Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 26.10.2006
Aktenzeichen: IV 83/2006
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 5
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Nürnberg

IV 83/2006

Einkommensteuer 2002, 2003 und 2004

In dem Rechtsstreit

hat der IV. Senat des Finanzgerichts Nürnberg

durch

aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 26.10.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 2002 vom 15.12.2003, für 2003 vom 22.07.2004 und für 2004 vom 30.08.2005 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.02.2006 wird die Einkommensteuer für 2002 mit 8.744 EUR, für 2003 mit 9.928 EUR, für 2004 mit 9.080 EUR sowie der Solidaritätszuschlag für 2002 mit 480,92 EUR, für 2003 mit 546,04 EUR und für 2004 mit 499,40 EUR festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens hat das Finanzamt zu tragen.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten für die Kläger vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Kosten der Büroräume in dem vom Kläger selbst genutzten Einfamilienhaus in voller Höhe als Werbungskosten berücksichtigt werden können, oder ob sie der Abzugsbeschränkung des § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG unterliegen.

Die Kläger sind Ehegatten, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte in den Streitjahren als Obergerichtsvollzieher beim Amtsgericht 1 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin war in den Jahren 2003 und 2004 bei ihrem Ehemann als Bürofachkraft beschäftigt. Mit Einreichung der Steuererklärungen machten die Kläger Aufwendungen für ein Arbeitszimmer in Höhe von 6.954 EUR für 2002, von 5.335 EUR im Jahr 2003 und von 5.451 EUR im Jahr 2004 als Werbungskosten geltend. Bei dem Arbeitszimmer handelt es sich um Räume im Dachgeschoss des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses der Kläger in 2, { } . Die Büroräume nehmen die gesamte Dachgeschossfläche des Hauses ein, die Fläche beträgt 45,64 qm, die gesamte Wohnfläche des Hauses 136,22 qm. Auf die von den Klägern vorgelegten Grundrisse des Gebäudes und die Lichtbilder des Hauses und des Büros wird verwiesen.

Der Kläger trägt vor, dass seine Arbeitszeit unregelmäßig sei. Im Regelfall sei er von 7.15 Uhr bis 9.00 Uhr im Büro, von 9.00 bis 13.00 Uhr im Außendienst, von 13.30 bis 18.00 Uhr im Büro und meistens von 19.00 bis 22.30 Uhr wieder im Büro. Er sei verpflichtet, täglich die Vollstreckungsaufträge beim Amtsgericht 1 abzuholen.

Außerdem hat er ein Schreiben des Direktors des Amtsgerichts 1 vom 30.09.2003 mit folgendem Inhalt vorgelegt:

"Gerichtsvollzieher sind nach § 46 Gerichtsvollzieherordnung - GVO - verpflichtet, auf eigene Kosten ein Geschäftszimmer zu halten. Dies trifft für alle Gerichtsvollzieher des Amtsgerichtsbezirks 1 (einschließlich der Zweigstelle 3) zu. In dem Geschäftszimmer wickelt der Gerichtsvollzieher alle Geschäfte bis auf den Außendienst ab. Nach § 49 GVO ist der Gerichtsvollzieher verpflichtet, Büro- und Schreibhilfen auf eigene Kosten zu beschäftigen, soweit es der Geschäftsbetrieb erfordert. Die übertragenen Arbeiten dürfen nur im Geschäftszimmer des Gerichtsvollziehers erledigt werden. Herr Obergerichtsvollzieher Kl. unterhält sein Geschäftszimmer in der { } in 2."

Mit Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 15.12.2003, für 2003 vom 22.07.2004 und für 2004 vom 30.08.2005 setzte das Finanzamt die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nur mit einem Betrag von 1.250 EUR an. In den Erläuterungen zur Festsetzung führte es aus, dass die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer einschließlich dessen Ausstattung nur mit einem Betrag bis 1.250 EUR berücksichtigt werden könnten, weil das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung darstelle.

