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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 20.12.2006
Aktenzeichen: 1 K 2670/05
Rechtsgebiete: GG, EStG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
EStG § 2 Abs. 2
EStG § 9 Abs. 1 S. 1
EStG § 9 Abs. 1 S. 2
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7
EStG § 12 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

1 K 2670/05

In dem Finanzrechtsstreit

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 1. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. Dezember 2006

durch

die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht die Richterin am Finanzgericht den Richter am Finanzgericht den ehrenamtlichen Richter die ehrenamtliche Richterin

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob Aufwendungen für ein Studium als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin begann nach erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung zur Hotelfachfrau im September 2003 ein Studium an der Internationalen Fachhochschule B im Studiengang Tourismusmanagement. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin Aufwendungen für den Besuch der Fachhochschule in Höhe von 7.697,-- EUR als Werbungskosten geltend.

Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2004 vom 4. August 2005, der auf 0,-- EUR lautete, erkannte der Beklagte einen Teilbetrag der Aufwendungen in Höhe von 4.000,-- EUR als Sonderausgaben an. Ebenfalls durch Bescheid vom 4. August 2005 stellte der Beklagte den verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2004 nach § 10d Abs. 4 Einkommensteuergesetz -EStG- unter Berücksichtigung des Verlustvortrags des Vorjahres auf 4.165,-- EUR fest.

Die Klägerin legte gegen den Feststellungsbescheid Einspruch ein und trug zur Begründung vor, dass die Aufwendungen für den Besuch der Fachhochschule im Jahr 2003 als Werbungskosten anerkannt worden seien. Die Teilnahme an dem Studiengang sei beruflich veranlasst, da sie als Fortbildungsmaßnahme auf ihrem bisher ausgeübten Beruf aufbaue und eine Verbesserung ihrer beruflichen Chancen im Hotelgewerbe herbeiführen solle. Bei dem Studiengang handele es sich weder um eine erstmalige Berufsausbildung noch um ein berufsbegleitendes Erststudium, sondern um eine Berufsbildungsmaßnahme, die einer Umschulung entspreche.

Mit Einspruchsentscheidung vom 3. November 2005 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass bis zum Jahr 2003 Aufwendungen für eine Bildungsmaßnahme, sofern sie beruflich veranlasst seien, Werbungskosten sein könnten. Für das Streitjahr habe der Gesetzgeber allerdings mit der Einführung des § 12 Nr. 5 EStG die Kosten für ein Erststudium grundsätzlich dem nichtabzugsfähigen Bereich der privaten Lebensführung zugeordnet, soweit diese nicht unter die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG fielen. Die Gesetzesänderung sei erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2004 anzuwenden. Unter Beachtung der neuen gesetzlichen Regelungen könnten die Aufwendungen der Klägerin für ihr Studium im Gegensatz zum Vorjahr nicht mehr unbeschränkt als Werbungskosten Berücksichtigung finden. Bei dem Studium der Klägerin handele es sich um ein Erststudium. Daran ändere auch nichts die Tatsache, dass es mit ihrem erlernten Beruf in Verbindung stehe. § 12 Nr. 5 EStG verbiete die steuerliche Berücksichtigung von Kosten eines Erststudiums, auch wenn dieses berufsbegleitend durchgeführt werde.

Mit der hiergegen gerichteten Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor, dass der Beklagte im Jahr 2003 ausdrücklich die berufliche Veranlassung der Teilnahme an dem Studiengang Tourismusmanagement bejaht habe. Ihr Studium sei eine Berufsbildungsmaßnahme bzw. Fortbildungsmaßnahme und stelle weder eine erstmalige Berufsausbildung noch ein Erststudium dar. Die Gesetzesänderung durch Einführung des § 12 Nr. 5 EStG stehe in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der darauf hingewiesen habe, dass die Einordnung der Kosten für Berufsbildungsmaßnahmen zu den Erwerbsaufwendungen Wertungsungleichheiten verringere, die sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung ergäben. Während manche Steuerpflichtige die Berufsbildungskosten vom Staat steuerfrei erstattet bekämen, könnten andere Steuerpflichtige, die sich - wie sie - auf eigene Kosten weiterbildeten, diese Aufwendungen nicht einmal in Form von Werbungskosten oder Betriebsausgaben geltend machen.

