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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 15.01.2003
Aktenzeichen: V 293/2000
Rechtsgebiete: EStG, AO, LStDV


Vorschriften:

EStG §42d Abs. 1 Nr. 1
LStDV § 1 Abs. 2
AO § 169 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist, ob und für welche Jahre die Klägerin für nicht abgeführte Lohnsteuer im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Mitgliedern verschiedener Maschinenringe haftet.

Die Klägerin betreibt einen Gewerbebetrieb mit Garten-, Landschafts- und Sportstättenbau. Komplementär und leitende Person ist Herr Kkk, der auch für die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten des Betriebs zuständig ist. Zur Erledigung einzelner Bauaufträge bediente sich die Klägerin neben den eigenen fest angestellten Betriebsangehörigen seit mindestens 1989 regelmäßig verschiedener Mitglieder der Maschinenringe Aaa und Bbb sowie deren Angehöriger. Die Klägerin war selbst ebenfalls Mitglied o. g. Maschinenringe. Die als Betriebshilfe bezeichneten Tätigkeiten bestanden hauptsächlich aus Neuanpflanzungen sowie aus Pflegemaßnahmen von öffentlichen und privaten Grünanlagen. Vorarbeiter, die z. T. Festangestellte der Klägerin, z. T. jedoch ebenfalls über den Maschinenring vermittelt waren, führten die Arbeitsgruppen an. Sie ermittelten die individuell erbrachten Arbeitszeiten und organisierten den Transport der Arbeitskräfte zu den Baustellen mit firmeneigenen Fahrzeugen der Klägerin. Die Bezahlung erfolgte nach geleisteten Arbeitsstunden zu einem von der Klägerin vorher festgelegten Stundenlohn zwischen 12 und 15 DM. Der Umfang der gezahlten Vergütungen wurde dem Maschinenring gemeldet, dieser wiederum erstellte eine Sammelrechnung mit Umsatzsteuerausweis und einem 3%igen Aufschlag für seine Vermittlungstätigkeit an die Klägerin. Die Auszahlung der Vergütung erfolgte durch die Klägerin direkt an die jeweiligen Landwirte per Scheck.

Zwischen den Mitgliedern des Maschinenrings und der Klägerin wurde kein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen und keine feste, regelmäßige Arbeitszeit vereinbart. Arbeitstage und Abwesenheiten wurden jedoch im Voraus mit dem Vorarbeiter abgestimmt. Es bestand weder Anspruch auf Erholungsurlaub noch auf Lohnfortzahlung bei Krankheit. Die Mitarbeiter konnten ihre Arbeitszeit insoweit frei gestalten, als sie die Tage ihres Einsatzes selbst bestimmten. Der Ort der Arbeitsleistung wurde von der Klägerin festgelegt.

Das Finanzamt sah die beschäftigten Maschinenringmitglieder als Arbeitnehmer der Klägerin an und nahm die Klägerin für die nicht abgeführte Lohnsteuer mit Bescheid vom 08.02.2000 in Haftung.

 LöhneLohnsteuer 15 %KiSt rkKiSt evSolidaritätszuschlag
1989152.96622.945750375 
1990229.58834.4381.125562 
1991187.01328.0529164581.052
1992276.63741.4961.3556771.567
1993289.16643.3751.416708 
1994311.68146.7521.527763 
1995338.55750.7841.6588293.808
1996433.41265.0122.1241.0624.876
1997495.30274.2952.4271.2135.572
199870.77210.616347173584
Summe2.785.094417.76513.6456.82017.459

Auf den Monat Dezember 1992 entfielen hierbei folgende Beträge:

 Löhne18.998,00 DMKirchensteuer rk93,09 DM
Lohnsteuer 15 %2.849,77 DMKirchensteuer ev46,55 DM

Im August 1989 hatte bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Prüfungszeitraum 01.01.1987 bis 30.06.1989, im Oktober 1991 für den Zeitraum 01.07.1989 bis 30.06.1991, im Oktober 1994 für den Prüfungszeitraum 01.07.1991 bis 31.08.1994 und im Januar 1998 für den Prüfungszeitraum Sept. 1994 bis Dez. 1997 stattgefunden.

Auf Grund der Prüfungsergebnisse wurden jeweils Lohnsteuerhaftungsbescheide erlassen (vom 20.08.1989, 30.10.1991, 13.12.1994, 12.02.1998), der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

Das Finanzamt erließ den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 08.02.2000 auf Grund einer Steuerfahndungsprüfung vom 26.05.1998 bis 01.12.1999, da die Klägerin als Arbeitgeber Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschläge hätte abführen müssen.

