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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 23.03.2005
Aktenzeichen: III 249/2004
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 93
AO § 105
AO § 249 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines an die Klägerin - einer Berufskammer - gerichteten Auskunftsersuchens zur Bankverbindung eines ihrer Mitglieder.

Der Beklagte hat Steuerforderungen (Einkommensteuer mit Nebenleistungen) gegen einen Berufsträger in Höhe von ca. 3.400 Euro. Dieser war Mitglied der Klägerin. Er lebte im Streitjahr mit seiner Familie im Geschäftsbereich des Beklagten; die Geschäftsräume und ein Nebenwohnsitz lagen im Zuständigkeitsbereich anderer Finanzämter.

Alle Vollstreckungsversuche des Beklagten blieben ergebnislos. Am 21.7.2004 forderte er die Klägerin deshalb unter Berufung auf §§ 249 Abs. 2, 93 AO auf, die Bankverbindung des Kammermitglieds mitzuteilen, über welche dieses die Kammerbeiträge entrichte; Anfragen beim "Steuerpflichtigen" seien erfolglos geblieben. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt dieses Schreiben nicht.

Am 28.7.2004 teilte die Klägerin dem Finanzamt mit, sie sehe sich aufgrund der Berufsordnung gehindert, die entsprechende Auskunft zu erteilen. Nach einem weiteren Schriftwechsel legte die Klägerin am 20.10.2004 gegen die Aufforderung zur Erteilung der Auskunft vom 21.7.2004 erfolglos Einspruch ein (Einspruchsentscheidung vom 16.11.2004).

Am 16.12.2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen folgendes vor:

1. Für ein derartiges Auskunftsersuchen gebe es keine Rechtsgrundlage.

§ 93 AO diene lediglich der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen; im Steuererhebungs- bzw. Vollstreckungsverfahren gelte die Vorschrift nicht. Unabhängig davon stehe einem auf § 93 AO gestützten Auskunftsersuchen an die Klägerin die Vorschriften der Berufsordnung entgegen; auch deshalb seien die §§ 93, 105 AO unanwendbar. Kammervorstand und Angestellte der Kammer seien ohne Ausnahme zur Verschwiegenheit verpflichtet, Auskünfte seien allenfalls in gerichtlichen Verfahren möglich.

2. Auch wenn die §§ 93, 105 AO anwendbar seien, sei das Auskunftsverlangen wegen fehlender Bestimmtheit sowie unzureichender Begründung formell rechtswidrig bzw. nichtig (§§ 119, 93 Abs. 2 Satz 1 und 121 AO).

3. Das Auskunftsverlangen sei zudem materiell rechtswidrig:

a) Der Beklagte habe nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, beim Schuldner Erkenntnisse über Vermögenswerte zu erlangen (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO), weil der Beklagte diesem keine eidesstattliche Versicherung abverlangt habe. Dem Auskunftsverlangen stehe auch das Auskunftsverweigerungsrecht des § 102 Abs. 1 Nr. 3 b) AO entgegen. In Anbetracht der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz sei der Beklagte im übrigen gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an eine Entscheidung des Gerichtshofs gebunden.

b) Die Inanspruchnahme der Kammer sei ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte verkannt habe, dass es sich um einen besonderes schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Klägerin und ihrer Mitglieder handele. Die geforderte Auskunft über die Bankverbindung eines Mitglieds zerstöre das Vertrauen der Berufsträger in die Verpflichtung der Kammer zur Geheimhaltung und beeinträchtige die Kammerarbeit in unakzeptabler Weise. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen der Kammer und ihren Mitgliedern sei höher zu bewerten als die Durchsetzung von Steuerforderungen. Das Auskunftsersuchen sei unverhältnismäßig, zumal es nur um die Vollstreckung einer Steuerschuld von rund 3.400 Euro gehe.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid des beklagten Finanzamtes vom 21.7.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2004 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, er habe - anders als die Finanzbehörde in dem von der Klägerin genannten Fall des Gerichtshofs - sein Auskunftsersuchen nicht auf die allgemeinen Amtshilfegrundsätze gestützt, sondern ausdrücklich auf die §§ 93, 105 und 249 AO. Da alle Bemühungen, die Steuerforderung beim Schuldner beizutreiben, erfolglos geblieben seien, habe das Auskunftsersuchen auch an Dritte gerichtet werden dürfen. Der Vollstreckungsschuldner sei nicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung aufgefordert worden, weil diese den Verlust der Zulassung zur Folge hätte haben können. Alle anderen Möglichkeiten habe er, der Beklagte, ausgeschöpft und als letztes Mittel die Klägerin um Auskunft über die Bankverbindung des Steuerschuldners gebeten. Es bedürfe nur eines Blickes in die Unterlagen, um die gewünschte Auskunft zu erteilen.

