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Gericht: Finanzgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 13.01.2005
Aktenzeichen: 6 K 1075/01
Rechtsgebiete: HGB, EStG, BauGB


Vorschriften:

HGB § 249 Abs. 1 S. 1
EStG § 5 Abs. 1 S. 1
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3
EStG § 52 Abs. 16 S. 8
BauGB § 35 Abs. 2 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Rheinland-Pfalz

6 K 1075/01

Einkommensteuer 1998

In dem Finanzrechtsstreit

hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 6. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. Januar 2005

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts als Vorsitzenden,

den Richter am Finanzgericht die Richterin am Finanzgericht

die ehrenamtliche Richterin Verwaltungsangestellte

die ehrenamtliche Richterin Alleingesellschafterin

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 19. Juli 2000 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2000 dahin geändert, dass bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb eine Rückstellung für die Beseitigung der Windkraftanlagen in Höhe von 11.250 DM berücksichtigt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3 zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Strittig sind Berechtigung und Höhe einer Rückstellung für die Beseitigung von Windkraftanlagen.

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Neben Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Vermietung und Verpachtung und aus einer Rente erzielen die Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit dem Betreiben zweier Windkraftanlagen.

Bei den Windkraftanlagen handelt es sich um eine im Jahr 1996 errichtete Windkraftanlage mit einer Nennleistung von 500 KW und eine im Jahr 1997 (jeweils im Außenbereich) errichtete Windkraftanlage mit einer Nennleistung von 600 KW der Firma E. In den Baugenehmigungen für die Windkraftanlagen vom 1. Dezember 1994 (Blatt 35 bis 39 der Einkommensteuerakte) und vom 22. Januar 1997 mit Ergänzungen (Blatt 40 bis 46 der Einkommensteuerakte) der Kreisverwaltung des Westerwaldkreises in Montabaur ist jeweils folgende Nebenbestimmung enthalten: "Die Genehmigung ergeht zweckbefristet, d.h., die Anlage ist unmittelbar nach Einstellung der Stromerzeugung wieder zu beseitigen".

In ihrer Einkommensteuererklärung für 1998 erklärten die Kläger negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch das Betreiben der Windkraftanlagen unter erstmaliger Einbeziehung einer Rückstellung für "Abraum-/Abfallbeseitigung" in Höhe von 33.333 DM (vgl. Kontennachweis zur Bilanz, Blatt 7 der Einkommensteuerakte). In den Erläuterungen zur Bilanz führten die Kläger aus, die Baugenehmigungen zu den Windkraftanlagen würden die Auflage enthalten, die Anlage nach Einstellung der Stromerzeugung komplett wieder abzubauen. Das Forschungsinstitut J hätte die Beseitigungskosten für derartige Anlagen in der Klasse zwischen 500 KW und 600 KW mit bis zu 100.000 DM beziffert. Für die Berechnung der Rückstellung hätten sie eine 15-jährige Nutzungsdauer und Beseitigungskosten von 100.000 DM unterstellt, so dass für die im Jahr 1996 errichtete Anlage die zu bildendende Rückstellung 20.000 DM, für die im Jahre 1997 errichtete Anlage 13.333 DM betragen würde.

Im Einkommensteuerbescheid 1998 vom 19. Juli 2000 berücksichtigte der Beklagte die Rückstellung nicht und begründete dies damit, dass bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen Rückstellungen nur dann gebildet werden könnten, wenn die öffentlich-rechtliche Pflicht hinreichend konkretisiert wäre, für die Beseitigung der Windkraftanlagen würde aber keine besondere Verfügung bzw. keine gesetzliche Regelung vorliegen.

Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 15. August 2000 Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren holte der Beklagte eine Auskunft bei der Kreisverwaltung des Westerwaldkreises ein. Die Kreisverwaltung teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 29. November 2000 mit, dass eine sicherheitstechnische Überprüfung der Windkraftanlagen in Zeitabständen von höchstens zwei Jahren erfolgen würde, das Ergebnis der Bauaufsichtsbehörde vorzulegen sei und dass die Kreisverwaltung Kenntnis von der Einstellung der Stromerzeugung regelmäßig durch Anzeige des jeweiligen Anlagenbetreibers erhalten würde. Die Beseitigungsverpflichtung würde sich auch auf die Fundamente beziehen und bei Nichtbefolgung mit Zwangsmitteln nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz durchgesetzt (Blatt 51, 52 der Einkommensteuerakte). Mit Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2000 wurde der Einspruch zurückgewiesen.

Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter und tragen vor, aus den Nebenbestimmungen in den beiden Baugenehmigungen würde sich die Verpflichtung zur Beseitigung der Windkraftanlagen nach Einstellung der Stromerzeugung eindeutig ergeben. Einer weiteren Konkretisierung dieser Verpflichtung durch einen weiteren Verwaltungsakt bedürfe es nicht. Die Nebenbestimmungen hätten einen umweltpolitischen Sinn und es sei davon auszugehen, dass die Beseitigung der Windkraftanlagen von der Baugenehmigungsbehörde nach Einstellung der Stromerzeugung durchgesetzt würde. Da eine Verpflichtung bestehen würde, die Baugenehmigungsbehörde regelmäßig vom Zustand und von der Funktionstüchtigkeit der Anlage zu unterrichten, würde diese auch Kenntnis über die Einstellung der Stromerzeugung erhalten. Die künftigen Aufwendungen zur Beseitigung der Anlagen seien durch die Nutzung zur Stromerzeugung vor dem Bilanzstichtag veranlasst. Den bis zum Bilanzstichtag erzielten Erträgen sei der bis dahin verursachte Aufwand gegenüberzustellen, wozu auch die zeitanteilig verursachten Aufwendungen zur Beseitigung der Anlagen zählen würde. Es könne ihnen nicht zugemutet werden, sich rechtswidrig zu verhalten und die Beseitigungspflicht für die Anlagen nach Einstellung der Stromerzeugung zu ignorieren und darauf zu hoffen, dass die Baugenehmigungsbehörde dieses rechtsuntreue Verhalten tolerieren würde. Die Bildung einer Rückstellung sei nicht davon abhängig, dass sie es erst auf eine Abrissverfügung durch die Baugenehmigungsbehörde und deren Durchsetzung im Wege des Verwaltungszwanges ankommen lassen müssten. Die Höhe der Rückstellungen sei an Hand der Nutzungsdauer und der Höhe der Beseitigungskosten zu ermitteln. Die im Schätzungswege zu ermittelnde Nutzungsdauer würde von verschiedenen Faktoren bestimmt, wozu insbesondere der technische Verschleiß, die wirtschaftliche Abnutzung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer begrenzen könnten, gehören würden. Die von ihnen auf 15 Jahre geschätzte Nutzungsdauer würde deutlich über dem Wert in der damals vom Bundesministerium der Finanzen veröffentlichten AfA-Tabelle hinausgehen, wo eine Nutzungsdauer für Windkraftanlagen von nur 10 Jahren ausgewiesen gewesen wäre. In der neuen vom Bundesministerium der Finanzen herausgegebenen AfA-Tabelle würden Windkraftanlagen bei einer Anschaffung nach dem 31. Dezember 2000 mit einer Nutzungsdauer von 16 Jahren ausgewiesen. Die Windkraftanlagenhersteller würden zwar von einer technischen Nutzungsdauer von ca. 20 Jahren ausgehen, allerdings sei die technische Nutzungsdauer nicht allein entscheidend. Es sei nämlich von einer kürzeren wirtschaftlichen Nutzungsdauer auszugehen, weil insbesondere in dem Gebiet, in dem ihre Windkraftanlagen aufgestellt wären, bereits die ersten Anlagen abgebaut und durch größere und wirtschaftlichere Anlagen