Der Einspruch der Klägerin wurde mit Einspruchsentscheidung vom 28.08.2000 zurückgewiesen. Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, der Lohnsteuerhaftungsbescheid für die Jahre 1989 bis 1993 sei rechtswidrig, weil die 4-jährige Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO überschritten sei. Einer Änderung für die Jahre ab 1994 stehe § 173 Abs. 2 AO entgegen. In beiden Fällen sei eine Änderung bzw. verlängerte Festsetzungsfrist davon abhängig, dass Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung vorliege. Diese Voraussetzung sei bei der Klägerin nicht gegeben. Selbst wenn man Lohnsteuerpflicht unterstelle, könne es der Klägerin nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie diese Lohnsteuerpflicht nicht erkannt habe. Der Sachverhalt sei bei zwei Betriebsprüfungen ausgiebig dargestellt und erläutert worden. In beiden Betriebsprüfungen sei der Prüfer zum Ergebnis gekommen, dass die Leistungen der Mitglieder des jeweiligen Maschinenrings von dem Maschinenring selbst als umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer erbracht worden seien. Werde die Unternehmereigenschaft jedoch bejaht, schließe dies ein Arbeitsverhältnis der Mitglieder des Maschinenrings zur Klägerin aus. Bei beiden Betriebsprüfungen sei eine Lohnsteuerpflicht der Klägerin verneint worden. Herrn Kkk könne kein besseres Rechtsverständnis zugerechnet werden als dem Betriebsprüfer. Der Lohnsteuerhaftungsbescheid für 1998 sei außerdem aufzuheben, weil die Klägerin nicht Arbeitgeber der Maschinenringmitglieder geworden sei. Diese seien vielmehr selbständige Landwirte mit eigenem Hof, die sich nur dann zur Mitarbeit bereit erklärt hätten, wenn dies die Arbeitssituation auf dem eigenen Hof erlaubt habe. Die Mitglieder der Maschinenringe seien immer daran interessiert, ihre Arbeitskraft zu verwerten, wenn sie auf dem eigenen Hof nicht benötigt würden, zumal sie bei einem Einsatz bei der Klägerin die Dauer ihrer Arbeit nicht hätten bestimmen können. Festgelegt worden sei lediglich die Anzahl der benötigten Mitarbeiter, nicht die Personen selbst, und ein Treffpunkt, an dem die Mitarbeiter dann mit Fahrzeugen der Klägerin abgeholt worden seien.

Die Mitglieder eines Maschinenrings, die sich zu einem Arbeitseinsatz zusammengefunden hätten, seien nur von einem einzigen Vorarbeiter bei dem Arbeitseinsatz betreut worden. Sie hätten nicht mit anderen Angestellten der Klägerin zusammengearbeitet. Der Vorarbeiter habe lediglich Weisungen im fachlichen Bereich erteilt, also Hinweise, an welchen Stellen der öffentlichen Grünanlagen Pflanzen zu setzen seien. Diese Hinweise seien deshalb notwendig gewesen, weil die Mitglieder der Maschinenringe den Inhalt der Aufträge nicht gekannt hätten. Der Vorarbeiter habe auch die Arbeitszeiten eines jeden Mitglieds des Maschinenrings festgehalten, um eine stundenweise Abrechnung zu ermöglichen.

Bei dem täglichen Einsatz habe es keinerlei rechtliche oder tatsächliche Bindungen gegeben bezüglich der einzuhaltenden Arbeitszeit und Arbeitstage. Man habe lediglich innerhalb der Arbeitsgruppen die Arbeitszeit und insbesondere den morgendlichen Treffpunkt festgelegt. Es habe keine Gewähr dafür bestanden, dass die gleichen Mitglieder des Maschinenrings am nächsten Arbeitstag wieder an dem vereinbarten Treffpunkt erscheinen würden. Wer nicht gekonnt oder gewollt habe, sei eben nicht gekommen. Vielfach habe die betreffende Person eine Ersatzkraft organisiert, die zunächst namentlich nicht bekannt gewesen sei.

Umgekehrt sei auch die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, Arbeitsgruppen für eine bestimmte Dauer zu beschäftigen. Die Klägerin sei berechtigt gewesen, die Beschäftigung der Maschinenringmitglieder jederzeit ohne Begründung zu beenden. Auch der jeweilige Maschinenring sei keine Verpflichtung eingegangen, eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern für den Arbeitseinsatz zu stellen. Es habe auch keine Weisungsunterworfenheit hinsichtlich Ort, Art, Zeit und Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung bestanden. Der bloße Hinweis bei Beginn von Landschaftspflegearbeiten, welche Arbeiten an welcher Stelle auszuüben seien, begründe keine Weisungsgebundenheit. Derartige Hinweise würden jedem Auftragnehmer erteilt, weil ohne diese Hinweise nicht bekannt wäre, welche Dienstleistung gewünscht werde. Auch nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei ein Arbeitsverhältnis nicht gegeben. Die Mitglieder der Maschinenringe hätten selbst bestimmt, wie lange sie an einem Arbeitstag arbeiteten und wann sie eine Pause machten. Sie hätten auch selbst bestimmt, ob sie am Folgetag wieder zur Arbeit kommen würden, sie hätten keinen Grund angeben müssen, wenn sie nicht erschienen und hätten ohne Rücksprache eine Ersatzkraft stellen können.

Hervorzuheben sei in diesem Zusammenhang, dass das Nichtvorliegen eines Arbeitsverhältnisses bei Mitgliedern von Maschinenringen seit mindestens 40 Jahren gang und gäbe sei und auch weiterhin so praktiziert werde. Es sei der politische Wille, den Landwirten durch Arbeitseinsatz bei anderen Mitgliedern von Maschinenringen ein Zubrot zu ermöglichen, das nicht lohnsteuerpflichtig sei.