Das Niedersächsische Finanzgericht habe in einem Urteil vom 28. Februar 2001 (4 K 177/97) Aufwendungen für ein Erststudium den unbeschränkt abzugsfähigen Werbungskosten zugeordnet. Danach sei es ohne weiteres möglich, Aufwendungen für ein Zweitstudium als Werbungskosten zu qualifizieren, wenn die Bildungsmaßnahme allein der Spezialisierung und höherwertigen Befähigung in einem bereits früher möglichen oder bereits ausgeübten Beruf diene. Es bestehe keine Notwendigkeit und unter dem Gesichtspunkt der Besteuerungsgleichheit auch kein Anlass für eine steuerverschärfende Typisierung von Erst- und Zweitstudium. Bei der von ihr vorgenommenen Bildungsmaßnahme handele es sich nicht um die erste Berufsausbildung und die Tatsache, dass sie zum ersten Mal an einer Fachhochschule studiere, sei nicht gleichbedeutend mit einem Erststudium. Hätte ein Steuerpflichtiger bei gleicher beruflicher Tätigkeit zuvor ein betriebswirtschaftliches Studium absolviert und daran anschließend eine Spezialisierung zum Event-Manager (Zweitstudium) durchgeführt, wären die jetzigen streitigen Aufwendungen als Werbungskosten unbeschränkt abzugsfähig. Darin liege ein durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigtes Akademikerprivileg. Auch insoweit bestehe ein Verstoß gegen die Besteuerungsgleichheit.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 3. November 2005 den Bescheid zum 31. Dezember 2004 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer vom 4. August 2005 dahingehend zu ändern, dass im Rahmen ihrer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Studienaufwendungen in Höhe von 7.697,00 EUR als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung im Wesentlichen auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Bescheid zum 31. Dezember 2004 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer vom 4. August 2005 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. November 2005 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Aufwendungen der Klägerin für die Teilnahme am Studiengang Tourismusmanagement im Streitjahr bis zur Höchstgrenze des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zum Sonderausgabenabzug zuzulassen sind, gem. § 12 Nr. 5 EStG allerdings nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden können.

1. Werbungskosten sind gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG). Auch Aufwendungen für eine Bildungsmaßnahme können, sofern sie beruflich veranlasst sind, Werbungskosten sein. Die frühere ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs unterschied zwischen den als Werbungskosten abziehbaren Kosten einer Fortbildung in einem bereits ausgeübten Beruf und den als Sonderausgaben begrenzt absetzbaren Kosten einer Ausbildung zu einem künftigen Beruf. Als Fortbildungskosten erkannte der Bundesfinanzhof nur Ausgaben an, die ein Steuerpflichtiger tätigt, um in dem ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden, sowie Ausgaben, die ein Steuerpflichtiger macht, um sich in dem von ihm ausgeübten Beruf fortzubilden, damit er ohne Wechsel der Berufs- oder Erwerbsart, also ohne Übergang zu einem anderen Beruf, besser vorwärts kommen kann (vgl. BFH, Urteil vom 7. November 1980, VI R 50/79, BStBl II 1981, 216). Dagegen nahm der Bundesfinanzhof Berufsausbildungskosten bereits dann an, wenn die Aufwendungen dem Ziel dienen, Kenntnisse zu erwerben, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind oder welche die Grundlage dafür bilden sollen, um von einer Berufs- oder Erwerbsart zu einer anderen überzuwechseln, die also einen Berufswechsel vorbereiten sollen (vgl. BFH, Urteil vom 9. März 1979, VI R 141/77, BStBl II 1979, 337). Derartige Aufwendungen stünden noch nicht mit einer konkreten beruflichen Tätigkeit und hieraus fließenden Einnahmen im Zusammenhang. Ausgaben dieser Art erwüchsen grundsätzlich jedem Steuerpflichtigen; sie gehörten daher zu den Kosten der Lebensführung und seien deshalb nach § 12 Nr. 1 EStG nicht als Werbungskosten abziehbar. Sie seien nur bis zu den gesetzlich vorgesehenen Höchstbeträgen als Sonderausgaben zu berücksichtigen (vgl. BFH, Urteil vom 6. November 1992, VI R 12/90, BStBl II 1993, 108).

