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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 15.02.2006
Aktenzeichen: 1 K 2794/04
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 278 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

1 K 2794/04

Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 Abgabenordnung

In dem Finanzrechtsstreit

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 1. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Februar 2006

durch

die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht xxx den Richter am Finanzgericht xxx den Richter am Verwaltungsgericht xxx den ehrenamtlichen Richter xxx den ehrenamtlichen Richter xxx

für Recht erkannt:

Tenor:

I.

Der Bescheid vom 25. Juni 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 2. November 2004 werden aufgehoben.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheids nach § 278 Abs. 2 Abgabenordnung -AO-.

Die Klägerin und ihr Ehemann, Herr H. S., wurden für die Jahre 1992 und 1993 sowie 1995 und 1996 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Durch notariellen Vertrag vom 11. Juni 1996 (vgl. Bl. 1 ff. Akten "Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 AO") übertrug Herr S der Klägerin das Eigentum an den mit Mehrfamilienhäusern bebauten Grundstücken in Q, H-Straße (Flurstücknr. 3132/4), sowie in L, A-Straße (Flurstücknr. 458 o). Das Grundstück in Q war bei Übergabe mit einer Grundschuld ohne Brief in Höhe von 800.000,00 DM zugunsten der Kreissparkasse K belastet; zum gleichen Zeitpunkt war für das in L belegene Grundstück eine (Buch-) Grundschuld in Höhe von 3.000.000,00 DM ebenfalls zugunsten der Kreissparkasse K eingetragen. Als Gegenleistung für die Übertragung der Grundstücke verpflichtete sich die Klägerin, im Wege der Schuldübernahme die Darlehensschulden des Veräußerers bei der Kreissparkasse K in Höhe von ca. 2.900.000,00 DM, zu deren Sicherung die Grundschulden mit Zinsen und Nebenleistungen im Grundbuch eingetragen waren, einschließlich aller aus den Darlehensverträgen sich ergebenden Verpflichtungen zur ferneren Verzinsung und Tilgung zu übernehmen und das Fortbestehen der Grundschuld zu dulden (vgl. Bl. 8 Akten "Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 AO").

Auf Antrag des Ehemannes der Klägerin erließ der Beklagte unter dem 8. Oktober 2001 Aufteilungsbescheide für die Jahre 1992, 1993, 1995 und 1996. Danach entfielen die aus den Einkommensteuerbescheiden für diese Jahre fälligen und rückständigen Steueransprüche auf den Ehemann der Klägerin.

Mit Bescheid vom 25. Juni 2003 nahm der Beklagte die Klägerin gemäß § 278 Abs. 2 AO für die zu diesem Zeitpunkt von deren Ehemann geschuldeten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 227.953,64 EUR in Anspruch. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Klägerin durch die Übertragung der beiden Grundstücke in Q und L unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewendet worden seien. Die Übertragung sei 1996 im bzw. nach den Veranlagungszeiträumen, für die noch Steuerrückstände bestünden, erfolgt. Den von Bausachverständigen ermittelten Verkehrswerten der Grundstücke in Q in Höhe von 562.421,06 EUR und in L in Höhe von 1.477.633,50 EUR (insgesamt 2.040.054,50 EUR) stehe die Gegenleistung in Form der Übernahme der Darlehensschulden bei der Kreissparkasse K in Höhe von 1.482.746,40 EUR gegenüber. Der gemeine Wert der Zuwendung der Vermögensgegenstände betrage demnach 557.308,10 EUR. In Höhe dieses Betrags könne die Klägerin für die aufgeteilte rückständige Steuer - über den im Aufteilungsbescheid bezeichneten Betrag hinaus - nach § 278 Abs. 2 AO in Anspruch genommen werden.

