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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Saarland
Beschluss verkündet am 01.02.2007
Aktenzeichen: 1 V 1273/06
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 158
AO 1977 § 162 Abs. 1 S. 1
AO 1977 § 162 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Saarland

1 V 1273/06

Aussetzung der Vollziehung des Bescheides über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2001 vom 28. Juni 2006

In dem Rechtsstreit ...

hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes in Saarbrücken

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Dr. Schmidt-Liebig als Vorsitzender

sowie den Richter am Finanzgericht Dr. Bilsdorfer

und die Richterin am Finanzgericht Dr. Morsch

am 1. Februar 2007 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Die Entscheidung ergeht endgültig.

Gründe:

I.

Aufgrund eines Ermittlungsauftrages der Staatsanwaltschaft in C fand im Zeitraum 2005/2006 für 2001 bis 2005 eine Fahndungsprüfung bezüglich verschiedener Bordellbetriebe statt ("Haus Nr. XX D-Straße", "E", "F"). Der Fahnder kam zu der Überzeugung, dass

1. die Unternehmen von der Antragstellerin und ihrem langjährigen Lebensgefährten, G, als Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) mitunternehmerisch betrieben worden seien,

2. Einnahmenverkürzungen stattgefunden hätten, und

3. die Prostituierten Arbeitnehmer der Betreiber gewesen seien (Prüfungsbericht StEL-Nr. XX/XX vom 20. März 2006, Bl. 7 ff. BpA). In Auswertung des Prüfungsberichtes erließ der Antragsgegner eine Reihe von Bescheiden, u.a. auch den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2001 vom 28. Juni 2006 (Bl. 7). Der Bescheid setzt die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Streitjahres auf 0 EUR fest.

Gegen sämtliche Bescheide haben - jeweils einzeln - die Antragstellerin und Herr G Einsprüche eingelegt und gleichzeitig Aussetzung der Vollziehung beantragt, die der Antragsgegner am 26. September 2006 zurückwies (Bl. 19). Über die Einsprüche ist noch nicht entschieden worden.

Am 16. Oktober 2006 stellte die Antragstellerin bei Gericht sinngemäß den Antrag (Bl. 1), die Vollziehung des Bescheides über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2001 vom 28. Juni 2006 bis einen Monat nach Ergehen der Einspruchsentscheidung ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.

Unter Bezugnahme auf ihre Einspruchsbegründung im Übrigen trägt sie vor, sie sei nicht Mitunternehmerin, sondern Alleininhaberin der Bordellbetriebe. Sie habe ihre Umsätze ordnungsgemäß angemeldet. Die Prostituierten seien nicht ihre Angestellten gewesen. Sie habe an diese lediglich Zimmer vermietet. Die Preise hätten die Prostituierten mit den Freiern selbst ausgehandelt (Bl. 2 f.). Der Nachweis der Scheinselbständigkeit sei nicht zu führen. Vom Amtsgericht in C sei die Antragstellerin in einem ordnungsrechtlichen Verfahren vom Vorwurf der illegalen Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmerinnen freigesprochen worden (Bl. 4).

Die Antragstellerin verfüge über keinerlei Vermögen. Die Vollstreckung würde sie in den Offenbarungseid treiben, so dass sie der Sozialhilfe anheim falle (Bl. 4).

Der Antragsgegner beantragt (Bl. 14),

den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Antragstellerin und Herr G hätten die o.g. Bordellbetriebe in mitunternehmerischer Gemeinschaft geführt. Zwar sei die Antragstellerin im Außenverhältnis als alleinige Inhaberin der Betriebe aufgetreten. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei Herr G aber geschäftsführend tätig gewesen und habe eigenverantwortlich unternehmerische Entscheidungen getroffen. Herr G habe im Wesentlichen die "äußere" Organisation der Betriebe (z.B. Behördenverkehr, Besorgungs- und Geschäftsgänge, Anzeigenschaltung, Kassenabrechnungen) übernommen, während die Antragstellerin weitgehend für die Abwicklung der "eigentlichen" Bordellumsätze verantwortlich gewesen sei. Eine detaillierte Schilderung der unternehmerischen Beiträge ergebe sich aus dem Prüfungsbericht (insb. S. 10-13) und der ergänzenden Stellungnahme der Steuerfahndung vom 18. September 2006 (Bl. 26 ff. BpA).

