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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 19.11.2007
Aktenzeichen: 5 K 2818/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 7 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

5 K 2818/04

Gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2002

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 5. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19. November 2007

durch

die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht

den Richter am Finanzgericht

die Richterin am Finanzgericht

den ehrenamtlichen Richter

den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 3. November 2004 wird der Bescheid für 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 17. Mai 2004 dahingehend geändert, dass bei der Gewinnermittlung ein AfA-Satz von 3% ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 4.240.412,-- EUR zu Grunde gelegt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin und der Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten zu Gunsten der Kläger vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für die von der Klägerin errichteten und vermieteten Gebäude der Abschreibungssatz 4% beträgt.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der die Herren N und B zu je 50 v.H. beteiligt sind. Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks J-Straße in U. Auf diesem Grundstück hat die Klägerin ein Alten- und Pflegeheim errichtet, das am 31. August 1997 bezugsfertig war. Die Herstellungskosten betrugen bis zum Streitjahr 2.592.630,72 EUR. Die Klägerin verpachtete das Alten- und Pflegeheim an die Seniorenresidenz H GmbH und erzielt hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Ihren Gewinn ermittelt sie nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes -EStG-.

In den Jahren 1997 bis 2001 beantragte die Klägerin für das vorgenannte Gebäude eine AfA gem. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG von 2,5 v.H., dem der Beklagte folgte.

Im Dezember 2002 wurde ein Anbau fertig gestellt, dessen Herstellungskosten sich auf 1.647.782,41 EUR beliefen. Bei dem Anbau handelt es sich um keinen selbständigen Gebäudeteil. In der Feststellungserklärung für 2002 begehrte die Klägerin eine AfA von 2,5 v.H. für den Altbestand bis zur Fertigstellung des Anbaus und ab 1. Dezember eine AfA von 4 v.H. für den "Restbuchwert" des Altbestandes zum 30. November sowie für den Anbau (AfA-Betrag in Höhe von 72.397,63 EUR). Diese Behandlung stützte sie auf ein Gutachten ihres Gesellschafters B in seiner Eigenschaft als vereidigter und öffentlich bestellter Sachverständiger, wonach die Nutzungsdauer eines Alten- und Pflegeheims in Worms weniger als 50 Jahre betragen sollte.

Mit Bescheid vom 17. Mai 2004 stellte das Finanzamt die Einkünfte gesondert und einheitlich fest und gewährte bei einer Bemessungsgrundlage von 4.240.412,00 EUR (2.592.630,00 EUR und 1.647.782,00 EUR) eine AfA gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG von 2 v.H. (= AfA von 84.808,00 EUR) für das gesamte Jahr.

Dagegen hat die Klägerin Einspruch eingelegt, den sie damit begründet, dass das Heimbetriebsgebäude zunächst mit 56 Heimplätzen ab Mitte 1997 in Betrieb genommen und von ihr mit 2,5% AfA abgeschrieben worden sei, was von Seiten des Finanzamts auch akzeptiert worden sei. Die "wirkliche" Lebensdauer eines Pflegeheimes betrage jedoch lediglich 25 bis 35 Jahre; sie hätte aber seinerzeit auf den Ansatz einer dieser Nutzungsdauer entsprechenden AfA verzichtet, weil bislang eine Änderung der die Nutzungsdauer eines Pflegeheims maßgeblich beeinflussenden gesetzlichen Bestimmungen nicht erkennbar gewesen sei. Während des 2. Bauabschnitts zur Errichtung von 40 zusätzlichen Heimplätzen sei ihr bekannt geworden, dass der Gesetz- bzw. der Verordnungsgeber eine Novellierung der Heimmindestbauverordnung beabsichtige, durch die auch der 2. Bauabschnitt bereits bei der Fertigstellung als "veraltet" behandelt werde. Mit einem Inkrafttreten der geplanten Novellierung müsse im Jahr 2005 gerechnet werden. Vor diesem Hintergrund sei sie von einer (Rest-)Nutzungsdauer von 25 Jahren sowohl für den Alt- als auch für den Anbau ausgegangen.

Durch die Nutzung als Pflegeheim würden die Gebäude einem höheren Verschleiß unterliegen, weil der Aspekt des Wohnens deutlich überlagert werde durch die Pflege- und Betreuungsleistungen der Mitarbeiter gegenüber den pflegebedürftigen Personen. Ein Pflegeheim werde, anders als ein Wohn- oder Bürogebäude, durchgängig beansprucht und beherberge mehr Menschen je Flächeneinheit als ein Wohngebäude.