Im übrigen wird hinsichtlich des Sach- und Rechtsvortrags der Beteiligten auf die Akten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet. Das Auskunftsersuchen ist rechtmäßig.

1. Der Beklagte hat sein Auskunftsbegehren zutreffend auf die §§ 93, 105 AO gestützt:

a) Diese Vorschriften sind auch im Vollstreckungsverfahren anwendbar (BVerfG-Beschluss vom 15.11.2000 1 BvR 1213/00, HFR 2001, 278, NJW 2001, 811; BFH-Urteil vom 22.2.2000 VII R 73/98, BStBl II 2000, 366; Klein/Brockmeyer, AO, 8. Aufl. 2003, § 93 Rz. 5). Die Finanzbehörden haben die Steuern gleichmäßig zu erheben (§ 85 Satz 1 AO); sie ermitteln den Sachverhalt von Amts wegen (§ 88 Abs. 1 Satz 1 AO). Hierbei bedienen sie sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich halten (§ 92 Satz 1 AO). Sie können von den Beteiligten und anderen (Privat-)Personen, Behörden sowie sonstigen öffentlichen Stellen - also auch von einer Kammer - Auskunft verlangen (vgl. §§ 92 Satz 2 Nr. 1, 105 Abs. 1 AO; BFH-Beschluss vom 26.2.2001 VII B 265/00, BStBl II 2001, 464). § 93 AO geht als das speziellere Gesetz den allgemeinen Amtshilfegrundsätzen und den entsprechenden Normen des Bundesdatenschutzgesetzes vor.

b) Die §§ 93, 105 AO werden nicht von den Vorschriften der Berufsordnung verdrängt.

aa) § 105 AO regelt das Verhältnis zwischen der Verpflichtung zur Verschwiegenheit öffentlicher Stellen und ihrer Auskunftspflicht. Nach dieser Vorschrift gilt die Verschwiegenheitspflicht öffentlicher Stellen - wie sie etwa für die Kammer aus den Vorschriften der Berufsordnung folgt - grundsätzlich nicht gegenüber dem Finanzamt, es sei denn, der Gesetzgeber hat die Anwendung der §§ 93, 105 AO ausdrücklich ausgeschlossen (Hübschmann/Hepp/Spitaler/ Söhn, AO/FGO, § 105 AO, Rz. 21 ff, 31 ff; Klein/ Brockmeyer, AO, § 105 Rz. 1; Schwarz/ Dumke, AO § 105 Rz. 2; Tipke in Tipke/ Kruse, AO/ FGO, § 105 AO Rz. 1 ff). Die Vorschriften der Berufsordnung ist keine gegenüber den §§ 93, 105 AO vorrangige jüngere Vorschrift und auch kein spezielleres Gesetz. Die Vorschriften der Berufsordnung regelt die Verschwiegenheitspflicht der Kammer im Allgemeinen, § 105 AO den speziellen Fall der Kollision zwischen Verschwiegenheits- und Auskunftspflicht im Besteuerungsverfahren. Die Annahme der Klägerin, die Verschwiegenheitspflicht gemäß den Vorschriften der Berufsordnung verdränge die §§ 105, 93 AO, weil in den Vorschriften der Berufsordnung der Vorrang der Auskunftspflicht nach der AO nicht ausdrücklich wiederholt wird, geht deshalb fehl.

