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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 03.04.2008
Aktenzeichen: 4 K 2075/06
Rechtsgebiete: BewG, II. BVO, FGO


Vorschriften:

BewG § 79 Abs. 2 Nr. 1
II. BVO § 42 Abs. 4 Nr. 1
FGO § 68
FGO § 100 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

4 K 2075/06

Einheitsbewertung auf den 01.01.2006;

Grundsteuermessbetrag auf den 01.01.2006

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 4. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung

vom 3. April 2008

durch

den Richter am Finanzgericht als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Von den Kosten des Verfahrens hat der Kläger bis zum 10. Juli 2007 9/10 und der 1/10 zu tragen. Die danach angefallenen Kosten des Verfahrens hat der Kläger alleinig zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten zu Gunsten des Klägers vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Eigentümer des Einfamilienhauses in B, S-Str. Er hatte das Gebäude im Jahr 1994 fertig gestellt. Im Rahmen der Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1995 hatte er mit Schreiben vom 8. Februar 1998 mitgeteilt, dass das Haus ab Dezember 1994 bezugsfertig sei und das Dachgeschoss zum Ausbau vorbereitet werde. Die Räume im Kellergeschoss würden als Heizungs-, Öllager und Abstellraum genutzt. Die Doppelgarage sei ab August 1995 fertig gestellt. Mit Bescheid vom 17. März 1998 hatte der Beklagte daraufhin den Einheitswert auf den 1. Januar 1995 auf 47.200,00 DM im Rahmen einer Art- und Wertfortschreibung festgestellt und den Grundsteuermessbetrag auf den 1. Januar 1995 auf 122,27 DM im Rahmen einer Neuveranlagung festgesetzt. Die Fertigstellung der Garagen im Jahr 1995 hatte auf den 1. Januar 1996 zu keiner Wertfortschreibung geführt.

Mit Schreiben vom 3. Februar 2006 übersandte der Beklagte einen Fragebogen zur Feststellung des Einheitswerts. Hierauf erwiderte der Kläger mit Schreiben vom 6. März 2006, dass er auf dem Grundstück keine Veränderung vorgenommen habe. In zwei Räumen des Obergeschosses habe er neue Deckenverkleidungen angebracht und Renovierungsarbeiten durchgeführt. Eine bewertungsrechtliche Nutzungsänderung oder Änderung des Hausstandards sei damit nicht verbunden. Im Schreiben vom 28. März 2006 erklärte er unter Vorlage eines Grundrissplans, dass die im Dachgeschoss als "Wohnraum" bzw. als "Trockenraum" bezeichneten Räume auch weiterhin Speicherräume seien, auch wenn er zwei Räume zwischenzeitlich renoviert habe.

Eine am 26. April 2006 erfolgte Ortsbesichtigung ergab folgendes: Im Dachgeschoss wurden Räume gegenüber der Abschlusstür (im Plan als Bodenraum 1 und 2 bezeichnet) sowie der Flur fertig gestellt. Die Decken sind mit Panelen verkleidet, die Wände wurden tapeziert und auf dem Boden Laminat verlegt. Die Räume können beheizt werden. Auf den Inhalt des Vermerks vom 26. April 2006 über die erfolgte Ortsbesichtigung vom 25. April 2006 und auf dem mit Schreiben des Klägers vom 28. März 2006 übersandten Grundrissplan des 1. Obergeschosses (Bl. 32 f. der Einheitswertakten) wird ergänzend Bezug genommen.

Mit Einheitswertbescheid vom 10. Mai 2006 stellte der Beklagte den Einheitswert zum 1. Januar 2006 auf 31.086,00 EUR fest und setzte den Grundsteinmessbetrag zum 1. Januar 2006 auf 80,82 EUR fest. Im Rahmen der erfolgten Wertfortschreibung wurden auch die im Jahr 1995 fertig gestellten Garagen mit einbezogen.

Der hiergegen eingelegte Einspruch, der darauf gestützt wurde, dass es sich bei den beiden streitbefangenen Räumen weiterhin um Zubehör- bzw. Wirtschaftsräume handle, die der Klägerin weiterhin als solche und nicht zu Wohnzwecken nutze, blieb ohne Erfolg.

