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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 15.03.2005
Aktenzeichen: 2 K 1437/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 17 Abs. 4
EStG § 52 Abs. 4a Nr. 2
EStG § 51 Abs. 8a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist, ob und - wenn ja - in welcher Höhe ein Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 und 2 EStG zu berücksichtigen ist.

Der Kläger war seit den 80er Jahren zu 50 %, was 75.000,- DM entspricht, an der ... Holzfachmarkt GmbH, S (im Folgenden: GmbH) beteiligt. Die Beteiligung hielt er in seinem Privatvermögen. Das Stammkapital war vollständig eingezahlt worden. Zusammen mit dem weiteren, ebenfalls zu 50 % beteiligten Gesellschafter führte er auch die Geschäfte der GmbH und erzielte hieraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die GmbH hatte ein vom 01. November eines Jahres bis zum 31. Oktober des Folgejahres laufendes Wirtschaftsjahr. Die GmbH wurde mit Beschluss der beiden Gesellschafter vom 22. Oktober 2001 zum 31. Oktober 2001 aufgelöst und der Kläger sowie sein Mitgesellschafter bestellten sich zu Liquidatoren. Der Geschäftsbetrieb der GmbH war bereits eingestellt und in 2000 bzw. Anfang 2001 waren das Anlagevermögen sowie der Warenbestand veräußert worden. Mit Beschluss des Amtsgerichtes - Insolvenzgerichtes - K vom 22. April 2002 war auf Antrag des Klägers sowie seines Mitgesellschafter-Geschäftsführers das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet und ein (fremder) Insolvenzverwalter bestellt worden. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der mit seiner Ehefrau zusammen veranlagte Kläger einen Auflösungsverlust aus der Beteiligung an der GmbH in Höhe von 143.481,- DM (davon 75.000,- DM Verlust des Stammkapitals und 68.481,- DM "Ablösung Kontokorrent") geltend.

In dem Einkommensteuerbescheid 2001 vom 25. Juli 2002 (Bl. 26 ff ESt-Akten 2001) blieb diese nicht näher erläuterte Position unberücksichtigt.

Mit hiergegen fristgerecht eingelegtem Einspruch wendeten der Kläger und seine Ehefrau ein, bereits zum Bilanzstichtag 31. Oktober 2001 habe festgestanden, dass die GmbH keine Auszahlungen an die Gesellschafter mehr habe vornehmen können. Das Eigenkapital der GmbH sei negativ gewesen. Diese Überschuldung sei durch die H Bank finanziert gewesen und der Schuldsaldo, für den persönliche Bürgschaften der Gesellschafter bestanden hätten, habe 127.808,31 DM betragen. Aufgrund der Bürgschaften hätten die Gesellschafter am 15. Januar 2002 jeweils 35.013,33 € an die Bank geleistet. Mit einer Änderung des Verlustes aus der zunächst konkursfreien Liquidation sei bereits in 2001 nicht mehr zu rechnen gewesen. Allenfalls hätten noch nachträgliche Änderungen der Anschaffungskosten eintreten können, die nach § 175 AO als rückwirkende Ereignisse zu erfassen seien. Der geltend gemachte Auflösungsverlust habe wegen der planmäßigen Beendigung der Gesellschaft mittels Auflösungsbeschlusses vom 22. Oktober 2001 durch die in 2002 eingetretene Insolvenzsituation nicht beeinflusst werden können. Ob sich der Verlust der GmbH durch das Insolvenzverfahren ändere, sei ebenso offen, wie die Frage, ob und - wenn ja - in welcher Höhe der Insolvenzverwalter Ansprüche gegen die Gesellschafter erheben werde. Der Insolvenzantrag sei erforderlich geworden, da nach dem Beschluss über die Auflösung der Gesellschaft von einem Kunden der GmbH Ansprüche aus Garantieleistungen in Höhe von etwa 150.000,- DM vor Gericht durchgesetzt worden seien, die die GmbH aus dem Gesellschaftsvermögen nicht habe befriedigen können. Allerdings sei durch die Begleichung der Schuld der GmbH gegenüber der Bank durch die Zahlung vom 15. Januar 2002 gleichzeitig eine Forderung der GmbH gegen den Kläger (und auch gegen den weiteren Gesellschafter) in Höhe von 33.674,46 DM erfüllt worden, so dass sich die Zahlung aufgrund Bürgschaft auf lediglich 34.805,66 DM belaufe.

(Wegen des hierzu von dem Kläger vorgelegten Auflösungsbeschlusses vom 22. Oktober 2001, zweier Kontoauszüge der H Bank, Kto. Nr. ...531, vom 14. und 15. Januar 2002 sowie einem Schreiben der Bank, das auf den 25. Januar 2001 datiert, richtigerweise wohl aber auf den 25. Januar 2002 zu datieren gewesen wäre, und in dem die Bank die Absicherung verschiedener Konten durch im einzelnen bezeichnete Bürgschaften des Klägers bzw. des weiteren Gesellschafters bestätigt, wird auf Bl. 35 bis 37 ESt-Akten 2001 Bezug genommen. Darüber hinaus wird wegen der von dem Kläger vorgelegten Bilanz zum 31. Oktober 2001 auf Bl. 80 ff ESt-Akten 2001 und wegen eines "Zwischenabschlusses" zum 13. März 2002 sowie der einzelnen Buchungen betreffend das [buchhalterische] Konto 1220, H Bank ...531 auf B. 61 ff ESt-Akten 2001 verwiesen.)

