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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 20.09.2007
Aktenzeichen: 1 K 142/07
Rechtsgebiete: FGO, KraftStG 2002


Vorschriften:

FGO § 90 Abs. 2
KraftStG 2002 § 8 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

1 K 142/07

Kraftfahrzeugsteuer

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

im Einverständnis mit den Beteiligten

ohne mündliche Verhandlung

am 20. September 2007

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzenden, die Richterin am Finanzgericht Hübner, den Richter am Finanzgericht Keilig, die ehrenamtliche Richterin den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand:

Der Beteiligten streiten darüber, ob ein Kraftfahrzeug des Klägers statt als PKW als LKW nach dem Gewicht zu besteuern ist.

Der Kläger ist Halter des Kraftfahrzeugs VW-Polo mit dem amtlichen Kennzeichen, Fahrzeug-Identifizierungsnummer.Das Fahrzeug hat zwei Sitze, die hinteren Seitenfenster sind werksseitig verblecht, die Heckscheibe besteht aus Glas, zwischen Kofferraum und vorderen Sitzen befindet sich eine halbhohe Trennwand, eine zweite Sitzbank und hintere Sicherheitsgurte sind nicht vorhanden. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 142 km/h, das Leergewicht beträgt 880 kg, das zulässige Gesamtgewicht 1.250 kg. Das Fahrzeug wurde von der Zulassungsbehörde verkehrsrechtlich als LKW eingestuft.

Mit Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 15. September 2006 setzte der Beklagte Kraftfahrzeugsteuer ab dem 21. März 2006 in Höhe von 526 EUR jährlich fest. Als Grundlagen für die Festsetzung stellte er folgende Merkmale fest: Personenkraftwagen, Erstzulassungsdatum 14. Juli 1994, zulässige Gesamtmasse 1.250 kg, Hubraum 1391 cm³, Kraftstoffart Diesel, Emissionsklasse nicht bekannt, Steuersatz 37,58 EUR je angefangene 100 cm³.

Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 12. Oktober 2006, Eingang beim Beklagten am 17. Oktober 2006, Einspruch ein. Der Kläger stellte dar, dass das Fahrzeug vom Hersteller als Transportfahrzeug konzipiert sei, zwei Sitze, eine Ladefläche mit Abtrennung, verblechte Seitenwände habe sowie über eine Zuladungsmöglichkeit von 300 kg verfüge und "der genormte deutsche Beifahrer dieses Gewicht sicher nicht erreiche".

Mit Einspruchsbescheid vom 28. Dezember 2006 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er vertrat die Auffassung, dass nach dem äußeren Erscheinungsbild sowie nach der Größe der Ladefläche und der verkehrsrechtlich zulässigen Zuladung von 370 kg - dies entspricht einer Nutzlast von 29,6 v.H. des zulässigen Gesamtgewichts - das Fahrzeug steuerlich als PKW einzustufen sei. Bei LKW betrage die Nutzlast typischerweise 40 v.H. Darüber hinaus sei die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 142 km/h für einen LKW atypisch.

Mit Schreiben vom 24. Januar 2007, Eingang beim Finanzgericht am 1. Februar 2007, hat der Kläger Klage erhoben.

Der Kläger ist der Ansicht, dass das Kraftfahrzeug als LKW einzustufen sei. Eine Veränderung des Innenraumes sei ausgeschlossen. Es seien keinerlei Möglichkeiten vorhanden, eine Rücksitzbank oder entsprechende Befestigungseinrichtungen für Gurte anzubringen. Die hinteren Seitenfenster seien nicht nachträglich durch fest verschweißte Bleche ersetzt, sondern die gesamte Karosserie herstellerseitig durchgehend gestaltet worden. Das Fahrzeug sei eindeutig für Transporte und insofern als LKW ausgelegt.

Zudem weist er darauf hin, dass ein weiteres auf den Kläger zugelassenes baugleiches Fahrzeug als LKW besteuert werde und die Ungleichbehandlung nicht nachvollziehbar sei.

