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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 20.07.2005
Aktenzeichen: 3 K 2382/02
Rechtsgebiete: AO, EigZulG


Vorschriften:

EigZulG § 2
EigZulG § 4
EigZulG § 8
AO § 39 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist, ob den Klägern aufgrund der Ablösung eines Wohnrechts die Eigenheimzulage zusteht.

Die Kläger sind Eheleute. Der Kläger war zusammen mit seinen beiden Geschwistern als Erbe nach seinem am 8. Oktober 1998 verstorbenen Vater eingesetzt. Zur Erbmasse gehörte ein mit einem Einfamilienhaus (Baujahr 1957) bebautes Grundstück in A, ...-Straße, das der Erblasser im Jahr 1959 angeschafft hat. Die Geschwister des Klägers sowie deren Abkömmlinge haben das Erbe ausgeschlagen. Alleiniger Erbe wurde der Kläger. In seinem Testament hatte der Vater seiner im Jahre 1932 geborenen Frau, der Stiefmutter des Klägers, im Wege eines Vermächtnisses ein grundbuchlich abzusicherndes, lebenslängliches und unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem Grundbesitz und dem gesamten Inventar eingeräumt (vgl. das Testament, Bl. 41 ff. Prozessakte). Die angeordnete grundbuchliche Absicherung des vermachten Nießbrauchsrechts ist nie erfolgt. Infolge Gebrechlichkeit der Stiefmutter konnte diese das Recht nicht mehr ausüben. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 24. August 2000 (vgl. Bl. 4 ff. Eigenheimzulageakten - EA - ) verzichtete sie deshalb auf das vermächtnisweise zugewendete dingliche Recht. Zugleich verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung eines Abfindungsbetrages in Höhe von 50.580,-- DM. Seit 30. September 2000 nutzt der Kläger mit seiner Familie das Einfamilienhaus zu eigenen Wohnzwecken. Am 4. März 2002 beantragten die Kläger die Eigenheim- und Kinderzulage für drei haushaltszugehörige Kinder ab dem Jahr 2000. Als Anschaffungskosten legten sie den Abfindungsbetrag i.H.v. 50.580,-- DM, Anschaffungsnebenkosten i.H.v. 1.070,-- DM sowie Reparaturaufwendungen i.H.v. 14.747,-- DM zugrunde. Mit Bescheid vom 15. Mai 2002 setze das Finanzamt die Eigenheimzulage ausgehend von Anschaffungskosten von insgesamt 51.650,-- DM (50.580,-- DM Abfindungszahlung zuzüglich 1.070,-- DM Anschaffungsnebenkosten) auf jährlich 5.792,-- DM fest. Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch machten die Kläger geltend, es seien Anschaffungskosten von 66.397,-- DM zu berücksichtigen. Die Reparaturaufwendungen i.H.v. 14.747,-- DM seien als anschaffungsnahe Aufwendungen anzuerkennen.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2002 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass nach seiner Auffassung aufgrund des unentgeltlichen Erwerbs von Todes wegen der Kläger selbst keine eigenen Anschaffungskosten gehabt habe. Da die Ablösung eines Wohnrechts keinen Anschaffungsvorgang im Sinne des Eigenheimzulagengesetzes - EigZulG - darstelle, sei die Gewährung der Eigenheimzulage nicht möglich. Ferner wies er die Kläger auf die Möglichkeit der Einspruchsrücknahme hin. Daraufhin erklärten die Kläger, mit der Ablösung des Wohnrechts habe der Kläger erstmals die volle Verfügungsmacht und damit wirtschaftliches Eigentum an dem Grundstück erlangt. Der Ablösebetrag stelle Anschaffungskosten dar, die nach dem EigZulG begünstigt seien (Hinweis auf BFH-Urteil vom 21. Juli 1992 IX R 14/89, BStBl II 1993, 484).