Der Gesetzgeber könne Pflegeheime hinsichtlich ihrer Investitionen u.a. durch verlorene Zuschüsse fördern. Er verbinde mit der Förderung eines Pflegeheimes eine Zweckbindungsfrist, innerhalb derer das geförderte Pflegeheim nur als Pflegeheim genutzt werden dürfe. Korrespondierend hierzu würden sich die Investitionsfolgekosten, die die Sozialhilfeträger für Pflegebedürftige, die auf Sozialhilfe angewiesen seien, übernehmen würden. In Rheinland-Pfalz betrage der durchschnittliche von den Sozialhilfeträgern anerkannte Abschreibungssatz 2,6%; dabei würden auf 50% der Gesamtinvestitionen - Gebäude und bewegliches Inventar - 2% und auf 40% würden 4% Abschreibungssatz angewandt (50% x 2% + 40% x 4% = durchschnittlich 2,6%). Neben der Investitionsförderung für die vom Gesetzgeber unterstellte Nutzungsdauer eines Pflegeheimes von ca. 38,5 Jahren sehe § 15 LPflegeHGDVO a.F. eine weitere Fördermöglichkeit in Form der "grundlegenden Sanierung" vor, die regelmäßig innerhalb der vorgesehenen Nutzungsdauer zwischen dem 25. und dem 35. Jahr der Nutzung erfolge, weil das Heim dann den im Laufe der letzten 30 Jahre gestiegenen Standards eines sachgerechten Raumprogramms für Pflegeheime nicht mehr genüge und die Gebäude substanztechnisch abgenutzt seien.

Dies beeinflusse auch die wirtschaftliche Nutzungsdauer. Denn die z.Zt. noch gültige Heimmindestbauverordnung -HeimMindBV- aus 1980 schreibe nur 12 qm für ein Einzelzimmer und 18 qm für ein Doppelzimmer vor. Die geplante Novellierung fordere neben anderen erheblichen Verbesserungen eine Mindestfläche von 16 qm für ein Einzelzimmer und 26 qm für ein Doppelzimmer. Auch wenn wegen der öffentlichen Kassenlage mittlerweile nur 14 qm für ein Einzelzimmer und nur 24 qm für ein Doppelzimmer vorgesehen seien, würden weder der Altbau noch der Neubau diese Voraussetzungen bei allen Heimplätzen erfüllen. Im Falle einer erzwungenen Anpassung an die räumlichen Vorgaben würden sich die Heimplätze von derzeit 96 auf 60 bis 65 reduzieren, so dass eine wirtschaftliche Nutzung nicht mehr möglich wäre. Die Novellierung würde zwar eine 10-jährige Übergangsfrist vorsehen, allerdings werde den Aufsichtsbehörden die Möglichkeit eingeräumt, bestehende Heime von einer Anpassung zu befreien. Unabhängig davon, würde jedoch nach 10 Jahren die Schließung drohen.

Mit Schreiben vom 6. September 2004 beantragte die Klägerin dann, einen AfA-Satz von 4 v.H. bezogen auf die Herstellungskosten des Gebäudes.

Mit Einspruchsentscheidung vom 3. November 2004 hat der Beklagte den Rechtsbehelf als unbegründet zurückgewiesen: Nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 a EStG betrage die AfA bei nach 1924 errichteten Gebäuden 2 v.H. jährlich. Betrage die Nutzungsdauer weniger als 50 Jahre, so könne die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechende AfA vorgenommen werden. Unter Nutzungsdauer sei der Zeitraum zu verstehen, in dem das Wirtschaftsgut erfahrungsgemäß verwendet oder genutzt werden könne. Nutzungsdauer bedeute, dass die besonderen Verhältnisse zu beachten seien, unter denen das Wirtschaftsgut eingesetzt werde. Eine durch die Nutzung eintretende besondere Beanspruchung, welche die gewöhnliche Nutzungsdauer verkürze, sei zu berücksichtigen. Die Nutzungsdauer werde bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstandes begrenzen könnten. Auszugehen sei von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutze. Technische und wirtschaftliche Nutzungsdauer würden in der Regel zusammenfallen. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer ausnahmsweise kürzer als die technische Nutzungsdauer sei, könne sich der Steuerpflichtige nach ständiger Rechtsprechung des BFH hierauf berufen.

