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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 07.12.2006
Aktenzeichen: IV 240/2004
Rechtsgebiete: ErbStG


Vorschriften:

ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1
ErbStG § 3 Abs. 2 Nr. 4
ErbStG § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b
ErbStG § 13a Abs. 1
ErbStG § 13a Abs. 2
ErbStG § 13a Abs. 4 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

IV 240/2004

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

...

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 07.12.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Bescheid vom 12.08.2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.04.2004 wird dahin geändert, dass die Erbschaftsteuer auf 215.506 DM (= 110.186,47 EUR) herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat die Klägerin zu 13% und das Finanzamt zu 87% zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Abtretung eines GmbH-Anteils zur Erfüllung eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs erfolgt ist und ob dann für den erworbenen GmbH-Anteil der Freibetrag und der Bewertungsabschlag nach § 13a ErbStG zu gewähren sind.

1. Am 13.09.1997 verstarb A. Testamentarische Alleinerbin des Erblassers ist seine Ehefrau B, die Beigeladene. Aus deren gemeinsamer Ehe waren zwei Kinder - C und die Klägerin D - hervorgegangen. Das gemeinsame Testament der Beigeladenen und des Erblassers vom 09.06.1975 enthielt die Bestimmung, dass ein Kind, welches nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangen sollte, nach dem Tod des Zweitversterbenden auch nur den Pflichtteil erhält.

Zum Vermögen des Erblassers gehörten im Todeszeitpunkt zwei Stammeinlagen an der A GmbH in 1 in Höhe von 780.000 DM und 1.300.000 DM. Die Klägerin war in dem Unternehmen tätig, seit 2002 als Hauptgeschäftsführerin.

Nach dem Tod des Erblassers entwarf der vormalige steuerliche Vertreter Vergleichsvorschläge, nach welchen die Beigeladene Anteile in Höhe von insgesamt 1.700.000 DM bzw. 1.880.000 DM auf die beiden Töchter übertragen wird, und übermittelte diese Entwürfe dem beurkundenden Notar. § 5 der Vergleichsentwürfe lautete:

"Damit sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Erbteil A erledigt. Unter den Parteien werden keinerlei gegenseitige Ansprüche mehr erhoben."

Mit notariellem Vertrag vom 02.04.1998 zwischen der Beigeladenen und ihren beiden Töchtern teilte die Beigeladene die Einlage über 1.300.000 DM auf und übertrug der Klägerin den von ihr geerbten Anteil des Erblassers in Höhe von 780.000 DM sowie den durch Teilung neu gebildeten Anteil in Höhe von 210.000 DM. Als Gegenleistung vereinbarten sie unter Ziff. III des Vertrages "vergleichsweise folgendes":

"Die Übertragung und Abtretung der genannten Anteile erfolgen zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche der Erwerber in den Nachlass von A, unabhängig davon, ob sie schon geltend gemacht wurden, also auch zur Abgeltung etwa noch nicht geltend gemachter Ansprüche, z.B. den Beteiligten heute noch unbekannter Ansprüche. Die Abtretung erfolgt insbesondere zur Abgeltung der geltend gemachten Pflichtteils- einschließlich Pflichtteilsergänzungsansprüche in den Nachlass des genannten Verstorbenen."

2. Das Finanzamt forderte die Beigeladene zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung auf. Mit Schreiben der Kanzlei ihres vormaligen steuerlichen Vertreters vom 30.01.1998 bat sie um Fristverlängerung für die Abgabe der Erklärung bis 30.04.1998 mit der Begründung, dass die Erbauseinandersetzungen noch nicht geklärt seien. In der am 18.01.1999 beim Finanzamt eingegangenen Erbschaftsteuererklärung, welche in der Kanzlei des vormaligen steuerlichen Beraters angefertigt worden war, gab die Beigeladene an, dass der Klägerin ein Wert in Höhe von 6.102.000 DM als Pflichtteil zustehe.

3. Mit Bescheid vom 15.02.1999 setzte das beklagte FA für den nach dem Erblasser erworbenen Pflichtteils- und Erbersatzanspruch über 6.102.000 DM Erbschaftsteuer in Höhe von 1.137.752 DM gegen die Klägerin fest. Der Bescheid erging unter Vorbehalt der Nachprüfung. Die Klägerin hat Einspruch eingelegt.

Mit Einspruchsschreiben vom 25.02.1999 beantragte die Kanzlei des vormaligen steuerlichen Beraters u.a., dass ein anteiliger Freibetrag in Höhe von 216.340 DM zu gewähren und das übrige Betriebsvermögen lediglich mit 60% anzusetzen sei, da es sich bei dem "Vermächtnis" um Betriebsvermögen handele. Mit Schreiben vom 07.06.1999 äußerte der neue Prozessbevollmächtigte die Rechtsauffassung, dass der Freibetrag und der Bewertungsabschlag nach § 13a ErbStG in voller Höhe der Beigeladenen zustehe.

Das beklagte FA schlug mit Schreiben vom 10.09.1999 die Erledigung u.a. dahingehend vor, dass Begünstigungen für Betriebsvermögen nicht gewährt werden. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stimmte dem Vorschlag des Finanzamts mit Schreiben vom 02.11.1999 zu.

Am 09.11.1999 forderte das beklagte FA die Klägerin zur Abgabe einer abgekürzten Erbschaftsteuererklärung für den Erwerb von Todes wegen nach dem Erblasser auf.

Mit Bescheid vom 18.11.1999 änderte das beklagte FA den Erbschaftsteuerbescheid entsprechend dem Vorschlag vom 10.09.1999 und setzte Erbschaftsteuer in Höhe von nunmehr 1.313.174 DM fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Der Prozessbevollmächtigte führte mit Schreiben an das Finanzamt vom 29.03.2000 aus, dass - nach Rücksprache mit dem vormaligen steuerlichen Berater - Pflichtteilsansprüche bislang nicht geltend gemacht worden seien. Dem Schreiben war ein Gutachten zum Notarvertrag vom 02.04.1998 beigefügt.