Der Bundesfinanzhof hat allerdings in einer Reihe von Entscheidungen beginnend im Jahr 2002 die Grenze zwischen Ausbildungs- und Fortbildungskosten verschoben. Danach setzt die Anerkennung von Werbungskosten voraus, dass ein erwerbsbezogener Veranlassungszusammenhang vorliegt. Ist dies der Fall, kommt es für die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen nicht darauf an, ob ein neuer, ein anderer oder ein erstmaliger Beruf ausgeübt werden soll. Ausreichend ist vielmehr, wenn die Ausgaben den Beruf des Arbeitnehmers im weitesten Sinn fördern. Der erforderliche Veranlassungszusammenhang kann danach bei jedweder berufsbezogenen Bildungsmaßnahme erfüllt sein (vgl. BFH, Urteile vom 4. Dezember 2002, VI R 120/01, BStBl II 2003, 403; vom 17. Dezember 2002, VI R 137/01, BStBl II 2003, 407; vom 27. Mai 2003, VI R 33/01, BFH/NV 2003, 1119; vom 20. Juli 2006, VI R 26/05, BFH/NV 2006, 1974).

Durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1753) wurde die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Berufsbildungskosten neu geordnet. Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium stellen danach gem. § 12 Nr. 5 EStG ab dem Veranlagungszeitraum 2004 keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten dar, es sei denn, die Bildungsmaßnahme findet im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt. Allerdings können Aufwendungen für die eigene Berufsausbildung, die nicht Betriebsausgaben oder Werbungskosten darstellen, nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG bis zu 4.000,-- EUR im Kalenderjahr als Sonderausgaben abgezogen werden. Berufliche Bildungsmaßnahmen nach der ersten Berufsausbildung oder dem Erststudium können in vollem Umfang als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend gemacht werden. Nach der Gesetzesbegründung zur Neuordnung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung und das Erststudium orientiert sich die Regelung weitgehend an dem grundsätzlichen Ansatz des Bundesfinanzhofs und lässt Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen, die betrieblich oder beruflich veranlasst sind und nach der ersten Berufsausbildung bzw. nach einem Erststudium stattfinden, im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug zu. Demgegenüber zählen Aufwendungen für die erste Berufsausbildung wie Aufwendungen für Erziehung und andere Grundbedürfnisse schwerpunktmäßig und untrennbar zu den Kosten der Lebensführung. Die erste Berufsausbildung stellt eine Vorsorge für die persönliche Existenz dar. Das Erlernen der Grundlagen eines Berufs dient dem Erwerb einer selbständigen und gesicherten Position im Leben (vgl. Bundestags-Drucksache 15/3339, S. 10).

Ein Studium im Sinne des § 12 Nr. 5 EStG liegt dann vor, wenn es sich um ein Studium an einer Hochschule nach § 1 Hochschulrahmengesetz -HRG- handelt. Nach dieser Vorschrift sind Hochschulen die Universitäten, die Pädagogischen Hochschulen, die Kunsthochschulen, die Fachhochschulen und die sonstigen Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sind. Erstmalig ist ein Studium dann, wenn ihm kein anderes durch einen berufsqualifizierenden Abschluss beendetes Studium vorangegangen ist. Ein Studium wird auf Grund der entsprechenden Prüfungsordnung einer inländischen Hochschule durch eine Hochschulprüfung oder eine staatliche oder kirchliche Prüfung abgeschlossen (vgl. §§ 15, 16 HRG). Damit gilt das Abzugsverbot des § 12 Nr. 5 EStG auch für ein erstmaliges Studium im Anschluss an eine nichtakademische Berufsausbildung (vgl. Loschelder in Hermann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, Loseblatt, Stand Mai 2005, § 12 EStG Anm. J 04-4; Jochum, DStZ 2005, 260).

2. a)

