Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 12.12.2006
Aktenzeichen: II 141/06
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 40 Abs. 1 3. Alt.
FGO § 41 Abs. 1
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 33 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

II 141/06

Antrag auf Entzug der Gewerbetätigkeit (Gewerbeuntersagung) u.a.

In dem Rechtsstreit

hat der II. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 12.12.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Streitig ist die Richtigkeit von Angaben des Finanzamts im Rahmen eines Gewerbeuntersagungsverfahrens.

Die Klägerin ist seit mehr als 23 Jahren als Betriebsberaterin gewerblich tätig.

Mit Bescheid vom 15.01.2004 untersagte das Landratsamt A. als zuständige Kreisverwaltungsbehörde der Klägerin unter Anordnung des Sofortvollzugs die Ausübung ihres Gewerbes. Zur Begründung führte es aus, dass nach Mitteilung des Finanzamts C., Außenstelle B., Steuerrückstände aus der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin i.H.v. 104.794,19 EUR aufgelaufen seien. Sie habe lediglich geringe Zahlungen nach Mahnung, Ankündigung der Vollstreckung und Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen geleistet, so dass die Steuerrückstände kontinuierlich angestiegen seien. Außerdem habe sie die Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2001 und 2002 sowie die Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar bis Dezember 2001 und die Lohnsteueranmeldungen für das zweite Vierteljahr 2003 nicht eingereicht.

Die Rechtsmittel der Klägerin blieben ohne Erfolg. Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts E. vom 08.06.2005 wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25.08.2005 und die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 08.12.2005 zurückgewiesen.

Die Klägerin hat durch ihren Steuerberater Manfred D. mit Schreiben vom 10.02.2006 Klage erhoben und sinngemäß beantragt das Finanzamt zu verpflichten, den Antrag auf Gewerbeuntersagung zurückzunehmen.

Zur Begründung führt die Klägerin im Wesentlichen aus:

Es sei unrichtig, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen Januar bis Dezember 2001 nicht eingereicht worden seien. Vielmehr habe ihr Steuerberater Manfred D. die Umsatzsteuervoranmeldungen komplett für das Jahr 2001 im Zeitraum 14.09.2001 bis 25.02.2002 beim Finanzamt eingereicht, was durch die entsprechenden Einbuchungen belegt werde. Sie habe auch Tilgungen auf die angemeldete Umsatzsteuer 2001 geleistet. Seit Jahren habe sie versucht, die Vorgänge einvernehmlich mit dem Finanzamt aufzuklären und habe auf eine außergerichtliche Lösung vertraut. Durch die Gewerbeuntersagung sei sie in ihrer verfassungsrechtlich garantierten Berufs- und Gewerbefreiheit verletzt.

Mit Schreiben vom 21.02.2006 hat Manfred D. erklärt, der Klage persönlich beizutreten und Folgendes beantragt:

Festzustellen, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 2001 vollständig beim Finanzamt abgegeben worden sind,

das Finanzamt zu verpflichten, Kopien der eingegangenen 12 Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 2001 vorzulegen,

richtig zu stellen, dass er seine berufliche Auftragserledigungspflicht erfüllt hat und

das Finanzamt als Verursacher zu verpflichten, die Verwaltungsgerichtsurteile ex tunc gegebenenfalls beim Bundesverfassungsgericht aufheben zu lassen.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor:

Das Verwaltungsgericht E. habe in seiner Entscheidung vom 02.03.2004 (Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO) ausgeführt, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen Januar bis Dezember 2001 nicht eingereicht worden seien. Dieser Vorwurf sei unberechtigt, denn er selbst habe die 12 Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 2001 eingereicht. Er sähe sich dem unzutreffenden Vorwurf ausgesetzt, dass er seine Aufträge nicht erledigt habe. Neben möglichen Ansprüchen der Klägerin gegen ihn mit erheblichen rechtlichen und berufsrechtlichen Konsequenzen fühle er sich auch in seinem rechtlich geschützten Berufs- und Persönlichkeitsrecht sowie in seiner Berufsehre verletzt.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt es im Wesentlichen aus:

Eine Rücknahme des Antrags auf Untersagung der Gewerbetätigkeit sei nicht mehr möglich, da die Gewerbeuntersagung seit 09.12.2005 unanfechtbar sei. Damit fehle der Klägerin das Rechtsschutzbedürfnis.

Zum Vorbringen des Steuerberaters Manfred D. vom 21.02.2006 führt es aus:

Die Anträge seien unzulässig bzw. unbegründet.

Ein persönlicher Beitritt des Steuerberaters zur Klage der Klägerin sei nicht möglich, da dieses in der Finanzgerichtsordnung nicht vorgesehen sei.

