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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 22.02.2007
Aktenzeichen: 1 K 298/01
Rechtsgebiete: AO, UmwG, EGAO, DMBilG


Vorschriften:

AO § 38
AO § 45 Abs. 1 S. 1
UmwG § 123 Abs. 1
EGAO Art. 97a § 3 Abs. 1
DMBilG § 1 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

1 K 298/01

Steuerrate 1990

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. Februar 2007

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Karl als Vorsitzenden, die Richterin am Finanzgericht Hübner, die Richterin am Finanzgericht Gehlhaar, die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Bescheide 1990 für Körperschaften, Personenvereinigungen, Vermögensmassen im Beitrittsgebiet vom 20. Juli 2000 (betreffend die Klägerinnen zu 1. und 2.) sowie vom 21. Juli 2000 (betreffend die Klägerin zu 3.) und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 11. September 2001 werden mit der Maßgabe aufgehoben, dass die Steuerrate 1990 für die Klägerinnen nach den abgegebenen Steuererklärungen festzusetzen ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, falls die Klägerinnen nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

Tatbestand:

Die drei Klägerinnen (sowie ein weiteres Unternehmen) entstanden aus der im Streitjahr 1990 noch existierenden LPG Pflanzenproduktion (LPG) durch Teilungsbeschluss vom 10. April 1991, einen zeitnahen Antrag auf Eintragung ins Genossenschaftsregister und entsprechende Durchführung am 29. Mai 1992. Während die Eröffnungs- und Schlussbilanz der LPG ungeprüft blieb, wurden die Klägerinnen für die Jahre 1991 bis 1996 einer ersten Betriebsprüfung unterzogen, die diese Umwandlung als identitätswahrenden Formwechsel ansah. Erst bei einer Anschlussprüfung wurde festgestellt, dass es sich um eine übertragende Umwandlung handelte, so dass die Klägerinnen grundsätzlich nicht mehr als DM- Bilanz pflichtige Unternehmen anzusehen gewesen wären und den zwischenzeitlich mit der DG- Bank vereinbarten Rangrücktritt über die Altkredite nicht nach DMBilG hätten behandeln dürfen. Daher beantragten die Klägerinnen sowie der weitere Rechtsnachfolger übereinstimmend im Mai 2000 einen Rückbezug nach § 1 Abs. 5 DMBilG und gaben im Folgemonat ihre DM- Eröffnungsbilanzen nebst Steuererklärungen ab, in denen sie die Werte der LPG prozentual unter sich aufteilten. Daraufhin überprüfte der Betriebsprüfer nunmehr aufgrund einer neuen Prüfungsanordnung aus dem Jahr 2000 bei den Klägerinnen auch den Veranlagungszeitraum 1990, bemängelte insbesondere die von der LPG vorgenommenen Wertkorrekturen durch außerplanmäßige Abschreibungen und ermittelte statt des bisher angesetzten Verlustes nunmehr einen Gewinn und in der Folge eine in der Steuerrate 1990 miterfasste Gewerbesteuer. Dem folgend setzte der Beklagte mit Bescheid vom 20. Juli 2000 die Steuerrate 1990 für die Klägerin zu 1) i. H. v. 39.216,09 EUR und für die Klägerin zu 2) i. H. v. 15.533,05 EUR sowie mit Bescheid vom 21. Juli 2000 für die Klägerin zu 3) i. H. v. 26.024,76 EUR fest und wies die dagegen fristgerecht eingelegten Einsprüche mit Bescheiden vom 11. September 2001 als unbegründet zurück. Hiergegen richten sich die Klagen vom 5. Oktober 2001, welche der Senat in der ersten mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2005 durch Beschluss zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat.