Der Beklagte führte in der Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2006 im Wesentlichen aus, dass nach § 79 Abs. 2 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes -BewG- für eigengenutzte und ungenutzte Grundstücke oder Grundstücksteile die übliche Miete als Jahresrohmiete anzusetzen sei. Diese sei nach A 21 Abs. 3 der Bewertungsrichtlinien -BewR- eine Sollmiete. Es komme daher im Gegensatz zur Ansicht des Klägers nicht auf die tatsächliche, sondern nur auf die mögliche Nutzung an. Im Streitfall seien die ausgebauten Räume als Wohnzwecke nutzbar, so dass der Beklagte diese Räume zutreffend als (Soll)-Wohnraum bewertet habe. Ergänzend wird auf den Inhalt der Aktenausfertigung der Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2006 (Bl. 49 ff. der Einheitswertakten) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Die Auffassung des Beklagten, allein eine theoretische Nutzung von Räumen zu Wohnzwecken genüge bereits für eine Einbeziehung in die Wohngröße, die wiederum Grundlage für die Einheitsbewertung sei, sei unzutreffend. Soweit bei der Ermittlung der üblichen Miete als Jahresrohmiete nach § 79 BewG die Wohnfläche zu Grunde zu legen sei, sei diese gem. den §§ 42 bis 44 der 2. Berechnungsverordnung vom 1. August 1963 - II. BV- zu berechnen (Hinweis auf Abschn. 23 Abs. 2 Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens -BewRGr-). Nach § 72 Abs. 4 Nr. 1 II BVO in der hier maßgeblichen Fassung gehöre zur Wohnfläche nicht die Grundfläche von Zubehörräumen, wobei hier ausdrücklich Dachböden genannt würden. Ebenfalls nicht zur Wohnfläche gehörten nach § 42 Abs. 4 Nr. 2 II BVO die Grundfläche von Wirtschaftsräumen, bspw. Abstellräumen und ähnlichen Räumen. Feststellungen, dass die streitbefangenen Räumlichkeiten tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt würden, habe der Beklagte nicht getroffen. Bei der Ortsbesichtigung vom 26. April 2006 sei er lediglich zu dem Ergebnis gekommen, dass einzelne Räume weiter ausgebaut worden seien und diese sich nunmehr auch zu Wohnzwecken eigneten. Maßgeblich sei allerdings, dass die fraglichen Räume tatsächlich nicht zu Wohnzwecken genutzt würden. Da es auf die tatsächliche Nutzung zu Wohnzwecken ankomme (Hinweis auf Gürsching/Stenger, BewG, § 79 BewG Amm. 86) müsse es bei der ursprünglichen Berechnung der Wohnfläche ausweislich des Bescheides vom 17. März 1998 verbleiben.

Ungeachtet der fehlenden Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung müssten bei der Ermittlung der Wohnfläche ein Abzug von 3 v.H. für Putz und 10 v.H. für Verkehrsflächen - wie der Beklagte selbst in seinem Schreiben vom 19. Juni 2006 eingeräumt habe - noch vorgenommen werden.

Der Beklagte hat mit geändertem Einheitswertbescheid und Grundsteuermessbescheid vom 10. Juli 2007 einen Abzug von 3 v.H. für Putz und 10 v.H. für Verkehrsflächen vorgenommen und insoweit den Einheitswert auf 30.421,00 EUR festgestellt und den Grundsteuermessbetrag auf 79,09 EUR festgesetzt.

Der Kläger beantragt,

den Einheitswert- und Grundsteuermessbescheid auf den 1. Januar 2006 vom 10. Juli 2007 ersatzlos aufzuheben,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass § 79 Abs. 2 Nr. 1 BewG auch für ungenutzte Grundstücksteile gelte und bezieht sich insoweit auf das BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994, II R 104/91, BStBl II 1995, 360, das der Kläger insoweit für nicht einschlägig hält.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Einheitswert- und Grundsteuermessbescheid auf den 1. Januar 2006 vom 10. Juli 2007, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung -FGO- Gegenstand des Klageverfahrens wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), denn die Wertermittlung anhand der nunmehr zugrunde gelegten Wohnfläche begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

1. Danach hat der Beklagte die beiden im Obergeschoss zum 1. Januar 2006 fertig gestellten Räume im Ergebnis zutreffend in die Wohnflächenberechnung zur Ermittlung der Jahresrohmiete nach § 79 Abs. 2 Nr. 1 BewG mit einbezogen. Denn im Falle einer Fremdvermietung hätte hierfür auch ein entsprechendes Entgelt gefordert werden können, welches so in die Jahresrohmiete eingeflossen wäre. Allein diese Sichtweise wird dem in § 79 Abs. 2 Nr. 1 BewG geregelten Ertragswertverfahren mittels Ansatzes einer Jahresrohmiete im Interesse der Praktikabilität eines Massenbewertungsverfahrens gerecht (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 10. August 1984 III R 41/75, BStBl II 1985, 36). In diesem Sinne weist Halaczinsky (in Rössler/Troll, BewG, § 79 Rz 37 unter Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs -RFH- vom 13. Oktober 1938 III 343/37, RStBl S. 1138) darauf hin, dass insoweit auch der teilweise Leerstand von Räumen trotz ihrer objektiv ganzjährigen Nutzbarkeit bei der Bewertung unberücksichtigt bleibt. Dementsprechend hindert nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 II R 104/91, BStBl II 1995, 360) auch eine nur vorübergehende Nutzungsbeeinträchtigung von Räumen nicht den Ansatz einer üblichen Miete als Jahresrohmiete. Danach hat lediglich eine Unbenutzbarkeit von Räumen auf Dauer Auswirkungen auf den Einheitswert.