Der Antrag auf Feststellung, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen komplett für das Jahr 2001 beim Finanzamt abgegeben worden seien, sei unzulässig. Das Finanzamt habe bereits mit Schreiben an das Landratsamt A. vom 15.04.2004 klargestellt, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen 2001 vollständig eingereicht worden seien. Dies sei dem Steuerberater Manfred D. mit Schreiben vom 26.05.2004 auch mitgeteilt worden. Da der Sachverhalt zwischen den Beteiligten unstreitig sei und das Finanzamt den Fehler klargestellt habe, bestehe kein Feststellungsinteresse.

Der Antrag auf Vorlage der zwölf Umsatzsteuervoranmeldungen 2001 in Kopie sei unzulässig, weil kein berechtigtes Rechtsschutzziel des Manfred D. ersichtlich sei. Im Übrigen gebe es hierfür auch keine Rechtsgrundlage.

Der Antrag auf Feststellung, dass Manfred D. seine berufliche Auftragserledigungspflicht erfüllt habe, sei ebenfalls unzulässig. Das Finanzamt habe mit dem oben aufgeführten Schreiben an das Landratsamt A. und gegenüber dem Antragsteller persönlich den Sachverhalt bezüglich der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen 2001 richtig gestellt. Es fehle damit an einem Feststellungsinteresse.

Mit Schreiben vom 07.08.2006 hat Manfred D. hierauf erwidert:

Aufgrund des Eingeständnisses des Finanzamts, dass das Verwaltungsgericht E. von falschen Tatsachen ausgegangen sei, könne die Klage vor dem Finanzgericht nicht unzulässig sein. Sie sei im Gegenteil auch zum Wohle des Freistaates Bayern und der Bundesrepublik Deutschland dringend erforderlich, denn niemand könne in einem Rechtsstaat ernsthaft wollen, dass es durch staatliche Gewalt zu einer Opferbestrafung infolge behördlicher Falschdarstellungen vor Gericht komme. Erschwerend sei darüber hinaus, dass das Finanzamt mit dem Wissen der Vielzahl von Falschdarstellungen noch weitere vier Verwaltungsgerichtsverfahren sehr intensiv betrieben habe. Auch der gesamte Berufsstand der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte etc. in Deutschland sei betroffen, weil dem Finanzamt bekannt gewesen sei, dass alle Steuererklärungen ausnahmslos vom Steuerberater abgegeben worden seien. Insofern seien auch diese Berufsstände betroffen, denn ihnen werde vorgeworfen, Aufträge angenommen, aber nicht durchgeführt zu haben. Eine Opferbestrafung - Opfer einer Vielzahl falscher behördlicher Darstellungen vor Gericht aufgrund staatlicher Gewalt - sei in einem Rechtsstaat aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zulässig. Der Fall der Opferbestrafung sei von bundesweitem großen Interesse, da insbesondere für die Zukunft Wiederholungen und Nachahmungen ausgeschlossen werden müssten.

Es bestehe ein allgemeines Feststellungsinteresse, denn es sei vorbeugend festzustellen, dass sich nie wieder eine Opferbestrafung infolge einer Vielzahl falscher Angaben vor Gericht wiederholen dürfe.

Im Übrigen werde das Grundrecht des rechtlichen Gehörs durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen gem. Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz begehrt. Wegen des bundesweiten Interesses hinsichtlich falscher behördlicher Darstellungen betreffend das Steuerverhältnis werde außerdem beantragt, Vertretungen des Bundes der Steuerzahler e.V. und den Bundesverband der Steuerzahler e.V. beizuladen.

Weiter hat er mit Schreiben vom 30.11.2006 beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung aus verfassungsrechtlichen Gründen und wegen fehlender Verhandlungsgrundlage zu annullieren und die Rechtssache an das Bundesverfassungsgericht abzugeben. Hilfsweise erhebe er Beschwerde zum Bundesfinanzhof gem. § 128 FGO und beantrage die Beiladung eines gerichtlichen Sachverständigen gem. § 60 FGO.

Das Gericht hat die Akte des Verwaltungsgerichts E. wegen Gewerbeuntersagung (Az. W 6 S 04.126) zum Verfahren beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg, weil sie unzulässig ist.

1. Der Finanzrechtsweg ist eröffnet. Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 FGO ist der Finanzrechtsweg gegeben, wenn der Klageanspruch aus einem Sachverhalt folgt, der sich als eine mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörde zusammenhängende Angelegenheit (Abgabenangelegenheit) darstellt. Maßgeblich ist die Rechtsnatur des Klagebegehrens, wie sie sich aus dem, dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Urteil vom 20.04.1983 VII R 2/82, BStBl. II 1983, 482 m.w.N.). Die Rechtsfrage, ob das Finanzamt im Rahmen seiner Verwaltungs- bzw. Vollstreckungstätigkeit Auskunft über das steuerliche Verhalten der Klägerin geben bzw. einen Antrag auf Gewerbeuntersagung wegen Steuerrückständen stellen durfte, fällt in die Zuständigkeit der Finanzgerichte (vgl. BFH-Urteil vom 23.11.1993 VII R 56/93, BStBl. II 1994, 356).