Mit Prüfungsanordnung vom 23.10.2000 ordnete das FA 2 bei der Klägerin die Betriebsprüfung für Erbschaftsteuer 1997/1998 an.

Am 26.10.2000 reichte die Klägerin beim beklagten FA die abgekürzte Erbschaftsteuererklärung zum Erwerb von Todes wegen nach dem Erblasser ein und erklärte entsprechend dem Schreiben vom 29.03.2000 einen erworbenen Pflichtteilsanspruch von 0 DM.

Der Bericht über die Betriebsprüfung erging am 18.04.2002. Das beklagte FA folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und setzte mit Bescheid vom 12.08.2002 Erbschaftsteuer in Höhe von nunmehr 1.998.790 DM fest. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Die Klägerin hat Einspruch eingelegt.

Am 27.11.2003 hat das beklagte FA die Beigeladene zu dem Einspruchsverfahren der Klägerin gemäß § 174 Abs. 5 AO hinzugezogen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 23.04.2004 setzte das beklagte FA die Erbschaftsteuer auf 1.669.253 DM herab und wies im Übrigen den Einspruch als unbegründet zurück. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb weiterhin bestehen.

Die Klägerin hat Klage erhoben. Sie beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 23.04.2004 und die Erbschaftsteuerbescheide vom 12.08.2002, 18.11.1999 und 15.02.1999 aufzuheben.

Sie begründet die Klage im Wesentlichen damit, dass eine Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nicht erfolgt sei. Die Notarurkunde vom 02.04.1998 beinhalte vielmehr eine vergleichsweise Regelung der unterschiedlichen Interessen der Mitglieder der Familie A, wobei diese Interessenunterschiede so groß gewesen seien, dass innerhalb der Familie eine streitige Auseinandersetzung gedroht habe. Ausgangspunkt des notariellen Vertrags sei ein Schreiben des vormaligen Steuerberaters der Familie vom 21.01.1998 gewesen, welches den Abschluss eines Vergleiches "zur Vermeidung von Erbstreitigkeiten" vorgesehen habe. Die Notarurkunde sei somit als vergleichsweise Regelung und nicht als Geltendmachung von Pflichtteilsrechten anzusehen. Ziel der Beteiligten der Urkunde sei ein Erbvergleich gewesen.

Das Finanzamt beantragt Klageabweisung. Zur Begründung macht es unter Verweis auf die Einspruchsentscheidung im Wesentlichen geltend: Sowohl in dem gegenüber dem Nachlassgericht abgegebenen Nachlassverzeichnis wie in der beim Finanzamt eingereichten Erbschaftsteuererklärung der Beigeladenen seien Pflichtteilsansprüche angeführt und beziffert gewesen. Auf dieser Grundlage seien sowohl gegen die Beigeladene als auch gegen die Klägerin mehrfach Erbschaftsteuerbescheide ergangen und geändert worden, die in der grundsätzlichen Frage der geltend gemachten Pflichtteilsansprüche jedoch stets widerspruchslos hingenommen worden seien. Auch mit der Steuerberatung sei der Wert der Pflichtteilsansprüche mehrfach ausführlich diskutiert worden. Die Auffassung, dass Pflichtteile bislang überhaupt nicht geltend gemacht worden und deshalb auch nicht zu besteuern seien, sei erstmals zu einem Zeitpunkt vertreten worden, in welchem eine Betriebsprüfung bei dem Unternehmen in vollem Gange bzw. weitgehend abgeschlossen gewesen sei und es offen zu Tage gelegen habe, dass die Geltendmachung der Pflichtteile nur den Schein einer steuerlich günstigen Vorgehensweise gehabt habe, in Wirklichkeit jedoch erhebliche steuerliche Nachteile mit sich bringe.

Mit Beschluss vom 11.10.2006 hat das Gericht Frau B zum Verfahren beigeladen.

Das Gericht hat zunächst Beweis erhoben durch Vernehmung der Schwester der Klägerin, Frau C, zum Beweisthema "Anlass für die Übertragung von GmbH-Anteilen der A GmbH von der Beigeladenen an die Klägerin mit notariellem Vertrag vom 02.04.1998" als Zeugin. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung am 09.11.2006 einen widerruflichen Vergleich u.a. dahingehend geschlossen, dass bei der Klägerin von einem erbschaftsteuerlichen Erwerb nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG in Höhe von 3.327.771 DM auszugehen ist. Mit Telefax vom 22.11.2006 hat das Finanzamt diesen Vergleich widerrufen. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2006 weiter Beweis erhoben durch Vernehmung des Steuerberaters E und des vormaligen steuerlichen Beraters F jeweils zu obigem Beweisthema als Zeugen. In der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2006 hat es Beweis erhoben durch Vernehmung des Notars G als Zeugen zum Thema "Anlass für die Übertragung von GmbH-Anteilen der A GmbH von der Beigeladenen an die Klägerin mit notariellem Vertrag vom 02.04.1998 des Notars G, 2, URNr. 677 H/1998 G, und Zustandekommen dieser notariellen Urkunde, insbesondere Ziff. III, sowie ob Ziff. III dieser Urkunde dem Willen der Parteien entsprach und ein Missverständnis bei der Beurkundung insoweit ausgeschlossen ist". Wegen der Aussagen der Zeugen wird auf die Niederschriften vom 09. und 27.11 sowie 07.12.2006 verwiesen.

Dem Gericht liegen 3 Bände Erbschaftsteuerakten des beklagten Finanzamts (Vorgangs-Nr. { } , Band I, II, IIIa), die Handakte des Zeugen Notar G, 1 Hefter Kopien aus dem Zivilverfahren beim Landgericht Nürnberg-Fürth (Az. { } ) sowie 1 Handakte der Prozessbevollmächtigten "Erbfall A" vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zum überwiegenden Teil begründet. Die Klägerin hat gegen eine erbschaftsteuerpflichtige Übertragung von GmbH-Anteilen im Verkehrswert von 935.000 DM auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen verzichtet. Begünstigungen nach § 13a Abs. 1, 2 ErbStG sind nicht zu gewähren, da nicht der Erblasser die Abtretung der GmbH-Anteile an die Klägerin begründet hat.

