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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 24.10.2007
Aktenzeichen: 2 K 1917/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 33
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

2 K 1917/06

Einkommensteuer 2003

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 2. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. Oktober 2007

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht [...]

den Richter am Finanzgericht [...]

den Richter am Finanzgericht [...]

den ehrenamtlichen Richter [...]

den ehrenamtlichen Richter [...]

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2003 in der Änderungsfassung vom 24. Mai 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2006 wird bei den außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG ein weiterer Betrag von 5.270,-- Euro in Ansatz gebracht. Die Berechnung der Einkommensteuer wird gemäß § 100 Abs.2 Satz 2 FGO dem Finanzamt übertragen.

II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

III. Das Urteil ist wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten zugunsten des Klägers vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau einer Wohnung als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG.

Der in Koblenz wohnhafte, 1964 geborene Kläger erzielte als IT-Berater im streitbefangenen Kalenderjahr 2003 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Tochter I des Klägers ist seit ihrer Geburt am 05.07.1993 zu 100% behindert und lebt im Haushalt des Klägers. Sie ist hilflos, geh- und stehbehindert, ständig pflegebedürftig und auf eine Begleitperson angewiesen.

Im Jahr 2003 führte der Kläger an seiner Wohnhaus behinderungsbedingte Umbaumaßnahmen durch und machte in seiner Einkommensteuererklärung 2003 zunächst nur für Türverbreiterungen und den Einbau einer Duschtrennwand mit doppelter Flügeltür einen Betrag von 2.770 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend. Im Einkommensteuerbescheid 2003 vom 13. Juni 2005 berücksichtigte der Beklagte diese Aufwendungen nicht.

Mit seinem hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Einspruch trug der Kläger zur Begründung vor, dass die Mehraufwendungen für die behindertengerechte Gestaltung der Wohnung für seine schwerbehinderte und auf den Rollstuhl angewiesene Tochter vorgenommen worden seien. Diese seien von den übrigen, nicht behinderten Personen nicht zweckgebunden mitbenutzt worden und würden den Wert der Wohnung nicht erhöhen. Die breiteren Wohnungstüren seien zum größten Teil nachträglich eingebaut worden um seiner Tochter und der entsprechenden Pflegeperson den Zugang zum Haus und den darin befindlichen Räumen zu ermöglichen. Für nicht behinderte Personen sei dieser zeitliche und kostenintensive Aufwand nicht notwendig gewesen, da diese keine 98 cm breiten Türen benötigten. Des Weiteren sei eine Duschtrennwand mit doppelter Flügeltür eingebaut worden, um einen sicheren Zugang zur Dusche zu gewährleisten. Die übrigen Personen würden die rechte Flügeltür zum Eingang der Dusche benutzen.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens machte der Kläger sodann weiterhin Aufwendungen für die Errichtung rollstuhlgerechter Rampen in Höhe von 2.500,00 EUR geltend. Er trug dazu vor im Wesentlich vor: Die meisten Rampen bestünden aus einer Kombination von Stufen, für nicht behinderte Mitbewohner, sowie den seitlichen Rollstreifen für Rollstühle. Diese Rampen würden ausschließlich seiner Tochter dienen, da die anderen Bewohner die Treppe und nicht die seitlichen Rampenflächen benutzen würden. Im Übrigen seien solche Rampen Wohnflächenvernichter und somit negativ für den Wert des Hauses. Die behindertengerechte Gestaltung der Wohnung würde den Wert der Wohnung verringern, denn statt der Treppe im Hauseingang mit drei Stufen, würde ein langer Flur von ca. 4,5 m Länge als stufenlose Rampe erstellt werden müssen. Durch diese Maßnahme sei ca. 3,4 qm Wohnfläche verloren gegangen und führe zu einer Wertminderung der Wohnung. Insgesamt seien durch alle Rampen im Innenbereich ca. 6,3 qm Wohnfläche verloren gegangen. Die breiteren Türen hätten einen größeren Aufschlagradius, was zu einer Wert- und Nutzungsminderung führen würde. Es käme zu einer Verringerung der Innenraum-Stellfläche und der Stellfläche an den Wänden.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid wurde aus vorliegend nicht streitbefangenen Gründen am 24. Mai 2006 geändert.

