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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 31.03.2008
Aktenzeichen: 1 K 413/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 3 Nr. 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

1 K 413/04

Einkommensteuer 2001

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 1. Senat -

ohne mündliche Verhandlung

am 31. März 2008

durch

die Richterin am Finanzgericht Hübner als Einzelrichterin

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.

Tatbestand:

Die als Eheleute zusammen veranlagten Kläger möchten eine an den Kläger zu 1. im Jahre 2001 geleistete Zahlung seiner vormaligen Arbeitgeberin als begünstigte Abfindung nach § 3 Nr. 9 Einkommensteuergesetz - EStG - behandelt wissen.

Der Kläger war auf Grund eines am 01. Juli 1993 mit der A GmbH, zukünftig B GmbH abgeschlossenen Arbeitsvertrages bei der X GmbH & Co. KG als Gefahrgutfahrer beschäftigt. Die Rechtsnachfolge ist zwar nicht aktenkundig, jedoch unstreitig. Als Eintrittsdatum galt unter Berücksichtigung der Betriebszugehörigkeit zu der Gesellschaft und ihrer Rechtsvorgänger der 01. Mai 1988. Er erhielt einen tariflichen Monatslohn von DM 2.218,00 brutto bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden, Urlaubsgeld in Höhe von DM 1.200,00 sowie eine Jahresleistung von DM 2.193,00, ferner Jahresurlaub nach den tariflichen und gesetzlichen Bestimmungen. Für Zwecke der Berechnung von Überstundenvergütungen errechnete die Arbeitgeberin hieraus einen Stundenlohn von DM 19,39. Der Urlaubsanspruch betrug zuletzt pro Jahr 30 Tage.

Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag unter dem 30. März 2001 zum 31. März 2001 beendet. Es heißt darin, das Arbeitsverhältnis ende auf arbeitgeberseitige Veranlassung zum 31.03.2001. Im Monat des Ausscheidens erhalte der Kläger eine Abfindung lt. Interessenausgleich und Sozialplan in Höhe von 7.500,00 DM. Mit diesem Aufhebungsvertrag seien alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und anlässlich seiner Beendigung abgegolten.

Seit dem 01. April 2001 war der Kläger auf Grund eines unter dem 19. März 2001 abgeschlossenen Vertrages als Gefahrgutfahrer bei der X Kleinkunden GmbH & Co. KG beschäftigt. Er erhielt dort einen Stundenlohn von DM 17,00, weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld und nur noch Urlaub von jährlich 25 Tagen. Soweit aus der Dauer des Arbeitsverhältnisses Rechte folgen sollten, galt als Beginn der 01. Mai 1988.

In einer unter dem 20. März 2001 abgeschlossenen Vereinbarung zwischen der X GmbH & Co. KG und deren Betriebsrat (Freiwilliger Interessenausgleich und Sozialplan; im folgenden nur "Sozialplan") heißt es unter anderem, die X Verwaltungs-GmbH sei auf Grund einer entsprechenden Entscheidung der Konzernleitung beauftragt worden, spätestens zum 01. April 2001 zwei neue Gesellschaften zu gründen, die voraussichtlich unter X Großkunden GmbH & Co. KG und X Verbraucher GmbH & Co. KG firmieren, in den sich aus der Firmierung ergebenden Geschäftsfeldern tätig sein, ihre Arbeit möglichst kurzfristig aufnehmen sollten und daher Personal benötigten. Mitarbeitern, die zu einer der beiden neuen Gesellschaften wechseln wollten, solle dies unbürokratisch ermöglicht werden. Die X GmbH & Co. KG werde mit diesen Mitarbeitern einen Aufhebungsvertrag schließen, in dem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich als "auf Veranlassung des Arbeitgebers" geschehend bezeichnet werde. Wechselnde Mitarbeiter erhielten außerdem zum Ausgleich der mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der X GmbH & Co. KG verbundenen Nachteile eine Abfindung im Sinne von § 3 Nr. 9 EStG, und zwar bei einem Wechsel bis zum 01. April 2001 von DM 7.500,00, bei einem Wechsel bis zum 01. Juli 2001 von DM 4.000,00 und bei einem Wechsel bis zum 01. Oktober 2001 von DM 2.000,00. Urlaubsansprüche sollten übertragen werden können. Ferner existierte eine Abfindungsregelung für Mitarbeiter, die das 56. Lebensjahr vollendet haben und ausscheiden wollten.