Die Klägerinnen meinen, der Beklagte dürfe die Wertansätze ihrer Eröffnungsbilanzen nicht mehr überprüfen, denn sie seien als Rechtsnachfolgerinnen der LPG an deren Bilanzwerte gebunden. Der von ihnen gewählte Rückbezug sei unstreitig ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO. Daher setze eine entsprechende Änderungsmöglichkeit voraus, dass der Sachverhalt bereits in der Vergangenheit erfasst war (vgl. dazu FG Rheinland- Pfalz, Urt. v. 9. Juni 1999, 1 K 1144/97). Folglich sei diese Norm nur anwendbar, wenn die Abgabe der steuerlichen Unterlagen durch die LPG als steuerliche Veranlagung anzusehen wäre. Dann aber sei die Veranlagung der Klägerinnen als Änderung dieser Veranlagung zu werten und nicht - wie der Beklagte meint - als gänzlich neue Veranlagung. Konsequenterweise erlaube die damit eröffnete Änderungsmöglichkeit auch nur punktuelle Korrekturen, gegebenenfalls eine Mitberichtigung materieller Fehler, die sich aus dem Ereignis selbst ergeben, nicht aber eine Aufrollung der gesamten Veranlagung. Da das rückwirkende Ereignis im vorliegenden Fall allein in der Teilung der bereits festgestellten DM- Eröffnungsbilanzwerte bestehe, könne auch nur die prozentuale Übernahme dieser Werte geprüft werden, die Werte selbst seien hingegen bestandskräftig. Im Übrigen sei deren prozentuale Übernahme von der LPG zwingend, denn nach § 4 LwAnpG seien für die Aufteilung des Gewinns definitiv die im Teilungsplan festgelegten Wertverhältnisse und der dort festgelegte Verteilungsschlüssel maßgebend. Entsprechendes ergebe sich auch aus der amtlichen Begründung zur Änderung des § 50 Abs. 1 DMBilG durch das Hemmnisbeseitigungsgesetz (v. 22. März 1991, BStBl. I, 449) sowie aus § 4 Abs. 3 DMBilG.

Die Klägerinnen beantragen,

die Bescheide 1990 für Körperschaften, Personenvereinigungen, Vermögensmassen im Beitrittsgebiet vom 20. Juli 2000 (für die Klägerinnen zu 1. und 2.) sowie vom 21. Juli 2000 betreffend die Klägerin zu 3. und die hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen vom 11. September 2001 aufzuheben und die Klägerinnen erklärungsgemäß zu veranlagen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte meint, er dürfe die Wertansätze der von den Klägerinnen aufgestellten DM- Eröffnungsbilanzen überprüfen. Der Antrag auf Rückbezug gestatte es dem Steuerpflichtigen, die für das Kalenderjahr 1990 grundsätzlich abgelaufene Festsetzungsfrist zu durchbrechen, um selbst als DM- Eröffnungsbilanz pflichtiges Unternehmen zu gelten. Zugleich bedinge dieser Antrag jedoch auch eine erstmalige Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum 1990, welche das Finanzamt verpflichte, dem Steuerpflichtigen gegenüber erstmals die Steuerrate 1990 festzusetzen (während die Festsetzung gegenüber dem dann weggefallenen Rechtsvorgänger gegebenenfalls aufzuheben sei). Diese erstmalige Veranlagung sei bisher nicht Gegenstand eines Veranlagungsverfahrens gewesen und unterliege jedenfalls bei diesem Steuerpflichtigen daher auch keiner Bestandskraft. Folglich beginne die Festsetzungsfrist gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 AO auch erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Rückbezug gewählt wurde.

Das in der mündlichen Verhandlung angesprochene Urteil des BFH (v. 5. April 2006, I R 23/05, BFH/ NV 2007, 15) hält er im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr für aussagekräftig, weil es sich bei dem dort entschiedenen Fall um eine formwechselnde Umwandlung handele, während der hier streitige Fall eine übertragende Umwandlung betreffe. Außerdem deute die Veröffentlichung lediglich in BFH/ NV und gerade nicht in den BStBl. darauf hin, dass das Urteil nach Verwaltungsauffassung nicht über den entschiedenen Fall hinaus anzuwenden sei.

Dem Senat haben Auszüge aus den Körperschaftssteuerakten einschließlich der Bilanz- und Berichtsakten sowie die BP- Arbeitsakten für die Klägerinnen nicht aber die entsprechenden Akten für die LPG vorgelegen, da diese vom Beklagten nicht mehr vorgelegt werden konnten.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Unstreitig hat der Beklagte aufgrund einer von der LPG eingereichten Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1990 und Schlussbilanz zum 31. Dezember 1990 keine Steuerrate 1990 festgesetzt. Diese Entscheidung ist inzwischen bestandskräftig, denn die Steuerrate 1990 entsteht mit Ablauf des Kalenderjahres 1990, ihre Festsetzungsfrist beginnt daher spätestens mit Ablauf des dritten darauffolgenden Kalenderjahres und endet nach Art. 97a § 3 Abs. 1 EGAO nach weiteren sechs Jahren, mithin zum 31. Dezember 1999.