ersetzt worden wären. Die voraussichtlichen Beseitigungskosten seien in Höhe von 100.000 DM je Anlage zu schätzen. Nach einer detaillierten Kostenermittlung des Herstellers der Windkraftanlagen würden sich die Rückbaukosten auf 49.140 DM je Anlage belaufen. Bei der Rückstellungsbildung seien jedoch noch voraussichtliche Preissteigerungen bis zum Ende der voraussichtlichen Nutzungsdauer zu berücksichtigen (Kostenschätzung für den Abriss s. Blatt 43, 44 der Prozessakte). Ein möglicher Rückkauf der Anlage durch den Hersteller sei in der Berechnung dabei schon berücksichtigt, da für den Schrotterlös der verwendbaren Teile entsprechende Beträge berücksichtigt wären. Bei einer angenommenen durchschnittlichen Preissteigerung von 2% jährlich sei die Höhe der geschätzten Beseitigungskosten daher angemessen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 19. Juli 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Dezember 2000 dahin zu ändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb der Gewinn um eine Rückstellung für die Beseitigung der Windkraftanlagen in Höhe von 33.000 DM vermindert wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, entgegen der Auffassung der Kläger würde sich eine Konkretisierung der Beseitigungsverpflichtung erst auf Grund eines gesonderten Verwaltungsaktes durch die Kreisverwaltung des Westerwaldkreises, nachdem die Kläger diesen über die Einstellung der Stromerzeugung unterrichtet hätten, ergeben. Erst durch diesen weiteren Verwaltungsakt würde die von der Rechtsprechung geforderte konkrete öffentlich-rechtliche Verpflichtung vorliegen, auf Grund der gegebenenfalls eine Rückstellung für die dann begründete Beseitigungsverpflichtung gebildet werden könnte. Die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Abbruchverpflichtung würde allein zur Bildung einer Rückstellung nicht ausreichen. Insbesondere durch das Fehlen einer bestimmten zeitlichen Vorgabe in den Nebenbestimmungen sowie durch das Fehlen einer Sanktion im Fall einer Zuwiderhandlung würden die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung zur Beseitigung der Windkraftanlagen im Streitjahr nicht vorliegen. Im Übrigen sei die von den Klägern geschätzte Höhe der Rückstellung überhöht. Nach einer Rückfrage bei dem Hersteller der Windkraftanlagen würde eine Beseitigung der Anlagen vor Ablauf von deren normalen Lebensdauer von mindestens 20 bis 25 Jahren in der Regel nicht aus technischen Gründen erfolgen, sondern auf Grund wirtschaftlicher Bedingungen, weil die Betreiber höhere Leistungen anstreben würden. Nach der aus den Medien bekannten Genehmigungspraxis der Baugenehmigungsbehörden würden aber zukünftig neue Windkraftanlagen nur in geringem Umfang genehmigt werden. Daher sei davon auszugehen, dass die Anlagen deutlich über die von den Klägern angegebene Nutzungsdauer hinaus in Betrieb belassen würde. Insoweit könne auch nicht die Nutzungsdauer in den AfA-Tabellen herangezogen werden, da diese lediglich für die Beurteilung der Angemessenheit der steuerlichen AfA Anwendung finden würden. Bei der Höhe der Rückstellungen sei auch zu berücksichtigen, dass üblicherweise gebrauchte Windanlagen vom Hersteller zurückgekauft würden, um der Bildung eines Sekundärmarktes entgegenzuwirken. Ein eventueller Rückbau der Anlage würde somit nicht nur in Erfüllung der Abbruchverpflichtung erfolgen, sondern zumindest teilweise zum Zweck des Rückverkaufs und in Erwartung des sich daraus ergebenden Verkaufserlöses. Diese Vorteile seien zumindest aber gegenzurechnen, so dass die Auflage zum Rückbau allenfalls eine Rückstellung hinsichtlich des Fundaments der Anlage rechtfertigen könne. Die sich so ergebenden Rückstellungen würden sich im Streitjahr lediglich auf 713 DM und 451 DM belaufen (vgl. zur Berechnung im Einzelnen Blatt 62 der Prozessakte).

