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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Saarland
Urteil verkündet am 05.09.2006
Aktenzeichen: 1 K 222/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 21 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Saarland

1 K 222/03

Einkommensteuer 1999, 2000

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Dr. Schmidt-Liebig als Vorsitzender und Berichterstatter am 5. September 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

Tatbestand:

Die Kläger sind Eheleute, die beim Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie erzielen u.a Vermietungseinkünfte aus einer ca. 70 qm großen 2 ZKB-Eigentumswohnung in C, D-Straße XX. Der Rechtsstreit wird um die steuerliche Anerkennung der Vermietung dieser Wohnung an die Tochter der Kläger geführt.

Die Wohnung, die die Kläger 1994 gemeinsam für 310.000 DM erworben haben, liegt in unmittelbarer Nähe der E-Universität, an der die Tochter der Kläger ab dem 1. September 1994 studiert hat. Die Tochter hat die Wohnung ab 1. September 1994 mit Vertrag vom 1. September 1994 gemietet, auf den wegen Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 30 f.). Der "Einheitsmietvertrag" führte den Kläger als Vermieter an, der den Vertrag von Vermieterseite alleine unterzeichnet hat. Nach "§ 3 Miete und Nebenkosten" wird unter Ziff. 1 die monatliche Miete mit 600 DM vereinbart. Die Ziff. 2 des § 3, die die Betriebskostenvorauszahlungen regelt, ist ebenso wenig ausgefüllt worden wie die "Betriebskostenaufstellung" in der Anlage des Vertrages. Nebenkostenabrechnungen sind nicht durchgeführt worden. Die Kläger haben die Nebenkosten der Wohnung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten geltend gemacht. Nach § 4 Ziff. 2 des Vertrages bleibt die Miete bis zum 1. September 1996 unverändert. Eine Staffelmiete ist nicht vereinbart worden. Eine Mieterhöhung ist bis zum Ende der Mietzeit, dem 30. Juni 2000, nicht erfolgt. Ab dem 1. September 2000 wurde die Wohnung an eine fremde Mieterin vermietet (Bl. 80 ff.). Es wurde eine monatliche Kaltmiete von 1.400 DM und eine monatliche Betriebskostenvorauszahlung von 250 DM vereinbart.

In ihren Einkommensteuererklärungen der Streitjahre haben die Kläger aus der vorgenannten Wohnung negative Einkünfte i.H.v. 17.321 DM (1999) und 14.407 DM (2000) geltend gemacht, die der Beklagte bei Durchführung der Veranlagungen nicht zum Abzug zugelassen hat. Am 21. Dezember 2000 (für 1999) und am 13. März 2002 (für 2000) hat er dementsprechenden Einkommensteuerbescheide erlassen.

Nach der erfolglosen Durchführung eines Einspruchsverfahrens erhoben die Kläger am 24. Juli 2003 Klage. Sie beantragen sinngemäß (Bl. 2),

unter Änderung der Bescheide vom 21. Dezember 2000 (für 1999) und vom 13. März 2002 (für 2000), beide in Form der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2003, die Einkommensteuer unter Berücksichtigung weiterer negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und zwar

- 1999 i.H.v. 17.321 DM und

- 2000 i.H.v. 11.842 DM

festzusetzen.

An dem ihrem weiteren Antrag, für 2000 weitere Sonderausgaben i.H.v. 11.842 DM anzuerkennen (Bl. 2), haben die Kläger im Laufe des Verfahrens nicht mehr festgehalten (Bl. 50).

Im Mietvertrag vom 1. September 1994 sei eine Warmmiete vereinbart worden, da keines der Felder zu den Nebenkosten ausgefüllt worden sei. Der sich so ergebende qm-Mietpreis von 8,57 DM läge über 50% der damals ortsüblichen Miete von 13 bis 15 DM. Da der Vertrag tatsächlich ausgeführt worden sei, sei eine vollständige Anerkennung der Werbungskosten geboten (Bl. 27, 50).

Der erhebliche Mietpreisunterschied zum Nachmieter sei dadurch zu erklären, dass die Wohnung vollständig möbliert vermietet worden sei. Die Tochter habe ihr Mobiliar in der Wohnung belassen. Aufgrund des Börsenbooms im Jahre 2000 seien die Wohnungsnachfrage und damit die Preise stark gestiegen. Außerdem seien nur Zeitverträge geschlossen worden, welchen höhere Mieten immanent seien (Bl. 27, 51 d.A.).