Soweit die Rücknahme des Antrags auf Gewerbeuntersagung begehrt wird, ist die Klage als allgemeine Leistungsklage (§ 40 Abs. 1 3. Alt. FGO) zwar statthaft, weil der Antrag auf Gewerbeuntersagung ebenso wie dessen Rücknahme eine reine Verfahrenshandlung und kein Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO ist. Durch den Antrag wird nämlich keine Regelung getroffen, sondern erst zukünftig eine Regelung hinsichtlich der Gewerbeuntersagung erstrebt.

Der Klägerin fehlt aber das Rechtsschutzbedürfnis, denn über die Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung ist bereits in Verwaltungsprozessen rechtskräftig entschieden worden (vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts E. vom 08.06.2005, Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25.08.2005 und Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 08.12.2005). Da die Rücknahme des Antrags durch das Finanzamt keine Rechtswirkungen mehr entfalten würde, kann das Finanzamt auch nicht verpflichtet werden, den Antrag auf Gewerbeuntersagung mit dem Ziel zurückzunehmen, das Gewerbeuntersagungsverbot rückgängig zu machen.

Vorsorglich weist der Senat nach Einsichtnahme in die oben genannten Urteile daraufhin, dass der Klägerin die Gewerbeausübung wegen der Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten und erheblicher Steuerrückstände untersagt worden ist. Die ursprüngliche Mitteilung des Finanzamts an das Landratsamt A., die Umsatzsteuervoranmeldungen 2001 seien nicht eingereicht worden, war daher nicht (allein) entscheidungserheblich für die Gewerbeuntersagung. Das Verwaltungsgericht E. hat daher trotz Richtigstellung durch das Finanzamt die Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung in seinem Urteil vom 08.06.2005 bestätigt.

2. Die Anträge des Steuerberaters Manfred D. sind - soweit sie ihn selbst betreffen - bereits deswegen unzulässig, weil ein persönlicher Beitritt eines Dritten zu einer anhängigen Klage in der Finanzgerichtsordnung nicht vorgesehen ist. Sie sind aber auch unzulässig, soweit sie als Anträge der Klägerin zu werten sind.

a) Der Antrag festzustellen, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 2001 komplett bei dem Finanzamt abgegeben worden sind, ist als Feststellungsklage jedenfalls mangels Feststellungsinteresse unzulässig (vgl. § 41 Abs. 1 FGO). Denn das Finanzamt hat bereits mit dem an das Landratsamt A. gerichteten Schreiben vom 15.04.2004 klargestellt, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 2001 vollständig eingereicht worden sind. Dies wurde dem Steuerberater Manfred D. mit Schreiben vom 26.05.2004 auch mitgeteilt. Die Klägerin hat das begehrte Prozessziel damit auf anderem Wege bereits erreicht.

b) Hinsichtlich des Antrags auf Vorlage von Kopien der eingegangenen zwölf Umsatzsteuervoranmeldungen 2001 fehlt der Klägerin ebenfalls das Rechtsschutzbedürfnis. Das Finanzamt hat eingeräumt, dass es die Umsatzsteuervoranmeldungen erhalten hat. Wie sich aus der Vorlage der Kopien der Umsatzsteuervoranmeldungen 2001 durch die Klägerin bei Gericht ergibt, liegen diese dem Steuerberater der Klägerin auch vor.

c) Auch hinsichtlich des Antrags auf Feststellung, dass Manfred D. seine beruflichen Auftragserledigungspflichten erfüllt hat, fehlt es am Feststellungsinteresse. Das Finanzamt hat den Sachverhalt hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen 2001 zwischenzeitlich richtig gestellt und eingeräumt, dass der Steuerberater der Klägerin die Umsatzsteuervoranmeldungen, wenn auch zum Großteil verspätet, eingereicht hat.

d) Der Antrag, das Finanzamt als Verursacher zu verpflichten, die Verwaltungsgerichtsurteile gegebenenfalls beim Bundesverfassungsgericht aufheben zu lassen, ist auf etwas Unmögliches gerichtet und damit unzulässig. Es gibt hierfür keine Rechtsgrundlage.

Die Klage erweist sich daher in allen Punkten als unzulässig und war daher abzuweisen. Über die weiteren Anträge des Prozessbevollmächtigten, die dieser insbesondere mit Schreiben vom 30.11.2006 erhoben hat, war unter diesen Umständen nicht zu entscheiden (vgl. auch Schreiben des Gerichts vom 05.12.2006). Wegen des Antrags auf Hinzuziehung eines gerichtlichen Sachverständigen wird auf das Urteil II 93/05 vom 28.03.2006 verwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

Zurück