaritätszuschlag wurde zutreffend mit 5,5% der Einkommensteuer festgesetzt (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 Satz 1 Solidaritätszuschlagsgesetz).

VI.

Der Zinsanspruch für die Einkommensteuer und den Solidaritätszuschlag folgt aus § 233a Abs. 2 Satz 1 bzw. § 237 Abs. 1 Satz 1 AO.

Die Klage war daher sowohl bezüglich der Einkommensteuerfestsetzung als auch des festgesetzten Solidaritätszuschlags und der Zinsen für die Jahre 2000 und 2001 als unbegründet abzuweisen.

VII.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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