1. Die Klägerin hat keinen Pflichtteilsanspruch nach dem Erblasser geltend gemacht.

a) Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist der Erwerb auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff. BGB) erbschaftsteuerpflichtig. Die Erbschaftsteuer dafür entsteht mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG), dem erbrechtlichen Entstehen des Anspruchs mit dem Erbfall gemäß § 2317 Abs. 1 BGB kommt erbschaftsteuerrechtlich noch keine Bedeutung zu. Unter "Geltendmachung" des Pflichtteilsanspruchs ist das ernstliche Verlangen auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben zu verstehen (BFH-Urteil vom 19.07.2006 II R 1/05, BStBl. II 2006, 718; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 3 Rn. 226). Der Berechtigte muss seinen Entschluss, die Erfüllung des Pflichtteils zu verlangen, in geeigneter Weise bekunden, was allerdings auch mündlich oder durch schlüssiges Verhalten geschehen kann. Dazu genügt es, dass der Erbe die Auszahlung anbietet und der Berechtigte das Angebot annimmt. Die Höhe des Anspruchs muss nicht beziffert werden (BFH-Urteil vom 19.07.2006 II R 1/05, BStBl. II 2006, 718; BFH-Urteil vom 30.04.2003 II R 6/01, BFH/NV 2004, 341). Ein Auskunftsverlangen gemäß § 2314 BGB unter Vorbehalt der Geltendmachung des Pflichtteils führt nicht zur Entstehung der Erbschaftsteuer. Die Geltendmachung eines Pflichtteils kann auch durch einen einvernehmlichen Vorgang verwirklicht werden (BFH-Urteil vom 30.04.2003 II R 6/01, BFH/NV 2004, 341).

b) Im Streitfall spricht zwar der erste Anschein entsprechend den Ausführungen des Finanzamts dafür, dass die Klägerin ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Erblasser geltend gemacht hat. So sieht die notarielle Urkunde vom 02.04.1998 unter Ziff. III. vor, dass die Abtretung "insbesondere zur Abgeltung der geltend gemachten Pflichtteils- einschließlich Pflichtteilsergänzungsansprüche" erfolgt. Darüber hinaus enthält das von der Beigeladenen unterzeichnete Nachlassverzeichnis vom 20.10.1998 als Nachlassverbindlichkeiten am Todestag einen "Wert der Pflichtteilsrechte" von 11.526.000 DM. Weiterhin hat die Beigeladene in der Erbschaftsteuererklärung vom 18.01.1999 angegeben, dass die Klägerin einen Pflichtteil in Höhe von 6.102.000 DM erworben habe. Im weiteren Verlauf des Erbschaftsteuerverfahrens der Klägerin und auch der Beigeladenen gingen die Beteiligten bis Ende März 2000 stets davon aus, dass die Klägerin ihren Pflichtteil nach dem Erblasser geltend gemacht habe; lediglich dessen Höhe war umstritten.

c) Die Beweisaufnahme hat diesen ersten Anschein widerlegt. Es liegt weder ausdrücklich noch konkludent eine erbrechtliche Willenserklärung der Klägerin dahingehend vor, den Pflichtteil nach dem Erblasser geltend zu machen.

aa. Die Klägerin hat keine ausdrückliche Erklärung abgegeben, ihren Pflichtteilsanspruch geltend zu machen.

(1) Die Akten enthalten keine eindeutige schriftliche Willensäußerung diesbezüglich.

(2) Auch Ziff. III der notariellen Urkunde vom 02.04.1998 stellt keine Willenserklärung der Klägerin dar, den Pflichtteil geltend zu machen bzw. geltend gemacht zu haben.

(a) Willenserklärungen sind gemäß §§ 133, 157 BGB auszulegen, wobei der Wortlaut der Erklärung, die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände wie Entstehungsgeschichte der Vereinbarung sowie Äußerungen der Parteien über den Inhalt des Rechtsgeschäfts, die Interessenlage der Vertragsparteien und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen sind (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Auflage 2006, § 133 Rn. 14 ff.). Kennt der Notar den wahren Willen der Parteien nicht und messen diese dem - hiervon abweichenden - Wortlaut keine rechtliche Bedeutung bei, können auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften Wortlaut und Erklärungswille auseinander fallen; dass übereinstimmend Gewollte hat Vorrang vor der Falschbezeichnung, sofern diese unabsichtlich erfolgt ist (FG Köln, Urteil vom 28.11.2000 9 K 4299/98, DStRE 2001, 813). Gegen die Auffassung, dass ein Steuerpflichtiger seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht, spricht eine Forderung nach Übertragung bestimmter Sachwerte, deren Höhe den Wert des Pflichtteilsanspruchs nicht erreichen, obwohl im Nachlass liquide Mittel vorhanden sind (FG Köln, Urteil vom 28.11.2000 9 K 4299/98, DStRE 2001, 813).

(b) Die Entstehungsgeschichte der Ziff. III. der notariellen Urkunde vom 02.04.1998 bestätigt eine Auslegung als Pflichtteilsgeltendmachung nicht. Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass die Zeugen G und F bewusst die Formulierung in Ziff. III der notariellen Urkunde aus dem Grund veranlasst haben, dass die Klägerin ihren Pflichtteilsanspruch geltend macht bzw. gemacht hat.