Mit Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2006 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass Mehraufwendungen eines Steuerpflichtigen für die behindertengerechte Ausgestaltung seines neu errichteten Wohnhauses nach BFH BStBl. II 1997, 491 nicht nach § 33 Abs. 2 EStG abziehbar seien, weil der Steuerpflichtige hierfür einen Gegenwert erhalte. Denn die Einrichtungen seien nicht ausschließlich für den Behinderten nutzbar, sondern ebenso von jedem anderen Bewohner des Hauses. Die - nur durch eine fiktive Aufteilung zu ermittelnden - Mehraufwendungen seien auch nicht zwangsläufig, weil nicht eindeutig und anhand objektiver Merkmale zwischen den steuerrechtlich irrelevanten privaten Motiven für die Gestaltung eines Hauses und den nach § 33 Abs. 2 EStG zu berücksichtigenden ausschließlich durch die Behinderung verursachten Aufwendungen unterschieden werden könne.

Der Entschluss zum Bau eines Hauses und dessen Gestaltung seien auch dann, wenn der Steuerpflichtige zum Bau durch einen Unfall oder eine Erkrankung veranlasst worden sei und bei der Gestaltung auf seine Krankheit oder Behinderung oder die eines Haushaltsangehörigen Rücksicht nehme, im Allgemeinen keine zwangsläufigen Folgen der Krankheit oder Behinderung, welche vom menschlichen Willen nicht maßgeblich beeinflusst seien. Denn der Steuerpflichtige sei grundsätzlich in seiner Entscheidung frei, ob er sich zur Befriedigung seiner Wohnbedürfnisse ein Haus bauen wolle oder stattdessen z.B. zur Miete wohne. Das gelte auch dann, wenn ein Steuerpflichtiger oder ein in seinem Haushalt lebender Angehöriger in Folge einer Krankheit oder eines Unfalls in seiner bisherigen Wohnung bzw. in seinem bisherigen Haus nicht wohnen bleiben könne. Wenn er sich in einem solchen Falle zum Bau eines eigenen Hauses entschließe, hänge die konkrete Gestaltung des neuen Hauses noch mehr u.a. von seinem Geschmack, seinen Lebensgewohnheiten usw. ab. Es ließen sich auch grundsätzlich nicht aus den sich gegenseitig bedingenden, miteinander zusammenhängenden Maßnahmen und Entscheidungen bei der Herstellung eines Gebäudes einzelne - wie der Einbau eines Fahrstuhls - also insoweit allein durch die Krankheit oder Behinderung bedingt aussondern; erst recht nicht könnten einheitliche Baumaßnahmen danach gleichsam aufgeteilt werden, was der Steuerpflichtige ohne Rücksichtnahme auf die Behinderung aus freien Stücken getan hätte und wozu er durch diese gezwungen worden sei. Eine solche weitgehend fiktive Betrachtungsweise sei mit im Besteuerungsverfahren kaum lösbaren praktischen Schwierigkeiten verbunden. Vielmehr könne der wegen der behinderten- oder krankheitsgerechten Gestaltung eines Hauses einem Steuerpflichtigen entstehende Mehraufwand nur dann als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn eine eindeutige und anhand objektiver Merkmale durchführbare Unterscheidung zwischen den steuerlich irrelevanten Motiven für die Errichtung und Gestaltung eines Hauses und den ausschließlich durch eine Krankheit oder einen Unfall verursachten Aufwendungen möglich sei, woran es aus den vorgenannten Gründen in aller Regel fehle.