Danach sind im Streitfall die Voraussetzungen des Abzugsverbots nach § 12 Nr. 5 EStG erfüllt. Das Studium der Klägerin im Studiengang Tourismusmanagement an der Internationalen Fachhochschule B, einer Hochschule im Sinne des § 1 HRG, stellt ein Erststudium im Sinne des § 12 Nr. 5 EStG dar. Dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Aufnahme des Studiums eine Ausbildung zur Hotelfachfrau bereits erfolgreich abgeschlossen hatte, steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz -GG- vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Gleichheitssatz hat im Steuerrecht seine besondere Ausprägung in Form des Grundsatzes der Steuergerechtigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gefunden. Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigten könnten. Daraus folgt für das Gebiet des Steuerrechts vor allem, dass die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet werden muss. Das geltende Einkommensteuerrecht zieht daraus die Konsequenz, dass bei den hier in Betracht kommenden Einkünften nur der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten der Besteuerung unterliegt und dass grundsätzlich alle beruflich veranlassten Aufwendungen als Werbungskosten absetzbar sind; dieses sog. Prinzip der Nettobesteuerung ist in § 2 Abs. 2 EStG ausdrücklich niedergelegt. Das Bundesverfassungsgericht hat dahingestellt sein lassen, ob das objektive Nettoprinzip verfassungsrechtlich vorgeschrieben ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Dezember 2002, 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27). Denn selbst wenn es das wäre, könnte der Gesetzgeber es beim Vorliegen gewichtiger Gründe durchbrechen. Er muss dabei aber darauf achten, dass sich die Fälle, in denen er betrieblich oder beruflich veranlasste Aufwendungen nicht als absetzbare Betriebsausgaben oder Werbungskosten anerkennt, so weitgehend von allen übrigen Fällen unterscheiden, dass diese differenzierte Behandlung im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz sachlich ausreichend gerechtfertigt ist. Dabei steht ihm allerdings eine weite Beurteilungs- und Gestaltungsfreiheit zu. Außerdem darf er sich - wie stets bei der Ordnung von Massenerscheinungen - bei der Ausgestaltung seiner Normen generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen bedienen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Januar 1990, 1 BvL 4-7/87, BStBl II 1990, 483; Lange, DStZ 1995, 682).

Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt die vom Gesetzgeber vorgenommene rechtliche Qualifikation der Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung und das Erststudium einerseits und der sonstigen beruflich veranlassten Aufwendungen andererseits eine verfassungsrechtlich zulässige Typisierung dar (vgl. Fischer in Kirchhoff, EStG, 5. Aufl., 2005, § 10 Rdnr. 28; Prinz, FR 2005, 229, 235; vgl. auch Jochum, DStZ 2005, 260, 262 ff.; aA: Drenseck, DStR 2004, 1766, 1770 ff.; ders. in Schmidt, EStG, 25. Aufl., 2006, § 12 Rdnr. 57; Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., 2005, § 9 Rdnr. 267; Loschelder, a.a.O., J 04-4; Wesselbaum-Neugebauer, FR 2005, 676). Die erste Berufsausbildung gehört zu den Grundvoraussetzungen für den Erwerb einer gesicherten Position im Leben, so dass die Einschätzung des Gesetzgebers, die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen seien untrennbar mit den Kosten der Lebensführung verbunden, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Die unterschiedliche Behandlung der Ausbildungskosten ist Ausprägung einer verfassungsrechtlich zulässigen, typisierenden Differenzierung; sie markiert die Grenze zwischen einer der grundsätzlich steuerlich nicht zugänglichen Privatsphäre zuzuordnenden Ausbildung und der steuerlich erheblichen Berufstätigkeit. Dementsprechend hat auch das Bundesverfassungsgericht die unterschiedliche Besteuerung der Kosten für Bildungsmaßnahmen, nämlich den vollen Abzug der Fortbildungskosten als Werbungskosten und lediglich den begrenzten Abzug von Berufsausbildungskosten als Sonderausgaben ausdrücklich als mit der Verfassung vereinbar angesehen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Juli 1993, 2 BvR 773/93, NJW 1994, 847). Diese verfassungsrechtliche Einschätzung gilt auch für ein erstes Studium unabhängig davon, ob es unmittelbar nach dem Besuch allgemein bildender Schulen oder nach einer ersten anderen Berufsausbildung aufgenommen wird. Die dafür getätigten Aufwendungen können daher typisierend den Lebensführungskosten zugerechnet werden (vgl. Bundestagsdrucksache 15/3339, S. 10). Im Übrigen ist bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung nicht außer Betracht zu lassen, dass der Gesetzgeber die steuerliche Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung und das Erststudium keineswegs ausgeschlossen hat. Vielmehr können die Aufwendungen für die Erstausbildung und das Erststudium als Sonderausgaben im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG abgezogen werden. Darüber hinaus sind Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen, die beruflich veranlasst sind und nach der ersten Berufsausbildung bzw. nach einem Erststudium erfolgen, zum Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug zuzulassen. Dadurch werden gleichzeitig Veränderungen im Berufsleben und auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt, die es Steuerpflichtigen häufig nicht erlauben, nur eine Berufsausbildung zu absolvieren und den einmal erlernten Beruf das gesamte Berufsleben auszuüben, sondern dazu zwingen, entsprechend der Arbeitsmarktsituation eine weitere Ausbildung durchlaufen zu müssen (vgl. Bundestagsdrucksache 15/3339, S. 8, 10).