Die Klägerin legte hiergegen Einspruch ein und trug zur Begründung vor, dass die Voraussetzungen des § 278 Abs. 2 AO nicht vorlägen. Mit der Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 AO solle die missbräuchliche Verschiebung von Vermögen als vorbereitender Akt für eine spätere Aufteilung verhindert werden. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht gegeben. Zum Zeitpunkt der Übertragung der Grundstücke hätten weder Anhaltspunkte für die rückwirkende Entstehung der Steueransprüche noch für eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse vorgelegen. Ihr Ehemann und sie hätten 1996 keine nennenswerten Steuerschulden gehabt. Die erheblichen Steuernachforderungen des Beklagten seien erst durch die Steuerbescheide aus dem Jahr 2001 entstanden. Die Übertragung der beiden Grundstücke im Jahr 1996 habe deshalb auf keinen Fall erfolgen können, um Vermögenswerte dem Zugriff der Finanzbehörde zu entziehen.

Die vom Beklagten angegebenen Verkehrswerte seien deutlich überhöht. Die Gutachten der Bausachverständigen - insbesondere für das Objekt in L - bewegten sich außerhalb der Realität, die schon damals von einem Überangebot an sanierten Wohnungen gekennzeichnet gewesen sei und zu einem erheblichen Preisverfall bei Vermietungen geführt habe. Auch der Kapitalisierungsfaktor (Vervielfältiger von 21,36) sei nicht realistisch, weshalb in einer berichtigten Ertragswertberechnung ein Faktor von 18,18 (entspricht einem Kapitalisierungszins von 5,5%) angesetzt worden sei. Ein Mietertrag von 12,50 DM/qm sei in dem Objekt in L niemals erzielt worden. Die Kreissparkasse K habe die restlichen Wohnungen im Jahr 2002 nach erfolgter Zwangsversteigerung zu einem Preis von ca. 980,00 DM/qm ankaufen müssen. Wenn die Steuerschulden erst im Jahr 2001 entstanden seien, müssten auch die Wertverhältnisse dieses Jahres zu Grunde gelegt werden. Hinsichtlich des 3-Familien-Hauses in Q scheide eine Bewertung nach dem Sachwertverfahren aus, da es sich um ein Renditeobjekt handele, das nach dem Ertragswert zu schätzen sei. Außerdem seien von den ermittelten Verkehrswerten die übernommenen Belastungen nicht in vollem Umfang abgezogen worden. Handele es sich bei der Belastung - wie vorliegend - um eine Grundschuld, sei diese mit ihrem Nominalwert anzusetzen. Der Gläubiger der Grundschuld könne unabhängig von seinen schuldrechtlichen Ansprüchen in vollem Umfang aus der Grundschuld vorgehen.

Nachdem der Beklagte Stellungnahmen seines Bausachverständigen, des Finanzamts L sowie des Bausachverständigen der OFD eingeholt und der Klägerin mitgeteilt hatte, dass die Verkehrswerte der Grundstücke in Q und L 467.065,13 EUR bzw. 1.457.181,80 EUR betrügen, wies er mit Einspruchsentscheidung vom 2. November 2004 den Einspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Voraussetzungen des § 278 Abs. 2 AO erfüllt seien. Nach der Aufteilung einer Steuerschuld sei die Vollstreckung gem. § 278 Abs. 1 AO grundsätzlich nur noch nach Maßgabe der auf die einzelnen Schuldner entfallenden Beträge zulässig. Werde aber einem Steuerschuldner von einer mit ihm zusammenveranlagten Person in oder nach dem Veranlagungszeitraum, für den noch Steuerrückstände bestünden, unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewendet, so könne der Empfänger nach § 278 Abs. 2 AO über den sich nach § 278 Abs. 1 AO ergebenden Betrag hinaus bis zur Höhe des gemeinen Werts dieser Zuwendung in Anspruch genommen werden. Für die Annahme einer unentgeltlichen Zuwendung im Sinne des § 278 Abs. 2 AO genüge es, dass diese ohne Rechtspflicht erfolgt und keine Gegenleistung in das Schuldnervermögen gelangt sei. Zu den unentgeltlichen Zuwendungen gehörten auch die gemischten Schenkungen, bei denen Vermögensgegenstände weit unter ihrem gemeinen Wert zugewendet würden. Die Anwendung des § 278 Abs. 2 AO setzte subjektiv keine Gläubigerbenachteiligungsabsicht voraus.