Diese Bestandskraft wirkt über § 45 Abs. 1 Satz 1 AO grundsätzlich auch für und gegen die Klägerinnen. Wenn ein Rechtsträger sich nach § 123 Abs. 1 UmwG aufspaltet, indem er sein Vermögen zur Neugründung auf neue Rechtsträger überträgt, dann liegt eine Gesamtrechtsnachfolge vor (Tipke/ Kruse, Kommentar zur AO/ FGO, Loseblatt, Erglfg. September 1999, § 45 Rdnr. 5). Damit gehen nicht nur die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Gesamtrechtsnachfolger über, sondern dieser tritt über den Wortlaut des § 45 AO hinaus auch ansonsten materiell und verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung seines Rechtsvorgängers ein (vgl. bspw. BFH Urt. v. 15. Oktober 1964, VI 175/63 U, BStBl. III 1965, 86) und setzt dessen Person auch für das Recht der Einzelsteuern fort (vgl. bspw. BFH, Urt. V. 21. März 1969, VI R 208/67, BStBl. II 1969, 520). Dies ist denklogisch aber nur möglich, wenn auch die Erfüllung der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale durch den Rechtsvorgänger für und gegen dessen Rechtsnachfolger wirkt und dieser daher auch ebenso zu bilanzieren hat wie sein Rechtsvorgänger (Tipke/ Kruse, a.a.O., 45 Rdnr. 11). Unerheblich ist hingegen, ob die Ansprüche gegenüber dem Rechtsvorgänger festgesetzt oder fällig waren (vgl. Tipke/ Kruse, a.a.O., 45 Rdnr. 9). Insofern können die Klägerinnen, da sie durch Aufspaltung aus der LPG entstanden und damit als deren Gesamtrechtsnachfolgerinnen anzusehen sind, grundsätzlich auch deren Bilanzwerte übernehmen und sich auch in gleicher Weise wie diese auf Verjährung berufen.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Gesamtrechtsnachfolge über den Rückbezug nach § 1 Abs. 5 DMBilG (in der Neufassung vom 25. Juli 1994, BGBl. I 1994, 1682) rechtlich auf das Jahr 1990 zurückverlegt wurde.

Zunächst konnten die Klägerinnen diesen Rückbezug wirksam ausüben. Sie gelten nämlich gemäß § 1 Abs. 5 DMBilG als DM- Bilanz pflichtige Unternehmen, denn sie sind zur Rechnungslegung verpflichtete Unternehmen, durch Spaltung aus einer LPG hervorgegangen und haben auch die auf den 31. Dezember 1991 verlängerte Entstehungsfrist eingehalten, indem sie bereits im April 1991 die Teilung beschlossen sowie unstreitig rechtzeitig ihre Eintragung ins Genossenschaftsregister angemeldet haben und im Folgejahr entsprechend eingetragen wurden. Ferner haben sie die in § 4 Abs. 3 DMBilG aufgestellten Wirksamkeitsvoraussetzungen eingehalten, denn die Vermögensgegenstände und Schulden der LPG wurden bis zum 31. Dezember 1991 und damit fristgerecht auf sie übertragen und die sich daraus ergebenden Änderungen wurden übereinstimmend in den Eröffnungsbilanzen und Inventaren aller Rechtsnachfolger berücksichtigt. Inwieweit die Klägerinnen zudem die in § 4 Abs. 1 DMBilG normierte Aufstellungsfrist berücksichtigt haben, sei dahingestellt. Dieses Fristversäumnis ist nämlich als solche nicht mit Sanktionen bedroht (vgl. Budde/ Förster, Kommentar zum D- Mark- Bilanzgesetz, einschließlich Ergänzungsband, 1991, § 4 Rdnr. 59). Außerdem gehört § 4 Abs.1 DMBilG (entgegen FG Mecklenburg- Vorpommern, Urt. v. 23. September 1998, 1 K 224/97, Haufe Index 1096870; Sächsisches FG, Urt. v. 21. November 2000, 6 K 1029/96, Haufe Index 1324198) weder seinem Wortlaut noch seiner systematischen Stellung nach zu den in § 1 Abs. 5 DMBilG und § 4 Abs. 3 DMBilG speziell geregelten Rückbezugsvoraussetzungen. Zuletzt verbietet auch der Sinn und Zweck der betreffenden Normen keineswegs, zwischen den allgemeinen Anforderungen an die DM- Eröffnungsbilanz einschließlich der Aufstellungsfrist und den speziellen Voraussetzungen für die Wahl des Rückbezuges zu unterscheiden.

