Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 28.03.2007
Aktenzeichen: III 267/06
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 45 Abs. 3
FGO § 68
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

III 267/06

Einkommensteuer 1999 und 2000

In dem Rechtsstreit

...

hat der 3. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 28.03.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Kläger sind Ehegatten und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Ehemann erzielte als Koordinator bei der Stadt 1 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Ehefrau erzielte als medizinisch technische Angestellte ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Einkommensteuererklärungen 1999 und 2000 gingen am 28.12.2001 beim beklagten FA ein.

Als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit machte der Kläger Fahrtkosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit dem eigenen PKW für 230 Tage geltend. Als Entfernung gab er 50 km an. Weiterhin erklärte er, er habe Mitgliedsbeiträge an die Gewerkschaft { } i.H.v. 690 DM (1999), bzw. 701 DM (2000) gezahlt. Die Ehefrau machte keine Werbungskosten geltend.

Die Kläger wurden antragsgemäß veranlagt und die Einkommensteuer mit Bescheiden vom 30.10.2002 auf 8.964,99 Euro (17.534 DM) 1999 bzw. 9.199,16 Euro (17.992 DM) 2000 festgesetzt.

Gegen diese Bescheide legten die Kläger mit Schreiben vom 28.11.2002 jeweils Einspruch ein. Die Einsprüche wurden trotz wiederholter Aufforderung nicht begründet, zusätzliche Belege wurden nicht vorgelegt.

Mit Schreiben vom 23.9.2003 und 27.10.2003 wies der Beklagte auf die Möglichkeit einer Verböserung hin. Er wolle als Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte des Klägers statt 50 km nur noch 35 km anerkennen.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 20.10.2006 erhöhte der Beklagte die Einkommensteuer 1999 auf 9.374,03 Euro und die Einkommensteuer 2000 auf 9.595,93 Euro. Im Übrigen wies er die Einsprüche als unbegründet zurück.

Mit Schreiben vom 15.11.2006, eingegangen beim Beklagten am 17.11.2006, wandten sich die Kläger mit einer Gegenvorstellung gegen die Einspruchsentscheide.

Mit Schreiben vom 20.11.2006, eingegangen beim Beklagten am 21.11.2006, haben die Kläger Klage erhoben. Sie schrieben, die Klageerhebung gelte "für den Fall", dass der Beklagte ihrer Gegenvorstellung nicht entsprechen wolle.

Während des Klageverfahrens erlies der Beklagte am 2.2.2007 Änderungsbescheide und setzte die Einkommensteuer 1999 auf 9.107,13 Euro und die Einkommensteuer 2000 auf 9.450,72 Euro fest. Die Festsetzung des Solidaritätszuschlages erfolgte gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlagsgesetzes 1995.

Die Kläger sind der Auffassung, dass der Beklagte zu Unrecht den Weg des Klägers zwischen seiner Wohnung in B und seiner Arbeitsstätte in 1 auf der Grundlage einer 35 km langen Route berechnet habe. Tatsächlich sei der Kläger in den Streitjahren wegen des Ausbaus der A 3 täglich eine andere, 50 km lange Strecke gefahren. Erst ab dem Jahr 2001 fahre er eine 35 km lange Strecke.

Im Übrigen sei den Klägern daran gelegen, den Eintritt der Bestandskraft ihrer Steuerbescheide zu verhindern. Sie sind der Auffassung, der Beklagte habe seine Einspruchsentscheidung verfrüht erlassen ("plötzlich und aus heiterem Himmel" "im Kontext mit weiteren 'Nonsensbescheiden'").

Die Kläger beantragen,

die Einkommensteuerbescheide und die Bescheide über den Solidaritätszuschlag vom 2.2.2007 und die Einspruchsentscheidung vom 20.10.2006 aufzuheben, die Einkommensteuer unter Berücksichtigung einer tatsächlich gefahrenen Strecke von 50 Entfernungskilometern entsprechend niedriger festzusetzen und das Einspruchsverfahren zum Solidaritätszuschlag bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlagsgesetzes 1995 ruhen zu lassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er sieht keinen Grund, die Entscheidung länger zurückzustellen. Hinsichtlich der Festsetzung des Solidaritätszuschlages sei dem Rechtschutzbedürfnis der Kläger durch den Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO hinreichend Rechnung getragen worden. Im Übrigen hätten die Kläger keine Umstände vorgetragen oder nachgewiesen, die ein weiteres Abwarten oder die Festsetzung einer niedrigeren Steuer rechfertigen könnten. Die von ihm bei den Fahrten des Klägers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anerkannte Fahrtstrecke von 35 km sei die schnellste, nicht die kürzeste Strecke. Sie berühre weder die A 3 noch eine ihrer Umleitungsstrecken.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Die gegen die Einkommensteuerbescheide vom 30.10.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.10.2006 gerichtete Klage ist unzulässig, da sie unter einer Bedingung erhoben wurde (vgl. Gräber/von Groll, FGO, 5. Aufl. 2002, vor § 33, Rz. 11). Die Kläger teilten in der Klageschrift vom 20.11.2006 mit, die Klageerhebung gelte "für den Fall", dass der Beklagte ihrer Gegenvorstellung, die am 17.11.2006 beim Beklagten eingegangen war, nicht entsprechen wolle. Die Klageerhebung sollte danach von einer Entscheidung des Beklagten über das Begehren der Kläger abhängen. Die Erklärung der Kläger ist eindeutig; ein unbedingter Wille zur Klageerhebung kann nicht unterstellt werden. Eine solche außerprozessuale Bedingung der Klageerhebung führt zur Unzulässigkeit der Klage (vgl. BFH-Urteil vom 18.1.1994 IX B 126/93, BFH/NV 1994, 871; BFH-Beschluss vom 9.11.2000 XI B 107/99, BFH/NV 2001, 615).