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch keine sachlich ungerechtfertigte Privilegierung von Akademikern vor. Die Einschätzung, dass Aufwendungen für ein erstes Studium ebenso wie für die erste Berufsausbildung typischerweise zu den Grundvoraussetzungen für eine Lebensführung gehören, gilt unabhängig davon, ob das Studium unmittelbar nach dem Besuch allgemein bildender Schulen oder nach einer ersten anderen Berufsausbildung aufgenommen wird. Regelmäßig eröffnet das Erststudium eine neue berufliche, soziale und wirtschaftliche Stellung. Dass Kosten für ein zweites Studium unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zum Werbungskostenabzug zuzulassen sind, steht dieser Einschätzung nicht entgegen. Der Gesetzgeber konnte im Rahmen einer generalisierenden Betrachtung Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung, d.h. den erstmaligen Erwerb von Kenntnissen, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen, und für das erste Studium den Kosten der Lebensführung zurechnen. Dass ebenso wie die Aufwendungen für eine zweite nichtakademische Berufsausbildung auch die Kosten für ein Zweitstudium vom Gesetzgeber zum Werbungskostenabzug zugelassen worden sind, bewegt sich insoweit noch innerhalb des zulässigen gesetzgeberischen Rahmens. Hinzu kommt, dass eine an einer typisierenden Betrachtungsweise orientierte Regelung für massenhaft auftretende Sachverhalte unabweisbar ist. Dabei kann der Gesetzgeber auch in Kauf nehmen, dass von einer Norm abweichende Einzelfälle unbefriedigend gelöst werden (vgl. Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Loseblatt, Stand Juli 2005, Stichwort Bildungsaufwendungen Rdnr. 7). Der Gesetzgeber durfte deshalb im Einklang mit der Verfassung unterstellen, dass mit der erstmaligen Ausbildung - sei es im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs oder eines durch einen berufsqualifizierenden Abschluss beendeten Studiums - in erster Linie die bleibenden Grundlagen für das Erwerbsleben geschaffen werden.

Auch die Ausnahmeregelung in § 12 Nr. 5 EStG, wonach das Abzugsverbot nicht zur Anwendung gelangt, wenn die erstmalige Berufsausbildung bzw. das Erststudium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet, unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Ist die Verpflichtung, sich ausbilden zu lassen, wesentlicher Gegenstand eines Dienstverhältnisses, so sind die vom Steuerpflichtigen zur Erfüllung dieser Pflichten aufgewendeten Kosten Werbungskosten oder Betriebsausgaben, da sie der Erzielung gegenwärtiger steuerpflichtiger Einnahmen dienen. Die vom Gesetzgeber grundsätzlich angenommene private Veranlassung der Erstausbildung tritt in diesem Fall hinter der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen zurück. Der durch das Dienstverhältnis (vgl. § 1 Abs. 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung -LStDV-) begründete Erwerbsbezug überlagert die Ausbildung und verdrängt insoweit deren Charakter als Lebensführungskosten (vgl. Prinz, FR 2005, 229, 235).