Die Klägerin beantragt, den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 08.02.2000 ersatzlos aufzuheben. Weiterhin beantragte sie, ihren Steuerberater, Herrn Xxx als Zeugen darüber zu hören, dass die Gestellung der Mitarbeiter des Maschinenrings im Einzelnen bei beiden Betriebsprüfungen besprochen und die Vorsteuerabzugsberechtigung aus den Rechnungen des Maschinenrings bejaht worden sei. Der Vertreter des Finanzamts beantragte, zu diesen beide Fragen die beiden Betriebsprüfer Xxx und Xxx als Zeugen zu hören.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Maschinenringmitglieder seien Arbeitnehmer der Klägerin geworden. Sie hätten aus einem Dienstverhältnis Arbeitslohn bezogen, dem Arbeitgeber ihre Arbeitskraft geschuldet, seien in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert gewesen und hätten den Weisungen des Arbeitgebers folgen müssen. Die Weisungen seien den Mitarbeitern vom jeweiligen Vorarbeiter erteilt worden. Die Vorarbeiter selbst wären ebenfalls den Weisungen und der Kontrolle der Klägerin unterworfen gewesen. Die Maschinenringarbeiter hätten größtenteils Hand in Hand mit den festangestellten Arbeitern in einer Gruppe zusammengearbeitet. Ab Arbeitsbeginn habe die Entscheidung, wann, bei wem und wie lange sie ihre Arbeitskraft einbrächten, nicht mehr in ihrer Hand gelegen. Die einzubringende Arbeitszeit sei verbindlich festgelegt gewesen (6.30 Uhr - 17.00 Uhr). Die Beschäftigten hätten ihre Arbeitskraft auch persönlich einbringen müssen. Sie hätten keine eigenen Betriebsmittel benötigt, sondern seien sogar verpflichtet gewesen, Kleidung und Sicherheitsschuhe der Klägerin zu nutzen. Ohne Zustimmung der Klägerin seien sie nicht berechtigt gewesen, eine Hilfs- oder Ersatzkraft zu stellen. Geschuldet gewesen sei die Arbeitskraft, nicht ein bestimmter Erfolg. Der Transport zum jeweiligen Einsatzort sei von der Klägerin organisiert und bezahlt worden. Die Beschäftigten hätten auch keinerlei Unternehmerrisiko getragen, da für einen eventuellen Misserfolg der Arbeiten die Klägerin einzustehen gehabt hätte. Das Fehlen eines Lohnfortzahlungsanspruchs bei Krankheit oder Urlaub begründe keine selbständige Tätigkeit, da Aushilfskräfte im Allgemeinen keinen Lohnfortzahlungsanspruch hätten.

Das Finanzamt habe zu Recht auf Grund neuer Tatsachen und Beweismittel den Haftungsbescheid erlassen. Die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO stehe dem nicht entgegen, weil Steuerhinterziehung vorgelegen habe. Neue Beweismittel und Tatsachen im Sinne dieser Vorschrift seien der durch die Steuerfahndung festgestellte Sachverhalt, insbesondere der sichergestellte Schriftverkehr und die Vernehmungsprotokolle sowie die Fragebögen der Landesversicherungsanstalt Oberfranken und Mittelfranken in Bayreuth. Diese Unterlagen seien dem Finanzamt bei Erlass der Lohnsteuerhaftungsbescheide unbekannt gewesen. Bei den vorhergehenden Außenprüfungen sei auch für die Prüfer nicht erkennbar gewesen, dass es sich bei den unter "Fremdleistungen" verbuchten Maschinenringarbeitern tatsächlich um verschleierte Arbeitsverhältnisse gehandelt habe. Auch sei es nicht Thema der Betriebsprüfungen gewesen, ob Mitglieder von Maschinenringen als Arbeitnehmer der Klägerin zu behandeln seien. Es sei lediglich die Umsatzsteuerpflicht des Maschinenrings selbst diskutiert worden, die jedoch keine Auswirkung auf die Arbeitnehmereigenschaft der einzelnen Mitglieder habe.

Erst die nachfolgende Steuerfahndung sei in der Lage gewesen, den Sachverhalt komplett zu erfassen. Die Steuerverkürzung durch die Klägerin ergebe sich aus dem Schriftverkehr mit dem Kuratorium Bayerischer Maschinen- und Betriebshilferinge e. V. In einem Schreiben vom 27.03.1987 an die Klägerin habe das Kuratorium der Klägerin mitgeteilt, sie könne selbstverständlich für den landwirtschaftlichen Bereich ihres Unternehmens Mitglied im Maschinenring sein und sich auch deren Dienste sichern. Eine Vermittlung von Maschinenringhelfern für den gewerblichen Teil des Unternehmens sei jedoch nicht zulässig. Die Klägerin habe somit gewusst, dass sie für ihre gewerbliche Tätigkeit Maschinenringmitarbeiter nicht beschäftigen dürfe. Außerdem habe sie sich gegenüber den Landwirten mit Schreiben vom 31. Oktober 1991 bereit erklärt, finanzielle Forderungen aus deren Tätigkeit wie Lohnsteuer oder Pflichtversicherungsbeiträge zu übernehmen.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Das Finanzamt hat zu Recht einen Lohnsteuerhaftungsbescheid erlassen für die Zeit ab Dezember 1992 bis 1998. Im Übrigen ist der Lohnsteuerhaftungsbescheid aufzuheben, weil einer Änderung insoweit die Festsetzungsverjährung entgegensteht.

Für eine Arbeitnehmereigenschaft können insbesondere folgende Merkmale sprechen:

Mitarbeiter der Maschinenringe als Arbeitnehmer

Die Klägerin haftet als Arbeitgeberin der Maschinenringmitarbeiter gem. § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für die Lohnsteuer, die sie einzubehalten und abzuführen hat. Gemäß § 38 Abs. 3 EStG hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten. Voraussetzung für die Lohnsteuerhaftung ist, dass die Klägerin Arbeitgeber und die Maschinenringmitarbeiter Arbeitnehmer waren. Das Einkommensteuerrecht definiert nicht den lohnsteuerlichen Begriff des Arbeitgebers. Er kann auch nicht durch Rückgriff auf den arbeits- oder sozialrechtlichen Arbeitgeberbegriff als definiert angesehen werden, da Steuerrecht einerseits und Arbeits- bzw. Sozialrecht andererseits unterschiedlichen Zwecken folgen (BFH-Urteil vom 24.03.1999 I R 64/98, BFHE 190, 74, BStBl. II 2000, 41). Nach § 1 Abs. 2 LStDV, der nach ständiger Rechtsprechung des BFH den Arbeitnehmerbegriff zutreffend interpretiert, liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Beschäftigte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Das ist der Fall, wenn die tätige Person in der Ausübung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (BFH-Urteil v. 18.01.1991 VI R 122/87, BFHE 163, 365, BStBl II 1991, 409). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse, wobei die für bzw. gegen Nichtselbständigkeit sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen und einzelne Merkmale nach ihrer Bedeutung zu gewichten sind (BFH-Urteil v. 24.07.1992 VI R 127/88, BFHE 169, 154, BStBl. II 1993, 155).

Persönliche Abhängigkeit, Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, feste Arbeitszeiten, Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort, feste Bezüge, Urlaubanspruch, Anspruch auf sonstige Sozialleistungen, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, Überstundenvergütung, zeitlicher Umfang der Dienstleistungen, Unselbständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit, kein Unternehmerrisiko, keine Unternehmerinitiative, kein Kapitaleinsatz, keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln, Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, Eingliederung in den Betrieb, Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolges, Ausführung von einfachen Tätigkeiten, bei denen eine Weisungsabhängigkeit die Regel ist.

Da es auf das Gesamtbild der Verhältnisse ankommt, kann folglich nicht mit Rücksicht auf das Vorliegen eines dieser Merkmale die Arbeitnehmereigenschaft im Einzelfall eindeutig bejaht oder verneint werden. Es versteht sich von selbst, dass es bei der Fülle dieser beispielhaft bezeichneten Abgrenzungskriterien auch nicht darauf ankommen kann, wie eine Tätigkeit oder die tätige Person im Einzelfall bezeichnet worden ist (BFH-Urteil v. 14.06.1985 VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl. II 1985, 661).

Besondere Schwierigkeiten in der Abgrenzung können entstehen, wenn jemand nur aushilfsweise für einen fremden Betrieb tätig wird, da hier gewöhnlich die Arbeitskraft einer Person nicht voll in Anspruch genommen wird und meist nur eine lose Beziehung zum Betrieb des Auftraggebers besteht. Entscheidend ist hier grundsätzlich die Art der Tätigkeit selbst, unabhängig von der Haupttätigkeit, es sei denn, dass die Aushilfstätigkeit mit der Ausübung des Hauptberufes unmittelbar zusammenhängt und ihn zur Voraussetzung hat. Nach dem Urteil des BFH v. 24.11.1961 VI 183/59 S, BFHE 74, 97, BStBl. III 1962, 37 schließt auch eine kurzfristige Tätigkeit die Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers und damit die Arbeitnehmereigenschaft nicht aus. Bei einfachen Arbeiten, bei denen das Weisungsrecht des Auftraggebers sich stärker auswirkt, ist eher eine Eingliederung in den Betrieb und die Gestellung der Arbeitskraft anzunehmen als bei gehobenen Arbeiten, in denen die Weisungsbefugnis des Auftraggebers sich mehr auf äußere und organisatorische Dinge beschränkt, während im Übrigen der Beauftragte in der Gestaltung seiner Arbeit freie Hand hat und der Arbeitserfolg wichtiger ist als Dauer und Umfang der Arbeitsleistung. Mit dieser Begründung sind z. B. landwirtschaftliche Saisonarbeiter in der Regel unselbständig tätig.

Wesentlich ist, ob der Beauftragte seine Arbeit zu einer vom Auftraggeber festgesetzten Zeit leisten muss. Es spricht eher für Selbständigkeit, wenn ein Beauftragter die übernommene Arbeit erledigen kann, wann er will, ohne dabei an die Weisungen seines Auftraggebers gebunden zu sein.

Entscheidend ist ferner, wer das Unternehmerrisiko trägt (BFH-Urteil vom 21.03.1975 VI R 60/73, BFHE 115, 46, BStBl. II 1975, 513). Ein Arbeitnehmer ist kein Unternehmer und trägt kein unternehmerisches Risiko. Trägt der Beauftragte jedoch in größerem Umfang das Risiko des Arbeitserfolgs, so ist er selbständig tätig.

Ob die Beteiligten bürgerlichrechtlich eine freie Mitarbeiterschaft oder ein Arbeitsverhältnis vereinbaren, kann steuerlich nicht allein ausschlaggebend sein. Denn im Steuerrecht kommt es in erster Linie auf die tatsächliche Handhabung an. Denkbar wäre, dass im Einzelfall kein Arbeitsverhältnis begründet wird, sondern der Gedanke der Gefälligkeit in den Vordergrund tritt. Dann wäre das Entgelt auch nicht Arbeitslohn.

Im Streitfall waren nach diesen Grundsätzen die durch den Maschinenring vermittelten Aushilfskräfte der Klägerin deren Arbeitnehmer. Sie leisteten nur einfache Arbeiten an verschiedenen Baustellen, auf denen die Klägerin tätig war. Zwar erfüllten sie ihre Arbeitsleistung nicht unmittelbar in der Betriebstätte der Klägerin, sie konnten jedoch den Ort ihrer Arbeitsleistung nicht frei bestimmen, sondern waren der Weisungsbefugnis der Klägerin unterlegen. Für eine individuelle Gestaltung ihrer Arbeit nach Inhalt, Zeit und Ort war kein Raum. Dass sie nur kurzfristig beschäftigt waren, ihre Einkünfte aus der Arbeit für die Klägerin im Jahr nur gering waren, ist unerheblich. Die Arbeiten waren ausschließlich nach den Vorstellungen der Klägerin zu erledigen, die Arbeiter konnten kaum eine eigene Initiative entfalten. Zwar konnten sie darüber entscheiden, ob sie überhaupt zur Arbeit erscheinen würden, im Rahmen ihrer Arbeit waren sie jedoch an feste Arbeitszeiten gebunden. Sie waren sowohl in Organisation und Durchführung ihrer Tätigkeit unselbständig und von der Klägerin bzw. deren Mitarbeitern abhängig. Ihre Dienstleistung verlangte keinen Kapitaleinsatz, sie waren nicht verpflichtet zur Beschaffung von Arbeitsmitteln, trugen keinerlei Unternehmerinitiative bzw. Unternehmerrisiko. Das Risiko des ausbleibenden Arbeitserfolgs trug allein die Klägerin. Sie waren auch insoweit in den Betrieb der Klägerin eingegliedert, als sie zumindest teilweise dieselben Arbeiten wie Festangestellte im Betrieb der Klägerin verrichteten. Die Maschinenringmitarbeiter schuldeten ihre Arbeitskraft und nicht einen bestimmten Arbeitserfolg. Sie waren nicht berechtigt, die Arbeit auf Dritte zu delegieren.

Gegen die Selbständigkeit der Maschinenringarbeiter mit den hier zu beurteilenden Betätigungsmerkmalen spricht schließlich das äußere Erscheinungsbild, dem ebenfalls maßgebende Bedeutung zukommt. Für Außenstehende war kein Unterschied zwischen den Maschinenringarbeitern und den festangestellten Beschäftigten der Klägerin sichtbar. Beide trugen die gleiche Arbeitskleidung mit dem Firmenaufdruck der LII KG, arbeiteten mit firmeneigenem Werkzeug und fuhren mit Fahrzeugen der Klägerin. Nach dem äußeren Eindruck stellte sich die Arbeit der beauftragten Maschinenringmitarbeiter als unselbständiger Teil der Leistung eines Dritten, nämlich der Klägerin dar. Denn die Tätigkeit erscheint als abhängige fremdbestimmte Arbeit, die durch Einbindung in die betriebliche Organisation der Klägerin ohne Übernahme eines Unternehmerrisikos gekennzeichnet ist. Ebenfalls spielt es keine Rolle, dass Bestimmungen über zustehenden Urlaub bzw. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht getroffen wurden. Die Aufnahme solcher Regelungen gehört nicht zu den Voraussetzungen für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses, sondern ein Arbeitsverhältnis hat umgekehrt regelmäßig zur Folge, dass Urlaubs- bzw. Lohnfortzahlungsansprüche entstehen können.

Nichts anderes gilt für Betriebshelfer in der Land- und Forstwirtschaft, die als Mitglieder eines Maschinen- oder Betriebshilferings auf dessen Vermittlung hin bei anderen selbständigen Landwirten tätig werden. Auch hier kommt es auf das Gesamtbild der Verhältnisse an (vgl. FMS vom 03.03.1976 Az. 31-S-2163-6/565728/75).

Auswahlermessen und Billigkeitserwägungen

Die Inanspruchnahme der Klägerin als Arbeitgeberin war auch ermessensfehlerfrei. Ist der Haftungstatbestand erfüllt, so hat das Finanzamt im Rahmen seines Entschließungsermessens zunächst zu prüfen, ob der Arbeitgeber überhaupt in Anspruch genommen werden soll. So kann die Inanspruchnahme des Arbeitgebers unbillig sein, wenn er in einem entschuldbaren Rechtsirrtum den Steuerabzug unterlassen hat und er in seinem Rechtsirrtum durch Äußerungen eines amtlichen Prüfers bestärkt worden ist bzw. die strittige Frage Gegenstand wiederholter Prüfungen gewesen ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Weder bei den Lohnsteuer-Außenprüfungen noch bei den Betriebsprüfungen waren die Beschäftigungsverhältnisse mit den Maschinenringarbeitern Prüfungsgegenstand bzw. Prüfungsthema. Bei den Lohnsteuer-Außenprüfungen, die durch die Lohnsteuer-Anmeldungen geprägt waren, war es für den Prüfer nicht erkennbar, dass sich hinter dem Posten "Fremdleistungen" die Beschäftigung von Maschinenringmitgliedern verbirgt. Aus den Betriebsprüfungsakten ergibt sich, dass der Komplex Maschinenring nicht Thema der Prüfungen gewesen ist. Aus einem Aktenvermerk vom 21.01.1999 über eine Besprechung zwischen dem Betriebsprüfer der Prüfung 1986 - 1990, Herrn Xxx, und der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts Xxx ergibt sich, dass Herr Xxx zwar selbst der Meinung gewesen sei, die beschäftigten Landwirte seien selbständig tätig. Die Abgrenzung selbständige/nichtselbständige Tätigkeit der Maschinenring-Mitarbeiter sei jedoch niemals Thema während der Prüfung gewesen. Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum berufen, da sie die Verpflichtung, Lohnsteuer abzuführen, zumindest in ihre Überlegungen einbezogen hatte. Dies ergibt sich aus den Schreiben der Klägerin an die beschäftigten Landwirte vom 31.10.1991, in dem die Übernahme der Lohnsteuer zugesichert worden ist.

Der Klägerin ist hier vorzuwerfen, dass sie ihren vermeintlichen Rechtsirrtum nicht durch Einholen einer Anrufungsauskunft gem. § 42e EStG beseitigt hat. Gerade in schwierigen Fällen kann der Verzicht auf eine Anrufungsauskunft vorwerfbar sein.

Nach § 42e EStG hat das Betriebsstättenfinanzamt auf Anfrage eines Beteiligten darüber Auskunft zu geben, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die Lohnsteuer anzuwenden sind.

Der Arbeitgeber steht in einem öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnis. Ihm droht ständig das Haftungsrisiko. Daher entspricht es der Fürsorgepflicht der Finanzverwaltung, dem Arbeitgeber auf Anfrage verbindlich Auskunft über alle mit dessen Pflichten zusammenhängende Fragen zu erteilen (BFH-Urteil vom 09.10.1992 VI R 97/90, BStBl. II 1993, 166). Das Auskunftsersuchen wäre formlos möglich gewesen.

Auch das Auswahlermessen wurde fehlerfrei ausgeübt. Auf Grund obiger Freistellungserklärung der Klägerin gegenüber den Beschäftigten konnte sich das Finanzamt an die Klägerin halten.

Rücknahme der rechtswidrigen Lohnsteuerhaftungsbescheide

Dem Erlass des Haftungsbescheides nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG stand bis November 1992 die Festsetzungsverjährung nach § 191 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. 169 - 171 AO entgegen. Der Erlass eines Haftungsbescheids ist nicht mehr möglich, soweit die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Unter Erlass ist in § 191 Abs. 1 AO das erstmalige Ergehen einer behördlichen Entscheidung in Form der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts zu verstehen. Nicht erfasst wird die Korrektur einer behördlichen Entscheidung durch deren Änderung oder Aufhebung. Danach können Haftungsbescheide grundsätzlich auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist aufgehoben oder geändert werden (BFH-Urteil v. 12.08.1997 VI I R 107/96, BStBl. II 1998, 131).

Für die Änderung von Haftungsbescheiden gelten nicht die für Steuerbescheide geltenden Vorschriften, sondern die für Verwaltungsakte getroffenen Regelungen der §§ 130 ff AO. Folglich sind die Korrekturvorschriften der §§ 172 ff AO auf Haftungsbescheide nicht anwendbar (BFH-Beschluss v. 24.01.1995 VII B 142/94, BFHE 176, 224, BStBl. II 1995, 227).

Die Änderung eines Haftungsbescheids zu Ungunsten eines Haftungsschuldners gem. § 130 Abs. 1 bzw. § 131 Abs. 1 AO ist gleichbedeutend mit dem entsprechenden Erlass eines neuen Haftungsbescheids. Im Streitfall wurden die früheren Haftungsbescheide aufgehoben und ein neuer Haftungsbescheid mit einer wesentlich höheren Haftungsschuld erlassen. Wird ein belastender Verwaltungsakt zurückgenommen, um eine noch höhere Belastung auszusprechen, so ist dies die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts. Die erweiternde Änderung eines belastenden Verwaltungsakts wirkt belastend. Für die Änderung gilt somit § 130 Abs. 2 AO. Die Änderung ist nur möglich, soweit die Voraussetzungen hierfür vorliegen und die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen ist.

Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 130 Abs. 1 AO). Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlichen Beziehungen unrichtig oder unvollständig waren (§ 130 Abs. 2 Nr. 3 AO).

Die geänderten Haftungsbescheide waren rechtswidrig, weil das Finanzamt von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der in Wahrheit gar nicht vorlag und daher das geltende Recht falsch angewendet hat (Kopp/Ramsauer, VwVfG 7. Auflage, § 48 Tz. 28). Das Finanzamt hatte bei der Bemessung der Lohnsteuerpflicht des Arbeitgebers die Mitarbeiter des Maschinenrings nicht zu den Arbeitnehmern des Klägers gerechnet. Im Falle des § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO ist der Begünstigte nicht schutzwürdig, weil er die Ursachen für die Rechtswidrigkeit selbst gesetzt hat, die Ursachen also nicht in der Sphäre der Behörde liegen. Die Angaben müssen objektiv unrichtig oder unvollständig und wesentlich, d.h. entscheidungserheblich gewesen sein. Die unrichtigen oder unvollständigen Angaben brauchen jedoch nicht schuldhaft gemacht worden zu sein. Im Streitfall konnten die Lohnsteueraußenprüfer trotz Bemühen nicht erkennen, dass sich trotz eindeutiger Lohnsteuer-Anmeldung hinter dem Posten "Fremdleistungen" in der Bilanz die Beschäftigungsverhältnisse mit den Maschinenringmitgliedern verbargen. Durch diese unvollständige Sachverhaltsdarstellung wurde die Lohnsteuer wesentlich zu niedrig festgesetzt.

Im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung hatte die Klägerin jedoch eine Pflicht zur Offenlegung sämtlicher Beschäftigungsverhältnisse. Dies ist nicht geschehen.

Das Finanzamt war an der späteren Änderung der Lohnsteuerhaftungsbescheide nicht gehindert durch die Vorschrift des § 130 Abs. 3 AO. Hiernach ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, indem die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis erlangt, welche die Rücknahme rechtfertigen. Abzustellen ist hierbei nicht auf die Kenntnis des Fahndungsprüfers, sondern auf die Kenntnis der zuständigen Stelle im Finanzamt d. h. die Lohnsteuerstelle. Die Ergebnisse der Fahndungsprüfung wurden am 31.01.2000 an die Lohnsteuerstelle weitergegeben. Die Änderung durch Bescheid vom 08.02.2000 war folglich innerhalb der gesetzlichen Jahresfrist erfolgt und somit zulässig.