Vorliegend habe die Klägerin von ihrem Ehemann Vermögensgegenstände erhalten, ohne hierauf einen Anspruch besessen zu haben. Die Grundstücke in Q und L seien gegen Übernahme der Grundschulden übertragen worden. Die durch Gutachter festgestellten Verkehrswerte zum Stichtag 11. Juni 1996 hätten insgesamt 1.924.246,90 EUR betragen, die übernommenen Gegenleistungen 1.482.746,40 EUR, so dass die Klägerin einen Vermögensvorteil in Höhe von 441.500,50 EUR erlangt habe. Da nach § 278 Abs. 2 AO die Inanspruchnahme bis zur Höhe dieses Vermögensvorteils erfolgen könne, sei die Klägerin für die in ihrer Höhe unstreitigen rückständigen Steuern und die weiteren bis zur Tilgung der Steuerschuld verwirkten Säumniszuschläge zu Recht in Anspruch genommen worden.

Mit der hiergegen gerichteten Klage trägt die Klägerin vor, zum Zeitpunkt der Vermögensübertragung sei weder für sie noch für ihren Ehemann vorhersehbar gewesen, dass Steuerschulden entstehen und eine Vollstreckung in die Grundstücke drohen könnte. Auch die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse ihres Ehemannes sei zu diesem Zeitpunkt nicht erkennbar gewesen. Der Anwendungsbereich von § 278 Abs. 2 AO sei vorliegend nicht eröffnet. Der Gesetzgeber habe nicht schlechthin jede, sondern nur objektiv missbräuchliche Vermögensverschiebungen als vorbereitenden Akt einer späteren Aufteilung verhindern wollen. Vorliegend hätten keine Anhaltspunkte vorgelegen, welche die Übertragung der Grundstücke im Jahr 1996 als missbräuchlich qualifizieren könnten. Wäre der Anwendungsbereich des § 278 Abs. 2 AO eröffnet, verstieße die Regelung gegen andere vollstreckungsrechtliche Vorschriften und das Grundgesetz. § 278 Abs. 2 AO gäbe der Finanzverwaltung im Falle der Insolvenz des Steuerschuldners die Möglichkeit, Insolvenzforderungen an der Gesamtheit der Gläubiger vorbei zu vollstrecken und damit den Grundsatz der gleichmäßigen und einheitlichen Befriedigung der Gläubiger auszuhebeln. Zudem stünde jede unentgeltliche oder teilweise unentgeltliche Übertragung von Vermögen zwischen Ehegatten unter dem Vorbehalt, dass Jahre später der Zuwendungsempfänger für die Steuerverbindlichkeiten des Zuwendenden in Anspruch genommen werde, obwohl eine solche Inanspruchnahme bei Abschluss des Verfügungsgeschäfts nicht erkennbar gewesen sei. Damit würden unentgeltliche Verfügungen zwischen Ehegatten schlechter gestellt als gleichartige Verfügungen zwischen Dritten, was mit Art. 3 und 6 Grundgesetz -GG- nicht in Einklang zu bringen sei.