Ergänzend wird auf die mit Blattzahlen bezeichneten Schriftstücke in den Steuerakten und in der Prozessakte verwiesen. Das Gericht hat zu den Beseitigungskosten einer Windkraftanlage Auskünfte bei der Firma x GmbH, einem Hersteller von Windkraftanlagen, und dem Forschungszentrum J eingeholt (Blatt 50, 51 und 77, 77a der Prozessakte).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zum Teil begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht die Rückstellungen für den Abbruch der Windkraftanlagen bei den Einkünften der Kläger aus Gewerbebetrieb nicht berücksichtigt. Allerdings sind die von den Klägern gebildeten Rückstellungen in der Bilanz des Gewerbebetriebs zu hoch angesetzt.

1. Nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind in der Handelsbilanz für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Da diese Verpflichtung zu den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gehört, gilt sie gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG auch für die Steuerbilanz. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Entstehung einer Verbindlichkeit dem Grunde nach - deren Höhe zudem ungewiss sein kann - und ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag. Zudem ist erforderlich, dass der Schuldner ernsthaft mit der Inanspruchnahme rechnen muss. Auch für Verpflichtungen, die sich aus öffentlichem Recht ergeben (Geld- oder Sachleistungsverpflichtungen), können Rückstellungen gebildet werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist. Die Verpflichtung muss auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums zielen. Diese Voraussetzungen werden regelmäßig bei Erlass einer behördlichen Verfügung oder bei Abschluss einer entsprechenden verwaltungsrechtlichen Vereinbarung vorliegen. Zudem ist für die Rückstellung erforderlich, dass an ihre Verletzung Sanktionen geknüpft sind, so dass sich "der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung im Ergebnis nicht entziehen kann" (BFH-Urteil vom 25. März 2004 - IV R 35/02, BFH/NV 2004, 1157).

Soweit die Passivierung von Verbindlichkeiten, die ihre Ursache im Bereich des öffentlichen Rechts finden, nach ständiger Rechtsprechung des BFH voraussetzt, dass die Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist, auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums abzielen muss und an die Verletzung der Verpflichtung Sanktionen geknüpft sind, liegt diesen Konkretisierungsmerkmalen die Forderung zugrunde, dass der Schuldner mit seiner Inanspruchnahme ernsthaft rechnen muss und diese ihm gegenüber durchgesetzt werden kann; die bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht zu ihrer Passivierung nicht aus. Die ernstliche Erwartung einer Inanspruchnahme kann indessen nicht schematisch aufgrund einzelner vorgegebener Kriterien beurteilt werden. Sie ist vielmehr zutreffend nur anhand der erkennbaren tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen.

Da die "Konkretisierungserfordernisse" der Rechtsprechung des BFH zu den Rückstellungen bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen auf der Überlegung beruhen, dass bei den vertraglichen Verbindlichkeiten davon auszugehen ist, dass der Gläubiger von seinen Rechten Gebrauch macht und die Gefahr der Inanspruchnahme deshalb gegeben ist, weil dieser als Vertragspartner seine Rechte kennt und die gleichen Erwägungen auch für vergleichbare Verbindlichkeiten gegenüber der öffentlichen Hand gelten, sind die einseitigen Verbindlichkeiten den vertraglichen Verbindlichkeiten erst vergleichbar, wenn der Gläubiger die sich aus ihnen ergebende (mögliche) Berechtigung kennt. Dabei steht dem Gläubiger der privat-rechtlichen Verbindlichkeit die jeweils zuständige Fachbehörde der öffentlichen Hand gleich; denn diese ist verpflichtet, evtl. bestehende öffentlich-rechtliche Ansprüche geltend zu machen und -ggfs. mit Hilfe anderer Behörden- durchzusetzen. Diese die Kenntnis der zuständigen Behörde kann der Steuerpflichtige beispielsweise durch eine einfache schriftliche Anzeige herbeiführen (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 - VIII R 14/92, BStBl. II 1993, 891).