Der Beklagte beantragt (Bl. 10 f., 30),

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Es bestehe kein anzuerkennendes Mietverhältnis. Denn der Vertrag halte einem Fremdvergleich nicht stand. Insbesondere die Regelung der Frage des tatsächlichen Mietumfangs und die Tatsache, dass nur der Kläger den Vertrag unterzeichnet habe, sprächen gegen die Anerkennung des Vertrages (Bl.8, 47f., 53f.). Hieran ändere auch die Bestätigung der Klägerin vom 6. März 2001 nichts, dass der Kläger 1994 den Mietvertrag mit ihrer Bevollmächtigung abgeschlossen habe (Bl. 34 f.). Der Vertrag sei auch nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden, da die vertragliche Pflicht zur Nebenkostentragung durch die Mieterin zwar vereinbart, aber tatsächlich nicht umgesetzt worden sei. Vielmehr hätten die Kläger die Nebenkosten getragen.

Selbst wenn der Mietvertrag anzuerkennen sein sollte, seien die negativen Einkünfte zu kürzen, da die Miete um mehr als 50% unter derjenigen des Nachmieters gelegen habe (Bl. 48). Schließlich sei zweifelhaft, ob überhaupt eine Einkunftserzielungsabsicht vorgelegen habe, da der Mietzins im Verhältnis zu den Werbungskosten sehr niedrig angesetzt worden sei (Bl. 54).

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Akten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht die streitigen negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung steuerlich nicht anerkannt.

1.

Rechtliche Grundlagen

a.

Mietverträge unter nahen Angehörigen sind daraufhin zu untersuchen, ob sie durch die Einkünfteerzielung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder den steuerrechtlich unbeachtlichen privaten Bereich (§ 12 EStG) veranlasst sind. Die Zuordnung der Verträge zu einem der beiden Bereiche ist vor allem aufgrund eines Fremdvergleichs vorzunehmen. Danach sind die Verträge i.d.R. der Besteuerung nicht zugrunde zu legen, wenn die Gestaltung oder die tatsächliche Durchführung nicht dem zwischen Fremden Üblichen entspricht. Der Fremdvergleich ermöglicht aufgrund einer Würdigung von Beweisanzeichen den Schluss, aus welchen Gründen ein Leistungsaustausch unter Angehörigen stattgefunden hat: aufgrund eines den Tatbestand einer Einkunftsart erfüllenden Vertrages oder aus privaten, familiären Gründen. Das Ergebnis dieser der Tatsachenfeststellung zuzuordnenden Indizienwürdigung ermöglicht die nachfolgende rechtliche Subsumtion, ob es sich bei den Aufwendungen des Steuerpflichtigen um nicht abziehbare Privatausgaben (§ 12 EStG) oder aber um Werbungskosten (§ 9 EStG) handelt.

Für die Beurteilung eines Mietvertrages unter nahen Angehörigen ist entscheidend, dass die Hauptpflichten der Vertragsparteien wie die Überlassung einer konkret bestimmten Sache und die Höhe der Miete (§ 535 BGB) klar und eindeutig vereinbart und wie vereinbart durchgeführt werden. Sind hinsichtlich der Nebenabgaben keine Vereinbarungen getroffen worden, muss dies allein nicht bereits zur Nichtanerkennung des Vertrages führen; dieser Umstand ist vielmehr im Zusammenhang mit sämtlichen weiteren Umständen zu würdigen, die für oder gegen die private Veranlassung des Vertragsverhältnisses sprechen. Bei Dauerschuldverhältnissen kann für die Auslegung ursprünglich unklarer Vereinbarungen außerdem die spätere tatsächliche Übung der Parteien herangezogen werden (ständige Rechtsprechung, s. z.B. BFH vom 28. Juni 2002 IX R 68/99, BStBl. II 2002, 699 m.w.N.).

b.