Wenn aber die Klägerinnen das ihnen zustehende Wahlrecht nach § 1 Abs. 5 DMBilG wirksam ausgeübt haben, hat das nach § 170 Abs. 1 AO ganz regulär zur Folge, dass auch die Steuerpflicht der Klägerinnen für das Jahr 1990 noch im gleichen Jahr entstanden ist, selbst wenn dies erst durch Ausübung des Rückbezugswahlrechtes im Jahr 2000 geschehen ist. Entscheidend ist nämlich nach § 38 AO, wann das Jahr abläuft, in dem der Tatbestand verwirklicht ist, der durch diesen Rückbezug erfasst wird. Das war das Jahr 1990, in dem die LPG mit Gewinnerzielungsabsicht tätig war. Die Situation infolge des Rückbezuges unterscheidet sich insofern nicht von einer rückwirkenden Inkraftsetzung von Steuergesetzen, bei der es ebenfalls nur darauf ankommt, wann der Tatbestand verwirklicht ist, der durch die Rückanknüpfung erfasst wird (vgl. zu letzterem Tipke/ Kruse- Kruse, a.a.O. Erglfg. Oktober 2002, § 170 Rdnr. 3). Demzufolge war die Festsetzungsfrist - wie bei der LPG - auch bei den Klägerinnen grundsätzlich schon abgelaufen, als am Anfang des Jahres 2000 die Prüfungsanordnung für das Kalenderjahr 1990 erging.

Eine Änderung der Steuerfestsetzung war daher nur noch nach Maßgabe des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO möglich. Die entsprechenden Voraussetzungen liegen vor. Ein Ereignis in diesem Sinne ist jeder rechtlich relevante Vorgang, sei er nun rechtlicher oder tatsächlicher Art; es löst eine steuerliche Wirkung für die Vergangenheit aus, wenn nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhaltes der Besteuerung zu unterwerfen ist (BFH, Beschl. v. 19. Juli 1993, GrS 2 /92, BStBl. II 1993, 897). Derartiges wird bspw. bei der Ausübung von Wahlrechten angenommen, die dazu führt, dass ein richtiger Bilanzansatz durch einen ebenfalls richtigen Bilanzansatz ersetzt und dadurch der kraft Gesetzes entstandene Steueranspruch verändert wird; dabei ist jedoch zu beachten, dass lediglich die Wahlrechtsausübung, nicht aber die geänderte Bilanz das rückwirkende Ereignis ist (Tipke- Kruse/ Loose, a.a.O., Erglfg. März 2004. § 175 Rdnr. 39). So verhält es sich auch im vorliegenden Fall; Die Ausübung des Rückbezugswahlrechtes ist als Ereignis anzusehen, weil sie die Umwandlung der LPG in die Klägerinnen und damit zugleich auch deren Entstehung auf den 1. Juli 1990 zurückverlegt und damit rechtlich relevant wird. Dieses Ereignis wirkt zurück, indem es den kraft Gesetzes entstandenen Steueranspruch insoweit verändert, als nunmehr die Klägerinnen und nicht mehr die LPG Steuersubjekt sind und als die Gewinne bzw. Verluste sowie die Bilanzwerte der LPG nunmehr den Klägerinnen zuzuordnen und zwischen ihnen aufzuteilen sind. Demgegenüber bewirkt dieses Ereignis nicht, dass sich die Höhe der jeweiligen Bilanzwerte verändert, denn den betreffenden Wirtschaftsgütern kam bereits zum Stichtag 1. Juli 1990 ein bestimmter Wert zu und dieser hat sich allein durch den Rückbezug nicht verändert. So etwas wäre allenfalls denkbar, wenn einem bestimmten Wirtschaftsgut in dem neuen Betrieb, dem es durch die Rückwirkung nunmehr früher zuzuordnen ist, eine erhöhte oder verminderte Bedeutung zukäme als in dem bisherigen Betrieb (vgl. dazu Budde- Karig, Ergänzungsband a.a.O., § 4 Rdnr. 57). Dies ist hier aber gerade nicht der Fall, denn die vom Beklagten angestrebten Wertänderungen beruhen unstreitig darauf, dass er den Klägerinnen außerplanmäßige Abschreibungen verwehrte, welche er bei der LPG zwar anerkannt hatte, aber nach eigener Auffassung auch schon nicht hätte anerkennen dürfen. Folglich resultieren die geänderten Bilanzwerte gerade nicht aus einer geänderten Zuordnung der Wirtschaftsgüter infolge des ausgeübten Rückbezugswahlrechtes, sondern wären ggf. auch schon bei der LPG zu korrigieren gewesen.