Nicht anders falle die steuerrechtliche Beurteilung der Aufwendungen für die Errichtung eines behindertengerechten Hauses unter dem Gesichtspunkt des Entstehens einer Belastung i.S.d. § 33 EStG aus. Auch Bezugspunkt der Frage nach dem Entstehen oder Fehlen eines Gegenwertes könne im allgemein nur das Haus als Ganzes sein, das ein einheitliches Wirtschaftsgut darstelle. Die einzelnen Einrichtungen und Gegenstandsmerkmale stellten die Faktoren dar, durch welche die Höhe des Gegenwertes des Hauses bestimmt werde. Ob die Ausstattung eines Hauses mit einem Fahrstuhl oder mit einer bestimmten Ausführung von Fenstern und Türen usw. den Wert eines Hauses erhöhen würden und ob sich solche baulichen Maßnahmen bei der künftigen Veräußerung eines Hauses am Grundstücksmarkt mit einem höheren Verkaufspreis nieder schlage, lasse sich nicht in Euro und Cent errechnen und voraussagen. Entscheidend sei, dass der Steuerpflichtige mit solchen Baumaßnahmen keinen verlorenen Aufwand tätige, sondern für seine Aufwendungen Bauleistungen erhalte, die in den Wert des Hauses eingingen.

Auch solche Einrichtungen bzw. baulichen Besonderheiten wie z.B. der Einbau einer Duschtrennwand mit Flügeltür, der Einbau von Rollstuhlrampen und breiteren Türen ließen sich nicht von vorne rein als nur zur Bewältigung der Behinderung des Klägers nützlich verstehen, sondern dürften von jedem Benutzer eines Wohnhauses im Rahmen der für diese kennzeichnende Zweckbestimmung nutzbar sein und daher wertbildende Faktoren für das Gebäude darstellen. Was den Einbau von breiten Türen und den Einbau von Rollstuhlrampen angehe, wie sie bei Benutzung eines Rollstuhls zweckmäßig oder sogar erforderlich seien, handle es sich der Art nach um Maßnahmen an Einrichtungen, die als solche zu den notwendigen Bestandteilen jedes Gebäudes gehörten. Die steuerliche Berücksichtigung der auf sie entfallenden Baukosten werde dementsprechend vom Kläger auch nur insoweit beansprucht, als die besonderen, durch die Behinderung des Klägers bedingten Anforderungen an diese baulichen Einrichtungen Mehrkosten verursacht hätten. Diesem Begehren zu entsprechen würde mithin die fiktive Aufteilung einheitlicher Maßnahmen in einen Kostenteil erfordern, der auch bei einer "normalen" Bauausführung angefallen wäre. Nach alledem seien die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 EStG geltend zu machen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 06. Juli 2006 bei Gericht eingegangenen Klage. Er trägt zur Begründung vor, dass die Wohnungstüren von 87 cm bzw. 76 cm auf 98 cm verbreitert worden seien, damit Isabella mit der entsprechenden Pflegeperson durch die Haustür und durch die verschiedenen Türen im Haus gefahren werden könne. Damit der Zugang zur Dusche erleichtert werde, sei eine Duschtrennwand mit doppelter Flügeltür eingebaut worden. Hierdurch sei eine Zugangsbreite von ca. 80 cm entstanden, die erforderlich sei, damit die Tochter duschen könne. Für diese beiden Maßnahmen sei ein Gesamtbetrag von 2.770,00 EUR aufgewandt worden.

Er habe des Weiteren bei allen Zugängen zum Haus sowie zu den Zugängen zwischen Vorderhaus und Vorderflügel rollstuhlgerechte Rampen gebaut. Die Rampen bestünden aus einer Kombination von Stufen (für die nicht behinderten Bewohner) sowie den seitlichen Rollstreifen für den Rollstuhl der behinderten Tochter. Diese Rampen hätten einen erheblichen Mehraufwand bezüglich Personal- und Materialkosten erfordert:

Spezieller Estrich für schräg verlaufende und gleichmäßige Flächen, Höherer Personalaufwand, da die Rollstreifen nicht einfach anzulegen gewesen seien, Höherer Aufwand an Fliesen- und Fliesenlegekosten.

Er ermittle diese Mehrkosten für die Rampen mit einem Betrag von 2.500,00 EUR.