Das Finanzamt habe auch die Verkehrswerte der Grundstücke unzutreffend ermittelt. Die Verkehrswerte der Grundstücke betrügen nach einem Gutachten des Dipl. Ing. (FH) B. M. zum Stichtag 1. September 2005 insgesamt lediglich 1.589.919,18 EUR. Aber auch bei Ansatz der vom Beklagten ermittelten Werte sei die Vermögensübertragung nicht unentgeltlich erfolgt. Neben den Darlehensverbindlichkeiten seien die auf den Grundstücken lastenden Grundpfandrechte zur weiteren Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück übernommen worden. Bei der Ermittlung des gemeinen Werts müssten die Grundschulden mit ihrem Nominalwert und nicht nur in Höhe der ebenfalls übernommenen Darlehensverbindlichkeiten von dem Grundstückswert in Abzug gebracht werden. Schuldrechtliche Verträge, die zu einer Reduzierung der Inanspruchnahme des Zuwendungsempfängers führten, müssten unberücksichtigt bleiben. Selbst wenn durch vollständige Rückführung der schuldrechtlichen Verpflichtung eine Eigentümergrundschuld entstanden sei, erlange der Zuwendungsempfänger nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. November 1983 (VII R 22/83) keinen Vermögensvorteil. Allein diese Betrachtung trage auch dem Umstand Rechnung, dass es sich bei der Grundschuld um eine von Darlehensverbindlichkeiten völlig losgelöste Forderung gegen den Grundstückseigentümer handele. Es sei durchaus möglich gewesen, dass eine Vollstreckung in die Grundstücke aus den Grundschulden über die z.Zt. des Abschlusses der Übergabevertrages bestehenden Verbindlichkeiten ihres Ehemannes hinaus habe erfolgen können. Der Bank und ihrem Ehemann habe es insoweit freigestanden, durch eine neue Sicherungsabrede die Haftung der Grundschulden beliebig zu erweitern.

Ihre Inanspruchnahme sei auch deshalb fehlerhaft, da der Beklagte durch eine Vollstreckung nach § 278 Abs. 2 AO besser stünde als bei einer unmittelbaren Vollstreckung in das Vermögen des Steuerschuldners. Eine Vollstreckung aus den auf Grund der Betriebsprüfung geänderten Steuerbescheiden sei erst nach der Fälligkeit im Jahr 2001 möglich gewesen. Zu diesem Zeitpunkt seien die Werte der übertragenen Grundstücke auf Grund des Überangebots an Wohnraum drastisch gesunken. Hätten sich die Grundstücke aber zu diesem Zeitpunkt noch im Eigentum ihres Ehemannes befunden, wäre der Beklagte bei einer Vollstreckung aus dem Rang nach den bestehenden Belastungen ausgefallen. Es sei mit dem Sinn und Zweck des § 278 Abs. 2 AO nicht zu vereinbaren, wenn das Finanzamt dennoch die Vollstreckung in das Vermögen des Zuwendungsempfängers betreiben dürfe.

Der Auffassung des Beklagten, wonach ein subjektives Element gänzlich unberücksichtigt bleiben solle, stehe sowohl in Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers als auch zu den Wertungen des Grundgesetzes und der übrigen Vollstreckungsvorschriften. Es zeichneten sich Tendenzen in der Rechtsprechung ab, wonach bei der Anwendung von § 278 Abs. 2 AO Parallelen zu den Vorschriften des Anfechtungsgesetzes zu ziehen seien. So gehe der Bundesfinanzhof davon aus, dass beiden Regelungen das Ziel zu Grunde liege, eine zum Schutz der Gläubiger missbräuchliche Vermögensverschiebung zu verhindern. Auch habe das FG Rheinland-Pfalz in einem Urteil vom 28. April 2005 (6 K 1174/02) bei der Frage der Verjährung § 3 Abs. 1 Anfechtungsgesetz -AnfG- analog angewendet. Im Hinblick hierauf sei der angefochtene Bescheid auch wegen Eintritts der Vollstreckungsverjährung aufzuheben. Zwar enthalte § 278 Abs. 2 AO keine ausdrückliche Regelung zu der Vollstreckungsverjährung. Die Lücke müsse aber im Wege der analogen Anwendung der Vorschriften der Anfechtungsgesetzes geschlossen werden. Da es sich vorliegend um eine Rechtshandlung vor dem 1. Januar 1999 gehandelt habe, finde gem. § 20 AnfG die zweijährige Verjährungsfrist des § 3 Nr. 4 AnfG a.F. Anwendung. Ansprüche auf Rückübertragung nach dem Anfechtungsgesetz seien demnach verjährt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 25. Juni 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 2. November 2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, dass entgegen der Auffassung der Klägerin nach dem Stichtagsprinzip die Verhältnisse und Kenntnisse zum 11. Juni 1996 maßgeblich seien. Für die Anwendung des § 278 Abs. 2 AO sei im Gegensatz zum Anfechtungsgesetz die subjektive Vorstellung der Beteiligten unbeachtlich, weil allein auf die tatsächliche Vermögensverschiebung abgestellt werde und weder eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Übergebers noch eine Kenntnis des Übernehmers davon vorliegen müsse. Der Argumentation, das Finanzamt stünde bei der Vollstreckung auf der Grundlage des § 278 Abs. 2 AO besser als bei einer unmittelbaren Vollstreckung in das übertragene Vermögen des Steuerschuldners, könne nicht gefolgt werden. Es könne nicht darauf abgestellt werden, dass sich bis zum Zeitpunkt der Vollstreckung die Grundstückswerte gravierend geändert hätten. Eine Veränderung der Marktlage könne weder zu einer Benachteiligung noch zu einer Bevorzugung des Finanzamts führen, da solche Veränderungen nicht vorhersehbar seien. Das Risiko liege in der Vermögenssphäre des Übernehmers und nicht in der des Gläubigers des Übergebers.