Der Zeuge G hat erklärt, dass die Formulierung der Ziff. III der notariellen Urkunde von ihm - nach telefonischer Rücksprache mit dem vormaligen steuerlichen Berater F - individuell verfasst wurde und im Wesentlichen § 5 des Vergleichsentwurfs zusammenfassen sollte. Aus der Handakte des Notars G geht hervor, dass ihm der Zeuge F hierzu mit Schreiben vom 21.01.1998 u.a. zwei Vergleichsentwürfe übermittelt hat. Nach telefonischer Rücksprache mit F führte der Notar G im Schreiben vom 29.01.1998 an diesen aus, dass er - sowie zwischen den Beteiligten Klarheit bestehe, wie die endgültigen Beteiligungsverhältnisse aussehen - die entsprechenden Anteilsabtretungen hier vorbereiten könne; dabei würde er vorsehen, dass unter dem Punkt "Gegenleistungen" etwa wie folgt formuliert werde: ..., und schlug die Textpassage vor, wie sie in Ziff. III. der notariellen Urkunde vom 02.04.1998 enthalten ist. In der mündlichen Verhandlung war dem Zeugen G nicht mehr erinnerlich, ob ihm von F eine Geltendmachung von Pflichtteilen mitgeteilt worden ist. An der Glaubwürdigkeit der Zeugenaussage des Notars G bestehen keine Zweifel. Der Zeuge F hat hierzu übereinstimmend ausgeführt, dass er den Notar gebeten hatte, im notariellen Vertrag einen Grund anzugeben, weshalb von der testamentarischen Rechtslage abgewichen werden solle, und der Notar die Formulierung "zur Abgeltung der geltend gemachten Pflichtteilsansprüche" gewählt habe. Dem Zeugen F ist gemäß seiner Aussage bewusst gewesen, dass Pflichtteilsansprüche nicht geltend gemacht worden sind und nicht geltend gemacht werden, wenn der Vergleich so abgeschlossen wird. Die Aussage des Zeugen F ist insoweit glaubhaft, da weder die Vergleichsentwürfe noch die notarielle Urkunde vom 02.04.1998 eine von dem Zeugen bewusst gewählte eindeutige Erklärung enthalten, dass die Klägerin ihren Pflichtteil nach dem Erblasser geltend gemacht hat bzw. geltend macht, sondern sowohl in den Entwürfen als auch in der Vertragsurkunde der Vergleichscharakter der Regelung im Vordergrund steht. Weiterhin bezieht sich § 5 der Vergleichsentwürfe auf sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Erbteil A.

(c) Über den Inhalt der Vereinbarung äußert die beigeladene Alleinerbin, dass sie im Wesentlichen die Zahlen interessiert hätten, auf die juristische Formulierung habe sie weniger geachtet. Bei der Beurkundung am 02.04.1998 sei über Einzelheiten nicht mehr gesprochen worden. Übereinstimmend hierzu führt die Zeugin C an, dass sie selbst "so etwas wie einen Pflichtteil" gegenüber ihrer Mutter nicht geltend gemacht habe, die notarielle Urkunde habe sie halt so unterschrieben, wie der Notar sie vorgelesen habe. Sie habe sich mehr auf ihre Mutter, die Schwester und den Notar verlassen.

Da die Vertragsparteien dem Wortlaut der Urkunde weniger Bedeutung beigemessen haben und die Beweisaufnahme ergeben hat, dass dem Notar G eine Geltendmachung von Pflichtteilen nicht erinnerlich war, können Wortlaut der Urkunde und Erklärungswille auseinander fallen; das übereinstimmend Gewollte hat dann Vorrang.

(d) Hinsichtlich der Interessenlage erklärte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass sie nach dem Tod des Erblassers im Verhältnis zu ihrer Schwester eine Anteilsmehrheit an dem Unternehmen begehrte; dies sei für sie Voraussetzung zur Fortführung der Firma durch sie gewesen. Diese Ausführungen der Klägerin werden durch die Aussage der Zeugin C bestätigt, dass die Klägerin ihre Firmenanteile verlangt habe, weniger Geld, und man übereingekommen sei, dass die Klägerin mehr Firmenanteile als sie haben und bekommen sollte, damit sie in der Firma agieren könne; andernfalls hätte die Klägerin das Unternehmen sicherlich nicht fortgeführt. Auch die Beigeladene äußerte sich dahingehend, dass damals klar gewesen sei, dass die Klägerin eine etwas höhere Beteiligung an der Firma haben sollte und musste.

Im Streitfall spricht die Rechtsnatur des Verlangens der Klägerin nach einem "Mehr" an Firmenanteilen gegen eine Auslegung als Geltendmachen eines Pflichtteilsanspruches, da der Pflichtteilsanspruch gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB ein schuldrechtlicher Anspruch auf Geldleistung ist, während die Klägerin mehr GmbH-Anteile verlangte und damit einen sachenrechtlichen Anspruch nach GmbH-Anteilen stellte. Da die Beigeladene darüber hinaus bereits vor dem Tod des Erblassers als Gesellschafterin an dem Unternehmen beteiligt war, hätte sie das Verlangen der Klägerin nach einem Mehr an GmbH-Anteilen auch aus ihrem Anteilsbestand erfüllen können, die Klägerin verlangte daher keine bestimmte, nur aus dem Nachlass des Erblassers zu erfüllende Sache. Zieht man außerdem das Interesse der Klägerin, nach einem Versterben der Beigeladenen die absolute Mehrheit der Unternehmensanteile zu erhalten, in die Betrachtung ein, durfte die Klägerin ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des Erblassers gerade nicht geltend machen; in diesem Fall stünde ihr aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments der Eltern nach dem Tod der Beigeladenen lediglich der auf Geld gerichtete Pflichtteilsanspruch zu, welcher zudem lediglich die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils beträgt. Weitere GmbH-Anteile könnte sie in diesem Fall nicht beanspruchen. Mit dieser Auslegung in Einklang steht die von der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2006 vorgebrachte Tatsache, dass sie nach dem Ableben des Erblassers mit ihren Töchtern bzw. einer von ihnen einen Erbvertrag nicht abgeschlossen hat und sich somit auch nicht vor ihrem Ableben erbrechtlich gegenüber der Klägerin gebunden hat.