Mit Einspruchsentscheidung vom 2. September 2002 änderte das Finanzamt den angefochtenen Bescheid , setzte die Eigenheimzulage anderweitig mit 0,-- € fest und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus: Gemäß § 2 Abs. 1 EigZulG könne der Steuerpflichtige von den Herstellungs- oder Anschaffungskosten einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus oder einer im Inland belegenen eigenen Eigentumswohnung im Jahr der Anschaffung und in den folgenden 7 Jahren die Festsetzung der Eigenheimzulage beantragen, wenn das Objekt zu eigenen Wohnzwecken genutzt werde. Mit dem Tod eines Erblassers gehe der gesamte Nachlass unentgeltlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Alleinerben über. Dieser Vorgang führe nicht zu einer entgeltlichen Anschaffung, wenn keine Abstands- oder Ausgleichszahlungen für die Vermögensübergabe zu leisten seien (Hinweis auf BFH-Urteil vom 24. April 1991 XI R 9/84, BStBl II 1991, 794). Habe der Gesamtrechtsnachfolger ein Vermächtnis zu erfüllen, so stelle dies kein Entgelt für den Erwerb des Erbteils dar und führe nicht zu Anschaffungskosten (Hinweis auf BFH-Urteil vom 17. Oktober 1991 IV R 97/89, BStBl II 1992, 392). Aufwendungen zur Befreiung eines Grundstücks von dinglichen Belastungen seien nach der ständigen Rechtsprechung des BFH als nachträgliche Anschaffungskosten des Grundstücks beurteilt worden (Hinweis auf BFH-Urteile vom 21. Dezember 1982 VIII R 215/78, BStBl II 1983, 410 und vom 28. November 1991 XI R 2/87, BStBl II 1992, 381). Die Ablösung eines Wohnrechts stelle für sich allein keinen Anschaffungsvorgang dar. Dadurch werde keine Wohnung angeschafft, sondern lediglich ein auf der Wohnung lastendes Wohnrecht abgelöst (Hinweis auf FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17. August 1998 III 635/93). Im vorliegenden Fall sei das Eigentum am bebauten Grundstück - nach Erbausschlagung durch die Geschwister - unentgeltlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge direkt vom Erblasser auf den Kläger als Alleinerben übergegangen. Die Belastung des Anwesens durch das lebenslängliche, unentgeltliche Wohnrecht für die Stiefmutter führe zu keiner anderweitigen Beurteilung des Vermögensüberganges. Aufgrund des unentgeltlichen Übergangs könne der Kläger keine Eigenheimzulage beanspruchen. Er hätte bei Erfüllung der persönlichen Fördervoraussetzungen lediglich eine Eigenheimzulagenberechtigung des Erblassers bis zum Ende des Förderzeitraums in Anspruch nehmen können. Da der Erblasser das Grundstück aber im Jahr 1959 angeschafft habe, sei ein eventueller 8-jähriger Förderzeitraum ab Anschaffung bereits abgelaufen gewesen. Somit sei dem Kläger auch die Möglichkeit genommen, den als nachträgliche Anschaffungskosten zu beurteilenden Abfindungsbetrag für das Wohnrecht geltend zu machen. Die Ablösung eines Wohnrechts stelle keinen eigenen Anschaffungsvorgang i.S. des EigZulG dar und rechtfertige somit auch nicht den Beginn eines neuen Förderzeitraums. Es sei dadurch nicht ein begünstigtes Objekt angeschafft, sondern lediglich eine Last auf einem bereits im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unentgeltlich angeschafften Objekt abgelöst worden. Die Argumentation der Kläger, dass mit Ablösung des Wohnrechts erstmals wirtschaftliches Eigentum erlangt worden sei, treffe nicht zu. Denn die Belastung des Objekts mit dem Wohnrecht habe den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 AO) nicht gehindert. Das BFH-Urteil vom 21. Juli 1992 führe zu keinem anderen Ergebnis. In dieser Entscheidung führe der BFH aus, dass die Ablösung eines Wohnrechts zu "nachträglichen" Anschaffungskosten führe, die im Urteilsfall über die Absetzung für Abnutzung gemäß § 7 Abs. 4 EStG als Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung berücksichtigt werden könnten. Die Ablösung des Wohnrechts sei auch nicht als Erbauseinandersetzung mit Spitzenausgleich, der zu Anschaffungskosten führe, zu betrachten. Der Kläger sei nach Erbausschlagung seiner Geschwister Alleinerbe des Grundbesitzes geworden. Eine Erbengemeinschaft mit seiner Stiefmutter habe nie bestanden. Eine Beurteilung der Reparaturaufwendungen als anschaffungsnaher Aufwand komme nicht in Betracht (wird ausgeführt).

Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Festsetzung der Eigenheimzulage in der in dem ursprünglichen Bescheid vom 15. Mai 2002 festgesetzten Höhe. Zur Begründung führen sie aus: Soweit der Beklagte die Rechtsauffassung vertrete, dass die Ablösung eines Wohnrechts gegen Entgelt nicht zu Anschaffungskosten i. S. § 2 Abs. 1 EigZulG führe, könne dem nicht zugestimmt werden. Der BFH habe in seinem Urteil vom 21. Juli 1992 entschieden, dass die Ablösung eines auf Grund eines Vermächtnisses eingeräumten Wohnungsrechts Anschaffungskosten darstellten, auch wenn das Nutzungsrecht oder das Grundstück unentgeltlich erworben worden sei. Der diesem Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt sei mit demjenigen des Streitfalles vergleichbar. In beiden Fällen hätten die Kinder des Erblassers als Erben ein Wohngrundstück unentgeltlich erhalten, während der überlebenden Ehefrau durch Testament ein unbefristetes Wohnungsrecht im Erbgrundstück eingeräumt worden sei. In der Folgezeit sei das dingliche Wohnrecht aufgehoben und gegen Zahlung einer Abfindung in Geld abgelöst worden. Wie der BFH hierzu ausführe, stelle die Ablösung des Wohnrechts - nachträgliche - Anschaffungskosten dar und dies gelte auch dann, wenn das Wohnungsrecht unentgeltlich eingeräumt oder das Grundstück unentgeltlich erworben worden sei. In seinem Urteil vom 10. April 1991 (XI R 7, 8 /84) habe der BFH darüber zu entscheiden gehabt, ob die Einräumung eines Nutzungsrechts für den bisherigen Eigentümer bei Übertragung eines Grundstücks im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ein Entgelt darstelle. Diese Frage habe er verneinend entschieden. Im Streitfall gehe es aber nicht um die Einräumung, sondern um die Ablösung eines Nutzungsrechts. Der Beklagte verkenne, dass das der Stiefmutter des Klägers auf Lebenszeit eingeräumte unentgeltliche Wohnrecht am Einfamilienhaus keine Entstehung und Tilgung eines Erbenersatzanspruchs i. S. § 1934 a BGB sei. Das dingliche Wohnrecht sei ihr durch Testament des Vaters des Klägers eingeräumt worden. Dem BFH-Urteil vom 17. Oktober 1991 (IV R 97/89) liege ein anderer Sachverhalt zugrunde, weshalb es für die Beurteilung nicht angeführt werden könne. Das BFH-Urteil vom 24. April 1991 (XI R 9/84) betreffe ebenfalls einen anderen Sachverhalt. Hier habe sich der Übernehmer des Vermögens im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge verpflichtet, den Übergeber in alten und kranken Tagen zu pflegen. Diese Versorgungsleistung sei, da aufschiebend bedingt und auch sonst nicht zur Gegenleistung für die Übertragung des Vermögens rechnend, nicht als Anschaffungskosten anerkannt worden. Bereits im Urteil vom 21. Dezember 1982 (VIII R 215/78) habe der BFH entschieden, dass Zahlungen zur Befreiung eines Grundstücks von einer dinglichen Belastung eines Grundstücks Anschaffungskosten seien. Die dingliche Belastung habe im Urteilsfall in einer auf dem Erbbaurechtsgrundstück lastenden Grundschuld bestanden, die der Grundstückseigentümer zur Ablösung übernommen habe. In einem weiteren Urteil vom 28. November 1991 (XI R 2/87) habe der BFH ebenfalls entschieden, dass die Ablösung eines Wohnrechts zu nachträglichen Anschaffungskosten führe. Weitere BFH-Urteile, in denen die Ablösung von dinglichen Wohnrechten als Anschaffungskosten beurteilt würden, seien im BStBl II 1993, 486 und 488 veröffentlicht. In dem BFH-Urteil vom 11. März 1992 (X R 113/89) habe der BFH entschieden, dass der Vorkostenabzug nach § 10 e Abs. 6 EStG auch bei unentgeltlichem Erwerb der Wohnung zustehe. Die Verwaltungsanweisungen zu § 10 e EStG und die von der Rechtssprechung dazu entwickelten Grundsätze hätten weitgehend Geltung auch für die Gesetzesbestimmungen des EigZulG. Der im Einspruchsverfahren gestellte Antrag auf Berücksichtigung der Reparaturaufwendungen als nachträgliche Herstellungskosten werde nicht mehr aufrecht erhalten.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Einspruchsentscheidung vom 02. September 2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt noch aus: Er bezweifele nicht grundsätzlich das Entstehen von nachträglichen Anschaffungskosten durch Ablösung eines Wohnrechts. Im Streitfall gehe es jedoch um die Frage, ob nach einem Erwerb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ein Anschaffungsvorgang im Sinne des EigZulG vorliege, wenn ein Wohnrecht durch Zahlung eines Ablösebetrags abgefunden werde. Dies aber sei zu verneinen. Das bebaute Grundstück sei unentgeltlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge im Jahr 1999 auf den Kläger übergegangen. Die Belastung durch das Wohnrecht habe zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung geführt. Die Ablösung des Wohnrechts im Jahr 2000 durch Zahlung eines Betrages i.H.v. 50.580,-- DM stelle keinen eigenen Anschaffungsvorgang dar. Das bereits im Eigentum des Klägers stehende Grundstück sei lediglich von der dinglichen Belastung befreit worden. Begrifflich stelle die Ablösezahlung zwar nachträgliche Anschaffungskosten dar, jedoch keinen eigenen Anschaffungsvorgang, der den Beginn eines gem. § 3 EigZulG begünstigten Förderzeitraums rechtfertige. Das von den Klägern zitierte Urteil des BFH vom 21. Juli 1992 sei nicht einschlägig. Dort hätten die nachträglichen Anschaffungskosten für die Ablösung eines Wohnrechts zwar berücksichtigt werden können, jedoch nicht im Rahmen einer Wohneigentumsförderung, sondern über eine Abschreibung für Abnutzung bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Gründe

