Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 17.11.2006
Aktenzeichen: II 270/2005
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 47
AO 1977 § 169 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

II 270/2005

Umsatzsteuer 1992 und 1993

In dem Rechtsstreit

hat der II. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 17.11.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Änderungsbescheide vom 19.05.2005 auf Grund einer steuerlichen Außenprüfung zu Recht ergangen sind oder, ob bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.

Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der Fa. A. B. GmbH, die im Form- und Modellbau unternehmerisch tätig war. Die A. B. GmbH reichte für das Jahr 1992 die Umsatzsteuererklärung am 10.01.1994 ein und errechnete eine Umsatzsteuerschuld von 635.410 DM. Die Anmeldung stand nach der Zustimmung durch das Finanzamt einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§§ 168, 164 AO). Die Umsatzsteuererklärung für 1993 reichte die Klägerin am 28.12.1994 ein; der errechneten Umsatzsteuerschuld von 636.543 DM stimmte das Finanzamt ebenfalls zu, so dass die Anmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand.

Der Vermögensübergang von der A. B. GmbH auf die Klägerin wurde am 22.04.1994 in das Handelsregister eingetragen. Die Klägerin wurde mit Gesellschafterbeschluss am 30.12.1997 aufgelöst. Die Auflösung und die Beendigung der Liquidation wurden am 19.01.1998 in das Handelsregister eingetragen.

Auf Grund der Prüfungsanordnung vom 05.11.1997 wurde am 08.12.1997 bei der Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der Fa. A. B. GmbH und zum gleichen Zeitpunkt auch bei 12 weiteren im Sinne von § 18 Nr. 2 BpO eng miteinander verbundenen Unternehmen eine steuerliche Außenprüfung begonnen. Die Prüfungsanordnung gegenüber der A. B. GmbH erstreckte sich u.a. auf die Umsatzsteuer 1992 und 1993. Die vorläufigen Prüfungsfeststellungen wurden im Juni 1998 übergeben und am 03.08.1998 besprochen. In der Zeit von März 1998 bis Oktober 2002 erfolgte eine Prüfung für versicherungsmathematische Fragen (vgl. Bericht vom 14.10.2002). Mit Schreiben vom 13.07.2001 ersuchte der Steuerberater der Klägerin den für die Außenprüfung zuständigen Finanzbeamten um Terminabsprache. Besprechungen über noch ungeklärte steuerliche Fragen die Klägerin betreffend fanden dann am 02. und am 23.10.2001 statt. Am 28.11.2001 begann die Betriebsprüfung der B. Gruppe für den Zeitraum 1996 bis 2000. Mit Schreiben vom 14. und vom 19.12.2001 übersandte der Prüfer weitere ungeklärte Fragen den Prüfungszeitraum 1992 bis 1995 betreffend, auf die der Steuerberater mit Schreiben vom 07.02.2002 antwortete. Die Prüfungshandlungen für den gesamten Zeitraum der Jahre 1992 bis 2000 endeten am 25.04.2002. Für alle Prüfungen bei der Unternehmensgruppe B. fand am 03.12.2003 eine förmliche Schlussbesprechung statt, die sich auch auf die hier streitige Umsatzsteuer der A. B. GmbH bezog. Der Bericht über die Außenprüfung datierte vom 19.12.2003.

Den Feststellungen der Prüfung folgend änderte das Finanzamt mit Bescheiden vom 19.05.2005 die Umsatzsteuerfestsetzung für 1992 und erhöhte die Umsatzsteuerschuld um 786 DM sowie die Umsatzsteuerschuld für 1993 um 2.587 DM. Die Änderungsbescheide wurden der Fa. A. B. GmbH als Liquidator und ehemaligem Geschäftsführer der A. B. GmbH & Co. KG in Liquidation für die Fa. A. B. GmbH & Co. KG in Liquidation als Gesamtrechtsnachfolgerin der Fa. A. B. GmbH bekanntgegeben.

In ihrem Einspruch machte die Klägerin lediglich geltend, die Liquidation der Gesellschaft sei bereits beendet. Weiterer Sachvortrag erfolgte nicht. Das Finanzamt wies den Einspruch mit der Entscheidung vom 03.08.2005 als unbegründet zurück.

Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt,

die Änderungsbescheide für Umsatzsteuer 1992 und 1993 vom 19.05.2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03.08.2005 aufzuheben.

Zur Begründung trägt sie vor, die Änderungsbescheide hätten auf Grund der Festsetzungsverjährung nicht mehr ergehen dürfen. Es habe am 03.08.1998 letztmalig eine Besprechung mit dem Betriebsprüfer stattgefunden. Nach diesem Zeitpunkt seien keine Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung mehr erfolgt. Unter diesen Umständen seien die Ermittlungen im Sinne von § 88 AO bereits vor dem Jahre 2001 abgeschlossen gewesen. Die Tätigkeit des Betriebsprüfers in der Folgezeit habe nur noch die rechtliche Auswertung der Feststellungen betroffen.

Die Ablaufhemmung nach § 171 AO ende mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden hätten. Dies sei der 31.12.1998 gewesen. Die Festsetzungsfrist für die Änderung der Steuerfestsetzung habe somit am 31.12.2002 geendet. Durch den Fachprüfer der Oberfinanzdirektion seien nach der Besprechung am 03.08.1998 keine erkennbaren Ermittlungen eines steuererheblichen Sachverhalts durchgeführt worden. Unter diesen Umständen könne nicht auf das Datum der Schlussbesprechung abgestellt werden.

Die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung. Das Urteil des BFH vom 20.07.2005 (X R 74/01, BFH/NV 2005, 2195) sei auf den hier zu entscheidenden Streitfall nicht anwendbar.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt es aus, auf Grund der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO ende die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des 31.12.2007, da eine förmliche Schlussbesprechung am 03.12.2003 stattgefunden habe. Bis zur förmlichen Schlussbesprechung im Dezember 2003 hätten neben weiteren Prüfungshandlungen, etwa durch den Fachprüfer für versicherungsmathematische Fragen, auch laufend weitere Besprechungen stattgefunden. Es verweise hierzu auf die Stellungnahme des Betriebsprüfers vom 30.09.2005.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg, weil der Steueranspruch bei Ergehen der Änderungsbescheide noch nicht durch den Ablauf der Festsetzungsverjährung erloschen war (§ 47 AO).

1.

Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Diese Frist beträgt nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO für die Umsatzsteuer 4 Jahre. Bei Abgabe einer Steuererklärung beginnt die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wurde. Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen, so läuft gem. § 171 Abs. 4 Satz 1 AO die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, nicht ab, bevor die auf Grund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO endet die Festsetzungsfrist spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen sind. Dieser Verwirkungstatbestand wurde durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 mit Wirkung ab 01.01.1987 eingeführt, weil nach bis dahin geltender Rechtslage - außer in den Fällen der Verwirkung - Steuerbescheide auf Grund einer Außenprüfung noch viele Jahre nach Abschluss der Prüfung ergehen konnten (vgl. Köster in Pahlke/König, AO-Kommentar, § 171 Rz. 101; BFH-Beschluss vom 15.07.1993 X B 168/92, BFH/NV 1994, 597). Aus dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift geht hervor, dass es für die Berechnung der in der Vorschrift genannten Frist auf den Zeitpunkt der letzten Ermittlungshandlungen nur ankommt, wenn eine Schlussbesprechung nicht stattgefunden hat (BFH-Urteile vom 09.03.1999 VIII R 19/97, BFH/NV 1999, 1186 und vom 20.07.2005 X R 74/01, BFH/NV 2005, 2195, 2201).

2.

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze endete im Streitfall die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 1992 und 1993 nicht vor dem 31.12.2007.

a)

Die Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre gingen bei dem Finanzamt am 10.01. und am 28.12.1994 ein, so dass die 4-jährige Festsetzungsfrist gem. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des 31.12.1994 begann und grundsätzlich mit Ablauf des 31.12.1998 endete (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO i.V.m. § 108 Abs. 1 AO, §§ 187, 188 BGB). Der Fristablauf wurde jedoch gehemmt, da am 08.12.1997 mit der Außenprüfung begonnen wurde. Die Prüfungsanordnung umfasste die Umsatzsteuer 1992 und 1993 und wurde ordnungsgemäß bekanntgegeben.

b)