(3) Auch die Angaben der Beigeladenen im Nachlassverzeichnis vom 20.10.1998 sowie in der Erbschaftsteuererklärung vom 18.01.1999 dahingehend, dass die Klägerin einen Pflichtteil erworben hat, bedeuten nicht eine Geltendmachung des Pflichtteils. Die Beweiserhebung hat ergeben, dass der Zeuge E, welcher in der Kanzlei des F für die Anfertigung der Erklärung verantwortlich zeichnete, der Ansicht war, dass die Klägerin ihren Pflichtteilsanspruch geltend gemacht habe. Er führte hierzu aus, F habe ihm früher schon erklärt, dass das mit den Kindern mit den Pflichtteilen so geregelt werde. Er habe sich dabei auf den Sachverstand der Juristen F und G verlassen. Der Zeuge F erklärte dazu, dass er über die im Vertrag vorgesehenen Regelungen vor Abschluss des Vertrages nicht mit Steuerberater E gesprochen habe, und danach auch nicht; dieses Verhalten entspreche einer nachteiligen Eigenschaft seinerseits. Während des Zeitraums der Erstellung der Erbschaftsteuererklärung war F inhaftiert gewesen. Das Gericht kann nicht ausschließen, dass zwischen dem Zeugen E und F kein Missverständnis hinsichtlich dessen - eventuell getätigter - Äußerung bestanden hat. Denn die Aussage des Zeugen F, dass "das mit den Kindern mit den Pflichtteilen so geregelt wird", muss nicht die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs bedeuten, sondern kann auch aussagen, dass die vom Notar vorgeschlagene Formulierung bezüglich der Pflichtteile so in die Vertragsurkunde aufgenommen wird. Der Zeuge E hätte in diesem Fall eine falsche, nicht dem Lebenssachverhalt entsprechende Steuererklärung angefertigt.

Darüber hinaus kann die Einreichung einer Erklärung, in welcher ein Sachverhalt (erbschaftsteuerlich günstiger) unrichtig wiedergegeben wird, den objektiven Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO (Steuerhinterziehung) erfüllen. Die Beigeladene hat darauf hingewiesen, dass die Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung für sie steuerlich kein gängiges Alltagsgeschäft darstellte, sondern gewöhnlich nur einmal im Leben erfolgt.

(4) Der Umstand, dass die steuerlichen Vertreter der Klägerin und auch der Beigeladenen im weiteren Verlauf des Erbschaftsteuerverfahrens bis Ende März 2000 stets davon ausgingen, dass die Klägerin ihren Pflichtteil nach dem Erblasser geltend gemacht habe, wird durch die Prozessbevollmächtigten dadurch erklärt, dass diese zunächst keine Zweifel an der von Steuerberater E aus der vormaligen Steuerkanzlei gefertigten Erklärung zu hegen brauchten. Erst im März 2000 hat der Prozessbevollmächtigte ein Gespräch mit dem früheren steuerlichen Vertreter, dem Zeugen F geführt, in welchem dieser ihm erklärte, dass Pflichtteilsansprüche nicht geltend gemacht worden seien. Zwar mag zu diesem Zeitpunkt - wie das Finanzamt vorbringt - insbesondere im Rahmen der Betriebsprüfung bei der GmbH offen dargelegen haben, dass eine Geltendmachung von Pflichtteilen unter Berücksichtigung der einkommensteuerlichen Belastung insgesamt steuerlich ungünstig war. Gerade dies kann aber auch Anlass für die Nachfrage des Prozessbevollmächtigen beim vormaligen steuerlichen Berater gewesen sein.

bb. Die Klägerin hat auch keine konkludente Erklärung abgegeben, ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Erblasser geltend zu machen, indem sie eine rechtliche Gestaltung des vormaligen steuerlichen Beraters F in ihren Willen aufgenommen hat.

Das Finanzamt geht - entsprechend dem ersten Anschein (s.o.) - davon aus, dass F die Klägerin dahingehend beraten und den Sachverhalt gestaltet hat, dass die Klägerin ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Erblasser geltend gemacht habe. Dagegen hat der Zeuge F in der mündlichen Verhandlung am 27.11.2006 ausgeführt, dass er den Vorgang abweichend vom gemeinschaftlichen Testament des Erblassers und der Beigeladenen nach dem Willen des Erblassers regeln wollte und hierzu den Abschluss eines Vergleichs zwischen den Vertragsparteien, jedoch nicht die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen durch die Klägerin, veranlasste.

Diese Aussage des Zeugen F ist glaubhaft. (1) Der Aktenvermerk des Zeugen über die Besprechung vom 26.09.1997 hält als Ergebnis u.a. fest, dass wegen der Höhe der Erbschaftsteuer noch ein Teilverzicht von Frau A zu Gunsten ihrer Kinder nachvollzogen werden müsse. Hierzu hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2006 erklärt, dass sie nach dem Ableben ihres Mannes und vor dem Gespräch mit F die Vorstellung hatte, dass sowohl sie als auch ihre Töchter von dem Erblasser "geerbt haben". Sie erklärt weiterhin, dass sie dem F klargemacht habe, dass auch den Töchtern "etwas vererbt" werden solle. (2) Der Zeuge F hat an den Notar zwei nahezu identische Vergleichsentwürfe versandt, ein Unterschied bestand in der Höhe der zu übertragenden Geschäftsanteile (900.000 DM und 800.000 DM oder 990.000 DM und 890.000 DM). Hinsichtlich der nicht gewählten Höhe von 900.000 DM und 800.000 DM hat der Prozessbevollmächtigte vorläufige Ermittlungen der Erbschaftsteuer vorgelegt, welche in der Kanzlei des vormaligen steuerlichen Beraters F angefertigt worden sind. Da sie die nicht gewählte Vergleichsvariante zugrunde legen, sind sie nach Überzeugung des Gerichts vor Abschluss des notariellen Vergleichs am 02.04.1998 gefertigt worden. In der mündlichen Verhandlung hat der Zeuge F erklärt, dass er diese vorläufige Ermittlung der Erbschaftsteuer nicht gefertigt habe, er hat jedoch allgemein ausgeführt, dass er den Zeugen E bezüglich der Anfertigung der erbschaftsteuerlichen Berechnungen in die Vertragsgestaltung einbezogen habe. Die vorgelegten vorläufigen Ermittlungen sehen bei der Beigeladenen keinen Abzug eines Pflichtteils als Schuldposten vor. Vielmehr wird bei der Ermittlung des erworbenen (übrigen) Vermögens der Beigeladenen wie folgt berechnet:

 Anteile an Kapitalgesellschaften 
A GmbH2.080.000,-- ....
- C800.000,-- ....
- D900.000,-- ....