Im Bereich der Verbindlichkeiten gegenüber der öffentlichen Hand ist die Kenntniserlangung durch den Gläubiger daher regelmäßig geeignet, auf die ernsthafte Erwartung der Inanspruchnahme des Schuldners schließen zu lassen. Denn Gläubiger ist in diesen Fällen die jeweils zuständige Fachbehörde, die in Befolgung der ihr übertragenen öffentlichen Aufgaben - auch in Ansehung eines ihr grundsätzlich zustehenden Ermessens im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Gefahrenabwehr und der zu treffenden Maßnahmen - regelmäßig veranlasst sein wird, bestehende öffentlich-rechtliche Ansprüche geltend zu machen und, ggf. mit Hilfe anderer Behörden, auch durchzusetzen. Bei Kenntnis der Behörde von einem ordnungswidrigen Zustand ist daher jedenfalls im Bereich des Polizei- und Ordnungsrechts und im Hinblick auf eine Gefahrenabwehr regelmäßig davon auszugehen, dass dessen Beseitigung - erforderlichenfalls unter Sanktionsandrohung - durchgesetzt werden wird, sich "der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung" somit "nicht entziehen" kann (BFH-Urteil vom 19. November 2003 - I R 77/01, BFH/NV 2004, 271).

2. Die vorgenannten, nach der Rechtsprechung an die Bildung von Rückstellungen geknüpften Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

a) In den Nebenbestimmungen der Baugenehmigungen für die beiden von den Klägern errichteten Windkraftanlagen ist ausdrücklich eine Beseitigungspflicht nach Einstellung der Stromerzeugung enthalten. Diese Beseitigungspflicht bezieht sich sowohl auf die Fundamente als auch den aufstehenden Turm der Windkraftanlage. Mit den Nebenbestimmungen liegt eine hinreichende Konkretisierung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung vor. Nach Eintritt der Bedingung infolge Einstellung der Stromerzeugung ist die Windkraftanlage materiell und formell baurechtswidrig geworden. Denn die Aufnahme der Nebenbestimmung in die Baugenehmigung lässt bei Eintritt der Bedingung keinen Vertrauensschutz hinsichtlich des (Weiter)Bestandes der Windkraftanlage entstehen, weil die Nebenbestimmung eindeutig und klar gefasst ist. Mit Wegfall der Einleitung des Stroms (Zweckbindung) im Sinne der Nebenbestimmung entfällt auch die Genehmigungsfähigkeit des Bauwerks, weil dessen Privilegierung nach § 35 Abs. 2 Nr. 5 (früher Nr. 6) BauGB nicht mehr zulässig ist (materielle Rechtswidrigkeit). Hieraus folgt, dass die Kreisverwaltung als zuständige Verwaltungsbehörde gem. § 81 der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz die Beseitigung der Anlage anordnen und mit den Mitteln des Verwaltungszwanges durchsetzten kann. Eine Beseitigungsverfügung durch die Kreisverwaltung nach Kenntniserlangung von der Einstellung der Stromerzeugung hat insoweit nur deklaratorischen, nicht aber konstitutiven Charakter.

Entgegen der Ansicht des Beklagten bedarf es daher einer weiteren Konkretisierung nicht. Insbesondere ist die Verpflichtung auch zeitlich hinreichend bestimmt, da sie die Beseitigungspflicht an die Einstellung der Stromerzeugung knüpft. Die von der Rechtsprechung geforderte zeitliche Bestimmung erfordert nicht, dass die Beseitigungspflicht an ein im Voraus bestimmtes Datum gebunden ist. Für die zeitliche Bestimmung ist insoweit ausreichend, dass an ein Ereignis angeknüpft wird, welches die Beseitigungspflicht unzweifelhaft auslöst. Da der von den Windkraftanlagen erzeugte Strom in das Stromnetz des jeweiligen Versorgungsunternehmens als Vertragspartner eingespeist wird, ist die Einstellung der Stromerzeugung auch unzweifelhaft zu bestimmen, da dann dauerhaft keine Einspeisung von erzeugtem Strom mehr vorliegt.