Der Auffassung des Beklagten könne nicht gefolgt werden. Die Aufteilung der Kosten in denjenigen Aufwand, der für den behindertengerechten Ausbau entstanden sei und denjenigen, der für den sonstigen Umbau entstanden sei, werde nachgereicht. Das BMF habe mit Schreiben vom 14. April 2003 darauf hingewiesen, dass für die steuerliche Anerkennung der Aufwendungen von Eltern erwachsener, behinderter Menschen in vollstationärer Heimunterbringung als außergewöhnliche Belastungen auch Aufwendungen für besondere Pflegevorrichtungen (z.B. Hebelift, Spezialbett) sowie für externe Pflegedienste in der Wohnung der Eltern, um Besuche des behinderten Kindes zu ermöglichen oder zu erleichtern, zu berücksichtigen seien. Nichts anderes könne gelten, wenn das Kind dauerhaft im Haus des Elternteils lebe, da dann die Aufwendung mehr genutzt werde als dann, wenn das Kind in einem Pflegeheim lebe.

Außergewöhnliche Belastungen seien Aufwendungen, die außergewöhnlich seien, weil sie ihrer Art nach außerhalb der üblichen Lebensführung lägen. Es handle sich um Aufwendungen einer Minderheit, die der überwiegenden Mehrheit so nicht entständen. Sowohl die breiten Türen als auch der breitere Duscheinstieg und die Rampen seien behindertengerechte Ausbauten, die ein nicht behinderter Mensch nicht brauche.

Diese Aufwendungen seien dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen könne. Die Tochter habe im Veranlagungszeitraum im Haus des Klägers gelebt. Sie könne im Rollstuhl keine Stufentreppen überwinden, weshalb der Bau der Rampen erforderlich gewesen sei. Sie könne im Rollstuhl auch nicht durch Türen geschoben werden, die lediglich Normalmaß hätten. Es sei ihr daher auch nicht möglich, in eine normale Dusche einzusteigen.

Nach der Gegenwerttheorie sei dem Kläger kein Wert zugeflossen. Denn ein Gegenwert liege nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes dann nicht vor, wenn der im Wege der Vermögensumschichtung gewonnene Wert keine Marktgängigkeit habe, also von der Mehrzahl der Verbraucher nicht als Wert angesehen werde. Ein nicht behinderter Mensch würde die vorliegenden streitbefangenen Umbauten nicht vornehmen, weil sie ihm keine Verbesserung seiner Wohnqualität brächten. Auch gehe durch die vorgenannten Umbauten Wohnraum verloren, was eine Wertminderung des Hauses darstelle. Im übrigen sei der Erhaltungsaufwand für behindertengerechte Einbauten höher als der Erhaltungsaufwand nicht behindertengerechter Häuser, weil die Ersatzteile teurer seien und schwieriger zu beschaffen.

Die Lehre vom Gegenwerte komme schon nicht zum Tragen, wenn der Gegenwert selbst das Mittel zur Beseitigung der Folgen des Ereignisses sei, das die Belastung verursacht habe. So seien Aufwendungen zur Behebung einer Krankheit oder eines Körperschadens ungeachtet des Erhalts eines Gegenwerts stets als typischer Weise unter den Begriff der außergewöhnlichen Belastung fallend anzusehen, denn auch insoweit liege keine Vermögensumschichtung vor, vielmehr handle es sich um wertabfließenden verlorenen Aufwand.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2003 in der Änderungsfassung vom 24. Mai 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2006 bei den außergewöhnlichen Belastungen nach § 33 EStG einen weiteren Betrag von 5.270,00 EUR für den behindertengerechten Umbau der Wohnung Antoniusstraße 10 in Koblenz in Ansatz zu bringen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte tritt der Klage entgegen und nimmt Bezug auf die Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung. Er fügt ergänzend an, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine Belastung i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG nicht vorliege, wenn der Steuerpflichtige Gegenstände anschaffe oder herstellen lasse, die einen wirtschaftlich messbaren Gegenwert oder einen nicht nur vorübergehenden wirtschaftlichen Vorteil zu den aufgewandten Kosten darstellten. Da letztlich nahezu jeder Aufwand zu einem Gegenwert in Form von Gütern oder Dienstleistungen führe, würden im Rahmen der so genannten Gegenwerttheorie nur solche Vorteile berücksichtigt, die auch für andere Personen von Wert sein könnten und damit eine gewisse Marktfähigkeit hätten. Dies sei bei medizinischen Hilfsmitteln nicht der Fall. Dagegen könnten die Mehraufwendungen wegen der behindertengerechten Gestaltung eines für den eigenen Wohnbedarf errichteten bzw. umgebauten Hauses nur dann außergewöhnliche Belastungen sein, wenn eine eindeutige und anhand objektiver Merkmale durchgeführte Unterscheidung zwischen den steuerlich irrelevanten Motiven für die Errichtung und Gestaltung eines Hauses und den ausschließlich durch eine Krankheit oder einen Unfall verursachten Aufwendungen möglich sei und wenn ausgeschlossen sei, dass die durch diese Aufwendungen geschaffenen Einrichtungen jeweils wertbildende Faktoren für das Haus darstellen könnten, wenn also eindeutig verlorener Aufwand vorliege.