2. Soweit sich der Klageantrag gegen die Einkommensteuerbescheide und die Bescheide über den Solidaritätszuschlag vom 2.2.2007 richtet, handelt es sich um einen eigenständigen Streitgegenstand, da die Bescheide vom 2.2.2007 nicht gemäß § 68 FGO Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind. § 68 FGO setzt voraus, dass die ursprüngliche Klage zulässig war (vgl. Tipke/Kruse/Seer, AO/FGO, § 68 Rz. 18; Gräber/von Groll, FGO, 5. Aufl. 2002, § 68 Rz. 40). Als Klage ist der Antrag unzulässig, da es insoweit an einem Vorverfahren fehlt (§ 44 Abs. 1 FGO). Eine Klage gemäß § 46 FGO kommt nicht in Betracht, da die Kläger gegen die Änderungsbescheide vom 2.2.2007 nicht Einspruch eingelegt haben. Mangels Zustimmung des Finanzamtes zu einer sog. Sprungklage ist der Antrag gemäß § 45 Abs. 3 FGO als Einspruch zu behandeln.

3. Würde man, anders als das Gericht, von einer zulässigen Klage ausgehen, wäre sie unbegründet, da die Einkommensteuerbescheide 1999 und 2000 - dann im Hinblick auf § 68 FGO in Gestalt der Bescheide vom 2.2.2007 - rechtmäßig wären.

a) Die geltend gemachte Entfernung von 50 km ist bei der Ermittlung der Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht zu berücksichtigen.

Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte waren gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG 1999 und 2000 Werbungskosten. Bei Fahrten mit dem PKW waren für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte pauschal 0,70 DM anzusetzen. Für die Bestimmung der Entfernung war nach dem Gesetz die kürzeste benutzbare Straßenverbindung maßgebend. Eine andere als die kürzeste Straßenverbindung war nur dann zugrunde zu legen, wenn sie offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitstätte benutzt wird.

Nach diesen Grundsätzen wäre die vom Kläger angegebene Fahrtstrecke von 50 km selbst dann nicht anzuerkennen, wenn die Klage zulässig wäre.

aa) Die kürzeste Strecke zwischen der Wohnung des Klägers und seiner Arbeitsstätte ist 27 km lang. Die schnellsten und verkehrsgünstigsten Strecken sind nach den zur Verfügung stehenden Routenplanern maximal 35 km lang, teilweise sogar kürzer. Sie berühren weder die A 3 noch die Umwegstrecken der A 3 und wurden von etwaigen Bauarbeiten auf der A 3 in Höhe der Raststätte { } nicht tangiert. Die Fahrtzeit beträgt etwas mehr als eine halbe Stunde. Es ist nicht ersichtlich und wurde vom Kläger auch nicht substantiiert vorgetragen, welche zeitliche Ersparnis oder welche sonstigen Vorteile sonst noch mit dem von ihm gewählten Umweg verbunden gewesen sein könnten, zumal der von ihm genannte Weg bis kurz vor der Raststätte { } auf der mit einem hohen Verkehrsaufkommen belasteten A 3 verlief. Die vom Beklagten angenommene Strecke von 35 km ist also nicht zu beanstanden.

bb) Die darlegungs- und beweispflichtigen Kläger haben nicht nachgewiesen, dass der Kläger in den Streitjahren jeweils an 230 Tagen 50 km einfach zur Arbeit gefahren ist. Insbesondere lassen die von den Klägern vorgelegten Unterlagen nicht den Schluss zu, der Kläger habe in den Jahren 1999 und 2000, wie auch in den Vorjahren, alleine für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte jährlich 23.000 km (= 230 Tage x 50 km x 2) zurückgelegt. Das auf seinen Namen zugelassene Fahrzeug XX-XX -184 ist ausweislich der Rechnung des Autohauses Z GmbH vom 2.7.2001 in der Zeit vom 21.7.1998 bis zum 2.7.2001 25.892 km gefahren worden, also durchschnittlich rund 8.600 km im Jahr. Das auf die Klägerin zugelassene Fahrzeug XX-XX -309 wurde ausweislich der TÜV-Bescheinigung vom 28.8.2002 zwischen August 1999 und August 2002 rund 39.000 km gefahren, im Jahresdurchschnitt also rund 13.000 km. Hiernach ergäbe sich eine Gesamtfahrleistung der ganzen Familie für berufliche und private Zwecke von etwa 21.600 km/Jahr. Der DEKRA-Bericht zu einem weiteren auf die Klägerin zugelassenen Fahrzeug stammt vom 2.2.1998, betrifft also die Streitjahre nicht. Weitere Unterlagen, aus denen sich ergeben würde, dass die Gesamtfahrleistung in den Streitjahren höher war, haben die Kläger nicht vorgelegt.

b) Sonstige Aufwendungen haben die Kläger nicht geltend gemacht. Sie haben keine Belege vorgelegt, die zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung führen könnten.

c) Hinsichtlich der Frage, ob das Solidaritätszuschlagsgesetz 1995 verfassungsgemäß ist, ist dem Rechtsschutzbedürfnis der Kläger durch den Vorläufigkeitsvermerk in den Einkommensteuerbescheiden vom 2.2.2007 hinreichend Rechnung getragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück