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Gericht: Finanzgericht Nürnberg
Urteil verkündet am 21.09.2005
Aktenzeichen: V 333/03
Rechtsgebiete: AO, EigZulG


Vorschriften:

AO § 164 Abs. 1
AO § 164 Abs. 2
EigZulG § 19 Abs. 1
EigZulG § 19 Abs. 2 Nr. 2
EigZulG § 19 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist, ob den Klägern für das Anwesen G-Str. in N ab dem Jahr 1998 eine Eigenheimzulage zusteht.

Am 10.11.2000 stellten die Kläger einen Antrag auf Eigenheimzulage für das 257 qm große Haus G-Str. in N. Eine der drei Wohnungen mit 106 qm überließen sie unentgeltlich ihrem Sohn. Von den Anschaffungskosten i.H.v. 658.620 DM entfielen 270.034 DM auf die unentgeltlich an Angehörige überlassene Wohnung. In dem Antrag auf Eigenheimzulage gaben die Kläger an, der Bauantrag sei gestellt am 07.11.1995, Baubeginn im März 1996 und Jahr der Fertigstellung 1998.

Nachdem der Beklagte am 27.03.2001 zunächst unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO einen Bescheid über Eigenheimzulage ab 1998 i.H.v. jeweils 5.000 DM erlassen hatte, ermittelte der Beklagte durch Anfragen an die Bauordnungsbehörde der Stadt N, dass ein Bauantrag bereits am 17.10.1995 bei der Stadt N eingereicht worden sei. Das Finanzamt hob am 02.07.2002 den Bescheid über Eigenheimzulage gem. § 164 Abs. 2 AO auf.

Die Kläger beantragten am 06.03.2003 erneut Eigenheimzulage ab 1998. Sie bezogen sich in ihrem Antrag auf einen Bauantrag vom 15.08.1996. Der Beklagte lehnte die Eigenheimzulage mit Bescheid vom 24.04.2003 ab. Das Finanzamt wertete den "zweiten Bauantrag" als Änderung des ersten Bauantrags vom 17.10.1995 im Sinne einer Tektur.

Am 20.05.2003 legten die Kläger Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 24.04.2003 ein, den sie jedoch nicht näher begründeten.

Mit Entscheidung vom 12.11.2003 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Ablehnungsbescheid als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage vom 12.12.2003 begehren die Kläger Eigenheimzulage i.H.v. jährlich 5.000 DM für 1998 bis 2003.

Das Bauvorhaben G-Str. sei im Vergleich zum ursprünglichen Baugenehmigungsbescheid der Stadt N vom 26.01.1996 mit nicht unerheblichen genehmigungspflichtigen Abweichungen erstellt worden. Insbesondere sei ein Balkon zusätzlich errichtet, ein Balkon weggefallen, die Fassade verändert sowie das Haus insgesamt vergrößert und eine zusätzliche Dachgaube eingebaut worden. Erst im Rahmen einer Akteneinsicht bei der Bauordnungsbehörde am 27.02.2003 hätten die Kläger erfahren, dass für das Haus -Str. ein weiterer Bauantrag am 15.08.1996 gestellt worden sei. Für die Kläger bleibe es unerfindlich, warum sich dieser zweite Bauantrag bzw. Baugenehmigungsbescheid nicht in ihren Bauakten befunden habe.

Der erste Bauantrag sei zwar am 17.10.1995 gestellt worden. Im vorliegenden Fall käme es jedoch maßgeblich auf den zweiten Bauantrag vom 15.08.1996 für den Baubeginn i.S.d. Eigenheimzulagengesetzes an. Es habe sich um eine Baugenehmigung im sogenannten vereinfachten Genehmigungsverfahren durch Tektur gehandelt. Die Bauordnungsbehörde der Stadt N habe dieser Baugenehmigung ein eigenes Aktenzeichen zugeteilt und mit Bescheid vom 10.03.1998 "die Baugenehmigung erteilt". Das Bauvorhaben sei ursprünglich in Abweichung zur ersten Baugenehmigung mit einem breiteren Baukörper nach Süden errichtet worden. Der Baukontrolleur habe im Juli/August 1996 festgestellt, dass baurechtswidrig ein Schwarzbau entstehe. Die Kläger hätten sodann einen neuen Bauantrag gestellt, in dem sämtliche Bauabweichungen aufgeführt waren. Erst durch die Erwirkung der zweiten Baugenehmigung habe ein Gebäude in Übereinstimmung mit den baurechtlichen Vorschriften errichtet werden können. Begünstigt nach Eigenheimzulagengesetz sei nur ein Objekt, das entsprechend der baurechtlichen Genehmigung errichtet ist. Da es sich hier um grundlegende Änderungen im zweiten Bauantrag gehandelt habe, müsse auf den Zeitpunkt abgestellt werden, in dem der Bauantrag bei der Behörde gestellt worden ist, der Grundlage für den tatsächlich errichteten Bau geworden ist.