Die Einsprüche der Kläger wurden mit Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 21.02.2006 hinsichtlich der streitgegenständlichen Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Klage wird für die Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 15.12.2003, den Einkommensteuerbescheid 2003 vom 22.07.2004 und den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 30.08.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.02.2006 dahingehend abzuändern, dass Aufwendungen für die Büroräume im Jahr 2002 mit 6.954 EUR, im Jahr 2003 mit 5.335 EUR und im Jahr 2004 mit 5.451 EUR als Werbungskosten des Klägers bei seinen Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit berücksichtigt werden.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen:

Die Büroräume des Klägers würden den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung darstellen. Mittelpunkt der Betätigung sei dort, wo die Voraussetzungen geschaffen werden, um die Vollstreckungstätigkeit ausüben zu können. Die Außendiensttätigkeit eines Vollstreckungsbeamten könne zwar für das Berufsbild als prägend angesehen werden, sie stelle jedoch nicht den Mittelpunkt der Betätigung dar. Der Kläger sei verpflichtet, nachdem der Arbeitgeber keinen Arbeitsplatz oder sonstige Räumlichkeiten zur Verfügung stelle, in den eigenen Räumen Parteiverkehr abzuhalten, die zeitweise Anwesenheit von Auszubildenden hinzunehmen und selbst die Archivierung in eigenen oder gemieteten Räumen vorzunehmen. Dort würden die für seine Berufsausübung wesentlichen Kerntätigkeiten erbracht, wie z.B. die Abnahme der eidesstattlichen Versicherungen, die Abhaltung der Sprechzeiten, die zeitweise Ausbildung von Justizbeamten für den Vollstreckungsdienst, die Vorbereitung des Außendienstes, die Überwachung des Zahlungsverkehrs und die aktenmäßige Verwaltung und Archivierung der Vollstreckungsvorgänge. Zur Bewältigung der anfallenden Arbeiten werde eine Bürokraft benötigt, die ihren Arbeitsbereich in den Büroräumen habe. Zudem spreche der Zeitaufwand, den der Kläger im häuslichen Arbeitszimmer ableiste (ca. 67% seiner gesamten Arbeitszeit) dafür, dass sich dort der Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Betätigung befinde. Die Argumentation des Finanzamts zum Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit lasse den tatsächlichen Geschehensablauf der Tätigkeit des Klägers völlig unberücksichtigt.

Zudem müssten, wenn Büroräume nicht im eigenen Wohnhaus vorhanden wären, diese angemietet werden und dann wären die entsprechenden Kosten unstreitig voll abzugsfähige Werbungskosten. Der Streitfall lasse sich daher mit dem vom BFH mit Urteil vom 23. Mai 2006 (Az. VI R 21/03) entschiedenen Fall vergleichen, bei dem der Arbeitgeber die Arbeitsfläche in den Firmenräumen verringert habe und dadurch der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit dort liege, wo die qualitativ höherwertigere Tätigkeit erbracht werde.

Das Finanzamt beantragt Klageabweisung.