c) Die Einführung der §§ 10 Abs. 1 Nr. 7, 12 Nr. 5 EStG durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004 begegnet auch im Hinblick auf das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Verbot, rückwirkend belastende Steuergesetze zu erlassen, noch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Dabei ist im Rahmen der verfassungsrechtlichen Beurteilung zwischen der Rückbeziehung von gesetzlichen Regelungen (echte Rückwirkung = Rückbewirkung) und der tatbestandlichen Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) zu unterscheiden. Eine unechte Rückwirkung wird angenommen, wenn die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach der Verkündung des Gesetzes eintreten, selbst wenn deren Tatbestand an in der Vergangenheit liegende Sachverhalte anknüpft. Da die Abgeschlossenheit eines Sachverhalts im Steuerrecht erst angenommen wird, wenn die Steuer entstanden ist, liegt auch dann lediglich eine unechte Rückwirkung vor, wenn das begünstigende Gesetz noch vor Ablauf des Jahres rückwirkend auf den Beginn des Jahres aufgehoben wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961, 2 BvR 1/60, BVerfGE 13, 274; Beschluss vom 14. Mai 1986, 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200; BFH, Urteil vom 14. März 2000, X R 46/99, BStBl II 2000, 344). Eine unechte Rückwirkung wird grundsätzlich als zulässig angesehen. Der Steuerpflichtige darf nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der Gesetzgeber steuerliche Vergünstigungsnormen für alle Zukunft aufrechterhält. Ein voller Schutz zugunsten des Fortbestands der bisherigen Gesetzeslage könnte den dem Gemeinwohl verpflichteten demokratischen Gesetzgeber in wichtigen Bereichen gegenüber den Einzelinteressen lähmen und das Gemeinwohl gefährden; dies würde den Widerstreit zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Blick auf den Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl. BFH, Beschluss vom 5. März 2001, IX B 90/00, BFH/NV 2001, 703). Auf der anderen Seite ergibt sich aber auch für den Fall der unechten Rückwirkung aus dem Gebot der Rechtssicherheit, dass die Interessen des Einzelnen, insbesondere sein Vertrauen auf eine bestehende gesetzliche Lage, nicht ohne weiteres zurückstehen müssen.

Hiervon ausgehend liegt im Streitfall vor dem Hintergrund des zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der gesetzlichen Neuregelung im Veranlagungszeitraum 2004 noch nicht abgeschlossenen Lebenssachverhalts eine unechte Rückwirkung vor, die verfassungsrechtlich noch nicht zu beanstanden ist. Im Rahmen der Abwägung zwischen den Gemeinwohlinteressen gegenüber den Einzelinteressen gelangt der Senat zu der Auffassung, dass ein etwaiges auf den Fortbestand der früheren Rechtslage gerichtetes Vertrauen von Steuerpflichtigen zurückzutreten muss (aA: Drenseck, DStR 2004, 1766, 1770 ff.; ders. in Schmidt, a.a.O., § 12 Rdnr. 57). Ein überwiegendes schützenswertes Vertrauen kann grundsätzlich nur durch solche steuerlichen Vergünstigungen entstehen, die den Zweck haben, den Steuerpflichtigen zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen und mit denen der Steuerpflichtige nach dem gesetzlichen Tatbestand für einen bestimmten Zeitraum sicher rechnen kann. Die gesetzliche Neuregelung der §§ 10 Abs. 1 Nr. 7, 12 Nr. 5 EStG wollte im Hinblick auf die Annahme des Gesetzgebers, die erste Berufsausbildung und das erste Studium gehöre zu den Kosten der Lebensführung, eine trennscharfe Abgrenzung der Bereiche Ausbildung einerseits und Fortbildung andererseits sicherstellen. Die vorhergehende Rechtslage verfolgte aber nicht den Zweck, Steuerpflichtige zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen, die sie aus rechtlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht mehr rückgängig machen konnten. Es ist auch im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Klägerin auf Grund der Rechtslage vor Einführung der §§ 10 Abs. 1 Nr. 7, 12 Nr. 5 EStG durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21. Juli 2004 zu bestimmten wirtschaftlichen Maßnahmen veranlasst wurde, die sie ohne den steuerlichen Anreiz so nicht gewählt hätte. Ein etwaiges schutzwürdiges Vertrauen war auch deshalb abgeschwächt, weil in der Vergangenheit bis zur Änderung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs beginnend im Jahr 2002 Berufsausbildungskosten nicht zum Werbungskostenabzug zugelassen worden waren. Gegen ein überwiegendes Interesse der Steuerpflichtigen, das der rückwirkend geänderten einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Berufsbildungskosten entgegen stehen könnte, spricht im Übrigen der Umstand, dass die Aufwendungen für die Erstausbildung und das Erststudium bis zu einer Höhe von 4.000,-- EUR in erheblich weitergehendem Maße als nach der Rechtslage bis zu der Änderung der Rechtsprechung im Jahr 2002 als Sonderausgaben abzugsfähig sind und berufliche Bildungsmaßnahmen nach der ersten Berufsausbildung oder dem Erststudium in vollem Umfang als Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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