Die für die Anwendung der Gegenwerttheorie maßgebliche Fragestellung könne sich jedoch nicht auf die mehr oder weniger spekulative Überlegung richten, ob sich mit mehr oder weniger großer Wahrscheinlichkeit ein Käufer finden werde, der für das Haus einen höheren Preis zahlen werde als er zu zahlen bereit wäre, wenn es bestimmte vom Bauherrn vorgesehene Einrichtungen und Ausstattungsmerkmale nicht gäbe. Aufgrund dieser Sachlage müsse nicht weiter darauf eingegangen werden, dass die angegebenen (geschätzten) Mehrkosten i.H.v. 2.500,00 EUR für die Rollstuhlrampen bislang nicht nachgewiesen worden seien.

In der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 2007 hat der Beklagtenvertreter - nach weiterer Spezifizierung durch den Kläger - die Höhe der teilweise geschätzten Aufwendungen bestätigt; sie wurden von ihm nicht mehr bezweifelt.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage führt in der Sache zum Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte hat zu Unrecht die begehrten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG in Ansatz gebracht.

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klagefrist eingehalten worden. Die streitbefangene Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2006 ist an diesem Tag zur Post aufgegeben worden. Nach der Fiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt der Verwaltungsakt als bekannt gegeben am dritten Tage nach Aufgabe zur Post. Der dritte Tag nach Aufgabe zur Post war der 3. Juni 2006, ein Samstag. Da der folgende Tag ein Sonntag und der darauf folgende Tag ein Feiertag (Pfingsmontag) waren, verlängert sich der Dreitageszeitraum auf den folgenden Werktag (vgl. dazu nur Brockmeyer in Klein, AO, 9.Aufl., § 122 Rz. 52 m.w.N. zur Rspr.), also im Streitfall auf den 6. Juni 2006. Die Monatsfrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO lief daher vom 7. Juni 2006 bis zum 6. Juli 2006 - dem Tag des Eingangs der Klageschrift bei Gericht.

II. 1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

a. § 33 EStG setzt voraus, dass der Steuerpflichtige eine (außergewöhnliche) "Belastung" zu tragen hat. Eine solche liegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht vor, wenn der Steuerpflichtige Gegenstände anschafft, die für ihn einen Gegenwert zu den aufgewandten Kosten darstellen. Denn dann handelt es sich um eine bloße Umschichtung von Vermögenswerten, die den Steuerpflichtigen nicht (außergewöhnlich) "belastet". Nur soweit Werte aus seinem Vermögen oder seinem laufenden Einkommen endgültig abfließen, liegt bei ihm - anders als bei einer reinen Vermögensumschichtung - eine Belastung vor (BFH vom 10. Oktober 1996 III R 209/94, BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491, und vom 15. April 2004 III B 84/03, BFH/NV 2004, 1252).

b. Die außergewöhnliche Belastung muss zudem "zwangsläufig" eintreten. Aufwendungen erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzung ist nur erfüllt, wenn die aufgeführten Gründe der Zwangsläufigkeit von außen auf die Entschließung des Steuerpflichtigen in einer Weise einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann, der Steuerpflichtige also keine tatsächliche Entschließungsfreiheit hat, bestimmte Aufwendungen vorzunehmen oder zu unterlassen. Eine im Streitfall allein in Betracht kommende tatsächliche Zwangslage kann nur durch ein unausweichliches Ereignis tatsächlicher Art begründet werden, nicht jedoch durch eine maßgeblich vom menschlichen Willen beeinflusste Situation (Senatsurteil in BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491 , m.w.N.).