Die Unentgeltlichkeit der Zuwendung entfalle nicht deswegen, weil die Klägerin mit den Grundstücken auch die darauf ruhenden Grundschulden übernommen habe. Die Übernahme einer dinglichen Belastung der übertragenen Grundstücke stelle keine Gegenleistung im Sinne eines entgeltlichen Erwerbs dar, denn in einem solchen Fall erhalte der Erwerber wirtschaftlich nicht den vollen Wert der Grundstücke, sondern dessen um den Wert der Belastungen geminderten Wert. Es sei nicht, wie die Klägerin meine, von dem Nennwert der eingetragenen Grundpfandrechte, sondern vielmehr vom Valutabetrag auszugehen. Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. November 1983 spreche dafür, dass sich der Wert eines mit einer Grundschuld belasteten Grundstücks nach dem gemeinen Wert der Zuwendung richte, d.h. nach dem Wert des Grundstücks abzüglich der Valuta der Grundschulden. Lediglich deshalb, weil dazu keine Feststellungen getroffen worden seien, habe der Bundesfinanzhof die Streitsache zurücküberwiesen.

Ausweislich der notariellen Urkunde vom 11. Juni 1996 habe die Klägerin im Wege der Schuldübernahme die Darlehensschulden bei der Kreissparkasse Kaiserslautern von damals ca. 2.900.000,00 DM, zu deren Sicherung die Grundschuld samt Zinsen und Nebenleistungen im Grundbuch eingetragen gewesen sei, mit sofortiger Wirkung übernommen. Die bestellte Grundschuld sei in der notariellen Urkunde mit allen Rechten und Pflichten zur weiteren Verzinsung und Tilgung duldungsweise übernommen worden. Dies bedeute, dass auch evtl. entstandene Rückgewährsansprüche, die sich aus dem Sicherungsvertrag ergäben, der Klägerin zustünden. Die Klägerin habe somit einen Anspruch gegen die Kreissparkasse K auf Rückgewähr der Grundschuld in der Höhe, wie sie nicht mehr valutiert sei, erlangt. Dieser Rückgewähranspruch stelle einen Vermögensvorteil dar. Deshalb könne nur die Valutierung der Grundschuld bei der Feststellung der Höhe der Zuwendung Berücksichtigung finden und nicht der im Grundbuch eingetragene Nominalwert der Grundschuld. Die Ausführungen im Urteil vom 29. November 1983 seien im Übrigen nicht anwendbar, weil vorliegend eine Verpflichtungserklärung des Übergebers, im Falle der Inanspruchnahme durch die Grundpfandgläubiger im Wege der Vollstreckung der Übernehmerin Ersatz zu leisten, nicht existiert habe. Die Klägerin habe in keiner Weise dargelegt, dass sie über die Valutierung der Grundpfandrechte hinaus eine Gegenleistung für die Übertragung der Grundstücke habe erbringen müssen. Eine erneute Valutierung der Grundpfandrechte durch ihren Ehemann nach der Grundstücksübertragung habe allein schon deswegen nicht mehr erfolgen können, weil die Rückgewährsansprüche aus den Grundpfandrechten an die Klägerin abgetreten worden seien.