Zur Begründung wird im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die für den Beruf des Gerichtsvollziehers prägenden Tätigkeit würden nicht im Arbeitszimmer ausgeübt, daher könne dieses nicht Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit sein. Für das Berufsbild des Gerichtsvollziehers sei die Außendiensttätigkeit (Vornahme von Vollstreckungshandlungen wie z.B. Pfändungen bei den Schuldnern) prägend, nicht jedoch die Tätigkeiten, die die Voraussetzungen für die Vollstreckungstätigkeit schaffen. Die vom Kläger angeführten Arbeiten wie das Abhalten von Sprechstunden, die zeitweise Ausbildung von Justizbeamten für den Vollstreckungsdienst, die Vorbereitung des Außendienstes, die Überwachung des Zahlungsverkehrs und die aktenmäßige Verwaltung und Archivierung der Vollstreckungsvorgänge würden nicht zum Kernbereich der Tätigkeit des Klägers zählen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Angaben des Klägers zum zeitlichen Umfang seiner Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer im Verhältnis zur Außendiensttätigkeit zutreffend seien, denn dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers komme lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Eine abweichende rechtliche Beurteilung ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Klägerin in den Streitjahren 2003 und 2004 bei ihrem Ehemann als Bürofachkraft beschäftigt gewesen sei und nach dem Vortrag des Klägervertreters ihren Arbeitsbereich in den Büroräumen gehabt habe, denn der Umfang der beruflichen und betrieblichen Nutzung i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG ergebe sich aus der Sicht desjenigen, der den Abzug begehre. Unmaßgeblich sei insoweit, dass der im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses angestellte Ehegatte des Steuerpflichtigen die geschuldete Arbeitsleistung zu 100% in dem häuslichen Arbeitszimmer erbringe.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerseite ergänzend ausgeführt, dass der Kläger dienstags von 09.00 bis 10.00 Uhr und donnerstags von 14.00 bis 15.00 Uhr feste Sprechzeiten abhalte. Dies sei für die Öffentlichkeit zum Beispiel durch eine Tafel an seinem Gartentor erkenntlich. Die Sprechzeiten seinen für "Erstkunden" vorgesehen, "Dauerkunden" kämen außerhalb dieser Zeit oder würden außerhalb der festen Sprechzeiten vorgeladen.

Dem Gericht liegen die vom Finanzamt überlassenen Einkommensteuerakten der Kläger von 1999 bis 2004 sowie eine Rechtsbehelfsakte vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat Erfolg.

Das Finanzamt hat zu Unrecht Aufwendungen für die betrieblich genutzten Räume nur in Höhe von jährlich 1.250 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus nicht-selbständiger Arbeit berücksichtigt. Den Klägern steht ein Abzug in der vollen geltend gemachten Höhe der Aufwendungen zu, denn die Büroräume bilden den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers.

Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG). Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung dürfen nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 2 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nur dann mindern, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 vom Hundert der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 EUR begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 3 EStG).

1. Im Streitfall liegen Räume vor, die unter die Vorschrift über ein häusliches Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG 2002 fallen.

1. a) Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers ist im Gesetz nicht definiert. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein häusliches Arbeitszimmer ein Arbeitsraum, der nach seiner Lage, Funktion und Ausstattung in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (vgl. BFH-Urteile vom 15.12.2004 XI R 14/03, HFR 2005, 1068; vom 23.01.2003 IV R 71/00, BStBl. II 2004, 43; vom 20.11.2003 IV R 3/02, BStBl. II 2005, 203). Ob ein Arbeitszimmer in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist, lässt sich nicht generell, sondern nur aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles entscheiden. In die häusliche Sphäre eingebunden ist ein Arbeitszimmer regelmäßig dann, wenn es sich in einem Raum befindet, der zur privat genutzten Wohnung bzw. zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen gehört.

b) Im Streitfall sind die Büroräume in die häusliche Sphäre eingebunden. Die Büroräume befinden sich im Obergeschoss des selbst genutzten Wohnhauses der Kläger. Die Büroräume sind gegenüber dem Wohnbereich nicht baulich abgegrenzt und nicht über einen gesonderten Eingang, sondern nur über eine Treppe von der Diele im privat genutzten Erdgeschoss aus zu erreichen. Auch die Art und Weise der Nutzung und die Ausstattung der Räume spricht nicht gegen ihre rechtliche Einordnung als häusliches Arbeitszimmer. Die in den beruflich genutzten Räumen ausgeübten Tätigkeiten wie die Organisation des Außendienstes, Verwaltung der Gerichtsvollzieheraufträge, Buchführung, Zahlungsverkehr, Ablage, Ladungen etc. fallen in den Kernbereich der Nutzung eines typischen Arbeitszimmers. Die Räume sind nach der Einlassung der Kläger und den eingereichten Lichtbildern mit Büromöbeln (Regale, Schreibtische, Schreibtischstühle, Besprechungstisch) ausgestattet und entsprechen damit dem Raum-Typus, der nach der vorgenannten Rechtsprechung als Arbeitszimmer anzusehen ist. Dass in den Räumen auch Sprechstunden und Besprechungen sowie die Betreuung von Auszubildenden stattfinden, spricht lediglich für die berufliche bzw. betriebliche Nutzung der Räume, ohne diese indes der Einbindung in die private Sphäre zu entziehen (vgl. BFH-Urteil vom 15.12.2004 XI R 14/03, HFR 2005, 1068). Gleiches gilt für das am Gartentor angebrachte Schild hinsichtlich der Sprechzeiten und für die Tatsache, dass in den Räumen die Klägerin die anfallenden Büroarbeiten für den Kläger erledigt.