- Freibetrag Betriebsvermögen

Der Freibetrag für Betriebsvermögen wird dabei lediglich anteilig für die Beigeladene abgezogen. Die Weitergabe der GmbH-Beteiligung in der vorläufigen Ermittlung der Erbschaftsteuer spielt sich somit auf Ebene des Vermögenserwerbs und in Höhe des Wertes der Beteiligung, nicht jedoch als erwerbsmindernde Pflichtteilsverbindlichkeit und in Höhe des Verkehrswertes des Pflichtteilsanspruchs ab. In dessen Berechnung wären sämtliche Vermögenspositionen sowie die hälftige Erbquote einzubeziehen gewesen. Mit Schreiben der Kanzlei des vormaligen steuerlichen Beraters F an das Finanzamt vom 25.02.1999 war der anteilige Abzug des Freibetrages gemäß § 13a Abs. 1 ErbStG entsprechend obiger Berechnung beantragt worden. (3) Nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum damaligen Zeitpunkt Anfang des Jahres 1998 war es möglich, durch einen für die Besteuerung verbindlichen Erbvergleich eine einvernehmliche Beseitigung streitiger Erbrechtsverhältnisse einschließlich etwa bestehender Ungewissheiten über einzelne Erbteile oder über die den Erben zufallenden Beträge zu erreichen (BFH-Urteil vom 22.11.1995 II R 89/93, BStBl. II 1996, 242 mit Hinweis auf BFH-Urteile vom 01.02.1961 II 269/58 U, BStBl. III 1961, 133 und vom 24.07.1972 II R 35/70, BStBl. II 1972, 886). Die Vergleichsentwürfe des Zeugen F, welche dieser dem Notar übermittelt hat, beginnen mit der Textpassage "Zwischen .... wird zur Vermeidung von Erbstreitigkeiten der nachfolgende Vergleich geschlossen:" Ziff. III. der notariellen Urkunde beginnt mit dem Satzteil "Als Gegenleistung haben die Beteiligten vergleichsweise folgendes vereinbart:". Ergänzend hat der Zeuge F ausgeführt, der Gesichtspunkt von Erbstreitigkeiten habe auf seine Veranlassung hin nicht Bestandteil der notariellen Urkunde werden sollen, da eine solche keine Hinweise auf mögliche familiäre Zwistigkeiten enthalten sollte. Im Streitfall habe er jedoch vor allem von der Klägerin den Eindruck gewonnen, dass sie die "Sache hinschmeißt", wenn das Testament umgesetzt und nicht sichergestellt werde, dass sie nach dem Tod der Mutter die Führung in der Firma bekommt und dies zum damaligen Zeitpunkt auch klargestellt wird. Letzteres stimmt mit den Aussagen der Vergleichsparteien überein. Insoweit bestand nach Überzeugung des Gerichts ein Verlangen der Klägerin und damit auch Streitpotential. Ob dieses tatsächlich erbrechtlicher Art war oder vielmehr "lediglich" die Machtposition im Unternehmen betraf, kann im Rahmen der pflichtteilsbezogenen Beurteilung der Regelung dahinstehen. Bei Abschluss eines Erbvergleiches könnte der Wert der übertragenen Sachen beim Erben erbschaftsteuermindernd geltend gemacht werden, also im Streitfall in Höhe des übertragenen Unternehmenswertes.

Auch die Begründung des Finanzamts, der vormalige steuerliche Berater habe die Regelung derart gestalten wollen, dass die Klägerin einvernehmlich ihren Pflichtteil geltend macht, um einen Erbvergleich über diese "Erbstreitigkeit" herbeiführen zu können, geht fehl. Zum damaligen Zeitpunkt Anfang des Jahres 1998 ist keine Rechtsprechung ersichtlich, welche sich auf einen Erbvergleich zwischen dem Erben und einem Pflichtteilsberechtigten bezieht (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 29.09.2005 IV 31/2004, nicht rkr., Az. BFH II R 71/06). Die bis zu diesem Zeitpunkt einschlägigen Urteile des Bundesfinanzhofs (z.B. Urteil vom 22.11.1995 II R 89/93, BStBl. II 1996, 242; Urteil vom 01.02.1961 II 269/58 U, BStBl. III 1961, 133; Urteil vom 24.07.1972 II R 35/70, BStBl. II 1972, 886) betreffen die Klärung streitiger Erbenstellungen. Der vormalige steuerliche Berater konnte daher nach Auffassung des Senats erbschaftsteuerrechtlich nicht zwingend davon ausgehen, dass ein einvernehmliches Geltendmachen des Pflichtteils zum Vorliegen der für einen Erbvergleich erforderlichen Erbstreitigkeit führt.