Die Vorschrift des § 278 Abs. 2 AO sei nicht mit § 3 Abs. 1 AnfG vergleichbar, weil keine Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners und keine Kenntnis davon des anderen Teils vorliegen müsse. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz habe zwar mit Urteil vom 28. April 2005 entschieden, dass sich für die Inanspruchnahme des Zuwendungsempfängers eine zeitliche Einschränkung aus einer Analogie zu § 3 Abs. 1 AnfG a.F. ergebe. Da vorliegend der Vollzug der Schuldnerhandlung 1996 erfolgt sei, die Fälligkeit des Gläubigerrechts und die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen im Jahr 2001 vorgelegen hätten, sei danach keine Verjährung eingetreten. Die Annahme einer zweijährigen Verjährungsfrist über § 20 AnfG n.F. i.V.m. § 3 Nr. 4 AnfG a.F. sei nicht möglich.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid vom 25. Juni 2003 und die Einspruchsentscheidung vom 2. November 2004 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Der Beklagte hat die Klägerin zu Unrecht auf der Grundlage von § 278 Abs. 2 AO in Anspruch genommen.

Nach § 278 Abs. 2 AO kann im Falle der Aufteilung der Gesamtschuld derjenige, dem von einer mit ihm zusammenveranlagten Person unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewendet worden sind, bis zur Höhe des gemeinen Wertes dieser Zuwendungen für den auf den anderen Gesamtschuldner entfallenden Steuerbetrag in Anspruch genommen werden, wenn die Vermögensgegenstände in oder nach dem Veranlagungszeitraum, für den die Steuerrückstände bestehen, übertragen worden sind. Mit dieser Regelung erfährt die Vollstreckungsbeschränkung in § 278 Abs. 1 AO, durch die eine Aufteilung der Gesamtschuld zusammenveranlagter Eheleute in der Weise vorgenommen wird, dass jeder Aufteilungsbeteiligte nur mehr den auf ihn entfallenden anteiligen Betrag an Einkommensteuer aus der Zusammenveranlagung schuldet und nur in Höhe dieser anteiligen Schuld gegen ihn vollstreckt werden darf, eine Durchbrechung. Auch wenn für die Inanspruchnahme des Zuwendungsempfängers ein besonderer Bescheid grundsätzlich nicht erforderlich ist, so ist ein auf § 278 Abs. 2 AO gestützter Bescheid, der Art und Umfang der Inanspruchnahme festlegt, zulässig. Die Regelung dieses Bescheides liegt darin, dass der Betrag bestimmt wird, bis zu dessen Höhe der Zuwendungsempfänger wegen des auf den Übergeber entfallenden Steueranspruchs die Vollstreckung zu dulden hat, und zugleich darin, dass die Behörde mit dem Bescheid zu erkennen gibt, dass sie die betreffenden Vermögensübertragungen nicht gelten lassen, das heißt für Zwecke der Vollstreckung "anfechten" will (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. April 2005, 6 K 1174/02, EFG 2005, 1511; BFH, Urteil vom 18. Dezember 2001, VIII R 56/99, BStBl II 2002, 214).

Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 29. November 1983 (VII R 22/83, BStBl II 1984, 287) ist bei der Anwendung des § 278 Abs. 2 AO zu beachten, dass sie - anders als etwa die Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz - nicht die Vollstreckung in den zugewendeten Vermögensgegenstand ermöglichen soll. Die Regelung in § 278 Abs. 2 AO ist nicht - wie in § 7 AnfG - darauf gerichtet, die Vollstreckung gegen einen Dritten zu ermöglichen, der von der zu vollstreckenden Forderung nicht betroffen ist. Sie knüpft an die Regelung in § 278 Abs. 1 AO an und betrifft wie diese Vorschrift die Vollstreckung gegen einen Steuerschuldner. Ziel der Regelung in § 278 Abs. 2 AO ist es, die Beschränkung der Zwangsvollstreckung gegen einen Steuerschuldner nach § 278 Abs. 1 AO bis zur Höhe des gemeinen Werts der Zuwendung - wieder - zu erweitern, die der Steuerschuldner aus dem Vermögen einer mit ihm zusammenveranlagten Person erlangt hat, die ebenfalls Steuerschuldner ist, für die aber eine Beschränkung der Vollstreckung nach § 278 Abs. 1 AO durch die Aufteilung der Steuer nicht eingetreten ist. Die Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 AO soll zwar - wie die Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz - dazu dienen, die Beeinträchtigung des Vollstreckungsgläubigers auszugleichen, die dadurch eingetreten ist, dass das Vermögen der mit dem Steuerschuldner i. S. des § 278 Abs. 2 AO zusammenveranlagten Person durch die unentgeltliche Zuwendung von Vermögensgegenständen gemindert worden ist. Da die Inanspruchnahme aber nicht nur auf die Vollstreckung in den zugewendeten Gegenstand beschränkt ist, kann dieses Ziel nur dadurch erreicht werden, dass das Ausmaß der Inanspruchnahme der Höhe nach bestimmt wird, und zwar in der Weise, dass einerseits die Beschränkung des Vollstreckungsgläubigers durch die Zuwendung ausgeglichen, andererseits der Steuerschuldner aber nicht über den Vorteil hinaus in Anspruch genommen wird, den er durch die Zuwendung tatsächlich erlangt hat. Das wird dadurch erreicht, dass das Ausmaß der Inanspruchnahme nach dem Vermögensvorteil bestimmt wird, den der Steuerschuldner durch die Zuwendung erlangt hat.

Ist Gegenstand der Zuwendung ein dinglich belastetes Grundstück, so ist bei der Bemessung des dadurch erlangten Vermögensvorteils zu berücksichtigen, dass der Zuwendungsempfänger, wie dargelegt, nicht den vollen Wert, sondern nur den um den Wert der Belastung geminderten Wert des Grundstücks erlangt hat. Nur dieser geminderte Wert kann deshalb als Wert der Zuwendung berücksichtigt werden (vgl. Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, Loseblatt, Stand August 2001, § 278 Rdnr. 10). Ist die dingliche Belastung - wie im Streitfall - eine Grundschuld, so kommt es für die Bemessung des Werts der Zuwendung nicht darauf an, ob sie im Zeitpunkt der Zuwendung eine Fremdgrundschuld war oder dem Zuwendenden als Eigentümergrundschuld zustand. Auch soweit letzteres zutrifft, erlangt der Zuwendungsempfänger allein durch die Übertragung des Grundstücks nicht ohne weiteres einen Vermögensvorteil. Denn auch die Eigentümergrundschuld des Zuwendenden geht nicht schon aufgrund der Grundstücksübertragung auf den Zuwendungsempfänger über. Sie verbleibt vielmehr als Fremdgrundschuld bei dem Zuwendenden (vgl. BFH, Urteil vom 29. November 1983, a.a.O.; Müller-Eiselt, a.a.O.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen der erkennende Senat folgt, sind auch im Streitfall bei der Bestimmung der Höhe der Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 AO von den ermittelten Grundstückswerten die Werte der darauf lastenden Grundschulden abzuziehen. Dabei kommt es nicht darauf an, in welcher Höhe diese (noch) valutieren. Diese Frage ist nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 29. November 1983 (a.a.O.) ausdrücklich nur für die Prüfung, ob überhaupt eine unentgeltliche Zuwendung vorliegt, maßgebend. Demgegenüber sind für die Ermittlung des Vermögensvorteils bei Zuwendung eines Grundstücks die dinglichen Belastungen abzuziehen. Der Bundesfinanzhof hat betont, dass der Zuwendungsempfänger in diesem Fall nicht den vollen Wert, sondern nur den um den Wert der Belastung geminderten Wert des Grundstücks erlangt hat. Er hat hierzu ausgeführt, dass es für die Bemessung des Werts der Zuwendung nicht darauf ankommt, ob eine Grundschuld im Zeitpunkt der Zuwendung eine Fremdgrundschuld war oder dem Zuwendenden als Eigentümergrundschuld zustand. Daraus folgt, dass auch dann, wenn die mit der Grundschuld zu sichernde Forderung nicht entsteht oder erlischt und damit in entsprechender Anwendung der §§ 1142 f. Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- oder durch Rückübertragung eine Eigentümergrundschuld entsteht, eine dingliche Belastung den Vermögensvorteil des Zuwendungsempfängers mindert. Der Bundesfinanzhof hat deshalb in seinem Urteil die Ansicht des Finanzgerichts, die auf dem Grundstück lastende Grundschuld sei vom Wert des Grundstücks nicht abzuziehen, verworfen. Er hat ausdrücklich darauf abgestellt, dass bei dinglicher Belastung eines Grundstücks nur der geminderte Wert als Wert der Zuwendung berücksichtigt werden kann.