2. Das Arbeitszimmer ist jedoch im Streitfall der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Klägers.

2. a) Ob das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung bildet, bestimmt sich nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BFH danach, ob der Steuerpflichtige dort diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind (qualitativer Mittelpunkt). Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt im Rahmen dieser Würdigung lediglich eine indizielle Bedeutung zu (vgl. BFH-Urteile vom 23.05.2006, VI R 21/03, BStBl. II 2006, 600; vom 06.07.2005 IX R 87/03, BStBl. II 2006, 18; Blümich/Wied, EStG, § 4 Rz. 854; Schmidt/Heinicke, EStG, § 4 Rz. 594). Der Schwerpunkt der beruflichen Betätigung ist im Wege einer umfassenden Wertung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen festzustellen (vgl. BFH-Beschluss vom 28.06.2006 IV B 75/05, BFH/NV 2006, 2243). Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen unbeschränkten Werbungskostenabzug sind zwar dann nicht erfüllt, wenn der qualitative Schwerpunkt einer Betätigung außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers liegt oder wenn der Aufgabenbereich des Steuerpflichtigen so vielfältig und gestreut ist, dass seine Betätigung keinem konkreten Mittelpunkt zugeordnet werden kann (vgl. BFH-Urteil a.a.O. in BStBl. II 2006, 600). Der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Betätigung kann jedoch im häuslichen Arbeitszimmer liegen, wenn der Steuerpflichtige in qualitativer Hinsicht gleichwertige Arbeitsleistung am häuslichen Arbeitsplatz und außerhalb dieses häuslichen Arbeitsplatzes ableistet (vgl. BFH-Urteil a.a.O. in BStBl. II 2006, 600). Ein häusliches Arbeitszimmer ist nicht schon deswegen Tätigkeitsmittelpunkt, weil der Steuerpflichtige über keinen anderweitigen festen Arbeitsplatz verfügt. Diese Fallgestaltung ist in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 Alternative 2 EStG 2002 ausdrücklich geregelt und führt nach Satz 3 Halbsatz 1 dieser Bestimmung lediglich zu einer auf 1.250 EUR begrenzten Anerkennung der Aufwendungen (vgl. BFH-Urteil a.a.O. in BStBl. II 2006, 18). Ebenso ist es nicht ausreichend für den unbegrenzten Abzug der Aufwendungen, dass das häusliche Arbeitszimmer die zentrale Ausgangs- und Anlaufstelle der betrieblichen und beruflichen Betätigung ist (vgl. BFH-Urteil vom 23.01.2003 IV R 71/00, BStBl. II 2004, 43). Bei der Prüfung der Frage, ob ein häusliches Arbeitszimmer Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit ist, ist auf die Tätigkeit des Steuerpflichtigen abzustellen, der den Abzug seiner Aufwendungen für das Arbeitszimmer begehrt. Unmaßgeblich ist insoweit, dass ein im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses angestellter Ehegatte die geschuldete Arbeitsleistung zu 100% im häuslichen Arbeitszimmer erbringt (vgl. BFH-Beschluss vom 27.08.2002 XI B 9/02, BFH/NV 2003, 151).