Darüber hinaus lassen die vorgelegten - auch kanzleiinternen - Unterlagen des vertragsgestaltenden Zeugen F nicht erkennen, dass dieser eine Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen durch die Klägerin als Gestaltungsvariante überhaupt in Betracht gezogen hätte. Auch die dem Notar vorgelegten Entwürfe sehen eine Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nicht vor.

cc. Der Umstand, dass die Klägerin keinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hat, wird bestätigt durch die Klageschrift der Beigeladenen und die Klageerwiderung des Zeugen F in dem beim Landgericht Nürnberg-Fürth anhängigen Zivilverfahren (Az.: { } ). Dort erklärt die Beigeladene, dass die Aufnahme einer Klausel in die Urkunde betreffend die Abgeltung geltend gemachter Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche von dem Zeugen F autonom getroffen worden sei. F ließ in der Klageerwiderung ausführen, dass es bereits vom Ansatz her nicht um eine Pflichtteilsregelung gegangen sei, sondern um einen Vergleich zwischen den unterschiedlichen Interessen der Mitglieder der Familie A (s. dort Punkt I. 3.). Dieser sollte ausdrücklich "zur Vermeidung von Erbstreitigkeiten" geschlossen werden (s. dort Punkt I. 4.1.2.). Eine Geltendmachung von Pflichtteilen bzw. die Tilgung einer auf Geld gerichteten Pflichtteilsschuld sei nicht geboten gewesen und auch nicht gegeben (s. dort Punkt II. 5.2.). Das vom Finanzamt vorgebrachte Auftragsziel des Zeugen F - die Minimierung der Erbschaftsteuerbelastung - steht dazu nicht in Widerspruch. Denn schon erbrechtlich wäre es unsinnig gewesen, Pflichtteilsrechte geltend zu machen, da dann im Nacherbfall ebenfalls nur Pflichtteilsrechte hätten geltend gemacht werden können (s. dort Punkt II. 5.2.1.). Eine an die erbrechtliche Regelung anknüpfende erbschaftsteuerrechtliche Gestaltung und Steuerminimierung war daher lediglich außerhalb einer Pflichtteilsgeltendmachung möglich.

2. Die Klägerin hat als Abfindung für einen Verzicht auf ihren entstandenen Pflichtteilsanspruch lediglich das "Mehr" an GmbH-Anteilen im Nominalwert von 100.000 DM - dies entspricht einem erbschaftsteuerlichen Wert von 935.000 DM - erhalten. Im Übrigen liegt eine Schenkung von der Mutter vor.

a. Die Parteien des Vertrags vom 02.04.1998 haben keinen vom vormaligen steuerlichen Berater beabsichtigten und erbschaftsteuerrechtlich wirksamen Erbvergleich vereinbart.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum damaligen Zeitpunkt Anfang des Jahres 1998 war es möglich, durch einen für die Besteuerung verbindlichen Erbvergleich eine einvernehmliche Beseitigung streitiger Erbrechtsverhältnisse einschließlich etwa bestehender Ungewissheiten über einzelne Erbteile oder über die den Erben zufallenden Beträge zu erreichen (BFH-Urteil vom 22.11.1995 II R 89/93, BStBl. II 1996, 242 mit Hinweis auf BFH-Urteile vom 01.02.1961 II 269/58 U, BStBl. III 1961, 133 und vom 24.07.1972 II R 35/70, BStBl. II 1972, 886). Im Streitfall sind keine streitigen Erbrechtsverhältnisse ersichtlich. Die Beigeladene ist testamentarische Alleinerbin des Verstorbenen. Zwar stammt das Testament aus dem Jahr 1975, es wurde jedoch durch einen 1. Nachtrag zum gemeinschaftlichen Testament im Dezember 1993 bestätigt. Zweifel an der Alleinerbenstellung bestehen nicht. Die Alleinerbenstellung wurde im Übrigen durch Erbschein vom 06.06.2000 bestätigt. Die Klägerin und die Zeugin C haben keinen Pflichtteilsanspruch geltend gemacht (s.o. 1.). Die vom Zeugen F vorgebrachte Streitigkeit dahingehend, dass ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werden könnte, ist keine erbrechtliche Streitigkeit. Sie betrifft lediglich die Frage, ob eine Geltendmachung des Pflichtteils erfolgen soll oder nicht. Dies betrifft das Ringen der Klägerin mit der Beigeladenen um die Machtstellung in der A GmbH oder ein Ausscheiden aus dem Unternehmen und ist nicht erbrechtlicher Natur.

b. Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG gilt als vom Erblasser zugewendet auch, was als Abfindung für einen Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch gewährt wird. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Klägerin ein "Mehr" an GmbH-Anteilen gegenüber ihrer Schwester begehrte, um sofort und auch nach dem Tod der Beigeladenen die Mehrheit der Unternehmensanteile zu halten und den operativen Bereich des Unternehmens eigenverantwortlich führen zu können. Dies ist nach den übereinstimmenden Angaben der Klägerin, der Beigeladenen sowie der Zeugin C Voraussetzung dafür gewesen, dass die Klägerin die Firma weitergeführt habe. Der Zeuge F hat erklärt, dass durchaus im Raum gestanden habe, dass Pflichtteilsansprüche geltend gemacht werden könnten, insbesondere seitens der Klägerin, falls die Unternehmensnachfolge nicht entsprechend geregelt werde.

Dementsprechend ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin aufgrund ihres Verlangens nach der Machtstellung im Unternehmen einen Teil der abgetretenen GmbH-Anteile als Abfindung für einen Verzicht auf ihren entstandenen Pflichtteilsanspruch erhalten hat. Hätte sie die Mehrheit im Unternehmen nicht erlangt, hätte sie möglicherweise ihren Pflichtteilsanspruch geltend gemacht und das Unternehmen verlassen. Die Klägerin hat GmbH-Anteile im Nominalwert von 100.000 DM mehr als ihre Schwester, die Zeugin C erhalten; diese sichern ihr die Vorrangstellung im Unternehmen.

Die Klägerin hat als erbschaftsteuerlichen Erwerb nach dem Erblasser daher gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG zu versteuern:

 Nominalwert der GmbH-Anteile100.000 DM
x gemeiner Wert je 100 DM-Anteil (Stuttgarter Verfahren)935 DM
erbschaftsteuerlich maßgeblicher Wert935.000 DM

c. In Höhe des Restbetrages von (890.000 DM x 935 DM =) 8.321.500 DM liegt dagegen eine in diesem Verfahren nicht streitgegenständliche Schenkung der Mutter an die Klägerin vor. Dies gilt unabhängig davon, dass die Beigeladene dazu vorgetragen hat, dass sie die Anteile auf ihre beiden Töchter "vererben" wollte.