Eine wirtschaftliche Abnutzung setze voraus, dass das Wirtschaftsgut nicht nur auf Grund des technischen Verschleißes, sondern aus anderen Gründen erheblich an Wert verliere. Im Streitfall müsse nach diesen Grundsätzen von einer Nutzungsdauer von 50 Jahren ausgegangen werden, da der Gesetzgeber in typisierender Weise hiervon ausgehe. Auch die wirtschaftliche Nutzungsdauer erfahre keine Verkürzung. Das wäre nur dann der Fall, wenn das Gebäude zur Einkünfteerzielung nur zeitlich beschränkt verwendbar wäre. Hierbei stelle der BFH nicht auf eine bestimmte (subjektive) Nutzung, sondern auf objektive Nutzungsmöglichkeiten unabhängig von der Einkunftsart ab. Die von der Klägerin behauptete geplante Änderung der HeimMindBV möge zwar zu Modernisierungen zwingen; dies beeinträchtige aber nur die Nutzung als Pflegeheim, nicht aber eine anderweitige Nutzung. Das Gleiche gelte hinsichtlich des Förderverhaltens der öffentlichen Kostenträger. Nach den Bauunterlagen der Kreisverwaltung Cochem-Zell würden sowohl die Einzel- als auch Doppelzimmer und die Nebenräume die geplante Änderung der HeimMindBV erfüllen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, dass für Hotels in der Regel eine Nutzungsdauer von 40 Jahren unterstellt werde und die amtlichen AfA-Tabellen würden für "Sozialgebäude der Werksfürsorge" in der chemischen Industrie eine Nutzungsdauer von 33 Jahren ausweisen.

Die Einspruchsentscheidung stütze sich u.a. auf eine objektive Nutzbarkeit eines Gebäudes im Gegensatz zur individuellen (subjektiven) Nutzung durch den Steuerpflichtigen. Hier sei zu fragen, welche "anderweitige" Nutzung für ein nicht mehr als Pflegeheim nutzbares Gebäude an diesem Standort in Frage kommen könnte. Eine Nutzung als Hotel scheitere insbesondere am Standort, aber auch an der Grundrissplanung. Als Nutzung komme allenfalls diejenige als Wohnungen in Frage; hierzu sei jedoch in die Gebäudesubstanz massiv einzugreifen, da die Grundrisse eine unmittelbare Wohnungsnutzung nicht zulassen würden.

Die Kläger beantragt,

den Bescheid für 2002 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 17. Mai 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 3. November 2004 dahingehend zu ändern, dass ein AfA-Satz von 4% ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 4.240.412,-- EUR gewährt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zunächst auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, ein erhöhter technischer Verschleiß mit der Folge einer Nutzungsdauer von nur 25 Jahren könne nicht mit der Verordnung über die gesonderte Berechnung nicht geförderter Investitionsaufwendungen für Pflegeeinrichtungen nach dem Landespflegegesetz NRW begründet werden. Es handle sich hierbei um Vorschriften zur Berechnung der Pflegesätze. Zum einen bedürfe die Berechnung nach dieser Vorschrift der staatlichen Zustimmung und zum anderen sei die Zustimmung jeweils nur auf zwei Jahre beschränkt. Die von der Klägerin zitierte Verordnung über die allgemeinen Grundsätze der Förderung von Pflegeeinrichtungen nach dem Landespflegegesetz betreffe lediglich die Feststellung der Förderungsfähigkeit. Deshalb könne eine 25-jährige (technische) Nutzungsdauer nicht mit diesen Vorschriften begründet werden. Das Gleiche gelte hinsichtlich der Berechnung der Abschreibungssätze und Bettenwertpauschalen in Rheinland-Pfalz. Zwar könne vor Ablauf der Nutzungsdauer des § 7 Abs. 4 Nr. 2 a EStG Erneuerungsbedarf von technischen Einrichtungen bestehen bzw. eine zeitgemäße Modernisierung erforderlich sein und auch gefördert werden; derartige Maßnahmen würden aber in jedem Gebäude anfallen. Dies könne aber nicht zu einer geringeren (technischen) Nutzungsdauer führen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Klage der GbR zulässig. Insbesondere ist die GbR beteiligtenfähig und klagebefugt (vgl. BFH-Urteile vom 18.05.2004 IX R 83/04, DStR 2004, 1331, und IX R 42/01, veröffentlicht in [...]). Die Klagebefugnis der Klägerin ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung n.F. - FGO n.F. -; danach können für sie gegen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen "zur Vertretung berufene Geschäftsführer" Klage erheben. Hierbei kommt es - entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift - nicht darauf an, ob die Gesellschafter einer GbR nur einzeln oder gemeinschaftlich vertretungsberechtigt sind. Die Klagebefugnis ergibt sich nur dann aus § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO n.F., wenn die GbR eine sog. Publikumsgesellschaft ist, was im Streitfall jedoch nicht zutrifft.