Auf Nachfrage des Finanzamtes zur Inanspruchnahme aus der Bürgschaft erklärte der Kläger, hierzu existierten zwar keine förmlichen Schreiben, die Veranlassung zur Überweisung der Bürgschaftszahlungen per 14. Januar 2002 gehe aber auf eine mündliche Forderung der Bank zurück. Diese habe auch dem Insolvenzverwalter gegenüber erklärt, die Zahlungen als Bürgschaftszahlungen behandelt zu haben.

(Wegen des hierzu nachgereichten Schreibens der Bank an den Insolvenzverwalter vom 19. Juni 2002, in dem die Bank die auf dem Bankkonto ...531 verzeichneten Eingänge aufführte und angab, "die durch den Kläger und den weiteren Gesellschafter erfolgten Zahlungen" seien "aus ihrer Sicht Zahlungen auf die ihr gegenüber übernommenen Bürgschaften", wird auf Bl. 76 ESt-Akten 2001 Bezug genommen.)

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2003 zurückgewiesen (Bl. 93 ff ESt-Akten 2001). Zur Begründung führte das Finanzamt aus, nach der Auflösung einer Gesellschaft bestimme sich der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsgewinnes oder -verlustes nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung, woraus folge, dass im Falle der Auflösung mit anschließender Liquidation der Zeitpunkt des Abschlusses dieser Liquidation entscheidend sei. Erst dann stehe fest, ob und in welcher Höhe der Gesellschafter mit einer Zuteilung und Rückzahlung von Vermögen rechnen könne und ferner, welche nachträglichen Anschaffungskosten angefallen seien bzw. welche Veräußerungs- oder Auflösungskosten der Gesellschafter persönlich zu tragen habe. Nur ausnahmsweise könne nach der Rechtsprechung des BFH schon vor Abschluss der Liquidation ein Auflösungsverlust festgestellt werden, nämlich in Fällen der Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse und bei Vermögenslosigkeit der Gesellschaft im Zeitpunkt des Liquidationsbeschlusses. Zwar seien im Streitfall die Verbindlichkeiten zum Zeitpunkt des Liquidationsbeschlusses auch ohne die erstrittene Garantieverpflichtung höher als das Aktivvermögen der GmbH gewesen, so dass mit einer Auskehrung von Restvermögen nicht mehr habe gerechnet werden können. Die Höhe des Auflösungsverlustes habe jedoch in 2001 noch nicht festgestanden, denn es sei noch nicht absehbar gewesen, in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten entstehen würden. Dies ergebe sich aus dem Gerichtsverfahren über die Garantieverpflichtung und die Behandlung dieser Verbindlichkeit bei der Auflösung der GmbH, die weder gezahlt worden sei noch - trotz des Klageverfahrens - Aufnahme in die Bilanz der GmbH gefunden habe. Daraus sei zu erkennen, dass der Kläger die Verbindlichkeit nicht anerkennen wolle. Darüber hinaus zeige die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dass das bei der GmbH vorhandene Vermögen bzw. die Ansprüche an die Gesellschafter die Verfahrenskosten überstiegen und Vermögen der GmbH vorhanden sei bzw. Ansprüche gegen die Gesellschafter bestünden, aus denen Leistungen an den Gläubiger der Garantieverpflichtung erbracht werden könnten. Außerdem sei zu beachten, dass von der Staatsanwaltschaft wegen eines Insolvenzvergehens ermittelt werde, so dass nicht auszuschließen sei, dass sich deshalb die nachträglichen Anschaffungskosten weiter erhöhten.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der der Kläger vorträgt, an dem Sachstand zu dem wegen des abweichenden Wirtschaftsjahres der GmbH maßgeblichen Stichtag 31. Oktober 2001 habe sich nichts geändert. Derzeit liefen vier in den Jahren 2000 bis 2001 anhängig gewordene Zivilverfahren gegen die GmbH i. L.. Darüber hinaus seien weitere Regressansprüche gegen die GmbH angekündigt worden. Bei der zum Jahresabschluss 31. Oktober 2001 ausgewiesenen Verbindlichkeit gegenüber der H Bank handele es sich um das laufende Konto der GmbH, das durch eine persönliche Bürgschaft der beiden Gesellschafter abgesichert gewesen sei. Der Ausgleich dieses Kontos sei am 14. Januar 2002 durch Zahlung von jeweils 35.013,33 € durch die Gesellschafter erfolgt. Das Ermittlungsverfahren wegen Begünstigung eines Gläubigers sei offenbar wegen der zeitlichen Nähe der Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung gegenüber der H Bak und dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens veranlasst gewesen. Wie sich aus dem Schreiben der Bank vom 19. Juni 2002 an den Insolvenzverwalter ergebe, habe dieser die Zahlung der Gesellschafter eingefordert. Dies habe die Bank jedoch abgelehnt. Dabei sei es bis heute geblieben. Insbesondere lägen Ansprüche gegenüber dem Kläger bisher nicht vor. Eine mögliche Konsequenz aus den noch schwebenden Verfahren sei lediglich die weitere Erhöhung des geltend gemachten Verlustes, keinesfalls jedoch dessen Verminderung oder gar dessen Wegfall. Insbesondere habe die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses kein verteilungsfähiges Vermögen besessen, denn die Forderung gegen die Gesellschafter sei durch den Kontenausgleich getilgt worden. Weitere begründete Forderungen gegenüber dem Kläger und dem anderen Gesellschafter bestünden nicht. Es seien keine Verfahren bekannt, mit denen gegenüber den Gesellschaftern über die bereits geleisteten Bürgschaftszahlungen hinaus weitere Zahlungen gefordert würden. Unerheblich für die Feststellung des Auflösungsverlustes sei, ob und - wenn ja - in welcher Höhe Forderungen gegen die Gesellschaft geltend gemacht würden, denn es zählten einzig und allein die Aufwendungen der Gesellschafter auf die Gesellschaftsanteile. In 2001 habe festgestanden, welche Bürgschaften gegenüber der Bank zu erfüllen gewesen seien. Demgegenüber sei völlig offen, ob jemals Ansprüche gegenüber den Gesellschaftern geltend gemacht würden und - wenn ja - ob diese dann auch durchgesetzt werden könnten. Falls dies der Fall sein sollte, läge ein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO vor. Die bloße Möglichkeit der Verlusterhöhung rechtfertige jedoch nicht die Verlagerung des Verlustes in einen anderen Veranlagungszeitraum als 2001.