"Einkünfte" (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG) setzen u.a. ein Streben nach positiven Einkünften (§ 2 Abs. 2 EStG: "Gewinn" oder "Überschuss") voraus. Fehlt es hieran, so fallen die Tätigkeiten auch dann nicht unter eine der Einkunftsarten, wenn sie sich ansonsten ihrer Art nach unter § 2 Abs. 1 EStG einordnen ließen. Diese Einkunftserzielungsabsicht kann u.U. erst nach Aufnahme der Tätigkeit einsetzen und noch vor deren Beendigung wieder entfallen (BFH v. 22.4.1997 IX R 17/96, BStBl. II 1997, 650; v. 23.3.1982 VIII R 132/80, BStBl. II 1982, 463). Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist für die Einkunftserzielungsabsicht grundsätzlich nicht das Ergebnis der Vermögensnutzung eines oder weniger Jahre, sondern das Gesamtergebnis der Vermögensnutzung (sog. "Totalperiode") entscheidend; einkommensteuerfreie Veräußerungsgewinne sind nicht in die Betrachtung einzubeziehen (Grundlegend: BFH v. 25.6.1984 GrS 2/84, BStBl. II 1984, 751, 765 ff.). Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften; die Einkünfteerzielungsabsicht kann insoweit nur in Ausnahmefällen verneint werden (BFH vom 30. September 1997 IX R 80/94, BStBl II 1998, 771). Eine Vermietungstätigkeit ist auf Dauer angelegt, wenn sie nach den bei Beginn der Vermietung ersichtlichen Umständen keiner Befristung unterliegt (BFH-Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695).

c.

Beträgt das Entgelt für die Überlassung einer Wohnung zu Wohnzwecken weniger als 50% der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen (§ 21 Abs. 2 S. 2 EStG).

2.

Bei Anwendung der vorgenannten Grundsätze kommt der Senat zu der Überzeugung, dass das streitige Mietverhältnis dem privaten Bereich der Kläger zuzuordnen ist (§ 12 EStG). Auf die Frage nach der Einkunftserzielungsabsicht bzw. einer Kürzung der negativen Einkünfte nach Maßgabe des § 21 Abs. 2 S. 2 EStG kommt es nicht an.

Bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles hält das fragliche Mietverhältnis aus folgenden Gründen einem Fremdvergleich nicht stand und ist deshalb der Privatsphäre, nicht der Einkunftssphäre der Kläger zuzuordnen:

Es ist eine Warmmiete vereinbart worden, ohne dass für den Vermieter die Möglichkeit besteht, auf einen hohen Anfall von Betriebskosten entsprechend zu reagieren. In den Streitjahren haben die Kläger aus der Jahresabrechnung der Eigentümergemeinschaft für diese Wohnung umlagefähige Nebenkosten (Wasser, Versicherung, Müll u.Ä.) i.H.v. 4.523 DM (1999) und 3.585,62 DM (2000) als Werbungskosten geltend gemacht. Dies ist unter Fremden unüblich und ist auch mit der nachfolgenden Fremdmieterin anderweitig vereinbart worden.

Die Miete ist ungewöhnlich niedrig gewesen. Dies geht nicht nur aus dem hohen, in der Warmmiete enthaltenen Nebenkostenanteil, sondern auch aus dem Mietvertrag mit der Nachmieterin hervor, die eine Warmmiete von (1.400 DM + 250 DM =) 1.650 DM gezahlt hat. Es ist nicht feststellbar, dass dieser Unterschied - wie die Kläger vortragen - auf einer geänderten Ausstattung der Wohnung beruht hätte. In den Veranlagungszeiträumen 2000 und 2001 wird insofern die unveränderte AfA für den Kleiderschrank und die Einbauküche - beide 1994 angeschafft - geltend gemacht. Im Mietvertrag vom 17. August 2000 ist die Möblierung (z.B. als Anlage zu § 7) nicht erwähnt.

Die ungewöhnlich niedrige Miete ist während des gesamten Mietzeitraumes (1994 bis 2000) nicht angepasst worden.

Es ist keine Kaution vereinbart worden. Dies ist unter Fremden insbesondere dann unüblich, wenn es sich - wie vorliegend - um einen Erstbezug in eine Wohnung mit wertvollen Ausstattungsteilen (Kleiderschrank und Einbauküche im Werte von zusammen rund 22.000 DM) handelt.

Die Einbringung der vorgenannten Ausstattungsteile ist z.T. erst nach Mietbeginn ohne entsprechende Ergänzung des Mietvertrages und ohne Auswirkungen auf die Höhe der - ohnehin äußerst günstigen - Miete erfolgt und ohne dass dies schriftlich (s. § 22 des Vertrages) vereinbart worden wäre.

Der Mietvertrag ist nur von einem der beiden Eigentümer geschlossen und unterschrieben worden. Dies ist unüblich und ist auch bei dem Vertragschluss mit der nachfolgenden Fremdmieterin anders gehandhabt worden.

3.

Die Klage war nach alledem als unbegründet abzuweisen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern gemäß § 135 Abs. 1 FGO auferlegt.

Zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO bestand keine Veranlassung. Der Erlass eines kostengünstigeren Gerichtsbescheides erschien angemessen (§ 90a FGO).



Ende der Entscheidung

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