bb) Auch eine Analogie zu anderen Gesetzen, in denen ein Vorrang der Verschwiegenheitspflicht geregelt ist, kommt nicht in Betracht. Eine Regelungslücke ist im Hinblick auf § 105 AO nicht gegeben. Soweit der Gesetzgeber die Kammern begünstigen wollte, hat er dies, wie etwa § 93 a Abs. 2 AO zeigt, ausdrücklich getan. In allen mit den Vorschriften der Berufsordnung vergleichbaren Gesetzen ist kein Vorrang der Verschwiegenheitspflicht gegenüber der Auskunftspflicht vorgesehen (vgl. etwa § 71 PatAnwO, § 69 a BNotO; § 83 StBerG; § 64 WiPrO). Die Gesetze hingegen, in denen ein Vorrang der Verschwiegenheitspflicht geregelt ist, dienen gewichtigen nationalen Belangen etwa im Verteidigungsfalle, bei der Abwendung von Umweltgefahren sowie der Gewinnung von Statistikdaten, also anderen Zwecken als den Vorschriften der Berufsordnung (vgl. z. B. §§ 16 Abs. 1 Satz 3 Bundesstatistikgesetz, § 15 Abs. 4 Bundesleistungsgesetz, § 7 Abs. 1 Satz 2 Landwirtschaftsgesetz, § 18 Abs. 4 Satz 2 Wassersicherstellungsgesetz, § 52 Abs. 7 Satz 1 Bundesimmissionsschutzgesetz).

cc) Der weitere Einwand der Klägerin, aus den weiteren Vorschriften der Berufsordnung folge, dass nur in einem Gerichtsverfahren Auskunft verlangt werden könne, ist ebenfalls nicht stichhaltig; dies ist nicht der Inhalt der angesprochenen Vorschriften. Sie schreiben vor, dass bestimmte Aussagen in gerichtlichen Verfahren vom Vorstand der Kammer genehmigt werden müssen; nach den Vorschriften der Berufsordnung soll die Genehmigung regelmäßig erteilt werden (vgl. hierzu auch ; Eylmann/Vaasen/Hartmann, BNotO, 2000, § 69 a Rz. 16; Seybold/Hornig/Schippel/Kanzleiter, BNotO, 6. Aufl. 1995, § 69 a Rz. 10), obwohl sie wegen der möglichen Beteiligung beliebiger Privatpersonen und der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung die Interessen der Beteiligten in der Regel stärker belasten als die Antwort auf ein durch das Steuergeheimnis geschütztes Auskunftsersuchen des Finanzamts.

2. Das Auskunftsersuchen des Beklagten ist auch formell rechtmäßig.

a) Der Beklagte war gemäß § 19 Abs. 1 Sätze 1 und 2 2. Halbsatz AO zuständig. Der Klägerin wurde im Einspruchsverfahren ausreichend rechtliches Gehör gewährt (§ 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, 127 AO). Eine Anhörung des Vollstrekkungsschuldners war nicht erforderlich, weil hierdurch der Ermittlungszweck bzw. der Erfolg der Vollstreckungsmaßnahme gefährdet worden wäre (vgl. Beermann/Hartmann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 93 Rz. 38; § 91 Abs. 2 Nr. 5 AO).

b) Das Finanzamt hat das Auskunftsersuchen auch ausreichend begründet (§§ 121 Abs. 1, 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO); es ist nicht wegen fehlender Bestimmtheit nichtig (vgl. hierzu Beermann/Hartmann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 93 AO Rz. 23; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Schuster, AO/FGO, § 93 AO Rz. 32 ff).

Im Schreiben vom 21.7.2004 hatte der Beklagte nach der Bankverbindung gefragt, über welche der Berufsträger seine Kammerbeiträge zahlte. Diese Frage ist eindeutig. Der Hinweis auf § 249 Abs. 2 AO zeigte den fachkundigen Adressaten des Schreibens, dass der Beklagte eine Vollstreckung vorbereitete. Aus dem rechtlichen Hinweis auf § 93 AO und der Mitteilung, Anfragen beim "Steuerschuldner" hätten nicht zum Erfolg geführt, war ersichtlich, dass die Klägerin als "andere Person" im Sinne von § 93 Abs. 1 Satz 3 AO in Anspruch genommen werden sollte (vgl. hierzu Hübschmann/Hepp/Spitaler/Schuster, AO/FGO, § 93 AO Rz. 35 ff). Das Schreiben der Klägerin vom 20.10.2004 (S. 5) bestätigt, dass das Auskunftsersuchen des Beklagten zutreffend verstanden worden war. In der Einspruchsentscheidung vom 16.11.2004 wurde der Sachverhalt vom Beklagten erneut - unter Hinweis auf die maßgeblichen Normen - geschildert; damit wurden etwaige noch vorhandene Begründungsmängel geheilt (§ 126 Abs. 1 Nr. 2, 127 AO).