Im übrigen sei das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger mittlerweile eingestellt worden. Die mündliche Aufforderung der Bank zur Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtungen sei im letzten Tertial des Jahres 2001 und zwar vor Erstellung des Jahresabschlusses für die GmbH erfolgt, was durch eine entsprechende Erklärung der Bank bzw. durch Zeugenaussage belegt werden könne. Aus den drei weiteren Konten, für die lt. dem Schreiben der Bank vom 25. Januar 2002 Bürgschaften eingegangen worden seien, seien keinerlei Ansprüche geltend gemacht worden.

(Wegen der von dem Kläger im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen wird auf Bl. 12, 13 und 31 Prozessakten verwiesen.)

Der Kläger beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 25. Juli 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Februar 2003 dahin zu ändern, dass ein Auflösungsverlust nach § 17 EStG in Höhe von 109.805,66 DM Berücksichtigung findet.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er meint, es stehe noch nicht fest bzw. es habe jedenfalls im Streitjahr noch nicht festgestanden, in welcher Höhe ein Auflösungsverlust anfallen werde. Da die Bank ausweislich des von dem Kläger vorgelegten Schreibens vom 25. Januar 2002 die Kontenausgleichszahlungen insgesamt als Leistung aufgrund Bürgschaft aufgefasst habe, hätten bei der Abwicklung des Insolvenzverfahrens auch die Forderung der GmbH an die Gesellschafter als Vermögen der GmbH zur Verfügung gestanden. Im Streitfall seien die Gesellschafter auch nicht etwa vermögenslos gewesen. Darüber hinaus seien bereits vor dem Bilanzstichtag 31.10.2001 Klagen wegen streitiger Forderungen erhoben, jedoch nicht in der Bilanz ausgewiesen worden. In diesen noch nicht abgeschlossenen Verfahren werde um rund 180.000,- DM gestritten. Nach Auskunft des Insolvenzverwalters seien im Insolvenzverfahren weit höhere Forderungen als die von dem Kläger benannten festgestellt worden. Auch aus diesem Grunde stehe die Höhe des Verlustes nach § 17 EStG noch nicht fest. Dabei sei auch zu beachten, dass sich dieser Verlust mindestens durch die Insolvenzkosten, die ebenfalls noch nicht feststünden bzw. noch nicht feststellbar seien, erhöhen werde. Auch wegen des eingeleiteten Ermittlungsverfahrens habe der Verlust jedenfalls in 2001 noch nicht festgestanden. Im übrigen sei das Insolvenzverfahren immer noch nicht abgeschlossen und ein Ende dieses Verfahrens nicht absehbar. Damit stehe insgesamt noch nicht fest, in welcher Höhe der Kläger Zahlungen auf seine Schuld bei der GmbH zu leisten habe, welche nachträglichen Anschaffungskosten z. B. aus Haftung anfielen und welche Auflösungskosten er noch persönlich zu tragen habe. Aus den Ausführungen des Klägers betreffend die Geltendmachung der Forderung der H Bank aus den übernommenen Bürgschaften ergebe sich, dass am 31. Dezember 2001 noch nicht festgestanden habe, ob eine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft erfolgen werde. Auch § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO sei hier nicht anwendbar, da der in § 17 Abs. 2 EStG definierte Veräußerungsverlust im Streitjahr noch nicht ermittelt werden könne. Auch sei es in Bankkreisen nicht üblich, mündlich zur Leistung einer Bürgschaft aufzufordern. Aus dem Schreiben der Bank vom 19. Juni 2002 ergebe sich nicht, dass und insbesondere wann die Bank den Kläger zur Leistung aus der Bürgschaftsverpflichtung aufgefordert habe.

Im übrigen sei hier das sog. Halbeinkünfteverfahren anwendbar, so dass ein etwaiger Auflösungsverlust des Klägers lediglich zur Hälfte zum Tragen komme.