c. Mehraufwendungen eines Steuerpflichtigen für die behindertengerechte Ausgestaltung seines neu errichteten Wohnhauses (z.B. durch Einbau eines Fahrstuhls, einer Bodendusche und Vergrößerung des Bades) sind nach dem Senatsurteil in BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491 nicht nach § 33 Abs. 2 EStG abziehbar, weil der Steuerpflichtige hierfür einen Gegenwert erhält. Denn die Einrichtungen sind nicht ausschließlich für den Behinderten nutzbar, sondern ebenso von jedem anderen Bewohner des Hauses. Die - nur durch eine fiktive Aufteilung zu ermittelnden - Mehraufwendungen sind auch nicht zwangsläufig, weil nicht eindeutig und anhand objektiver Merkmale zwischen den steuerrechtlich irrelevanten privaten Motiven für die Gestaltung eines Hauses und den nach § 33 Abs. 2 EStG zu berücksichtigenden ausschließlich durch die Behinderung verursachten Aufwendungen unterschieden werden kann.

Dieselben Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung des BFH auch für den Fall nachträglicher baulicher Veränderungen eines bestehenden, vom Steuerpflichtigen schon vor der Erkrankung genutzten Einfamilienhauses (vgl. für den Fall des nachträglichen Einbaus eines Fahrstuhls z.B. BFH vom 6. Februar 1997 III R 72/96, BFHE 182, 551, BStBl II 1997, 607 , und BFH in BFH/NV 2004, 1252).

2. Nach diesen Maßstäben kann der Kläger die Aufwendungen für den Einbau einer Flügeltür in der Dusche seines selbst genutzten Wohnhauses als außergewöhnliche Belastungen abziehen. Nach der Rechtsprechung des BFH kann die krankheitsbedingte Notwendigkeit von Renovierungs- und Umbaumaßnahmen im Einzelfall derart im Vordergrund stehen, dass die Kosten außergewöhnliche Belastungen sein können.

a. Der BFH hat dies etwa für möglich gehalten, wenn der Steuerpflichtige infolge einer Erkrankung gezwungen ist, "noch neue Gegenstände" auszuwechseln. Dann kann nicht nur ein Gegenwert fehlen, weil der Steuerpflichtige nichts erhält, was er nicht schon vorher besessen hatte; es kann vielmehr auch der Entschluss zu diesen Aufwendungen ausschließlich durch die Krankheit bedingt und damit zwangsläufig sein (BFH vom 29. November 1991 III R 74/87, BFHE 166, 266, BStBl II 1992, 290, und in BFHE 182, 333, BStBl II 1997, 491). Diese Rechtsprechung gilt aber nur für Umbaumaßnahmen an "noch neuen Gegenständen". Denn nur dann ist davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige keinen Gegenwert erhält und dass die Aufwendungen ausschließlich durch die Krankheit und nicht auch durch die Renovierungsbedürftigkeit - z.B. eines Badezimmers - veranlasst waren (BFH vom 2. Juni 2005 III R 7/04, BFH/NV 2006, 36 zum Umbau eines 19 Jahre alten Badezimmers; zuletzt bestätigt durch BFH vom 25. Januar 2007 III B 103/06, BFH/NV 2007, 891).

Das bedeutet: Da etwa ein behindertengerecht umgebautes Badezimmer nicht nur vom Behinderten selbst, sondern auch von Familienangehörigen oder anderen Personen genutzt werden kann, sind die Aufwendungen für den Umbau wegen des dafür erlangten Gegenwertes grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Nur soweit bei dem Umbau neue oder neuwertige Gegenstände ersetzt werden müssen, können die Kosten hierfür als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein.