Die Angabe der Rechtsgrundlage ist bei der Ausübung eines Entschließungsermessens, d. h. bei der Frage, ob das Finanzamt überhaupt tätig wird, zur Begründung des entsprechenden Bescheides regelmäßig ausreichend, weil die Finanzbehörden verpflichtet sind, Steueransprüche durchzusetzen (vgl. auch Nr. 1.8 AEAO vom 10.3.2005, IV A 4 - S 0062-1/05; BFH-Beschluss vom 11.6.2004, IV B 231/02, BFH/NV 2004, 1501; BFH-Urteil vom 2.10.1991, X R 1/88, BStBl II 1992, 274; Urteil des BVerfG vom 27.6.1991 2 BvR 1493/89, BStBl II 1991, 654). Ausführungen zur Ausübung eines Auswahlermessens erübrigten sich im Streitfall ebenso, da es erfolgversprechende weitere Ermittlungsmaßnahmen nicht gab (ebenso BFH-Urteil vom 22.2.2000 VII R 73/98, BStBl II 2000, 366, unter Nr. 5; Nr. 1.8 AEAO vom 10.3.2005, IV A 4 - S 0062-1/05). Insoweit hat auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich keine Einwendungen geltend gemacht.

3. Das Auskunftsverlangen ist auch materiell rechtmäßig.

Es ist zur Sachverhaltsaufklärung geeignet und notwendig, die Auskunft ist für die Klägerin möglich und ihre Inanspruchnahme erforderlich, verhältnismäßig und zumutbar. Es kann dahinstehen, welche dieser Modalitäten rechtliche Grenzen für das Auskunftsverlangen nach § 93 AO sind und welche das Finanzamt lediglich im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat (BFH-Urteile vom 22.2.2000 VII R 73/98, BStBl II 2000, 366; vom 24.10.1989 VII R 1/87, BStBl II 1990, 198). Denn im Streitfall ist das angefochtene Auskunftsersuchen unter keinem dieser Gesichtspunkte rechtlich zu beanstanden.

a) Das Auskunftsverlangen war zur Sachverhaltsaufklärung geeignet. Die Klägerin hat nicht eingewendet, dass sie die Kontoverbindung aus ihren Unterlagen nicht habe ersehen können. Da der Steuerschuldner die Kammerbeiträge trotz seiner Zahlungsschwierigkeiten stets gezahlt hatte, konnte das Finanzamt annehmen, dass die Auskunft der Kammer zur Entdeckung eines bisher unbekannten Guthabenkontos führen konnte; dabei genügt es, dass ein solcher Erfolg möglich ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 18.2.1997 VIII R 33/95, BStBl II 1997, 499, unter B. III. 4. a) dd)).

b) Das Auskunftsersuchen war erforderlich, weil sich der Beklagte die geforderten Angaben nicht auf amtlichem Wege oder sonst einfacher hatte beschaffen können (Hübschmann/Hepp/Spitaler/ Schuster, AO/FGO, § 93 AO Rz. 66). Der Beklagte hatte alle Erfolg versprechenden Auskunftsquellen ausgeschöpft und konnte aus den Vollstreckungsakten sowie den Pfändungsprotokollen keine weiteren Erkenntnisse über pfändbares Vermögen des Vollstreckungsschuldners gewinnen. Im übrigen kann ein Dritter die Auskunft grundsätzlich nicht unter Hinweis darauf verweigern, dass das Finanzamt auch andere Personen um Auskunft ersuchen könne (BFH-Urteile vom 22.2.2000 VII R 73/98, BStBl II 2000, 366; vom 26.8.1980 VII R 42/80, BStBl II 1980, 699).