Das Gericht hat den Kläger mit Verfügung vom 04. Februar 2005 u. a. um die Vorlage der von dem Kläger zugunsten der H Bank abgegebenen Bürgschaftserklärungen vom 28. April 1995, 06. Mai 1997 und 26. März 1998 gebeten. Wegen der hierzu eingereichten Unterlagen wird auf Bl. 52 ff und 64 ff Prozessakten Bezug genommen.

Der Senat hat zu dem vorliegenden Klageverfahren die Insolvenzverfahrensakten des Amtsgerichtes - Insolvenzgerichtes - K betreffend die ... Holzfachmarkt GmbH, Simmern, Az.: 3 IN 2/02 sowie die Vertrags-, Vollstreckungs- und Steuerakten ab 1999 der GmbH beigezogen.In der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2005 vom Gericht auf die Kurzberichte bzw. Schreiben des Insolvenzverwalters vom 07. Oktober, 26. November und 13. Dezember 2004, Bl. 71 bis 74 der Insolvenzverfahrensakten 3 IN 2/02 angesprochen, erklärte der Kläger, von ihm und seinem Mitgesellschafter seien im Laufe des Insolvenzverfahrens keine Forderungen von Gesellschaftsgläubigern als eigene übernommen worden. Man habe in 2004 lediglich eine Forderung der Eheleute G in Höhe von rund 5.000,- € zu einem Preis von 3.200,- € abgekauft. Darüber hinaus beabsichtigten sie allenfalls noch, die Kosten des Insolvenzverwalters von etwa 3.000,- bis 5.000,- € zu begleichen.

Gründe

Die Klage ist teilweise, nämlich was die Geltendmachung des Verlustes des Stammkapitals von 75.000,- DM betrifft, begründet. Im übrigen ist sie unbegründet. Ein Auflösungsverlust ist - entgegen der Auffassung des Finanzamtes - zwar bereits in 2001 anzusetzen, allerdings nur in Höhe des Stammkapitals, da die weiteren geltend gemachten Aufwendungen weder Auflösungskosten noch nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung des Klägers an der GmbH darstellen.

Nach § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EStG gehört auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft zu mindestens 10 % (Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 1999) bzw. zu mindestens 1 % (Fassung des Art. 1 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000) unmittelbar oder mittelbar beteiligt war und die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt.

Auflösungsverlust i. S. d. § 17 Abs. 2, Abs. 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten sowie die Anschaffungskosten der Beteiligung den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Gesellschaft übersteigen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 12. Dezember 2000, VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761, m. w. N.) ist der Begriff der Anschaffungskosten in § 17 Abs. 2 EStG mit Rücksicht auf das die Einkommensbesteuerung bestimmende Nettoprinzip weit auszulegen. Er umfasst deshalb nicht nur die zum Erwerb der Beteiligung aufgewendeten Kosten, sondern auch nachträgliche, durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Aufwendungen des Anteilseigners, wenn und soweit diese weder Werbungskosten noch Veräußerungs- bzw. Auflösungskosten sind. Als nachträgliche Anschaffungskosten kommen danach sowohl Nachschüsse im Sinne der §§ 26 ff GmbHG, verdeckte Einlagen (verdeckte Eigenkapitalzuführungen) und insbesondere auch Verluste aus kapitalersetzenden Finanzierungsmaßnahmen des Gesellschafters in Betracht.

Leistungen aus einer für Verbindlichkeiten der Gesellschaft eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung kommt dann eigenkapitalersetzender Charakter zu, wenn die Bürgschaft eine sog. Finanzplanbürgschaft darstellt oder zu einem Zeitpunkt begründet wurde, als sich die Gesellschaft bereits in der Krise befand, oder für den Fall der Krise bestimmt war (der Rückgriffsanspruch also von vornherein wertlos war) oder in der Krise stehen gelassen wurde, obgleich sie der Gesellschafter hätte abziehen können und es angesichts der veränderten finanziellen Situation der Gesellschaft absehbar war, dass die Rückzahlung gefährdet sein wird. Da sich in letzterem Falle die bis zum Eintritt der Krise erfolgten Wertminderungen des Rückgriffsanspruches in der Privatsphäre des Gesellschafters abspielen, ist der Rückgriffsanspruch im Zeitpunkt des Eintrittes der Krise mit dem gemeinen Wert anzusetzen. (Bezüglich der Einzelheiten zu den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen eigenkapitalersetzender Finanzierungsmaßnahmen vgl. BFH, Urteil vom 13. Juli 1999, VIII R 31/98, BStBl II 1999, 724).

Ein Auflösungsverlust nach § 17 Abs. 2 EStG ist (ebenso wie ein Veräußerungs- oder Auflösungsgewinn oder ein Veräußerungsverlust) nicht nach dem Zu- bzw. Abflussprinzip des § 11 EStG, sondern anhand einer Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Verlustes (bzw. des Gewinnes) zu ermitteln. Maßgebender Zeitpunkt der Gewinn- oder Verlustrealisierung ist derjenige, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung der Gewinn bzw. Verlust realisiert wäre.