Verlängerte Festsetzungsfrist

Der Lohnsteuerhaftungsbescheid wurde für Lohnsteuer ab Dezember 1992 innerhalb der Festsetzungsfrist erlassen, da hier die verlängerte Festsetzungsfrist von 5 Jahren gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 gilt, weil die Lohnsteuer insoweit leichtfertig verkürzt worden ist. Hierfür gelten jedoch nach § 191 Abs. 3 Satz 1 die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung nach §§ 169 ff. Die Festsetzungsverjährung soll dem Rechtsfrieden dienen. Der Steuerpflichtige soll darauf vertrauen können, dass er nicht mehr in Anspruch genommen wird. Diesem Vertrauensschutzgedanken wird bei Haftungsbescheiden dadurch Rechnung getragen, dass der Erlass eines Haftungsbescheids nach Ablauf der Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich ist. Dies gilt auch für den Fall des Neuerlasses eines Haftungsbescheids nach dessen Rücknahme gem. § 130 Abs. 1 AO, der zudem nur unter den engen Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO erfolgen kann.

Die Festsetzungsfrist beträgt für Haftungsbescheide nach § 191 Abs. 3 Satz 2 AO grundsätzlich 4 Jahre. Ergibt sich wie im Streitfall der Haftungstatbestand aus Steuergesetzen, sind gem. § 191 Abs. 3 Satz 1 AO auf den Erlass von Haftungsbescheiden die §§ 169 - 171 AO entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist für die Lohnsteuer ab 1989 beträgt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 5 Jahre, weil die Klägerin die auf die ausgezahlten Arbeitslöhne entfallende Lohnsteuer durch Nichterklärung in den entsprechenden Lohnsteuer-Anmeldungen leichtfertig verkürzt hat (§ 378 Abs. 1 AO).

Diese Ordnungswidrigkeit begeht, wer als Steuerpflichtiger eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht.

Eine Steuerhinterziehung i. S. d. § 370 Abs. 1 AO begeht, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder sie pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO). Steuern sind nach § 378 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden.

Die Steuerhinterziehung setzt Vorsatz voraus. Hierbei genügt auch der sogenannte bedingte Vorsatz. Bedingt vorsätzlich handelt, wer es für möglich hält, dass durch sein Verhalten der gesetzliche Tatbestand verwirklicht wird und dieses Ergebnis billigend in Kauf nimmt (BFH-Urteil v. 31.07.1996 XI R 74/95, BStBl. II 1997, 157).

Ein solch vorsätzliches Verhalten liegt in der Person des Herrn Kkk nicht vor.

Herr Kkk hat jedoch die Lohnsteuer in seiner Stellung als Komplementär und Geschäftsführer der Klägerin leichtfertig verkürzt.

Leichtfertigkeit bedeutet einen erheblichen Grad von Fahrlässigkeit, der der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, aber im Gegensatz zu dieser auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt (BFH-Beschluss vom 14.12.2000 II B 123/99, BFH/NV 2001, 738; BFH-Beschluss vom 25.06.1997 VIII B 35/96, BFH/NV 1998, 8). Ein derartiges Verschulden liegt danach vor, wenn ein Steuerpflichtiger nach den Gegebenheiten des Einzelfalles und seinen individuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, den aus den einschlägigen gesetzlichen Regelungen sich im konkreten Fall ergebenden Sorgfaltspflichten zu genügen. Die leichtfertige Steuerverkürzung begeht, wer bei der Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten einer Firma die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten imstande ist, obwohl sich ihm hätte aufdrängen müssen, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird (BFH-Beschuss vom 07.02.2002 V B 86/01, BFH/NV 2002, 755).

Herr Kkk ist als erfahrener Arbeitgeber eines Betriebs mit rd. 120 lohnsteuerpflichtig Beschäftigten mit den steuerlichen Pflichten eines Arbeitgebers derart vertraut, dass er seine grundsätzliche Pflicht, Lohnsteuer abzuführen, gekannt hat. Im Fall der Maschinenringmitarbeiter hat er eine Lohnsteuerpflicht durchaus für möglich gehalten. Dies ergibt sich aus seinem Schreiben an die Maschinenringmitarbeiter, in dem er diese von der eventuellen Lohnsteuerzahllast freistellte. Auch wenn er letztlich selbst darauf vertraut hatte, dass diese Arbeitsverhältnisse nicht der Lohnsteuerpflicht unterlägen, so hätte er doch erkennen können, dass die Nichtanmeldung der Lohnsteuer rechtswidrig war. Damit hatte er auch das im Rahmen der Fahrlässigkeit erforderliche Schuldmerkmal des Unrechtsbewusstseins erfüllt (Dröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, vor § 13 Tz. 31).

Auch wenn wegen der Lohnsteuerpflicht im Zusammenhang mit den Maschinenringarbeitern Gespräche mit den jeweiligen Betriebsprüfern stattgefunden haben sollten, hätte bei derart gewichtigen Fragen von der zuständigen Stelle eine entsprechende Auskunft eingeholt werden sollen. Zum einen hatten sich die Betriebsprüfungen gar nicht auf den Bereich Lohnsteuer erstreckt. Zum anderen waren die Prüfer nicht zuständig und befugt, anlässlich der Prüfung verbindliche Aussagen zur Rechtslage zu treffen. Aufgabe der Betriebsprüfer ist es in erster Linie, den Sachverhalt zu ermitteln. Die Klägerin hat ihre Sorgfalts- und Obliegenheitspflichten insoweit verletzt, als sie sich nicht beim zuständigen Finanzamt nach der lohnsteuerlichen Rechtslage erkundigt hat. Die Klägerin hätte sich unabhängig von einer Aussage des jeweiligen Prüfers entweder um eine verbindliche Auskunft bemühen müssen oder ein Anrufungsersuchen gem. § 42e EStG stellen müssen. Die Klägerin kannte wohl die Bedeutung der Einordnung der Maschinenringarbeiter als lohnsteuerpflichtig oder nicht. Sie hat diese Frage nach Überzeugung des Gerichts bewusst nicht umfassend aufgeklärt. Sie hatte vielmehr ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt, indem sie sich nicht um eine weitere Abklärung der steuerrechtlichen Situation bemüht hatte.