3. Der Klägerin steht kein Freibetrag gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG und kein Bewertungsabschlag nach Abs. 2 der Vorschrift zu.

Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 3 ErbStG bleiben beim Erwerb von Todes wegen Anteile an Kapitalgesellschaften bis zu einem Wert von 500.000 DM außer Ansatz, wenn die Kapitalgesellschaft zur Zeit der Entstehung der Steuer Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat und der Erblasser am Nennkapital der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar beteiligt war. Beim Erwerb durch mehrere Erwerber steht den Erwerbern der Freibetrag zu gleichen Teilen zu, wenn der Erblasser keine Aufteilung verfügt hat. Nach § 13a Abs. 2 ErbStG wird der den Freibetrag übersteigende Vermögenswert in Höhe von 40% von der Erbschaftsteuer befreit.

Teilweise wird in der Literatur zwar die Auffassung vertreten, dass jeder Erwerb begünstigten Vermögens von Todes wegen den Freibetrag auslösen könne (Meincke, ErbStG, § 13a Anm. 7; Weinmann in Moench, ErbStG, § 13a Rn. 50; Gebel, BB 1997, 811). Nach dieser Ansicht wird der Erwerb als Erwerb vom Erblasser eingestuft, es sei jedoch nicht notwendig, dass er - zivilrechtlich gesehen - auch vom Erblasser stamme. Hinsichtlich einer Schenkung gelten die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG unabhängig davon, ob die Anteile an einer Kapitalgesellschaft unmittelbar oder mittelbar freigebig zugewendet worden sind; sie sind jedoch bei einer mittelbaren Schenkung zu versagen, wenn der Schenker nicht zu mehr als einem Viertel am Nennkapital der Gesellschaft beteiligt ist (BFH-Urteil vom 16.02.2005 II R 6/02, BStBl. II 2005, 411).

Nach Auffassung der Finanzverwaltung in R 55 Abs. 4 Satz 4 ErbStR 2003 sowie anderer Ansicht in der Literatur (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Tz. 23) ist § 13a ErbStG jedoch nicht anzuwenden, wenn als Abfindung für den Verzicht auf den entstandenen Pflichtteilsanspruch begünstigtes Vermögen übertragen wird. Zwar erwerbe der Verzichtende auch in diesem Fall die Abfindung als Erwerb von Todes wegen gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG. Jedoch habe nicht der Erblasser selbst dem Verzichtenden das begünstigte Vermögen zugewiesen, sondern erst die Vereinbarung mit dem Erben den Vermögensübergang begründet.

Der Senat folgt dieser Auffassung. Danach steht der Klägerin die Vergünstigungsregelungen des § 13a ErbStG nicht zu, da sie die GmbH-Anteile nicht aufgrund des "Willens des Erblassers" erworben hat. Der Gesetzgeber hat durch das Jahressteuergesetz 1997 eine Entlastung des Betriebsvermögens, welche bis zu diesem Zeitpunkt auf Fälle des Erbanfalls (§ 1922 BGB) und der vorweggenommenen Erbfolge beschränkt war, auf alle steuerpflichtigen Erwerbe von Todes wegen ausgedehnt. Auch die Abfindung für einen Verzicht auf einen entstandenen Pflichtteilsanspruch wird wie ein Erwerb von Todes wegen behandelt (Moench, ErbStG, § 3 Rn. 1). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen jedoch die Steuerentlastungen grundsätzlich dem - vom Erblasser bestimmten - Übergang des Betriebsvermögens auf den Letzterwerber folgen (BT-Drucksache 13/4839). Beim Erwerb von Todes wegen soll immer derjenige entlastet werden, dem nach dem Willen des Unternehmers auch außerhalb der Erbfolge, z.B. durch Vermächtnis, das Vermögen letztendlich zugewendet wird. Entscheidend ist die Testierfreiheit des Unternehmers. Ergänzend ist in Abs. 3 des § 13a ErbStG der Übergang des Freibetrags auf einen Dritten geregelt für den Fall, dass ein Erwerber das Vermögen oder Teile davon in Erfüllung einer letztwilligen oder rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten überträgt.

Da der Erblasser im Streitfall keine Verfügung gleich welcher Art getroffen hat, dass die Klägerin die GmbH-Anteile erhalten solle, sondern vielmehr die Beigeladene durch Testament als Alleinerbin einsetzte und diese - rechtsgeschäftlich - mit der Klägerin die Abtretung der Kapitalanteile vereinbarte, beruht der Übergang dieser Anteile nicht auf dem Willen des Erblassers.

4. Die Erbschaftsteuer gegenüber der Klägerin ist daher wie folgt festzusetzen (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO):

 neu Wert des Erwerbs935.000 DM
+ Vermögen aus Vorerwerben1.346.490 DM
- persönlicher Freibetrag400.000 DM
Steuerpflichtiger Erwerb abgerundet1.881.400 DM
Steuer nach Steuerklasse I (19%)357.466 DM
- Anrechnungsbetrag für Vorerwerbe141.960 DM
Erbschaftsteuer215.506 DM (= 110.186,47 EUR)

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Kosten des Verfahrens trägt entsprechend ihres Anteils am Obsiegen bzw. Unterliegen zu 13% die Klägerin und zu 87% das Finanzamt. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, können ihr keine Kosten auferlegt werden (§ 135 Abs. 3 FGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig, da die Beigeladene das Verfahren durch ihren Sachvortrag in der mündlichen Verhandlung wesentlich gefördert hat.

Finanzgerichtliche Urteile sind gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO hinsichtlich der Kosten auch ohne Antrag für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Weiter hat das Gericht nach §§ 151 Abs. 1 Satz 1 FGO, 711 ZPO von Amts wegen auszusprechen, dass das Finanzamt die Vollstreckung hinsichtlich der Kostenerstattung für die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden kann, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird wegen der Schwierigkeit der zu klärenden Rechtsfragen für notwendig erklärt (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).



Ende der Entscheidung

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