Der Kläger beantragt,

den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 15. September 2006, 112/MQ-PV 544/4, in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 28. Dezember 2006 aufzuheben und das Kraftfahrzeug des Klägers als Lastkraftwagen steuerlich einzustufen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner im Einspruchsbescheid vertretenen Auffassung fest.

Auf den Einwand der Ungleichbehandlung des weiteren baugleichen Fahrzeuges des Klägers weist der Beklagte darauf hin, dass üblicherweise aufgrund der Vielzahl der Fälle Fahrzeuge zunächst mit den von der Zulassungsstelle übermittelten Daten steuerlich erfasst würden und dabei die verkehrsrechtliche Einstufung als PKW oder LKW meist steuerlich übernommen werde. Soweit seitens der Zulassungsstelle Hinweise auf gegebenenfalls abweichende steuerliche Einstufungen erfolgen, fordere die Finanzverwaltung den Steuerpflichtigen auf, das Fahrzeug vorzuführen oder Änderungen anzuzeigen. Ohne entsprechende Hinweise werde die Finanzverwaltung mangels Kenntnis nicht tätig. Der Beklagte habe nunmehr eine Überprüfung des weiteren Fahrzeuges des Klägers angeregt.

Dem Senat haben die Kraftzeugsteuer- und Vollstreckungsakte des Beklagten vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat das Fahrzeug des Klägers zu Recht kraftfahrzeugsteuerrechtlich als PKW behandelt und als solches gemäß § 8 Abs. 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) nach dem Hubraum besteuert. In der Sache ist das Fahrzeug des Klägers trotz der von dem üblichen Modell abweichenden Ausstattung ein PKW.

Eine Bindung an die Einstufung des Fahrzeugs durch die Zulassungsstelle besteht nicht (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 29.04.1997, VII R 1/97, BStBl. II 1997, 627, m.w.N.). Auch der Fahrzeugklassifikation des Herstellers und der darauf beruhenden verkehrsrechtlich orientierten Beurteilung durch das Kraftfahrtbundesamt kommt keine kraftfahrzeugsteuerliche Bindungswirkung zu (vgl. BFH-Urteil vom 08.02.2001, VII R 73/00, BStBl. II 2001, 368). Die Finanzverwaltung kann insoweit eine eigene Bewertung aus kraftfahrzeugsteuerlicher Sicht vornehmen.

Nach ständiger, auch höchstrichterlicher, Rechtsprechung ist nach Bauart, Ausstattung und Einrichtung zu beurteilen, ob ein PKW oder ein LKW vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 28.11.2006, VII R 11/06, BFH/NV 2007, 626 m.w.N.). PKW sind Fahrzeuge, die der Beförderung von Personen dienen. LKW sind Fahrzeuge, die zur Beförderung von Gütern bestimmt sind. Maßgebend ist die ursprüngliche Herstellerkonzeption, wenn das Fahrzeug werksseitig oder durch nachträglichen Umbau Ausstattungsbesonderheiten aufweist. Diese Besonderheiten müssten das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs wesentlich verändern, um es dem Typus nach als LKW erscheinen zu lassen (grundlegend BFH-Urteil vom 05.05.1998, VII R 104/97, BStBl. II 1998, 489).

Das Fahrzeug des Klägers ist nach der ursprünglichen Grundkonzeption ein PKW. Die wesentlichen technischen Einrichtungen, das Fahrgestell, der Grundaufbau, die Motorisierung, die Höchstgeschwindigkeit und die Gestaltung der Karosserie, namentlich die im Vergleich zu einem LKW flache Gestalt und die gestreckte Motorhaube, sind typisch für PKW und gänzlich atypisch für LKW. Diese Merkmale sind auch bei dem besonders ausgestatteten Fahrzeug des Klägers offensichtlich und entsprechen unverändert denjenigen eines "normalen" VW-Polo.