b. Auch im Streitfall steht die Umbaumaßnahme derart im Vordergrund, dass die Kosten außergewöhnliche Belastungen darstellen. Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass das komplette Bad im Hinblick auf die Nutzung mittels eines Rollstuhls umgestaltet werden musste. Im Zuge der mithin erforderlichen Neuplanung mussten Dusche, Waschbecken und Toilette versetzt werden; eine rollstuhlgerechte Nutzung des Bades war zuvor nicht möglich gewesen. Der neue Standort der Dusche mit der zwingend erforderlichen neuen Doppelflügeltür hat nun zu der Situation geführt, dass eine Flügeltür und die Badezimmertür in der Weise miteinander kollidieren, dass beide nicht gleichzeitig geöffnet sein können. Hier besteht demnach ständig die latente Gefahr der Beschädigung einer der beiden Türen im Falle eines Zusammenstoßes etwa bei Unachtsamkeit. Der Kläger war sich von Anfang an dieses Nachteils bewusst und hätte ihn gerne vermieden. Da aber weder der neue Standort der Dusche noch der Einbau einer Doppelflügeltür zur Disposition standen, musste der Kläger dieses konstruktive Manko zwangsläufig hinnehmen. Daraus erhellt zugleich, dass die neue Doppelflügeltür letztlich einen negativen Gegenwert hat.

Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass das Finanzgericht Rheinland-Pfalz bereits mit Urteil vom 13. März 2003 (6 K 2614/01, JurisDok) entschieden hat, dass Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wenn eine Terrassen-Schiebetür durch eine Flügeltür ersetzt, um dem auf die Benutzung eines Rollstuhles angewiesenen Sohn der Steuerpflichtigen den schwellenfreien Zugang zur Terrasse zu ermöglichen, sind; ein Gegenwert wird durch den Ersatz einer Schiebetür durch eine Flügeltür nicht geschaffen.

3. Zu berücksichtigen sind auch die Aufwendungen für den nachträglichen Einbau von Rollstuhlrampen. Der Gegenwertgedanke darf nicht überspannt werden (so die h.M., vgl. etwa Nacke in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 33 Rz. 102). Auch der BFH befürwortet - zu Recht - in seiner Rechtsprechung eine maßvolle Anwendung der Gegenwerttheorie. Er stellt in diesem Zusammenhang darauf ab, ob der erworbene Vermögensgegenstand eine gewisse Marktfähigkeit besitzt, die in einem bestimmten Verkehrswert zum Ausdruck kommt.

Bezogen auf den Streitfall stellt sich demnach die Frage, ob die Rollstuhlrampe nur für den Kläger bzw. seine Tochter einen Wert hat und dadurch andere Personen nicht nutzbar ist oder ob der Rollstuhlrampe zu einem behindertengerecht ausgebauten Einfamilienhaus ein eigener Marktwert zuzuerkennen ist. Diese Frage ist nur unter Würdigung der Einzelfallumstände zu beantworten. Das Hessische Finanzgericht hat in seinem Urteil vom 23. Juni 1994 (3 K 2008/93, EFG 1994, 1092) dazu zutreffend ausgeführt: "Ein Blick in die Altersstruktur unserer Gesellschaft zeigt, dass die Zahl alter und gleichzeitig auch gebrechlicher Menschen relativ und absolut gegenüber früheren Zeiträumen gestiegen ist. Daneben gibt es in unserer Gesellschaft eine Vielzahl jüngerer Menschen, die - wie der Kl. - durch Auto- oder Sportunfälle frühzeitig invalide geworden sind und die für eine Übergangszeit oder gar bis an ihr Lebensende auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen oder erheblich geh- und stehbehindert sind. Krankheiten und bleibende Behinderungen bedeuten gleichzeitig für viele Menschen nicht den Verlust ihrer gesellschaftlichen Stellung, sondern stellen für die betroffenen Personen eine persönliche Herausforderung für eine andere Lebensgestaltung dar. Dazu gehört auch die Schaffung einer situationsangepassten persönlichen Lebensumwelt, die dem behinderten Menschen eine weitgehend selbständige Lebensgestaltung ebenso ermöglicht wie die persönliche Kommunikation mit anderen Menschen, die ähnliche Lebensschicksale zu meistern haben. Aus diesen Überlegungen folgt, dass der Bau einer Rollstuhlrampe als behindertengerechter Zugang zum Haus nicht nur den jetzigen Eigentümern des Hauses, besonders dem Kl., dient, sondern dass im Fall des Verkaufs des insgesamt behindertengerecht umgebauten Einfamilienhauses für dieses Grundstück ein eigener Marktwert besteht, der es potentiellen Erwerbern ersparen würde, das Haus für ihre Bedürfnisse umzubauen."