Diese Kriterien haben gleichermaßen Gültigkeit für den Fall, dass die Lohnsteuerpflicht nicht Thema der Betriebsprüfung war als auch für den Fall, dass sich die Betriebsprüfer entsprechend geäußert haben. Folglich kommt es nicht darauf an, ob anlässlich der Betriebsprüfung Gespräche über die Lohnsteuerpflicht der Klägerin bezüglich der Maschinenringarbeiter stattgefunden haben.

Der Beweisantrag wird daher abgelehnt, weil die in Frage stehende Tatsache, dass anlässlich der Betriebsprüfungen über die Gestellung der Maschinenringmitarbeiter gesprochen worden ist, als wahr unterstellt werden kann (BFH-Urteil vom 12.04.1994 IX R 101/90, BFHE 174, 301, BStBl. II 1994, 660).

Die fünfjährige Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO ist abgelaufen für die Lohnsteuer 1989 bis November 1992.

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, indem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft, § 191 Abs. 3 Satz 3 AO. Der Haftungsanspruch entsteht, sobald die einzubehaltende Lohnsteuer zum Fälligkeitszeitpunkt nicht an das Finanzamt abgeführt wird (Schmidt Drenseck, EStG, § 42 d Rz. 10). Lohnsteueranmeldungszeitraum ist gemäß § 41a Abs. 2 Satz 1 EStG der Kalendermonat. Der Arbeitgeber hat spätestens am 10. Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums die Lohnsteuer an das Betriebstättenfinanzamt abzuführen (§ 41 a Abs. 1 Nr. 2 EStG).

Die Festsetzungsfrist für Januar bis November 1989 begann mit Ablauf des Jahres 1989, also am 01.01.1990, endete am 31.12.1994 und war nicht durch eine Außenprüfung gem. § 171 Abs. 4 unterbrochen. Die Festsetzungsfrist für Dezember 1989 bis November 1990 endete entsprechend am 31.12.1995, die Festsetzungsfrist für Dezember 1990 bis November 1991 am 31.12.1996, die Festsetzungsfrist für Dezember 1991 bis November 1992 endete am 31.12.1997.

Die Festsetzungsfrist für Lohnsteuer ab Dezember 1992, die am 01.01.1994 begonnen hat, ist jedoch nicht abgelaufen, da durch den Beginn der Steuerfahndungsprüfung am 26.05.1998 (erste Durchsuchung der Räume der Klägerin) der Ablauf der Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt wurde. Die Ablaufhemmung tritt ein, wenn der Prüfer konkrete Handlungen zur Ermittlung des Steuerfalles aufnimmt. Der Fristablauf war gehemmt, bis die auf Grund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Weitere Unterbrechungen durch Lohnsteuerprüfungen haben nicht stattgefunden, da die jeweiligen Lohnsteuerprüfungen und die hierzu ergangenen Bescheide vor Ablauf der regulären Festsetzungsfristen beendet gewesen waren. Die Betriebsprüfungen haben sich nicht auf die Lohnsteuer erstreckt und konnten daher keine Unterbrechungswirkung entfalten.

Änderungssperre gem. § 173 Abs. 2 AO

Dem angefochtenen Lohnsteuerhaftungsbescheid steht nicht die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 Satz 1 AO entgegen. Nach dieser Vorschrift können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind - wie hier die auf Grund der Lohnsteuer-Außenprüfungen ergangenen Lohnsteuerhaftungsbescheide vom 22.08.1989, 30.10.1991, 13.12.1994 und 12.02.1998 - nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Durch die auf Grund der Lohnsteuer-Außenprüfungen ergangenen Haftungsbescheide war jeweils der Vorbehalt der Nachprüfung der während der Prüfungszeiträume abgegebenen Lohnsteuer-Anmeldungen aufgehoben worden. Die Lohnsteuer-Anmeldungen im Sinn von § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG stehen nach § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Nach § 164 Abs. 2 AO kann eine Steuerfestsetzung, solange der Vorbehalt der Nachprüfung wirksam ist, jederzeit vom Finanzamt von Amts wegen oder auf Antrag des Steuerpflichtigen geändert werden. Diese Änderungsmöglichkeit entfällt jedoch nach § 164 Abs. 3 AO, sobald der Vorbehalt der Nachprüfung - wie im Streitfall geschehen - vom Finanzamt aufgehoben wird. Für die Änderung der endgültigen Bescheide gilt daher grundsätzlich die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 Satz 1 AO, wobei die Lohnsteueraußenprüfung eine Außenprüfung im Sinne dieser Vorschrift ist. Unerheblich ist, ob der jeweilige Prüfer den Sachverhalt vollständig geprüft hat. Ein nachträglich bekannt gewordener Sachverhalt, auf den sich die Prüfung nicht erstreckt hat, nach der Prüfungsanordnung aber hätte erstrekken können, rechtfertigt keine Änderung des auf Grund der Prüfung ergangenen Bescheids. Die Änderung ist hier jedoch trotzdem möglich, weil auf Seiten der Klägerin eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt (siehe oben). (BFH-Urteil vom 15.05.1992 VI R 106/88, BFHE 168, 532, BStBl. II 1993, 840; BFH-Urteil vom 15.05.1992 VI R 183/88, BFHE 168, 505, BStBl. II 1993, 829).

Kosten

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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