Danach ist ein Auflösungsverlust dann entstanden, wenn die Gesellschaft zivilrechtlich aufgelöst wurde, der Gesellschafter mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr rechnen kann und es im wesentlichen feststeht, ob und in welcher Höhe (nachträgliche) Anschaffungskosten sowie Auflösungskosten des Gesellschafters anfallen werden. Im Falle der Auflösung mit anschließender Liquidation (und insbesondere in Konkurs bzw. Insolvenzfällen) werden diese Voraussetzungen in der Regel erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation erfüllt sein, da erst dann sämtliche stillen Reserven der Gesellschaft realisiert sind und deshalb erst dann über Auskehrungen bzw. Rückzahlungen entschieden werden kann bzw. da es in Konkurs- /Insolvenzfällen bei Eröffnung des Verfahrens regelmäßig unklar ist, ob es tatsächlich zur Vollbeendigung der Gesellschaft und damit zu einem endgültigen Liquidationsverlust der Gesellschafter kommen wird oder ob nicht vielleicht doch ein Zwangsvergleich abgeschlossen bzw. ein Insolvenzplan aufgestellt wird (BFH, Urteil vom 25. Januar 2000, VIII R 63/98, BStBl II 2000, 343, m. w. N; Urteil vom 02. Oktober 1984, VIII R 20/84, BStBl II 1985, 428, m. w. N.).

Ausgehend von dieser Definition des Auflösungsverlustes in § 17 Abs. 2 EStG kann der maßgebliche Zeitpunkt jedoch auch bei einer Auflösung mit anschließender Liquidation vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des festgestellten Verlustes nicht mehr zu rechnen ist (BFH, Urteil vom 25. Januar 2000, VIII R 63/98, a. a. O., m. w. N.). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren mangels eine die Kostendeckende Masse nicht eröffnet wird oder die Gesellschaft bereits im Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses vermögenslos war. An dem so ermittelten Zeitpunkt ändert sich auch dann nichts, wenn danach noch weitere Aufwendungen anfallen (können), die als Auflösungskosten oder nachträgliche Anschaffungskosten zu qualifizieren sind, sofern diese nicht besonders ins Gewicht fallen. Unwesentliche nachträgliche Aufwendungen sind als rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO durch Änderung des entsprechenden Steuerbescheides auf den Zeitpunkt der Gewinn- bzw. Verlustrealisierung zurückzubeziehen.

Mit einer Zuteilung oder Rückzahlung aus dem Gesellschaftsvermögen kann ein Anteilseigner nicht mehr rechnen, wenn die Gesellschaft vermögenslos ist oder ihre Vermögenswerte allenfalls noch der Befriedigung ihrer Gläubiger dienen können und hinreichend objektivierbar und sicher festgestellt werden kann, dass das Vermögen nicht für eine Verteilung unter den Gesellschaftern ausreicht (vgl. Finanzgericht Berlin, Urteil vom 01. Juli 2004, 1 K 1192/01, EFG 2004, 1518). Entscheidend für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts ist dabei stets, dass der Auflösungsverlust des Gesellschafters nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung im wesentlichen feststehen muss. Hiervon ist der von der aufgelösten Gesellschaft realisierte Verlust strikt zu unterscheiden. D. h.: steht nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zwar das endgültige wirtschaftliche Ergebnis aus der Betätigung der Gesellschaft noch nicht fest (z. B. weil das Insolvenzverfahren noch läuft), kann dennoch der in der Person des Gesellschafters eingetretene Auflösungsverlust mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, weil sich dieser nicht am Ergebnis der Gesellschaft, sondern an dessen eigenen Aufwendungen orientiert und lediglich durch Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen beeinflusst werden kann (BFH, Urteil vom 25. März 2003, VIII R 24/02, BFH/NV 2003, 1305; Finanzgericht Berlin, Urteil vom 01. Juli 2004, 1 K 1192/01, a. a. O.).

Auch hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit sog. nachträglicher, d. h.: nach Auflösung der Gesellschaft anfallender Anschaffungskosten kommt es grundsätzlich darauf an, wann der darin liegende Aufwand nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bilanzierung realisiert ist, d. h.: im Falle einer dem Grunde und/oder der Höhe nach noch ungewissen Verbindlichkeit darauf, ob ein gewissenhafter Kaufmann zur Bildung einer Rückstellung verpflichtet wäre (BFH, Urteil vom 27. November 2001, VIII R 36/00, BStBl II 2002, 731). Danach ist eine (Bürgschafts)Verpflichtung zu passivieren, wenn ernstlich mit einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger zu rechnen ist und diese Inanspruchnahme Aussicht auf Erfolg hat (BFH, Urteil vom 08. April 1998, VIII R 21/94, BStBl II 1998, 660).

Ist der Auflösungsverlust nach diesen Maßstäben nicht erst mit Abschluss der Liquidation, sondern bereits vorher entstanden, so kann er nicht nur, sondern muss bereits auf diesen Zeitpunkt ermittelt werden.

Ausgehend von diesen Grundsätzen stand der realisierte Auflösungsverlust (jedenfalls im wesentlichen) bereits in 2001 fest. Allerdings bestand dieser lediglich aus dem Verlust des Stammkapitals von 75.000,- DM.