Die Klage ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1. Bei Gebäuden sind als Absetzung für Abnutzung die folgenden Beträge bis zur vollen Absetzung abzuziehen:

1. bei Gebäuden, soweit sie zu einem Betriebsvermögen gehören und nicht Wohnzwecken dienen und für die der Bauantrag nach dem 31. März 1985 gestellt worden ist, jährlich 3 vom Hundert,

2. bei Gebäuden, soweit sie die Voraussetzungen der Nummer 1 nicht erfüllen und die

a) nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestellt worden sind, jährlich 2 v.H.,

b) vor dem 1. Januar 1925 fertiggestellt worden sind, jährlich 2,5 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Beträgt die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 weniger als 33 Jahre, in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 a weniger als 50 Jahre, in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 b weniger als 40 Jahre, so können anstelle der Absetzungen nach S. 1 die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechenden Absetzungen für Abnutzung vorgenommen werden (§ 7 Abs. 4 S. 1 u. 2 Einkommensteuergesetz in der im Streitjahr geltenden Fassung - EStG -).

2. Unstreitig ist, dass die Gebäude - obwohl im Privatvermögen befindlich - im Rahmen eines Betriebes genutzt wird. Streitig ist lediglich, ob sich die Klägerin auf § 7 Abs. 4 S. 2 EStG berufen kann und ob eine kürzere Nutzungsdauer als die Regelnutzungsdauer gegeben ist.

3. a) Eine kürzere Nutzungsdauer als die Regelnutzungsdauer von 50 Jahren des § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 a EStG ist nach Satz 2 der Vorschrift zugrunde zu legen, wenn die "tatsächliche Nutzungsdauer" weniger als 50 Jahre beträgt. "Tatsächliche Nutzungsdauer" in diesem Sinne bedeutet nicht, dass erst abzuwarten wäre, wie sich die Nutzungsdauer des Gebäudes tatsächlich entwickelt. Auch hier ist - wie ansonsten bei der Anwendung der AfA-Vorschriften - im Vorhinein durch Schätzung zu ermitteln, wie lange das Gebäude voraussichtlich zu Zwecken der Einkunftserzielung genutzt werden kann. Da die Vorschrift die AfA von Gebäuden des Privatvermögens regelt, die häufig auch zur Erzielung privater Einkünfte genutzt werden, spricht das Gesetz nicht von der "betriebsgewöhnlichen", sondern von der "tatsächlichen" Nutzungsdauer, ohne dass hiermit unterschiedliche Inhalte zu verbinden wären (vgl. FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid vom 08.11.2006 - 1 K 336/03 - veröffentl. in [...]). Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie im Entscheidungsfall - das im Privatvermögen befindliche Gebäude durch einen Betrieb genutzt wird. Die "betriebsgewöhnliche" Nutzungsdauer eines im Betriebsvermögen befindlichen Wirtschaftsgutes wird ebenso wie seine Gesamtnutzungsdauer im Rahmen der Überschusseinkünfte von der technischen und der wirtschaftlichen Abnutzung beeinflusst (BFH-Urteil vom 26. Juli 1991 VI R 82/89, BStBl. II 1992, 1000 , 1002 f.). Die Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes hängt dagegen nicht davon ab, ob es im Betriebs- oder Privatvermögen gehalten wird (Schmidt/Drenseck, EStG, 24. Auflage 2005, § 7 Rdn. 85 m.w.N.).