2. Soweit nach Auffassung des BFH (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1987 II R 234/81, BFH/NV 1988, 351, ihm folgend Halaczinky in Rössler/Troll,a.a.O., § 79 Rz 68) bei der Schätzung der üblichen Miete auch außerhalb der eigentlichen Wohnung liegende Räume im Keller oder Dachgeschoss zu erfassen sind, die baurechtlich nicht als Aufenthaltsräume anzusehen sind, tatsächlich aber - wie hier - als solche genutzt werden, folgt für das Gericht im Umkehrschluss hierzu, dass jedweder Raum, der die Voraussetzungen für einen Aufenthaltsraum nach den Vorgaben der Landesbauordnung erfüllt, auch soweit er nach der II. BVO nicht zur Wohnfläche gehören sollte, jedenfalls bei der Schätzung der üblichen Miete noch zusätzlich zu erfassen wäre.

3. Insoweit kommt es im Ergebnis auch nicht darauf an, ob die beiden streitbefangenen als Speicherraum deklarierten Räume im 1. Obergeschoss tatsächlich in die Wohnflächenberechnung nach der II. BVO unmittelbar mit einzubeziehen wären. Eine Einbeziehung erfolgte jedenfalls mittelbar - und damit im Ergebnis mit derselben steuerlichen Auswirkung - durch eine im Schätzungswege Erhöhung der üblichen Miete für die beiden Räume. Aus diesem Grunde bedarf die Frage der unmittelbaren Einbeziehung der beiden Räume in die Wohnfläche keiner abschließenden Entscheidung, obwohl hierfür nach dem Grundrissplan (vgl. Bl. 32 der Einheitswertakten) spricht, dass sich die die beiden Räume auf derselben Etage wie das im Plan eingezeichnete Schlafzimmer, das tatsächlich - nach den Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren - als Arbeitszimmer seiner Ehefrau genutzt wird. Hiernach wären die streitbefangenen Räume innerhalb des Wohnbereichs des Obergeschosses nicht als Zubehör- oder Wirtschaftsräume anzusehen. Nach dem BFH-Urteil vom 28. Januar 1987 II R 234/81 gehören auch Abstellräume innerhalb der Wohnung nach § 42 Abs. 4 Nr. 1 II. BVO zu der zu berücksichtigenden Wohnfläche. Entscheidend ist insoweit nach Auffassung des BFH nicht die Nutzung des Raumes, sondern seine Lage innerhalb der Wohnung.

4. Soweit der Kläger sich für seinen Rechtsstandpunkt auf die Kommentierung von Gürsching/Stenger, BewG, § 79 BewG Amm. 86 beruft, hält das Gericht den insoweit beanspruchten Aussagegehalt für nicht zwingend. Denn andererseits werden hiernach in der Kommentierung ausdrücklich auch nur die herkömmlichen Keller- und Dachräume außerhalb des Wohnungsbereichs, die baurechtlich nicht den dauernden Aufenthalt gestatten, aus der Wohnflächenberechnung herausgenommen. Jedenfalls folgt das Gericht dem insoweit prägnanter formulierten Aussagegehalt in der Kommentierung von Halaczinsky in Rössler/Troll, a.a.O., der diese aus der bisherigen BFH-Rechtsprechung folgerichtig ableitet.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO und, soweit der Beklagte der Klage teilweise abgeholfen hat und hierdurch eine Teilerledigung eingetreten ist, aus § 138 Abs. 2 FGO.

III. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf §§ 151 Abs. 2 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713 der Zivilprozessordnung -ZPO-.

III. Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Art nicht vorliegen. Das Gericht sieht keinen Widerspruch zwischen den Auffassungen der Autoren in den Kommentierungen in Gürsching/Stenger einerseits und Rössler/Troll andererseits. Die maßgeblichen Gründe, auf die sich das Gericht vorliegend gestützt hat, sind durch die bisherige BFH-Rechtsprechung hinlänglich geklärt. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ergibt sich nicht bereits daraus, dass sich der BFH mit bestimmten Rechtsfragen noch nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat, denn hieraus allein folgt nicht, dass sie klärungsbedürftig sind (vgl. BFH-Beschluss vom 29. März 1995 II B 129/94, BFH/NV 2000, 391).

Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

Verkündet am: 03.04.2008

Ende der Entscheidung

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