Dies sei der 2. Antrag.

Die Kläger beantragen, für das Objekt G-Str. in N Eigenheimzulage ab 1998 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Eigenheimzulage lägen nicht vor. Ei ne Eigenheimzulage könne nur beantragt werden für Objekte, mit deren Herstellung nach dem 26.10.1995 begonnen worden sei. Im Streitfall sei die erste Bauantragstellung vom 17.10.1995 maßgeblich. Der sog." zweite Bauantrag vom 15.08.1996 sei lediglich eine Erweiterung und Ergänzung des ursprünglichen Bauantrags, wodurch das Bauvorhaben nicht wesentlich verändert worden sei, und daher als Tekturantrag zu verstehen. Auch die Baubehörde habe den Antrag als Tekturantrag behandelt.

Aus den Bauakten ist zu entnehmen, dass der erste Bauantrag gestellt worden war für "Umbau mit Erweiterung des Einfamilienhauses zu Zweifamilienhaus sowie Errichtung eines Balkones". In der Baugenehmigung vom 26.01.1996 wurde in Ziffer 2 eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans wegen Überschreitung der Baugrenzen nach Süden erteilt. Der weitere Antrag auf Baugenehmigung vom 15.08.1996 bezeichnete das Vorhaben unverändert mit der Ergänzung: "Tektur Errichtung und Wegfall eines Balkones sowie Fassadenänderung". Der Antrag war von den einreichenden Klägern selbst als Tekturplan, bezeichnet.

Der zweite Antrag wurde von der Bauordnungsbehörde der Stadt N als Ergänzung zum ersten Bauantrag behandelt. Laut einer Auskunft des Bauordnungsamtes vom 23.08.2005 war die Vergrößerung des Hauses bereits von der ersten Genehmigung erfasst. Die Änderungen betrafen lediglich die Errichtung eines Balkons im Westen und den Wegfall eines weiteren Balkons im Süden. Wesentliche andere bauliche Veränderungen außer einer Fassadenänderung wurden nicht vorgenommen. Der Antrag wurde als Änderungsantrag i.S. einer Tektur behandelt.

Gründe:

Die Klage ist nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf eine Eigenheimzulage, weil für ihr Bauvorhaben das Eigenheimzulagengesetz aus zeitlichen Gründen nicht anzuwenden ist.

Gem. § 19 Abs. 1 EigZulG ist dieses Gesetz erstmals anzuwenden, wenn der Anspruchsberechtigte im Fall der Herstellung nach dem 31.12.1995 mit der Herstellung des Objekts begonnen hat. Das Gesetz kann wie im Streitfall auf Antrag des Anspruchsberechtigten auch angewandt werden, wenn dieser nach dem 26.10.1995 mit der Herstellung begonnen hat (§ 19 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EigZulG). Als Beginn der Herstellung gilt bei Objekten, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt worden ist (§ 19 Abs. 4 EigZulG).

Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig und lässt keinen Spielraum. Das Gericht ist nicht befugt, einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Begünstigungstatbestand von sich aus zu schaffen oder einen gesetzlich genau umrissenen Tatbestand auf Grund eigener Wertvorstellungen auszuweiten (BFH-Urteil v. 04.11.2004 III R 61/03, BFH/NV 2005, 592).

Bauantrag i.S.v. § 19 Abs. 4 EigZulG ist der an die zuständige Baugenehmigungsbehörde gerichtete Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein bestimmtes Bauvorhaben (BFH-Urteil v. 30.09.2003 III R 52/00, BStBl. II 2004, 262).

Im Streitfall haben die Kläger unbestritten für den baurechtlich genehmigungsbedürftigen Umbau einen Bauantrag bereits am 17.10.1995 gestellt und somit vor dem nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 EigZulG für die Anwendbarkeit dieses Gesetzes, maßgebenden Stichtag.. Dass für das Objekt eine Baugenehmigung erforderlich war, beweist die am 26.01.1996 erteilte Baugenehmigung. Dass die Baugenehmigung im sogenannten vereinfachten Verfahren gem. Art. 80 Bay. Bauordnung erteilt worden ist, ändert an der rechtlichen Einordnung der Baugenehmigung als solcher nichts.