Um den Zeitpunkt der Verlustrealisierung ermitteln zu können, ist sachlogisch zunächst zu prüfen, ob die streitbefangenen bzw. weitere in Betracht kommende Aufwendungen überhaupt Anschaffungskosten bzw. nachträgliche Anschaffungskosten bzw. Auflösungskosten darstellen. Erst wenn aufgrund dieser Prüfung feststeht, welche Positionen zur Ermittlung des Auflösungsverlustes in Frage kommen, ist feststellbar, ob deren Anfall bzw. deren Höhe bereits im Streitjahr hinreichend sicher feststand.

Außer den Aufwendungen auf das Stammkapital vermag der Senat keine wesentlichen Kosten zu erkennen, die als Auflösungskosten bzw. Anschaffungskosten bzw. nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung zu qualifizieren sind. Insbesondere stellt die streitbefangene Zahlung vom 15. Januar 2002 über 35.013,33 € - selbst wenn man den hierzu gemachten klägerischen Vortrag als wahr unterstellt - keine nachträglichen Anschaffungskosten dar, d. h.: sie ist weder als verdeckte Einlage in Gestalt der Übernahme einer Verbindlichkeit der Gesellschaft noch als Zahlung aufgrund eigenkapitalersetzender Bürgschaftsverpflichtung anzusehen.

Verluste im Zusammenhang mit Finanzierungsmaßnahmen des Gesellschafters führen regelmäßig nicht zu einer verdeckten Einlage, da weder in der Übernahme der Bürgschaft noch in der Leistung des Bürgen an den Gläubiger das bilanzierungsfähige Vermögen der Gesellschaft vermehrt wird (BFH, Urteil vom 12. Dezember 2000, VIII R 36/97, a. a. O.). Tilgt der Gesellschafter eine Schuld der Gesellschaft (wie hier der Kläger die Schuld der GmbH gegenüber der Bank), so liegt darin nur dann die Zuwendung eines bilanzierungsfähigen Vermögensvorteils (mithin eine verdeckte Einlage), wenn der Gesellschafter die Verbindlichkeit (gem. § 414 BGB) als eigene übernimmt oder auf seinen Rückgriffsanspruch gegen die GmbH verzichtet (BFH, Urteil vom 12. Dezember 2000, VIII R 36/97, a. a. O.). Dafür bestehen hier jedoch keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil ergibt sich aus der Zusammenschau des Jahresabschlusses zum 31. Oktober 2001, der Zwischenbilanz zum 13. März 2002 und der Auflistung der Buchungsvorgänge betreffend das (buchhalterische) Konto Nr. 1220 H Bank ...531, dass der Kläger mit dieser Zahlung gerade nicht die entsprechende Verbindlichkeit der GmbH als eigene übernehmen und auch gerade nicht auf seinen Rückgriffsanspruch verzichten wollte, denn die Gegenbuchung zu der Zahlungsbuchung "Kontokorrentausgleich" über 35.013,33 € erfolgte auf dem Konto Nr. 742 (bzw. 741 des anderen Gesellschafters), d. h.: auf dem Verrechnungskonto des Klägers (bzw. des anderen Gesellschafters). Mit Zahlung an die Bank wurde auf diesem Wege die noch zum 31. Oktober 2001 ausgewiesene Forderung der Gesellschaft gegen den Kläger über 33.674,46 DM (Bl. 85 ESt-Akten 2001) eliminiert und darüber hinaus in Höhe des diese Forderung der Gesellschaft übersteigenden Betrages gleichzeitig die zum 31. Oktober 2001 noch nicht bestehende Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber dem Kläger in Höhe von 17.795,85 € (= 34.806,- DM) begründet. Damit ist klargestellt, dass der GmbH in Höhe der an die Bank geleisteten Zahlung kein Eigen-, sondern lediglich Fremdkapital und damit gerade kein zu einer verdeckten Einlage führendes Vermögen zugewendet werden sollte.

Die Zahlung ist auch nicht als auf eine eigenkapitalersetzende Bürgschaftsverpflichtung erbrachte Leistung anzusehen. In der Höhe, in der mit der Zahlung die Forderung der Gesellschaft gegen den Gesellschafter erlosch bzw. zum Erlöschen gebracht werden sollte, scheidet die Annahme der Erfüllung einer Bürgschaftsverpflichtung von vornherein aus (was auch der Kläger zugesteht, da er seinen Klageantrag in lediglich entsprechender Höhe formuliert hat), denn insoweit leistete der Kläger erkennbar in erster Linie zur Befriedigung der gegen ihn bestehenden Forderung der Gesellschaft (im sog. abgekürzten Leistungsweg). Dass damit gleichzeitig die Bürgschaftsverpflichtung in entsprechender Höhe unterging, ist lediglich eine Reflexwirkung der Leistung auf die eigene Verbindlichkeit des Klägers gegenüber der GmbH.

Aber auch soweit die Zahlung darüber hinausging, d. h.: nicht zur Begleichung der Forderung der Gesellschaft gegen den Kläger diente, scheidet eine Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten aus. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die hierfür eingegangenen Bürgschaften, die lt. dem Schreiben der Bank vom 25. Januar 2002 in den Jahren 1995, 1997 und 1998 erklärt wurden, in der Krise gewährt wurden oder für den Fall der Krise der Gesellschaft bestimmt waren oder gar bereits Teil eines Finanzplans darstellten. Lt. Bericht des Insolvenzverwalters vom 20. Juni 2002, Bl. 58 ff Insolvenzverfahrensakten 3 IN 2/02, ist der wirtschaftliche Niedergang der GmbH erst ab dem Jahr 2000 eingetreten. Auch nach den von dem Kläger hierzu nachgereichten Urkunden bestehen keine Hinweise darauf, dass es sich um krisenbestimmte oder gar Finanzplanbürgschaften gehandelt haben könnte.