b) Die Kreisverwaltung des ...kreises hat dem Beklagten mit Schreiben vom 29. November 2000 auch mitgeteilt, dass diese als untere Bauaufsichtsbehörde von der Einstellung der Stromerzeugung regelmäßig Kenntnis durch Anzeige des jeweiligen Anlagenbetreibers erhält. Hinzu kommt, dass der Kreisverwaltung die Ergebnisse einer sicherheitstechnischen Überprüfung der Anlage regelmäßig in Zeitabständen von höchstens zwei Jahren vorzulegen sind. Für das Gericht besteht daher kein Zweifel daran, dass die Kreisverwaltung einerseits von der Einstellung der Stromerzeugung regelmäßig zeitnah Kenntnis erhält und andererseits die gebotenen rechtlichen Konsequenzen zieht. Infolge der Einstellung der Stromerzeugung liegen dann die Voraussetzungen für die Beseitigungspflicht der Kläger vor und mit der Kenntniserlangung durch die Kreisverwaltung müssen die Kläger dann ernsthaft davon ausgehen, dass diese Beseitigungspflicht ihnen gegenüber geltend gemacht wird. Somit müssen die Kläger bei Einstellung der Stromerzeugung ernsthaft damit rechnen, dass sie für die Beseitigung der Anlagen in Anspruch genommen werden.

c) Schließlich hat die Kreisverwaltung dem Beklagten auch mitgeteilt, dass die Beseitigung der Anlage bei Nichtbefolgung mit den Zwangsmitteln nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz durchgesetzt wird. Auch wenn daher in den Nebenbestimmungen der Baugenehmigungen keine konkreten Sanktionsandrohungen für die Nichtbefolgung der Beseitigungspflicht enthalten sind, ist die Kreisverwaltung als untere Bauaufsichtsbehörde nach den Bestimmungen des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes aber durchaus in der Lage, die Beseitigungspflicht gegenüber den Klägern durchzusetzen. Die Kreisverwaltung hat gegenüber dem Beklagten insoweit auch keine Zweifel daran gelassen, dass sie ihren öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen entsprechend die Beseitigungspflicht gegenüber den Klägern nach Einstellung der Stromversorgung auch durchsetzen wird. Dies ist ausreichend, damit die Kläger sich einer Inanspruchnahme hinsichtlich ihrer Beseitigungspflicht im Ergebnis nicht entziehen können. Dies ist ausreichend, um die Verpflichtung des Klägers zu einem bestimmten Verhalten innerhalb eines bestimmbaren Zeitraums und die Wahrscheinlichkeit einer Sanktion für den Fall des Zuwiderhandelns zu bejahen (vgl. BFH-Urteil vom 25. März 2004, a.a.O., unter I. 2. der Gründe).

3. Die Rückstellungen sind von dem Kläger allerdings zu hoch angesetzt worden.

a) Für die Bewertung von Rückstellungen, denen dem Grunde nach gewisse, der Höhe nach ungewisse künftige Verbindlichkeiten zugrunde liegen, gelten die Grundsätze für die Bewertung von Verbindlichkeiten sinngemäß. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG -in der im Streitjahr geltenden Fassung vor Änderung durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl. I 1999, 402)- sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen, d.h. mindestens mit den Anschaffungskosten, sonst mit ihrem höheren Teilwert. Was dies im einzelnen bedeutet, lässt sich nur nach der Eigenart der jeweiligen Verbindlichkeit bestimmen.