An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass die Kläger am 15.08.1996 erneut Bauunterlagen bei der Gemeinde eingereicht haben. Denn diese Bauunterlagen stellten keinen neuen Bauantrag dar, mit dem eine Rücknahme des früheren verbunden gewesen wäre und der dann gegebenenfalls die Folge hätte haben können, dass ein anderer Zeitpunkt des Herstellungsbeginns hätte angenommen werden können. Dazu waren die vorgenommenen Änderungen an der Planung zu gering.

Gegenüber der genehmigten Planung wurde lediglich ein Balkon auf der Südseite entfernt und dafür auf der Westseite errichtet. Außerdem wurden geringfügige Änderungen an der Außenfassade vorgenommen. Die Vergrößerung des Hauses selbst Richtung Süden war bereits vom ersten Bauantrag bzw. von der Baugenehmigung vom 26.01.1996 erfasst. Darüber hinausgehende Erweiterungen waren gegenüber dem bereits genehmigten Bauvorhaben nur äußerst gering.

Ein Nachtragsantrag ist zulagenrechtlich nicht als neuer Bauantrag zu werten, wenn die Identität zwischen dem tatsächlich errichteten Objekt und dem Objekt, für das der Bauherr bereits eine Baugenehmigung beantragt hatte, bestehen bleibt. In Fällen, in denen ein neuer weiterer Bauantrag eingereicht wird, ist auf den ersten Bauantrag abzustellen, sofern der spätere Antrag nicht auf sinnvollen wirtschaftlichen, d.h. außersteuerlichen Erwägungen, wie insbesondere bei einer Änderung der ursprünglichen Bauplanung beruht (BFH-Urteil vom 04.11.2004 III R 61/03, BFH/NV 2005, 592). Hingegen berührt ein bloßer Nachtragsantrag auf der Grundlage sog. Tekturpläne nicht die Existenz des ursprünglich gestellten formellen Bauantrags und ebenso wenig die planerische Identität zwischen dem zunächst genehmigten und später verwirklichten Bauvorhaben. Als Änderung wesentlicher baurechtlicher Merkmale, die die Identität des Bauvorhabens beeinträchtigen können, kommen hiernach in Betracht die Erweiterung der Nutzfläche und des umbauten Raums, die Aufstockung des Gebäudes, der Dachgeschossausbau und Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes, z.B. durch den Neigungswinkel des Daches oder die Zahl der Fenster (BFH-Urteil v. 04.11.2004 III R 61/03 a.a.O.). Nach BFH-Urteil vom 12.05.1989 111 R 109/84, BFH/NV 1990, 62 kommt es darauf an, ob die Änderungen das Objekt in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfassen und nachhaltig verändern, sodass tatsächlich zwei voneinander unterschiedliche Bauvorhaben vorliegen.

Im Streitfall weicht das tatsächlich erstellte Gebäude weder in der bebauten Fläche noch in der Außengestaltung so wesentlich von der ursprünglich genehmigten Fassung ab, dass man von einem anderen Objekt ausgehen muss. Die Identität des ursprünglich genehmigten Bauvorhabens bleibt durch die vorgenommenen Änderungen wie Balkonumgestaltung und Änderungen an der Fassade unberührt. Auch wenn durch eine Veränderung eines Abstellraumes die Wohnfläche minimal vergrößert worden ist, so ist diese Veränderung nicht wesentlich i.S. o.g. Rechtsprechung. Es ist weiterhin vom selben, bereits genehmigten Bauvorhaben auszugehen.

Diese Behandlung der im August 1996 eingereichten Bauunterlagen entspricht der baurechtlichen Beurteilung und Praxis, wie sie sich in den vom Planfertiger und der Stadt verwendeten Begriffen widerspiegelt. So hat der Kläger und Planfertiger die Änderung als Deckblatt zum Bauantrag vom 17.10.1995 bezeichnet und die Bauordnungsbehörde hat die Bauunterlagen als Tektur zum Bauplan behandelt. Diese Begriffe haben sich für nur geringfügige Änderungen eingebürgert, die das Bauvorhaben in seinen Grundzügen nicht berühren (Gassner/Würfel in Simon/Busse, Kommentar zur BayBO 1998, Art. 67 Anm. 46).

Zwar ist die bauordnungsrechtliche Behandlung für die Festsetzung der Eigenheimzulage nicht rechtsverbindlich. Jedoch kommt ihr zumindest eine entscheidende indizielle Bedeutung in dem Sinne zu, dass der tatsächlich errichtete Bau nicht in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen ein anderes Gebäude als das ursprünglich beantragte darstellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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