c) Das Gebot, in erster Linie den Steuerpflichtigen zur Aufklärung des Sachverhalts heranzuziehen (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO), hat der Beklagte beachtet. Er hat - ohne Erfolg - vom Steuerschuldner entsprechende Angaben verlangt und versucht, durch einen Vollziehereinsatz Erkenntnisse über weitere Vermögenswerte und Konten zu gewinnen. § 93 Abs. 1 Satz 3 AO verlangt nicht, dass die Inanspruchnahme Dritter solange zurückgestellt wird, bis alle nur denkbaren Möglichkeiten ausgeschöpft sind, den Steuerschuldner zu einer vollständigen Auskunft über seine Vermögensverhältnisse oder Vertragsbeziehungen zu veranlassen. Insbesondere ist das Finanzamt nicht zur Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung vor Erlass des Auskunftsersuchens verpflichtet (BFH-Urteil vom 22.2.2000 VII R 73/98, BStBl II 2000, 366; Beermann/Hartmann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 93 AO Rz. 18; Hübschmann/Hepp/Spitaler/Schuster, AO/FGO, § 93 AO Rz. 87). Es genügt, dass die Wahrheitsfindung mit Hilfe des Beteiligten aus persönlichen oder sachlichen Gründen voraussichtlich scheitern wird (Hübschmann/Hepp/Spitaler/ Schuster, AO/FGO, § 93 AO Rz. 88 ff). Im Streitfall hat der Beklagte zutreffend angenommen, dass die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung für den betroffenen Berufsträger eine besonders einschneidende Maßnahme gewesen wäre; sie hätte zum Entzug der Zulassung führen und damit im Ergebnis die Erfolgsaussichten weiterer Beitreibungsversuche verschlechtern können.

d) Das Auskunftsverlangen verstößt auch nicht gegen vorrangige Rechtsvorschriften.

Dem Auskunftsverlangen steht das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 102 AO nicht entgegen (vgl. auch Hübschmann/Hepp/Spitaler/ Schuster, AO/FGO, § 93 AO Rz. 78). Diese Vorschrift schützt nur Geheimnisse, die einem Berufsträger oder einem seiner Mitarbeiter in Ausübung eines Auftrags bekannt geworden sind. Die Kammer ist Teil der mittelbaren Staatsverwaltung und - entgegen den Ausführungen der Klägerin - nicht wie eine Anwaltssozietät oder -partnerschaft zu behandeln. Nicht von Bedeutung ist, dass eine Einwilligung des Steuerschuldners in die Auskunftserteilung nicht vorliegt. Anders als im BFH-Urteil vom 26.2.2004 IV R 50/01 (BStBl II 2004, 502), auf das sich die Klägerin beruft, sollten im Streitfall dem Finanzamt nicht die Verhältnisse eines unbeteiligten Dritten offenbart werden, sondern die eines Steuerschuldners.

Auch der weitere Einwand der Klägerin, durch das Auskunftsersuchen werde das Bankgeheimnis umgangen, greift nicht. Gemäß § 30 a Abs. 5 Satz 1 AO gilt § 93 AO auch für Auskunftsersuchen an Kreditinstitute; § 30 a Abs. 5 Satz 1 AO ist deklaratorisch (so BFH-Urteil vom 18.2.1997 VIII R 33/95, BStBl II 1997, 499, B. III. 4. a) dd)).

Die Entscheidung des Gerichtshofes ist für den Streitfall ohne Belang. Sie betrifft das Verhältnis von § 76 AO zu den allgemeinen Amtshilfegrundsätzen und nicht zu § 93 AO.

e) Das Auskunftsersuchen war unter Berücksichtigung aller Umstände nicht unverhältnismäßig oder unzumutbar (vgl. zu diesen Kriterien etwa Hübschmann/Hepp/Spitaler/Schuster, AO/FGO, § 93 AO Rz. 72).

aa) Das Auskunftsverlangen war entgegen der Auffassung der Klägerin insbesondere nicht deshalb unzumutbar, weil sich auf dem Konto Kundengelder befinden konnten. Angaben zu Geschäftskonten befinden sich regelmäßig auf den Briefbögen der Berufsträger. Dies zeigt, dass Bankverbindungen von Berufsträgern keiner strikten Vertraulichkeit unterliegen. Selbst die Pfändung von Gebührenforderungen eines Berufsträgers ist grundsätzlich zulässig; in diesem Zusammenhang können die Finanzbehörden regelmäßig auch Angaben zum Namen und zur Anschrift des Drittschuldners (Mandanten) sowie zum Grund der Forderung verlangen (vgl. BFH-Beschluss vom 1.2.2005, VII B 198/04, BStBl II 2005, 422).