Unter der "tatsächlichen Nutzungsdauer" i.S.d. § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist der Zeitraum zu verstehen, in dem das Wirtschaftsgut erfahrungsgemäß verwendet oder genutzt werden kann. Die Ermittlung der Nutzungsdauer erfolgt im Schätzungswege. Hierbei ist vor allem die Art des Gebäudes und seiner Nutzung (z.B. durch einen Gewerbebetrieb) bedeutsam. "Betriebsgewöhnliche" Nutzungsdauer bedeutet, dass die besonderen betrieblichen Verhältnisse zu beachten sind, unter denen das Wirtschaftsgut eingesetzt wird. Eine durch die betriebliche Nutzung eintretende besondere Beanspruchung, welche die gewöhnliche Nutzungsdauer verkürzt, ist zu berücksichtigen. Dagegen kommt es nicht darauf an, wie lange der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut tatsächlich in seinem Betrieb verwendet oder voraussichtlich verwenden wird. Maßgebend für die Bestimmung der Nutzungsdauer ist nicht die Dauer der betrieblichen Nutzung durch den einzelnen Steuerpflichtigen, sondern die objektive Nutzbarkeit eines Wirtschaftsgutes unter Berücksichtigung der besonderen betriebstypischen Beanspruchung (vgl. FG Köln Urteil vom 28.09.2006 - 15 K 379/03 - veröffentl. in [...]).

Bei der Bestimmung der tatsächlichen Nutzungsdauer sind die besonderen Verhältnisse zu beachten, unter denen das Wirtschaftsgut eingesetzt wird, insbesondere eine durch die Nutzung eintretende besondere Beanspruchung, welche die gewöhnliche Nutzungsdauer verkürzt (BFH-Urteil vom 09. Dezember 1999 III R 74/97, BStBl. II 2001, 311). Dabei ist auf das Gesamtgebäude und nicht auf die Nutzungsdauer einzelner Gebäudeteile abzustellen (BFH-Urteil vom 07. Juni 1977 VIII 105/73, BStBl. II 1977, 606). Technische und wirtschaftliche Nutzungsdauer fallen in der Regel zusammen. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer ausnahmsweise kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, kann sich der Steuerpflichtige nach ständiger Rechtsprechung des BFH hierauf berufen (vgl. BFH-Urteil vom 19. November 1997 X R 78/94, BStBl. II 1998, 59).

Dagegen kommt es nicht darauf an, wie lange der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut tatsächlich verwendet oder voraussichtlich verwenden wird; denn die tatsächliche Nutzungsdauer wird nicht dadurch vermindert, dass der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut vor Beendigung seines technischen oder wirtschaftlichen Wertverzehrs veräußert; maßgebend ist somit die objektive Nutzbarkeit eines Wirtschaftsguts unter Berücksichtigung der besonderen betriebstypischen Beanspruchung (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 2003 X R 54/01, BFH/NV 2004, 474).

b) Unter Beachtung dieser Grundsätze und nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass die tatsächliche Nutzungsdauer des streitbefangenen Gebäudes weniger als 50 Jahre beträgt (§ 7 Abs. 4 S. 2 EStG). Der Senat schätzt die tatsächlich Nutzungsdauer - unter Berücksichtigung der besonderen betrieblichen Verhältnisse - in Anlehnung an § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG auf 33 Jahre. Der Senat lässt sich bei seiner Schätzung von folgenden Überlegungen leiten:

aa) Unstreitig ist, dass sowohl der Altbestand als auch der im Jahr 2002 fertig gestellte Anbau - obwohl im Privatvermögen befindlich - im Rahmen eines Betriebes genutzt wird. Denn auf dem Grundstück der Klägerin befindet sich ein Alten- und Pflegeheim, das an die Seniorenresidenz H GmbH verpachtet ist. Nach § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG beträgt die AfA bei Gebäuden, soweit sie zu einem Betriebsvermögen gehören und nicht Wohnzwecken dienen und unter weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen jährlich 3 v.H. . Nach dem Urteil des BFH vom 30.09.2003 (IX R 2/00, BStBl II 2004, 221) dient ein Pflegeheim (Pflegegebäude) keinen Wohnzwecken. Die Nutzungsdauer des streitbefangenen Gebäudes kann daher nach Auffassung des Senats nicht davon abhängen, ob es in Betriebs- oder Privatvermögen gehalten wird (vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 21. Aufl. 2002, § 7 Rdn. 85 m.w.N.), sondern von der Art des Gebäudes und seiner Nutzung, z.B. durch einen Gewerbebetrieb (vgl. FG des Saarlandes, Gerichtsbescheid vom 08.11.2006, a.a.O.). "Betriebsgewöhnliche" Nutzungsdauer bedeutet, dass die besonderen betrieblichen Verhältnisse zu beachten sind, unter denen das Wirtschaftsgut eingesetzt wird. Eine durch die betriebliche Nutzung eintretende besondere Beanspruchung, welche die gewöhnliche Nutzungsdauer verkürzt, ist zu berücksichtigen.