Der Senat kann dahinstehen lassen, ob dieser Ansicht zu folgen ist. Die besonderen Umstände des Streitfalles rechtfertigen jedenfalls nicht die Annahme eines Gegenwerts. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung die Konstruktion der Rampen näher erläutert. Da die Tochter aufgrund ihres Alters auf einen Kinderrollstuhl angewiesen ist, mussten die äußeren Fahrspuren der Rampen enger aneinander liegend geführt werden, um so ein sicheres Hinauf- und Herabfahren zu gewährleisten. Das wiederum führte, wie auch die in der Akte befindlichen Farbfotografien belegen, zu dem gravierenden Nachteil, dass die mittig verbliebenen Trittflächen für die Benutzung durch nichtbehinderte Menschen erheblich kleiner sind als dies im Normalfall gegeben ist. Die Nutzung der Trittflächen ist daher erheblich eingeschränkt. Diese speziell auf die Kindbedürfnisse zugeschnittenen Rampen besitzen keine Marktgängigkeit. Einen Gegenwert im Sinne der Gegenwerttheorie vermag der Senat nicht einmal ansatzweise zu erkennen.

4. Auch hinsichtlich der Aufwendungen für die Türverbreiterungen führt die Klage aus den vorgenannten Gründen zum Erfolg. Der Senat weist in diesem Zusammenhang ergänzend darauf hin, dass der BFH zwar in ständiger Rechtsprechung Aufwendungen für Türverbreiterungen - als Teil weiterer Baumaßnahmen zur behindertengerechten Nutzung selbst genutzten Wohneigentums - grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG anerkennt, wenn es sich um einen Neubau handelt (BFH vom 10. Oktober 1996 III R 209/94, BStBl II 1997, 491). Ausgangspunkt hierfür ist die Feststellung, dass Mehraufwendungen wegen der behindertengerechten Gestaltung eines für den eigenen Wohnbedarf errichteten Hauses nur dann außergewöhnliche Belastungen sein können, wenn sich solche Aufwendungen ausnahmsweise anhand eindeutiger und objektiver, von ungewissen zukünftigen Ereignissen unabhängiger Kriterien von den Aufwendungen unterscheiden lassen, durch die der Steuerpflichtige seinen Wohnbedürfnissen Rechnung trägt, und wenn ausgeschlossen ist, dass die durch diese Aufwendungen geschaffenen Einrichtungen jemals wertbildende Faktoren für das Haus darstellen können; wenn also eindeutig "verlorener Aufwand" vorliegt.

Die Ausgangslage bei der nachträglichen Türverbreiterung im Streitfall ist freilich eine andere. Es ging vorliegend nicht um eine Verbreiterung anlässlich des Ersatzes renovierungsbedürftiger Türen, sondern um eine Verbreiterung ausschließlich zur rollstuhlgerechten Nutzung der Immobilie. Der gesamte, insoweit angefallene Aufwand ist damit ausschließlich behinderungsbedingt. Ein Gegenwert ist angesichts der mit den Türverbreiterungen verbundenen Nachteile (Verkleinerung des nutzbaren Wohnraums) nicht erkennbar.

Der Senat sieht sich damit in Übereinstimmung mit der Beurteilung eines Sachverhalts, über den der BFH zu entscheiden hatte (BFH vom 26. April 2006 III B 113/05, BFH/NV 2006, 1469). Hier lässt der vom BFH dargelegte Tatbestand erkennen, dass das dort beklagte Finanzamt bereits im außergerichtlichen Vorverfahren u.a. die Aufwendungen für nachträgliche Türverbreiterungen und später - während des Klageverfahrens - auch noch die hierauf entfallen Schuldzinsen für die Finanzierung dieser Umbaumaßnahme anerkannt hatte.

III. Der Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO statt zu geben. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Der Senat hat seine Entscheidung unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf der Grundlage der Umstände des Einzellfalls getroffen.

Ende der Entscheidung

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