Herr G habe nicht lediglich zwischen Lebensgefährten übliche Hilfestellungen (wie Dolmetscher- und Fahrdienste) erbracht. Vielmehr ergebe sich bereits aus den mangelnden Sprachkenntnissen der Antragstellerin, dass sie nicht befähigt sei, die Betriebe allein zu führen. Herr G habe in den Bordellbetrieben mitunternehmerische Initiativen ergriffen (S. 4 der o.g. Stellungnahme: Anwerbung von Prostituierten, Kassenabrechnungen). Er sei auch am Gewinn und Verlust sowie den stillen Reserven der Betriebe beteiligt gewesen und habe damit auch ein Unternehmerrisiko getragen. Dies ergebe sich bereits aus dessen uneingeschränkter Verfügungsberechtigung über die Einnahmen aus den Bordellbetrieben (vgl. Fahndungsbericht S. 10 Tz. sowie S. 4 f. der o.g. Stellungnahme).

Da keine ordnungsgemäßen Einnahmeaufzeichnungen vorlägen, sei der Antragsgegner zur Schätzung berechtigt. Die auf die Feststellung einzelner tatsächlicher Betriebseinnahmen aufbauende Schätzung der Gesamteinnahmen führe zu einem schlüssigen und wirtschaftlich denkbaren Ergebnis. Wegen Einzelheiten werde auf die ausführliche Darstellung im Fahndungsbericht (S. 5-7 und 14-16) sowie auf die o.g. Stellungnahme (S. 1-2) verwiesen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Akten des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der gemäß § 69 Abs. 4 FGO zulässige Aussetzungsantrag ist unbegründet. Der Antragsgegner war bei summarischer Prüfung zweifelsfrei zur Annahme einer Mitunternehmerschaft zwischen der Antragstellerin und Herrn G, zur Vornahme von Umsatz- und Gewinnschätzungen in der streitigen Höhe sowie zur Annahme befugt, dass die Prostituierten Arbeitnehmer der Bordellbetreiber gewesen sind.

1. Voraussetzungen der AdV

Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen (§ 69 Abs. 2, 3 FGO).

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Steuerbescheides bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfrage oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen, d.h. ein Erfolg des Steuerpflichtigen braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als ein Misserfolg (ständige Rechtsprechung; grundlegend: BFH vom 30. Juni 1967 III B 21/66, BStBl. III 1967, 533; vom 28. November 1974 V B 52/73, BStBl. II 1975, 239).

Eine unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegt vor, wenn durch die sofortige Vollziehung dem Steuerpflichtigen Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gut zu machen sind, oder wenn gar die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet wäre. Eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte ist jedoch nur dann vertretbar, wenn zugleich auch Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen; sind dagegen Zweifel fast ausgeschlossen, ist eine Aussetzung der Vollziehung selbst dann nicht zulässig, wenn die Vollziehung eine unbillige Härte zur Folge hätte (BFH v. 19. April 1968 IV B 3/66, BStBl. II 1968, 538; v. 31. Januar 1967 VI 5 9/66, BStBl. III 1967, 255).

Für das Vorliegen einer unbilligen Härte ist vorliegend weder etwas hinreichend konkret vorgetragen noch ansonsten aus den Akten erkennbar. Die bloße Behauptung der Antragstellerin, die nach eigenem Vortrag Alleininhaberin einer Reihe von (offenbar seit Jahren florierenden) Bordellbetrieben sein will, sie sei vermögenslos und werde im Vollstreckungsfalle "der Sozialhilfe anheim fallen", ist zur Darlegung einer unbilligen Härte völlig unzureichend.

2. Keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit

Bei Durchführung einer summarischen Prüfung im vorgenannten Sinne bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitigen Bescheides.

a. Mitunternehmerschaft zwischen der Antragstellerin und ihrem Lebensgefährten G

Mitunternehmer ist, wer aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen (oder einer wirtschaftlich vergleichbaren) Stellung Mitunternehmerinitiative ausüben kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche (oder eine dieser wirtschaftlich vergleichbare) Teilnahme am Erfolg oder Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Risiko wird im Regelfall durch Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt. Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführern, Prokuristen oder anderen leitenden Angestellten obliegen. Ausreichend ist indes schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen. Die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos können im Einzelfall mehr oder weniger stark ausgeprägt sein (Typusbegriff). Ein geringeres mitunternehmerisches Risiko kann durch eine besonders starke Ausprägung des Initiativrechts ausgeglichen werden (und umgekehrt). Beide Merkmale müssen jedoch vorliegen. Ob dies zutrifft ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen (ständige Rechtsprechung des BFH, s. z.B. Urteil vom 10. Juli 2003 5 K 4398/99, BStBl. II 2006, 595 m.w.N.).

Die Steuerfahndung hat in zutreffender Anwendung des steuerrechtlichen Begriffs der Mitunternehmerschaft eine Reihe von Merkmalen festgestellt, die auf ein gesellschaftsähnliches Verhältnis zwischen der Antragstellerin und ihrem langjährigen Lebensgefährten hindeuten (s. S. 10 ff. des Prüfungsberichtes sowie S. 2 ff. der Stellungnahme des Fahnders vom 18. September 2006).