In der Rechtsfolge ordnet § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO eine Anpassungspflicht an, soweit das rückwirkende Ereignis reicht, und erlaubt dabei allenfalls eine Mitberichtigung der im Veranlassungszusammenhang stehenden materiellen Fehler (BFH, Urt. v. 23. November 2000, IV R 85/99, BStBl. II 2001, 122), verbietet jedoch eine Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles (BFH, Urt. v. 21. August 1962, I 248/60 U, BStBl. III 1962, 501). Daher musste der Beklagte zwar nunmehr neue Bescheide erlassen, die Klägerinnen als Steuersubjekt ausweisen; er musste prüfen, ob die Gewinne bzw. Verluste sowie die Bilanzwerte prozentual auf sie aufgeteilt wurden, er durfte aber keine geänderten Bilanzwerte für die einzelnen Wirtschaftsgüter ansetzen. Dem steht auch nicht entgegen, dass er möglicherweise damals gegenüber der LPG gar keine Steuerbescheide erlassen hat.

§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist nämlich nicht auf die Änderung bestandkräftiger Steuerbescheide beschränkt, sondern er ist sogar dann anwendbar, wenn der Steuerbescheid, in dem der Vorgang zu berücksichtigen wäre, noch gar nicht ergangen ist (BFH, Urt. v. 19. August 2003, VIII R 67/02, BStBl. II 2004, 107).

Ebenso wenig ist eine andere Beurteilung aufgrund der Besonderheiten durch das DM- BilG geboten. Zwar bewirkt der Rückbezug nach § 1 Abs. 5 DMBilG im Gegensatz zu anderen Rechtsnachfolgen, dass auf den Rechtsvorgänger, wenn er infolge des Rückbezugs vermögenslos wird - wie hier - das DM- BilG nach § 4 Abs. 3 Satz 3 DMBilG nicht mehr angewandt wird und dass er gegebenenfalls im Register zu löschen ist, so dass er - allein für sich betrachtet - rechtlich so behandelt wird, als habe er gar nicht existiert. Das ändert aber nichts daran, dass er rein tatsächlich sehr wohl existiert hat, und es besagt auch nicht zwangsläufig, dass er für seine Rechtsnachfolger keine Bedeutung mehr haben kann. Im Falle einer formwechselnden Umwandlung zeigt sich bspw. die Bedeutung einer LPG für ihre Gesamtrechtsnachfolger daran, dass die Gesamtrechtsnachfolger keine eigenen DM- Eröffnungsbilanzen mehr aufzustellen brauchen, weil ihnen die ihres Rechtsvorgängers zuzurechnen ist (BFH, Urt. v. 5. April 2006, I R 23/05, BFH/ NV 2007,15). Im Falle einer übertragenden Umwandlung - wie hier - gilt dies zwar nicht, doch auch in solchen Fällen können die von der LPG ermittelten Zahlen für ihre Gesamtrechtsnachfolger herangezogen werden, denn § 1 Abs. 5 DMBilG hat den Sinn und Zweck, die Umwandlung von LPG'en zu vereinfachen (BFH, a.a.O. unter 2.b). Insofern hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung zu Unrecht darauf hingewiesen, dass die Entscheidung zu einer formwechselnden Umwandlung ergangen ist. Die oben zitierte Kernaussage gilt nämlich gerade nicht für die Fälle der formwechselnden Umwandlung, sondern insbesondere für die Fälle der übertragenden Umwandlung, weil die Norm überhaupt nur bei einer Umwandlung durch Rechtsträgerwechsel anwendbar ist (BFH, a.a.O. unter 2.c).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die entsprechenden Nebenentscheidungen folgen aus § 151 Abs. 1, 3 FGO i.V.m. §§ 708 Abs. 1 Nr. 10 und 711 ZPO. Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen, da es sich um auslaufendes Recht handelt.



Ende der Entscheidung

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