Bei der Bewertung der Rückstellungen, die ihrer Art nach dem im Streitfall zu beurteilenden Beseitigungsverpflichtungen entsprechen, besteht die Schwierigkeit, die in einem erst in der Zukunft liegenden Zeitpunkt aufzubringenden Kosten auf die jeweiligen Bilanzstichtage zurückzubeziehen. Dies kann nur durch eine mehr oder weniger exakte Schätzung erreicht werden. Dabei ist auf den einzelnen Bilanzstichtag der Betrag zu ermitteln, der nach den zu diesem Zeitpunkt möglichen Erkenntnisquellen die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich hat. Die Wertermittlung für Rückstellungen dieser Art führt nur dann zu einem wirtschaftlich vernünftigen und wertmäßig einigermaßen gesicherten Ergebnis, wenn der Betrag der ihrem Umfang nach jährlich ohne weiteres erfassbaren Verpflichtungen ermittelt und einer Rückstellung zugeführt wird. Entscheidend für die Bemessung der Rückstellung muss hier sein, in welchem Umfang das einzelne Wirtschaftsjahr für die Entstehung der Verbindlichkeit im wirtschaftlichen Sinne ursächlich ist. Danach sind zunächst die Kosten zu errechnen, die nach den Preisverhältnissen des Bilanzstichtages erforderlich wären, um den Abbruch vorzunehmen. Nur so kann für den jeweiligen Bilanzstichtag ein einigermaßen zuverlässiger Ausgangswert gewonnen werden. Von dem so ermittelten Wert ist derjenige Betrag abzuziehen, der bereits für frühere Bilanzstichtage der Rückstellung zugeführt wurde. Derjenige Teil des Restbetrags, der sich bei gleichmäßiger Aufteilung auf die einzelnen Jahre bis zur Erfüllung der Verbindlichkeit für das laufende Wirtschaftsjahr ergibt, ist der Rückstellung auf den Bilanzstichtag zuzuführen. Dieses Bewertungsverfahren berücksichtigt, in welchem Maße die Verhältnisse des einzelnen Wirtschaftsjahres für die wirtschaftliche Entstehung der ihrer Höhe nach ungewissen Schuld ursächlich waren. Es stellt außerdem auf die an den Bilanzstichtagen maßgebenden Preisverhältnisse ab. Auf diese Weise wächst der Rückstellungsbetrag nach Maßgabe der durch den Abbau im jeweiligen Wirtschaftsjahr zugewachsenen Verpflichtung so kontinuierlich an, dass sich schließlich Rückstellung und tatsächlich anfallende Kosten im Zeitpunkt der Fälligkeit im großen und ganzen decken werden. Nach diesen Erwägungen ist für eine Abzinsung kein Raum. Denn die Tatsache, dass die Beseitigungsverpflichtung in einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt zu erfüllen ist, wird bereits dadurch berücksichtigt, dass der Wert der Verpflichtung nicht mit ihrem Endbetrag, sondern mit einem geringeren zeitanteiligen Wert angesetzt wird (BFH-Urteil vom 19. Februar 1975 - I R 28/73, BStBl. II 1975, 480).

Nach den vorgenannten Grundsätzen ist für die Bestimmung der Höhe der Rückstellungen im Streitjahr von dem Betrag auszugehen, der nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag für die Beseitigung der Windkraftanlagen aufzubringen wäre. Die Höhe dieses Betrages hat der Beklagte mit der detaillierten Kostenschätzung des Windkraftanlagenherstellers nachgewiesen. Der Senat folgt insoweit der von den Klägern vorgelegten Kostenschätzung des Windkraftanlagenherstellers, gegen die auch der Beklagte keine Einwendungen erhoben hat, da diese detailliert und nachvollziehbar die einzelnen Positionen bei der Beseitigung der Windkraftanlagen berücksichtigt. Hinzu kommt, dass bessere Erkenntnisse auf Grund der Erkundigungen des Gerichts beim Forschungszentrum J und bei einem konkurrierenden Windkraftanlagenhersteller nicht vorliegen. Auch die Kreisverwaltung des Westerwaldkreises konnte keine Angaben über die Kosten für die Beseitigung einer Windkraftanlage machen. Allerdings basiert die von den Klägern vorgelegte Kostenschätzung auf den Tagespreisen im Jahr 2004, so dass gegenüber den Verhältnissen am Bilanzstichtag bereits eine gewisse Kostensteigerung eingetreten ist. Insoweit ist ein Preisabschlag hinsichtlich der Preissteigerung für die am Bilanzstichtag zu berücksichtigen Kosten der Beseitigung zur Ermittlung der Höhe der Rückstellungen vorzunehmen. Unter Berücksichtigung des Preisabschlags schätzt das Gericht die Kosten zu den Preisverhältnissen am Bilanzstichtag in Höhe von 45.000 DM je Anlage. Nach den vorgenannten Grundsätzen entfällt eine Abzinsung dieses Betrages ebenso wie eine Berücksichtigung weiterer Preissteigerungen bis zum Zeitpunkt der Beseitigung der Windkraftanlagen.