Die Bürgschaft, aufgrund derer geleistet wurde bzw. lt. Vortrag des Klägers geleistet worden sein soll, konnte allenfalls dann eigenkapitalersetzenden Charakter erlangt haben, als sie im Zeitpunkt des Eintritts der Krise der Gesellschaft stehen gelassen wurde. In diesem Fall sind nachträgliche Anschaffungskosten aber - wie bereits ausgeführt - nur in Höhe des gemeinen Wertes des Rückgriffsanspruches zu dem Zeitpunkt angefallen, in dem der Gesellschafter es mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis unterließ, sein Bürgschaftsengagement zu beenden, obwohl er von der Gesellschaft die entsprechende Freistellung hätte verlangen können. Im Zeitpunkt des Eintritts der Krise, d. h. in dem Zeitpunkt, in dem sich die finanzielle Situation der Gesellschaft derart verschlechterte, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko der Bürgschaftsgestellung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre (BFH, Urteil vom 12. Dezember 2000, VIII R 36/97, a. a. O.), ist der hierfür maßgebliche gemeine Wert anzusetzen (vgl. BFH, Urteile vom 24. April 1997, VIII R 23/93 und VIII R 16/94, BStBl II 1999, 339 und 342), der in der Regel, d. h. wenn nicht ganz außergewöhnliche Umstände vorliegen, aus denen anderes zu schließen wäre, mit Null DM anzusetzen ist.

Weitere Positionen, die als (wesentliche) nachträgliche Anschaffungskosten oder Auflösungskosten in Betracht zu ziehen sein könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere spielen die vom Finanzamt wiederholt aufgeführten, gegen die GmbH geltend gemachten Forderungen, wegen denen zur Zeit noch Zivilklagen anhängig sind, keine Rolle für den auf den Kläger entfallenden Auflösungsverlust, denn diese Forderungen werden ausschließlich gegen die GmbH geltend gemacht, und es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger hierfür einzustehen haben könnte.

Auch soweit das Finanzamt auf evtl. Haftungsansprüche (welche?) hinweist, lassen sich ernsthaft in Frage kommende nachträgliche Anschaffungskosten nicht erkennen. Sollte das Finanzamt die Haftung nach § 69 i. V. m. § 34 AO oder ggf. eine Haftung gem. § 43 GmbHG oder § 64 Abs. 2 GmbHG oder u. U. aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 64 GmbHG gemeint haben, so vermag auch dies keine evtl. noch entstehenden nachträglichen Anschaffungskosten zu begründen, denn diese Vorschriften richten sich gegen den Geschäftsführer wegen der Verletzung der einem Geschäftsführer obliegenden Pflichten. Zahlungen auf solche (hier allerdings rein theoretische) Haftungsansprüche können deshalb nicht, jedenfalls nicht überlagernd, in einem Veranlassungszusammenhang mit dem Gesellschaftsverhältnis stehen.

Auch in dem Falle, dass der Insolvenzverwalter aufgrund einer von ihm (bisher lediglich angedrohten) gegen die Bank gerichteten Anfechtungsklage nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung die Rückgewähr der an die Bank erfolgten streitbefangenen Zahlung zur Insolvenzmasse nach § 143 Insolvenzordnung erreichte und damit u. U. die Forderung der GmbH gegen den Kläger wiederauflebte, können sich keine weiteren nachträglichen Anschaffungskosten ergeben, denn die Zahlung auf eine solche Forderung ist - wie zuvor die Begründung der Forderung - nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, sondern sie besteht dann (wieder) aufgrund der Rechtsabrede, die der Begründung der Forderung zugrunde lag. D. h.: die hierauf zu erfolgenden Zahlungen werden nicht zum Erwerb oder zur Stärkung der Beteiligung, sondern zur Ablösung einer der Gesellschaft gegenüber eingegangenen Verbindlichkeit entrichtet.

Kommen danach als berücksichtigungsfähige Aufwendungen lediglich die ursprünglichen, Anschaffungskosten, d. h. die Stammeinlage, und allenfalls noch die Hälfte der Kosten des Insolvenzverwalters von insgesamt höchstens 5.000,- €, sowie die Hälfte des Kaufpreises der "Forderung G" in Betracht, so stand der sich hieraus ergebende Auflösungsverlust im wesentlichen bereits in 2001 fest. Der Kläger konnte mit einer Zuteilung oder Auskehrung von Gesellschaftsvermögen - was auch das Finanzamt zugesteht - bereits im Jahr der zivilrechtlichen Auflösung, d. h.: im Streitjahr, nicht mehr rechnen. Das einzig nennenswerte Vermögen der GmbH, die insbesondere über keinerlei Grundvermögen verfügte, bestand aus Forderungen gegen den Kläger und den weiteren Gesellschafter. Stille Reserven, die bei einer Liquidation hätten zur Aufdeckung kommen können, sind nicht ersichtlich. Die Forderungen der Gesellschaft gegen die beiden Gesellschafter konnten lediglich der Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienen, jedoch keinesfalls zu einer Auskehrung an den Kläger bzw. den Mitgesellschafter führen (vgl. hierzu auch die Feststellung der Aktiva und Passiva zum 22. April 2002 und die Berechnung der Überschuldung durch den Insolvenzverwalter, Bl. 44 bis 46 Insolvenzverfahrensakten 3 IN 2/02; BFH, Urteil vom 21. Januar 2004, VIII R 8/02, BFH/NV 2004, 752). Die GmbH war also bereits im Zeitpunkt der zivilrechtlichen Auflösung vermögenslos i. S. d. § 17 Abs. 2 EStG..