Die von dem üblichen Modell abweichende Ausstattung setzt sich gegenüber der Grundkonzeption des PKW nicht in der Weise maßgeblich durch, dass sie das Fahrzeug nach dem gesamten Erscheinungsbild zu einem LKW umzuwidmen vermöchte. Eine Einordnung als LKW kann nur dann vorgenommen werden, wenn die objektiven Beschaffenheitsmerkmale den Schluss rechtfertigen, dass die Eignung und Bestimmung des Fahrzeuges zur Lastenbeförderung deutlich überwiegen und die Personenbeförderung in den Hintergrund treten lassen (vgl. BFH-Urteil vom 28.11.2006, VII R 11/06, BFH/NV 2007, 626 m.w.N.).

Zwar ist durch das Fehlen der Rückbank und der entsprechenden Vorrichtungen für die Gurtbefestigung sowie die werksseitige Verblechung der hinteren Seitenfenster die Zulademöglichkeit verbessert und damit die Transportkapazität für Personen vermindert worden. Die Ladefläche verbleibt jedoch absolut - auch dies gehört zum äußeren Erscheinungsbild eines Fahrzeugs - gering im Vergleich zu einem als LKW konzipierten Fahrzeug.

Ebenso ist die Zuladung nach Gewicht nicht nur absolut betrachtet, sondern auch im Verhältnis gering. Mit einer Nutzlast von 29,6 v.H. des zulässigen Gesamtgewichts überschreitet sie die normale Zuladung eines Pkw nicht. Die anteilig geringe Zuladung kann auch nicht mit der Erwägung überwunden werden, LKW könnten auch Fahrzeuge sein, die dem Transport leichter, aber sperriger Güter dienen, da die Fläche absolut zu klein ist. Das Fahrzeug kann weder nach Gewicht noch Volumen mehr Lasten aufnehmen als viele Mittelklasse-PKW. Eine Eignung zum Transport kleiner sowie leichter Güter besitzt jeder PKW. Die Transportfähigkeit kann daher nicht entscheidendes oder allein ausschlaggebendes Kriterium für die Unterscheidung zwischen PKW und LKW sein.

Das äußere Erscheinungsbild ist trotz der werksseitigen Verblechung der hinteren Seitenfenster das eines PKW. Die flache Gestalt des Fahrzeugs und seine Gesamtgröße prägen das Gesamtbild. Die Beförderungsmöglichkeit von Gütern ist nicht in hinreichendem Umfang gesteigert worden, wie dies z.B. durch Kastenaufbauten oder sonstige technische Erweiterungen möglich wäre.

LKW haben nach allgemeiner Verkehrsauffassung eine gewisse Größe und Masse, was sich beispielsweise auch darin zeigt, dass gemeinhin die Fahrerlaubnis der früheren Klasse 2 als "LKW-Führerschein" bezeichnet wurde. Es kann dahinstehen, wann diese Größe und Masse im Einzelfall erreicht ist. Ein Fahrzeug des Formats eines VW-Polo, der selbst unter den PKW am Markt zu den kleineren zählt, erreicht sie jedenfalls nicht.

Auch ist die Möglichkeit zur Personenbeförderung nicht vollkommen eingeschränkt oder in der Art geschmälert worden, dass sie neben der Möglichkeit zur Lastenbeförderung geradezu unbedeutend geworden wäre. Das Fahrzeug bietet weiterhin die Möglichkeit, zwei Personen einschließlich des Fahrers zu transportieren. Insoweit kann ein Vergleich zu zweisitzigen PKW gezogen werden. Bei solchen Fahrzeugen ist häufig auch die Zuladung aufgrund der technischen Gegebenheiten eingeschränkt.

Soweit der Beklagte ein weiteres Fahrzeug des Klägers als LKW besteuert, ist einerseits nicht feststellbar, ob die Fahrzeuge tatsächlich identisch und baugleich sind - der Beklagte weist darauf hin, dass nach den Daten der Zulassungsstelle eine Baugleichheit mit dem streitbefangenen Fahrzeug nicht zu erkennen ist -, und zudem können aus der gegebenenfalls fehlerhaften steuerlichen Einstufung eines anderen Fahrzeuges keine Rückschlüsse oder eine Gleichbehandlung hergeleitet werden kann. Eine Gleichbehandlung im Unrecht kommt nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist nicht zugelassen worden.



Ende der Entscheidung

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