Die Klage, über die der Senat im Einvernehmen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 90 Abs. 2 FGO), ist begründet. Den Klägern steht ein Anspruch auf Eigenheimzulage für das Objekt in A, ...-Straße, zu. Die Zahlung zur Ablösung des Nießbrauchsrechts stellt einen nach dem EigZulG begünstigten Anschaffungsvorgang dar.

Nach § 1 EigZulG haben unbeschränkt Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anspruch auf Eigenheimzulage nach Maßgabe der folgenden Vorschriften: Begünstigt ist nach § 2 EigZulG die Herstellung oder Anschaffung einer Wohnung in einem im Inland belegenen eigenen Haus oder einer im Inland belegenen eigenen Eigentumswohnung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG). Der Anspruch entsteht mit Beginn der Nutzung des hergestellten oder angeschafften Objektes, § 10 EigZulG. Bemessungsgrundlage sind gemäß § 8 Satz 1 EigZulG die Herstellungskosten oder Anschaffungskosten der Wohnung zuzüglich der Anschaffungskosten für den dazugehörigen Grund und Boden. Voraussetzung für die Gewährung der Eigenheimzulage ist danach unter Anderem, dass der Antragsteller die Wohnung angeschafft hat und er Eigentümer der Wohnung ist. Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschriften des EigZulG nicht eindeutig, ob er die Anschaffungskosten selbst getragen haben muss oder ob auch ein unentgeltlicher Erwerb begünstigt sein kann. Aus der Rechtsprechung des BFH zu den Bestimmungen der Eigenheimförderung nach § 10e EStG, die von den für den Streitfall maßgeblichen Vorschriften des EigZulG ab dem 01. Januar 1996 weitgehend fortgeführt wurden, ergibt sich, dass nur eigene Aufwendungen des Steuerpflichtigen begünstigt sind, die ihm in Form von Anschaffungs- oder Herstellungskosten entstanden sind. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift soll nur derjenige gefördert werden, der auch durch derartige Aufwendungen belastet ist. Zwar hat der Kläger das Eigentum an dem Grundstück in A unentgeltlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erlangt. Ihm sind aber durch die Zahlung einer Abfindung zur Ablösung des Nießbrauchsrechts - nachträgliche - Anschaffungskosten entstanden.