Bei korrektem Verhalten des Vollstreckungsschuldners konnte es zu der von der Klägerin befürchteten Gefährdung von Kundeninteressen und -geldern im übrigen nicht kommen. Spätestens dann, wenn die eigene Zahlungsfähigkeit nicht mehr sichergestellt ist, sind Berufsträger verpflichtet, alle Fremdgelder auf Anderkonten überweisen zu lassen. Da die Zahlungsfähigkeit des Steuerschuldners im Streitfall bereits seit einiger Zeit nicht mehr gewährleistet war, hätte dieser zwischenzeitlich die Umleitung aller Mandantengelder auf Anderkonten veranlasst haben müssen (vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss vom 3.6.2002 3 Ss 74/02, wistra 2002, 475; BGH-Senat für Notarsachen, Beschluss vom 3.12.2001 NotZ 13/01, DNotZ 2002, 236).

bb) Die Sorge der Klägerin, dass die Angabe des Bankkontos zu einer Erschwerung ihrer Aufgabenerfüllung führen könnte, macht die Auskunft nicht unzumutbar (Beermann/Hartmann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 93 AO Rz. 31; , ; BFH-Urteil vom 29.10.1986 VII R 82/85, BStBl II 1988, 359; BFH-Beschluss vom 21.12.1992 XI B 55/92, BStBl II 1993, 451). Angesichts der einschneidenden Bedeutung, die die Besteuerung für den Staat und für jeden Bürger hat, ist es ein wesentliches Gebot der Gerechtigkeit, dass der Staat die gesetzlich vorgesehene Besteuerung gleichmäßig durchzusetzen versucht (BFH-Urteil vom 24.10.1989 VII R 1/87, BStBl II 1990, 198). Der Gesetzgeber bewertet deshalb, wie § 93 Abs. 1 AO zeigt, den staatlichen Steueranspruch grundsätzlich höher als das Interesse des Dritten, von staatlichen Eingriffen unbehelligt zu bleiben (vgl. BFH-Urteil vom 22.2.2000 VII R 73/98, BStBl II 2000, 366).

cc) Es verstößt nicht gegen das Übermaßverbot, wenn eine Finanzbehörde versucht, eine Steuerforderung von 3.400 Euro zu vollstrecken, und in diesem Zusammenhang eine Berufskammer zur Auskunft über eine Bankverbindung auffordert. Die Auskunft kann mit einem minimalen Aufwand gegeben werden. Der Steuerschuldner und die übrigen Kammermitglieder erfahren von dem Auskunftsverfahren i. d. R. nichts; die Aufgabenerfüllung der Kammer wird hierdurch nicht beeinträchtigt. Die Auskunft bezieht sich nicht auf wesentliche persönliche Daten des Mitglieds. Angaben zu Bankverbindungen sind, wie ausgeführt, auf den entsprechenden Schreiben regelmäßig abgedruckt.

dd) Die vorgenannten Einwände, welche die Klägerin zu Unrecht erhoben hat, durfte der Beklagte bei seiner Abwägung nicht berücksichtigen, weil sie ohne rechtlichen Belang sind. Sonstige Umstände, die der Beklagte zu Unrecht nicht berücksichtigt hat, gibt es nicht und wurden auch von der Klägerin nicht geltend gemacht. Vom Beklagten abzuwägen war deshalb lediglich, ob vor dem Hintergrund seiner Verpflichtung, die festgesetzten Steuern beizutreiben, ein geringfügiger, durch das Steuergeheimnis zusätzlich abgemilderter Eingriff auch im konkreten Fall zu rechtfertigen war. Dies kann bei der im Streitfall vorliegenden Sach- und Rechtslage nicht in Abrede gestellt werden; Abwägungsfehler liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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