b) Für die Beurteilung, in welchem Maße die Verhältnisse des einzelnen Wirtschaftsjahres für die wirtschaftliche Entstehung der ihrer Höhe nach ungewissen Schuld ursächlich waren, schätzt das Gericht eine Nutzungsdauer der Windkraftanlagen von 20 Jahren. Diese Schätzung hat sich nicht an den AfA-Tabellen zu orientieren, sondern daran, dass durch die kontinuierliche Ansammlung der Zuführungen sich zum Zeitpunkt der Beseitigung Rückstellung und tatsächlich anfallende Kosten im Großen und Ganzen decken werden. Bei der Schätzung ist das Gericht davon ausgegangen, dass die Nutzungsdauer von 20 Jahren übereinstimmend sowohl von dem Hersteller der Windkraftanlagen, als auch vom Forschungszentrum Jülich GmbH angegeben worden ist. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass im Streitfall nicht von einer kürzeren Nutzungsdauer auf Grund einer früheren wirtschaftlichen Abnutzung der Anlage ausgegangen werden kann. Denn eine solche käme nur dann in Betracht, wenn die Kläger als Anlagenbetreiber davon ausgehen könnten, dass sie die Anlagen durch größere und leistungsfähigere Anlagen ersetzen könnten. Dies ist nach der - wie vom Beklagten zutreffend eingewandt - mittlerweile eingetretenen zurückhaltenden Genehmigungspraxis der Bauaufsichtsbehörden aber nicht wahrscheinlich, jedenfalls aber zu ungewiss, als dass die Schätzung der Höhe der Rückstellungen darauf aufbauen könnte. Innerhalb dieser Nutzungsdauer geht das Gericht davon aus, dass die Abbruchverpflichtung auf einer gleichmäßigen Abnutzung der Windkraftanlage über den gesamten Zeitraum bis zum Verbrauch der Anlage beruht, auch wenn in den einzelnen Jahren durchaus gewisse Unterschiede der Windstärke und erzeugten Strommenge zu verzeichnen sind. Diese Unterschiede sind aber vernachlässigbar und werden hier für die Bestimmung der Höhe der Rückstellungen außer Acht gelassen.

Die Höhe für die Zuführungen zu den Rückstellungen für die Beseitigung der Windkraftanlagen im Streitjahr beträgt für beide Anlagen damit zusammen 4.500 DM. Für die unterlassenen Rückstellungen in den vorangegangenen Jahren seit der Inbetriebnahme der Windkraftanlagen ist ein weiterer Betrag von 6.750 DM den Rückstellungen zuzuführen. Die Höhe der im Streitjahr zu berücksichtigen Rückstellungen beträgt damit insgesamt 11.250 DM.

c) Das Gericht weist allerdings darauf hin, dass die vorgenannten Grundsätze für die Ermittlung der Höhe der Rückstellungen letztmals im Streitjahr 1998 gelten. Nach der Änderung des § 6 Abs. 1 EStG insbesondere durch die Einfügung von § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG sind Rückstellungen für Verpflichtungen, für deren Entstehen im wirtschaftlichen Sinne der laufende Betrieb ursächlich ist, gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG mit einem Zinssatz von 5,5 v.H. abzuzinsen. Die Regelungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG sind gem. § 52 Abs. 16 Satz 8 EStG für die Bildung der Rückstellungen dann auch insoweit einschlägig, als diese für die Wirtschaftsjahre vor 1999 gebildet werden (Fischer in Kirchhof, EStG, 3. Aufl. 2003, Anm. 152 zu § 6). Für die Auflösung einer zu hohen Rückstellung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 wird auf die Übergangsregelung in § 52 Abs. 16 EStG hingewiesen (Glanegger in Schmidt, EStG, 20. Aufl. 2001, Rz 409 zu § 6).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Verkündet am: 13. Januar 2005

Ende der Entscheidung

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