Anschaffen bedeutet zunächst den Erwerb eines Wirtschaftsguts (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1993 X R 53/91, BStBl II 1993, 346). Angeschafft ist ein Wirtschaftsgut in dem Zeitpunkt, in dem der Erwerber die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt (vgl. Glanegger in Schmidt, EStG, Kommentar, 23. Aufl., § 6 Rdnr. 82). Dies vollzieht sich regelmäßig durch den Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten (Schmidt a.a.O). Im Streitfall hat der Kläger im Zeitpunkt der Übertragung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge auch das wirtschaftliche Eigentum an dem Einfamilienhaus erlangt. Die Bestellung eines Nießbrauchsrechts im Sinne von §§ 1093, 1031 ff BGB an dem Grundbesitz zugunsten seiner Stiefmutter hinderte nicht den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Kläger. Denn nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) wird ein Wirtschaftsgut einem anderen als dem Eigentümer nur dann zugerechnet, wenn er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, d.h. wenn der Herausgabeanspruch des Eigentümers wirtschaftlich keine Bedeutung hat (vgl. BFH-Urteile vom 5. Mai 1983 IV R 43/80, BStBl II 1983, 631 und vom 24. Juli 1991 II R 81/88, BStBl II 1991, 909). Die Stiefmutter des Klägers war aber aufgrund ihrer Rechtsposition nicht in der Lage, den Kläger auf Dauer von der Einwirkung auf das belastete Wirtschaftsgut auszuschließen. Dies gilt unabhängig davon, dass das Nießbrauchsrecht als dingliches Recht mangels einer Eintragung im Grundbuch nicht zur Entstehung gelangt ist (vgl. § 873 Abs. 1 BGB). Denn die Befugnis zur Veräußerung oder dinglichen Belastung des Grundstücks stand dem Kläger trotz des schuldrechtlichen Anspruchs der Stiefmutter uneingeschränkt zu. Seine Stiefmutter konnte ihn von der Verwertung des Grundstücks nicht ausschließen. Demgemäß geht der BFH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Begründung eines lebenslänglichen Vorbehaltsnießbrauchs nicht den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Nießbrauchbesteller verhindert (vgl. BFH-Urteile vom 8. Dezember 1983, IV R 20/82, BStBl II 1984, 202 und vom 24. Juli 1991 II R 81/88, a.a.O.). Entsprechendes gilt für ein Vorbehaltswohnungsrecht (vgl. Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 28. Mai 1991, 1 K 181/90, EFG 1991, 611). Damit lag der unentgeltliche Anschaffungsvorgang in Bezug auf das Einfamilienhaus in der Übertragung des - allerdings um das Nutzungsrecht geminderte - Eigentums im Wege der Gesamtrechtsnachfolge.