Bei summarischer Prüfung gingen die Beiträge des Herrn G deutlich über die in einer Lebensgemeinschaft üblichen "Handreichungen" hinaus. Schon allein wegen der unbestrittenen Tatsachen, dass die Antragstellerin

erhebliche Probleme mit der deutschen Sprache hat,

des Schreibens "gänzlich unkundig" ist und

über keinen Führerschein verfügt,

musste Herr G unstreitig nach außen hin für die Betriebe auftreten (Bl. 10). Auch intern hat er den Feststellungen des Fahnders zu Folge, an denen die Antragstellerin keine vernünftigen Zweifel wecken konnte, wesentliche Beiträge geleistet (Kassenabrechnungen, Kontrolle der Betriebsabläufe, Aufnahme von Prostituierten u.Ä.). Zu allen diesen Tätigkeiten war Herr G fachlich in hohem Maße qualifiziert. Denn er hat - ebenfalls unbestritten - selbst jahrelang ein entsprechendes (auf den Namen seiner Mutter angemeldetes) Etablissement betrieben und geleitet.

Zu diesen unternehmerischen Initiativen trat augenscheinlich auch ein unternehmerisches Risiko, das sich in seiner nicht unerheblichen Teilhabe an den Unternehmenserträgen äußert. Herr G, der selbst über keine nennenswerten anderweitigen Einkünfte verfügt, war nach den Feststellungen der Steuerfahndung über das betriebliche Konto verfügungsbefugt. Auf seinem persönlichen Girokonto hat der Fahnder regelmäßig größere Bareinzahlungen festgestellt, die offenbar aus den Unternehmen stammen.

b. Schätzung der Umsätze und Erträge

Das Finanzamt hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit es sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Insbesondere ist zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden (§ 162 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 AO). Die Besteuerungsgrundlagen sind nach Maßgabe ihrer größten Wahrscheinlichkeit zu schätzen (grundlegend: BFH vom 31. August 1967 V 241/64, BStBl. III 1967, 686; vom 16. November 1982, BStBl. II 1983, 361). Bei der Schätzung nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen besteht eine Bandbreite möglicher Wertansätze (Schätzungsrahmen). Der Schätzungsrahmen ist um so größer, je ungesicherter das Tatsachenmaterial ist, auf dem die Schätzung basiert. Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch darauf, dass sich die Schätzung bei Einnahmen u.Ä. im untersten Rahmenbereich bewegt. Der seine Mitwirkungspflicht verletzende Steuerpflichtige soll nicht besser stehen als derjenige, der die Besteuerungsgrundlagen ordnungsgemäß aufzeichnet und erklärt. Bei groben Pflichtverletzungen, die darauf hindeuten, dass Einkünfte verheimlicht werden sollen, kann sich das Finanzamt im Gegenteil an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren (BFH v. 20. Dezember 2000 I R 50/00, BStBl. II 2001, 381; vom 29. März 2001 IV R 67/99, BStBl. II 2001, 484).

Im Entscheidungsfall konnten keine Grundaufzeichnungen über die Einnahmen der Betriebe vorgelegt werden. Die Feststellungen des Fahnders lassen zweifelsfrei erkennen, dass die in der Buchführung festgehaltenen Tageseinnahmen nicht den Realitäten entsprechen können, und zwar auch dann nicht, wenn man davon ausgehen wollte, dass dort von vornherein nur die letztlich auf die Betreiber entfallenden Einnahmen aufgezeichnet worden wären. Der stichprobenweise Abgleich der aufgezeichneten Tageseinnahmen mit denen der Prostituierten H und mit den Kreditkartenabrechnungen hat ergeben, dass bereits diese jeweils alleine höher waren als die gesamten (bar und unbar) aufgezeichneten Tageseinnahmen. Schon diese Feststellungen lassen erkennen, dass die Einnahmenaufzeichnungen des Unternehmens keinerlei Vertrauen verdienen und der Antragsgegner deshalb zur Vornahme ergänzender Schätzungen befugt war.

Der Antragsgegner hat von seiner Schätzungsbefugnis offenbar auch einen ordnungsgemäßen Gebrauch gemacht. Der Fahnder hat sich bei der Schätzung an dem von ihm festgestellten Durchschnittsverdienst einer Prostituierten und der Durchschnittsanzahl der eingesetzten Prostituierten orientiert. Dies ist nicht zu beanstanden. Ebensowenig ist es zu beanstanden, dass er zur Umsatzermittlung diesen Betrag von 60% auf 100% hochgerechnet hat. Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass alle Zahlungen eines Freiers an den Bordellbetreiber - nicht an die einzelne Prostituierte - erfolgen und deshalb auch Grundlage von dessen Umsatzermittlung sind (FG des Saarlandes vom 15. Dezember 1993 1 K 29/93, EFG 1994, 542; Abweisung der Nichtzulassungsbeschwerde: BFH vom 30. Juni 1994 V B 15/94, BFH/NV 1995, 457; FG München vom 4. Dezember 2000 3 V 824/00, juris jeweils m.w.N.).

c. Arbeitnehmereigenschaft der Prostituierten

Arbeitnehmer sind Personen, die angestellt sind und die aus diesem Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Ein Dienstverhältnis liegt vor, wenn der Angestellte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige in der Betätigung seines geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Arbeitnehmer ist nicht, wer Lieferungen und sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbständig ausgeübten gewerblichen Tätigkeit gegen Entgelt ausführt (§ 1 LStDV).