Die Festsetzungsfrist blieb durch die andauernde Außenprüfung auch weiterhin grundsätzlich bis zum 31.12.2007 gehemmt. Denn unstreitig fand für die Umsatzsteuer 1992 und 1993 am 03.12.2003 die Schlussbesprechung statt. Damit begann die Frist des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO mit Ablauf des 31.12.2003, sodass das Finanzamt nach der maßgeblichen Frist des § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO bis zum Ablauf des 31.12.2007 berechtigt war, die auf Grund der Außenprüfung zu ändernden Steuerbescheide zu erlassen; dies erfolgte bereits am 19.05.2005, also noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist. Da unstreitig eine Schlussbesprechung stattgefunden hat, kann dem Vortrag der Klägerin nicht gefolgt werden, dass maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Ermittlungshandlungen abzustellen sei. Denn insoweit ist der Wortlaut der Vorschrift § 171 Abs. 4 Satz 3 AO eindeutig und nicht anders auszulegen, als auf den Zeitpunkt von Ermittlungsmaßnahmen nur abgestellt werden kann, wenn eine Schlussbesprechung unterblieben ist (vgl. BFH-Urteile vom 09.03.1999 VIII R 19/97 und vom 20.07.2005 X R 74/01 a.a.O.).

c)

Im Hinblick auf die Einlassungen der Klägerin weist das Gericht jedoch darauf hin, dass die Änderungsbescheide auch dann rechtzeitig ergingen, wenn auf den Zeitpunkt der letzten Ermittlungen abzustellen wäre. Als Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung sind alle Prüfungshandlungen zur Beurteilung der für die Besteuerung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu verstehen. Es sind dabei sämtliche Ermittlungen zu erfassen, die den Steuerfall in seiner Gesamtheit betreffen, und nicht nur Einzelermittlungen hinsichtlich einer bestimmten Steuerart oder eines bestimmten Veranlagungszeitraum (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, AO-/FGO-Kommentar, § 171 AO Tz. 32). Denn die Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung betreffen den gesamten unternehmerischen Bereich, so dass sich die steuerlichen Feststellungen wechselseitig je nach Steuerart auswirken können. Dabei bestimmt die Finanzbehörde die Art der Ermittlungen selbst und kann sich aller möglichen und zulässigen Beweismittel bedienen (vgl. §§ 88, 92 AO). Zu solchen Ermittlungsmaßnahmen gehören jedenfalls auch sachverständige versicherungsmathematische Berechnungen, wie sie in der Zeit vom März 1998 bis Oktober 2002 von dem Fachprüfer der Oberfinanzdirektion angestellt wurden (vgl. § 92 Nr. 2 AO). Zu den Ermittlungsmaßnahmen zählen aber auch Besprechungen über tatsächliche und rechtliche Fragen zum gesamten Unternehmensbereich, wie sie zur Überzeugung des Gerichts auch noch nach dem 03.08.1998 stattgefunden hatten. Dies folgt bereits aus dem Schreiben des steuerlichen Beraters vom 13.07.2001, in dem um weitere Terminabsprachen nachgesucht wurde, aber auch aus den Aktenvermerken des Betriebsprüfers vom 2. und vom 23.10. sowie vom 14. und 19.12.2001 über noch streitige steuerliche Fragen, schließlich auch aus dem Schreiben des Steuerberaters vom 07.02.2002, in dem ein Kompromiss vorgeschlagen wurde. Dies zeigt, dass jedenfalls im Zeitraum 2001 und 2002 die Sach- und Rechtsklärung noch andauerte und noch nicht endgültig erfolgt war, sondern diese letztlich einer Schlussbesprechung vorbehalten blieb, wie sie dann am 03.12.2003 tatsächlich auch stattfand.

3.

Schließlich weist das Gericht darauf hin, dass die geänderten Steuerbescheide vom 19.05.2005 der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Fa. A. B. GmbH wirksam bekannt gegeben wurden. Die Änderungsbescheide betrafen die Klägerin als Rechtsnachfolgerin und wurden zutreffend an die geschäftsführende GmbH als gesetzlichen Liquidator der Klägerin adressiert. Das Gericht kann jedoch insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen und auf die zutreffenden Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 03.08.2005 verweisen (vgl. § 105 Abs. 5 FGO), denen es sich anschließt.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.

Da die maßgebliche Rechtsfrage bereits durch die BFH-Urteile vom 09.03.1999 VIII R 19/97 und vom 20.07.2005 X R 74/01 - jeweils a.a.O -. entschieden ist, war die Revision nicht zuzulassen.



Ende der Entscheidung

Zurück