In dem der Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu Grunde liegenden Fall hatte sogar - insoweit weitergehend als im Streitfall - die Zuwendungsempfängerin gegen den Zuwendenden zusätzlich einen durch Vertrag vereinbarten schuldrechtlichen Anspruch auf Schadensersatz, falls sie von der Vollstreckungsgläubigerin durch Vollstreckung in Anspruch genommen wird. Etwaige schuldrechtliche Ansprüche des Zuwendungsempfängers sind aber nach Auffassung des Bundesfinanzhofs bei der Bestimmung der Höhe des Vermögensvorteils außer Betracht zu lassen. Vor diesem Hintergrund ist auch vorliegend der der Klägerin mit der Grundstücksübertragung abgetretene (schuldrechtliche) Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld (bei Zahlung) unmaßgeblich. Dieses Verständnis des § 278 Abs. 2 AO ist darauf zurückzuführen, dass - wie der Bundesfinanzhof betont - die Norm anders als etwa die Anfechtung nach dem Anfechtungsgesetz nicht die Vollstreckung in den zugewendeten Vermögensgegenstand ermöglicht und durch die insoweit gegenüber dem Anfechtungsgesetz erweiterte Vollstreckungsmöglichkeit der Steuerschuldner nicht über den Vorteil hinaus in Anspruch genommen werden soll, den er durch die Zuwendung tatsächlich erlangt hat. Ist demnach allein die Höhe der dinglichen Belastung entscheidend, so müssen auch vorliegend die (Fremd-) Grundschulden, die, obwohl sie zum Zeitpunkt der Grundstücksübertragung nicht mehr in voller Höhe valutieren, nach den vertraglichen Regelungen zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann bestehen geblieben und von der Klägerin übernommen worden sind, bei der Bemessung des von der Klägerin erlangten Vermögensvorteils abgezogen werden. Daher sind die auf den übertragenen Grundstücken lastenden Grundschulden in Höhe von insgesamt 3.800.000,00 DM (1.942.909,10 EUR) von den Verkehrswerten der Grundstücke, die zusammen nach den vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls nicht höher als die vom Beklagten angenommenen Verkehrswerte von insgesamt 1.924.246,90 EUR liegen, in Abzug zu bringen, so dass die Klägerin einen Vermögensvorteil, der eine Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 AO erlaubt, nicht erlangt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.



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