Da - wie dargestellt - keine Umstände zu erkennen sind, aufgrund derer sich - abgesehen von den Kosten des Insolvenzverwalters - von dem Kläger zu erfüllende weitere Auflösungskosten oder von ihm zu tragende nachträgliche Anschaffungskosten ergeben könnten, ist auch nicht ersichtlich, welche wesentlichen Änderungen sich am in 2001 realisierten Auflösungsverlust in Höhe des Stammkapitals noch hätten ergeben können. Dass sich das endgültige Ergebnis der GmbH, d. h. der von dieser realisierte Verlust, im Laufe des Insolvenzverfahrens bis zu dessen Abschluss noch verändern kann, berührt - wie bereits ausgeführt - den Auflösungsverlust des Klägers nicht.

Der sich danach ergebende, bereits im Zeitpunkt der Auflösung in 2001 realisierte Auflösungsverlust ist in voller Höhe berücksichtigungsfähig. Das sog. Halbeinkünfteverfahren kommt nach der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 4a Nr. 2 (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) i. V. m. Abs. 8a EStG im Streitfall nicht zur Anwendung.

Danach ist das Halbeinkünfteverfahren erstmals für Veräußerungsgewinne bzw. -verluste und Auflösungsgewinne bzw. -verluste nach § 17 EStG anzuwenden, die nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der Beteiligungsgesellschaft, für das das Körperschaftsteuergesetz in der Fassung des Art. 3 des Gesetzes vom 23. Oktober 2000 erstmals anzuwenden ist, entstehen.

Unter Wirtschaftsjahr der Beteiligungsgesellschaft im Sinne dieser Anwendungsvorschrift ist - wie auch sonst in anderen steuerlichen Zusammenhängen - der steuerrechtliche Gewinnermittlungszeitraum zu verstehen (vgl. z. B. Ludwig Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 4a, Rz. 1). Nach § 11 Abs. 1 KStG wird auch im Falle der Auflösung und Liquidation einer Kapitalgesellschaft der im Abwicklungszeitraum erzielte Gewinn besteuert, d. h.: auch in Liquidationsfällen existiert ein steuerrechtlicher Gewinnermittlungszeitraum und damit ein Wirtschaftsjahr.

Die - im übrigen nicht näher begründete - Auffassung der Finanzverwaltung, im Liquidationszeitraum bestehe kein steuerliches Wirtschaftsjahr, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Insbesondere setzt sie sich damit in Widerspruch zu ihrer Annahme, für Zwecke der Besteuerung einschließlich der Anwendung der §§ 27, 37, 38 und 40 KStG neuer Fassung trete der Abwicklungszeitraum an die Stelle des Wirtschaftsjahres, d. h.: stelle für diese Zwecke faktisch das Wirtschaftsjahr dar (vgl. Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 11 KStG neuer Fassung, Tz. 16). Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, für bestimmte steuerliche Zwecke von einem "faktischen Wirtschaftsjahr" auszugehen, für bestimmte andere damit in Zusammenhang stehende steuerliche Zwecke dies jedoch zu verneinen. Dies gilt auch und gerade unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nach Verwaltungsauffassung Auflösungsverluste, die in 2001 entstanden sind, anders zu besteuern sind, als im selben Veranlagungszeitraum erzielte Veräußerungsverluste, obwohl der Gesetzgeber Veräußerungstatbestände nach § 17 Abs. 1 EStG und Veräußerungsersatztatbestände nach § 17 Abs. 4 EStG erkennbar gleich behandelt wissen will.

Im hier zu entscheidenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob als Wirtschaftsjahr der GmbH in Liquidation der mit Auflösungsstichtag 31. Oktober 2001 beginnende Abwicklungszeitraum nach § 11 Abs. 1 KStG oder der Zeitraum, für den Liquidationszwischenbilanzen zu erstellen sind, anzusehen ist. In beiden Fällen ist der realisierte Auflösungsverlust nicht nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres, für das das Körperschaftsteuergesetz neuer Fassung gem. § 34 Abs. 14 KStG anzuwenden ist, entstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision war wegen der Frage der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens im Jahr 2001 zur Fortbildung des Rechtes zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alternative FGO. Obwohl es sich hierbei um auslaufendes bzw. übergangsweises Recht handelt, hält der Senat eine höchstrichterliche Entscheidung für geboten, da bei den Finanzämtern bzw. anderen Finanzgerichten vermutlich eine Vielzahl gleichartiger Fälle anhängig ist.

Ende der Entscheidung

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