Hinzu kommt, dass § 7 Abs. 4 S. 2 EStG, der - abweichend von dem im Streitfall grundsätzlich in Betracht kommenden § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG - eine der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechende Absetzung für Abnutzung zulässt, dem aus dem Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitenden Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit Rechnung trägt. Würde man der Klägerin die Abschreibungsmöglichkeit gemäß § 7 Abs. 4 S. 2 EStG entsprechend der tatsächlichen Nutzungsdauer von 33 Jahren bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur deshalb versagen, weil sie das an die Seniorenresidenz H GmbH verpachtete Alten- und Pflegeheim nicht im Betriebsvermögen, sondern im Privatvermögen gehalten hat, wäre sie gegenüber Steuerpflichtigen, die ein Pflegeheim, das nicht Wohnzwecken dient, im Betriebsvermögen halten und schon gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 1 EStG zur Absetzung für Abnutzung in Höhe von 3 v. H. berechtigt sind, in gleichheitswidriger Weise schlechter gestellt.

bb) Zu Recht hat die Klägerin schließlich darauf hingewiesen, dass insbesondere das Pflegeheim einer höheren Nutzungsintensität - im Vergleich etwa zu Wohnungen oder Bürogebäuden - unterliegt, da der Aspekt des Wohnens bei den hier lebenden Pflegebedürftigen deutlich durch die Pflege- und Betreuungsleistungen überlagert wird. Denn die Pflegebedürftigen sind oft dauernd bettlägerig und können ihr Zimmer nicht mehr verlassen, so dass eine Nutzung rund um die Uhr und somit zwangsläufig eine wesentlich "intensivere" Nutzung der Räumlichkeiten gegeben ist, als bei Wohnungen oder Bürogebäuden. Ob und in welchem Umfang diese intensive Nutzung Auswirkungen auf die Gebäudesubstanz und somit auf die technische Nutzungsdauer (= Zeitraum bis zum körperlichen Verschleiß des Pflegeheims) hat, kann der Senat offen lassen, da er aufgrund der Gesamtumstände des Streitfalls davon ausgeht, dass die wirtschaftliche Nutzungsdauer verkürzt ist. Wirtschaftsgüter nutzen sich wirtschaftlich ab, wenn sie - unabhängig von ihrem materiellen Verschleiß - erfahrungsgemäß wirtschaftlich zur Erzielung von Einkünften nur zeitlich beschränkt verwendbar sind. Eine wirtschaftliche Abnutzung setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut nicht nur aufgrund technischen Verschleißes, sondern aus anderen Gründen erheblich an Wert verliert. Eine mit wirtschaftlicher Abnutzung begründete kürzere Nutzungsdauer kann der AfA nur zugrunde gelegt werden, wenn das Wirtschaftsgut vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist. Ein wirtschaftlicher Verbrauch ist nur anzunehmen, wenn die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen (anderweitigen) Nutzung oder Verwertung endgültig entfallen ist (BFH-Urteil vom 19. November 1997, a.a.O.). Dies ist dann der Fall, wenn sich auf Grund der Änderung der HeimMindBV und der sonstigen einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen die Mindestfläche der Doppel- und Einzelzimmer erhöhen wird, so dass sich die derzeit 96 Heimplätze auf 60 bis 65 reduzieren würden und nach dem Vortrag der Klägerin ein wirtschaftliche Nutzung als Alten -und Pflegeheim nicht mehr möglich wäre. Nach Auffassung des Senats käme auch eine Nutzung als Hotel oder als Wohnungen nicht in Betracht, da dies erhebliche bauliche Veränderungen voraussetzen würde.

4. Da es sich bei dem Neubau um keinen selbständigen Gebäudeteil handelt - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist -, sind die Baukosten als nachträgliche Herstellungskosten zu behandeln und mit 3 v. H. abzuschreiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Die Berechnung der Besteuerungsgrundlagen wird gem. § 100 Abs. 2 S. 2 FGO dem beklagten Finanzamt übertragen.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 151, 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 713 Zivilprozessordnung - ZPO -.

Verkündet am: 19.11.2007

Ende der Entscheidung

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