b) Im Streitfall übt der Kläger nach der Auffassung des Senats die für seinen Beruf wesentlichen und prägenden Tätigkeiten im häuslichen Büro aus. Erledigt ein Gerichtsvollzieher - wie im Streitfall - durchschnittlich 60 bis 65% der Aufträge der Streitjahre allein durch diese Innendiensttätigkeit, so liegt der qualitative Schwerpunkt seiner beruflichen Betätigung nach der vorzunehmenden umfassenden Wertung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen im häuslichen Arbeitszimmer. Dieses ist dann nicht nur die zentrale Ausgangs- und Anlaufstelle, sondern der Mittelpunkt der beruflichen Betätigung. Die Tätigkeit des Klägers als Gerichtsvollzieher ist vielfältig und beinhaltet nicht nur die Vollstreckungshandlungen im Außendienst (z.B. Pfändung von im Gewahrsam des Schuldners befindlichen Sachen). Darüber hinaus werden im Innendienst durch den Kläger zahlreiche Aufgaben wahrgenommen, wie die Abnahme der eidesstattlichen Versicherungen, die Einräumung von Ratenzahlungsvereinbarungen gemäß § 806 b ZPO oder die Ausstellung von Bescheinigungen gemäß § 63 der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher -GVGA-, dass eine Vollstreckung gegen diesen Schuldner aufgrund entsprechender Erfahrungen in den letzten drei Monaten erfolglos verlaufen werde. Weiter betreibt der Kläger als Gerichtsvollzieher im Rahmen der Zwangsvollstreckung in Forderungen gemäß § 172 GVGA die Zustellung des Beschlusses des Vollstreckungsgerichts an den Drittschuldner und den Schuldner im Auftrag des Gläubigers. Daneben wird das Abhalten der Sprechstunden, die aktenmäßige Verwaltung und Archivierung der Vollstreckungsvorgänge sowie die Durchführung des Schriftverkehrs und Telefonverkehrs vom Büro aus vorgenommen. Diese gesamten Innendiensttätigkeiten haben nach der Überzeugung des Senats keine bloße Hilfs- oder Nebenfunktion für die Außentätigkeit, sondern gehören selbst zu den Kernbereichen des Berufes des Gerichtsvollziehers. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass von den Vollstreckungsaufträgen nach seiner Erfahrung etwa die Hälfte durch Zahlung auf die von ihm erstellte Zahlungsaufforderung erledigt wird, ohne dass es einer Außendiensttätigkeit bedarf. Von der verbleibenden Hälfte seiner Aufträge erledigten sich auf die Gesamtaufträge bezogen etwa 20% durch Rücknahme bzw. zwischenzeitliche Zahlung durch den Schuldner oder außergerichtliche Einigung der Parteien. Bei den verbleibenden 30% der Vollstreckungsaufträge müsse er draußen vor Ort tätig werden. Diese Einlassung des Klägers wird hinsichtlich des Umfangs der Außendiensttätigkeit durch die eingereichten Niederschriften über die ordentliche Prüfung seiner Geschäftsführung durch die Prüfungsbeamtin für Gerichtsvollzieher der Landgerichtsbezirke 1 und 4 untermauert. Nach den Berichten vom 25.05.2002, 21.01.2003, 25.07.2003, 17.12.2003 und 25.11.2004 wurden von jeweils 100 erledigten Aufträgen 20, 38, 40, 48, bzw. 41 Fälle durch Tätigkeit vor Ort, also im Außendienst erledigt. Die Erledigung erfolgte hierbei durch eine persönlich bewirkte Zustellung (zum Beispiel bei Finanzämtern oder Banken und Sparkassen), durch Pfandabstandsprotokolle, Wohnungsräumungen und persönliche Zahlungen an den Gerichtsvollzieher beim Außendiensttermin. Bei der Mehrzahl der Fälle erfolgte die Erledigung aber durch Tätigkeit vom Büro aus, nämlich Zahlungen auf die schriftliche Zahlungsaufforderung, durch die Post bewirkte Zustellungen, Pfandlosigkeitsbescheinigungen gemäß § 63 GVGA, Abnahme von eidesstattlichen Versicherungen im häuslichen Büro und Erledigungen durch Rücknahme des Vollstreckungsauftrags oder Einstellung. Der Senat ist daher der Überzeugung, dass der qualitative Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit des Klägers im häuslichen Büro liegt. Dem entspricht auch die nach § 46 GVO für den Gerichtsvollzieher bestehende Verpflichtung auf eigene Kosten das Geschäftszimmer zu halten und auf die mindestens zweimal wöchentlich stattfindenden Sprechzeiten mit der Anbringung eines Schildes am Gartentor hinzuweisen.

c) Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass für das Berufsbild des Gerichtsvollziehers im Gegensatz zur Tätigkeit anderer Vollstreckungsorgane die Außendiensttätigkeit und die damit bestehende Möglichkeit des unmittelbaren persönlichen Einwirkens auf den Vollstreckungsschuldner und dessen Vermögen sowie die Androhung entsprechender Maßnahmen vor Ort wichtig und von Bedeutung ist. Dies führt jedoch nicht zu einer Mittelpunktverlagerung und damit zu einer Aberkennung des uneingeschränkten Abzugs der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 6 b Satz 3 Halbsatz 2 EStG. Im Übrigen könnte der Mittelpunkt der beruflichen Betätigung auch dann im häuslichen Arbeitszimmer liegen, wenn ein weiterer qualitativer Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit des Klägers im Außendienst läge und dann eine in qualitativer Hinsicht gleichwertige Arbeitsleistung teilweise am häuslichen Arbeitsplatz und teilweise im Außendienst erbracht wird (vgl. BFH-Urteil a.a.O. in BStBl. II 2006, 600).

3. Die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen lässt Fehler nicht erkennen und war zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.

4. Die Einkommensteuer berechnet sich wie folgt (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO):

 Werbungskosten des Klägers, die mit dem steuerfreien Auslagenersatz zu verrechnen sind200220032004
Büromaterial1.284 EUR2.471 EUR1.805 EUR
Versicherungen157 EUR- 275 EUR
Telefon902 EUR969 EUR894 EUR
Arbeitsmittel187 EUR184 EUR99 EUR
AfA1.967 EUR797 EUR666 EUR
Instandhaltung229 EUR145 EUR845 EUR
GWG-502 EUR751 EUR
Arbeitszimmer 6.954 EUR 5.335 EUR 5.451 EUR
Summe11.680 EUR10.403 EUR10.786 EUR
- Auslagenersatz- 7.606 EUR- 8.805 EUR- 8.873 EUR
zusätzliche Werbungskosten4.074 EUR1.598 EUR1.913 EUR

Die Werbungskosten, die nach den Seiten 11 und 12 der Einspruchsentscheidung vom 21.02.2006 nicht mit dem steuerfreien Auslagenersatz verrechnet wurden (Berufsverband, Fachliteratur, Kontoführung, Entfernungspauschale), bleiben ohne Änderung.

 zu versteuerndes Einkommen lt. Einspruchsentscheidung 51.647 EUR52.886 EUR53.060 EUR
zusätzliche Werbungskosten- 4.074 EUR- 1.598 EUR- 1.913 EUR
zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil 47.573 EUR51.288 EUR51.147 EUR
Einkommensteuer lt. Urteil 8.744 EUR9.928 EUR9.080 EUR
Solidaritätszuschlag lt. Urteil 480,92 EUR546,04 EUR499,40 EUR

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten der Kläger sowie die Abwendungsbefugnis, der von Amts wegen zu erfolgen hat, ergibt sich aus den §§ 151 Abs. 1 Satz 1 FGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage für notwendig erklärt (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).



Ende der Entscheidung

Zurück