Der Arbeitnehmerbegriff ist - wie der des Mitunternehmers - ein Typusbegriff, der durch eine größere Zahl von Merkmalen gekennzeichnet wird, deren Bedeutung für das Gesamtbild der im Einzelfall zu beurteilenden Tätigkeit festzustellen ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BStBl. II 1999, 534).

Es ist nicht ernsthaft zweifelhaft, dass der Antragsgegner die vorgenannten Rechtsgrundsätze ordnungsgemäß angewandt hat. Hierbei ist zwar nicht zu verkennen, dass sich die Berufsausübung der Prostituierten von denen anderer Arbeitnehmer in mancherlei Hinsicht unterscheiden mag. Bei Prostituierten, die - wie vorliegend - in einen Bordellbetrieb eingegliedert sind, handelt es sich jedoch gleichwohl in aller Regel um Arbeitnehmer. Denn sie haben sich an den zeitlichen, preislichen und sonstigen Gepflogenheiten des Etablissements anzupassen. So scheint es beispielsweise - entgegen der Behauptung des Antragstellers - wenig glaubhaft, dass gleichartige Dienstleistungen von den einzelnen Prostituierten zu wesentlich unterschiedlichen Preisen erbracht worden sein sollen. Dies hätte zu einem Preiswettbewerb innerhalb des Betriebes geführt, an dem weder die Betreiber noch die einzelnen Prostituierten ein Interesse haben konnten. Die Prostituierten erscheinen - eben wegen der Eingliederung in die dortigen Abläufe - nach außen hin als Angestellte des jeweiligen "Hauses", die den Anweisungen des jeweiligen Betreibers Folge zu leisten haben. Die Parallele, die die Antragstellerin zur Vermietung von Standplätzen in einer Markthalle zieht, erscheint insofern nicht hilfreich, als dort der Kunde zweifelsfrei ausschließlich in geschäftlichen Kontakt mit den Standinhabern tritt, die - ebenfalls zweifelsfrei - eigenständige Unternehmen betreiben. Vergleichbar erscheint dem Senat dagegen eher die Tätigkeit von Schauspielern, die an bestimmten Produktionen mitwirken. Diese werden regelmäßig als Arbeitnehmer angesehen (BFH vom 20. Januar 1972 IV R 1/69, BStBl. II 1972, 214). Deshalb haben auch die in Bordellen arbeitenden Prostituierten normalerweise den Status von Arbeitnehmern (Schmidt/Drenseck, EStG, 24. Aufl. 2005, § 19 Rz. 15 "Prostituierte" m.w.N.).

Dass im Entscheidungsfall die Dinge anders liegen könnten, ist bereits deshalb nicht anzunehmen, weil die Antragstellerin ihren Vortrag lediglich auf nicht nachprüfbare Behauptungen stützt. Sie legt weder Aufstellungen über die Namen der Prostituierten, über deren "Verweildauer" oder über deren Verdienst vor, noch detailliert sie in nachvollziehbarer Weise die (mündlichen oder schriftlichen) Absprachen, die zu Beginn der Prostituiertentätigkeit in einem der "Häuser" jeweils getroffen worden sein müssen. Der Umstand, dass für die Prostituierten keinerlei Sozialabgaben geleistet worden sind, kann seine Ursache weniger in deren Status der Selbständigkeit als vielmehr in dem Umstand gehabt haben, dass sich alle Beteiligten der Zahlung dieser Beiträge zu Unrecht entziehen wollten. Dass die Antragstellerin in einem ordnungsrechtlichen Verfahren vom Vorwurf der illegalen Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmerinnen freigesprochen worden ist, hat im anhängigen Verfahren keine wesentliche Bedeutung, da in derartigen Verfahren andere Beweis- und Ermittlungsgrundsätze gelten.

3. Nach alledem war der Antrag als unbegründet zurückzuweisen. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin gemäß § 135 FGO auferlegt.

Die Entscheidung ergeht endgültig nach § 128 Abs. 3 FGO. Eine Zulassung der Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 115 Abs. 2 FGO kam nicht in Betracht. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht statthaft.



Ende der Entscheidung

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