Nach der Rechtsprechung des BFH sind aber auch Zahlungen zur Ablösung eines auf Grund eines Vermächtnisses eingeräumten Wohnungsrechts grundsätzlich als - nachträgliche - Anschaffungskosten zu beurteilen (vgl. BFH-Urteile vom 12. Februar 1992 XI R 8/89, BFH/NV 1992, 400, vom 21. Juli 1992 IX R 14/89, BStBl II 1993, 484 und vom 15. Dezember 1992 IX R 323/87, BStBl II 1993, 488). Zwar ist diese Rechtsprechung zu § 7 Abs. 1 und 4 und § 9 EStG und dabei zu der Frage der zeitanteiligen Berücksichtigung nachträglicher Anschaffungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ergangen. Der Begriff der Anschaffung im EigZulG ist aber der gleiche wie im EStG (vgl. FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. März 2000 2 K 354/98, EFG 2000, 723; Erhard in Blümich, EStG, KStG, GewStG, EigZulG, § 2 Rdnr. 46; Hildesheim, Haus- und Grundbesitz im Steuerrecht, Bd. 2, 30040, Rdnr. 166). Fraglich ist allerdings, ob die Ablösung eines Wohnrechts und damit die Befreiung des Eigentums von einer Belastung in jedem Fall, also etwa auch dann zu eigenheimzulagenrechtlich berücksichtigungsfähigen - nachträglichen - Anschaffungskosten führt, wenn der Antragsteller die Wohnung nicht oder nicht unmittelbar nach Ablösung des Wohnrechts zu eigenen Wohnzwecken nutzt (vgl. zu dieser Konstellation Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Urteil vom 17. August 1998 III 635/93, EFG 1998; vgl. aber auch Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 17. März 2004 1 K 212/02, EFG 2004, 1029). Nach Auffassung des erkennenden Senats sind Aufwendungen zur Ablösung eines Wohnrechts oder eines unentgeltlichen Nießbrauchsrechts aber jedenfalls dann als - nachträgliche - Anschaffungskosten im Sinne des EigZulG anzusehen, wenn die Aufwendungen eine Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken rechtlich erst ermöglichen. Schließt ein bestehendes Wohnrecht das selbst Bewohnen durch den Eigentümer aus, wird mit der Zahlung einer Ablösesumme nicht lediglich das Eigentum von einer Belastung befreit, sondern es werden zugleich erstmals die Voraussetzung für eine Förderung nach dem EigZulG geschaffen. Denn nach § 4 EigZulG besteht ein Anspruch auf Eigenheimzulage nur für Kalenderjahre, in denen die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Insoweit ist die Ablösung eines Wohnrechts der Herstellung oder dem Erwerb eines Hauses oder einer Wohnung gleich zu achten und die hierfür getätigten Aufwendungen sind als Anschaffungskosten zu berücksichtigen.

Hiervon ausgehend stellen die Zahlungen des Klägers zur Abfindung des Nießbrauchsrechts Anschaffungskosten dar. Der Stiefmutter des Klägers stand ein lebenslängliches und unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem Grundbesitz und dem gesamten Inventar zu. Eine Nutzung des Anwesens zu eigenen Wohnzwecken war damit für die Dauer des Bestehens des Nießbrauchsrechts ausgeschlossen. Erst mit dem im Jahr 2000 vereinbarten Verzicht auf das der Stiefmutter vermächtnisweise zugewendete Recht wurden die rechtlichen Voraussetzungen für eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken durch den Kläger und seine Familie geschaffen. Anders als in dem von dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht entschiedenen Fall (a.a.O.) hat der Kläger mit seiner Familie das Einfamilienhaus unmittelbar nach der Ablösung des Wohnrechts bezogen. Die Zahlung des Abfindungsbetrages führt damit zu nachträglichen Anschaffungskosten im Sinne der Vorschriften des EigZulG.

Die in dem ursprünglichen Bescheid vom 15. Mai 2002 enthaltene Festsetzung der Eigenheimzulage, die auch der Höhe nach den gesetzlichen Bestimmungen (§ 9 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 EigZulG in der im Streitjahr 2000 geltenden Fassung) entspricht, ist daher zu Recht erfolgt. Die diesen Bescheid ändernde Einspruchsentscheidung, mit der die Eigenheimzulage auf 0,-- € festsetzt wird, ist daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, weil der Frage, ob Aufwendungen zur Ablösung eines Wohnrechts Anschaffungskosten im Sinne des EigZulG darstellen, grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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