Komplementärin der X GmbH & Co. KG war die X Verwaltungs-GmbH. Im Jahre 2001 waren die beiden Gesellschaften X Kleinkunden GmbH & Co. KG sowie X Großkunden GmbH & Co. KG gegründet worden. Ausweislich der am 07. November 2001 erfolgten Eintragung im Handelsregister hatte die X Kleinkunden GmbH Co. KG am 28. März 2001 begonnen. Komplementärin war ebenfalls jeweils die X Verwaltungs-GmbH , Kommanditistinnen jeweils zur Hälfte die X Beteiligungs GmbH sowie die Y GmbH. Aus einem Prüfungsbericht für die X GmbH & Co. KG geht hervor, dass im Jahre 2001 zwei neue Kommanditgesellschaften gegründet wurden, deren operative Geschäftstätigkeit mit der der X GmbH & Co. KG identisch war. Letztere schlossen im Jahre 2001 Aufhebungsverträge mit 179 Mitarbeitern ab, die bei den beiden neu gegründeten Kommanditgesellschaften angestellt wurden. Die X GmbH & Co. KG wurde im Jahre 2003 aufgelöst.

Als einer von zwei Geschäftsführern der X Verwaltungs-GmbH firmierte im Jahre 2001 und auch noch im Jahre 2003 C., der den Aufhebungsvertrag vom 30. März 2001 unterzeichnet hat und erkennbar auch den Arbeitsvertrag vom 19. März 2001 für die X Kleinkunden GmbH & Co. KG unterzeichnet hat.

Eine Firma X Verbraucher GmbH & Co. KG ist weder dem Beklagten noch dem Finanzamt D., das die Lohnsteueraußenprüfung durchgeführt hatte, noch dem Finanzamt E. als Betriebsstättenfinanzamt der X GmbH & Co. KG sowie der beiden Nachfolgegesellschaften bekannt.

Die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr erfolgte zunächst mit Bescheid vom 07. November 2002 im Wesentlichen antragsgemäß. Im Jahre 2003 führte das Finanzamt D. bei der X GmbH & Co. KG i.L. eine Lohnsteueraußenprüfung durch, in der es die Auffassung vertrat, die an den Kläger im Jahre 2001 gezahlten DM 7.500,00 seien eine steuerpflichtige Abfindung, die die mit dem Wechsel verbundenen wirtschaftlichen Nachteile hätten abgelten sollen. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2003 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid entsprechend und berücksichtigte die gezahlte Abfindung als weitere Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bei dem Kläger. Hiergegen richtete sich der am 07. Januar 2004 eingegangene Einspruch, der erfolglos blieb. Gegen den Einspruchsbescheid vom 16. Februar 2004 richtet sich die am 05. März 2004 eingegangene Klage.

Die Kläger meinen, der streitige Betrag sei eine Abfindung im Sinne von § 3 Nr. 9 EStG und deshalb steuerfrei.

Das Arbeitsverhältnis mit der X GmbH & Co. KG sei beendet worden. Auch eine inhaltlich im Wesentlichen unveränderte Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit einem neuen Arbeitgeber liege nicht vor. Die Arbeitsbedingungen hätten sich verändert. Der Kläger habe auch wesentliche Einschnitte im sozialen Besitzstand hinnehmen müssen.

Nachdem er für die X GmbH & Co. KG lediglich Großhändler beliefert habe, habe er für die X Kleinkunden GmbH & Co. KG ausschließlich Haus- und Kleinkunden zu beliefern. Er habe daher wesentlich mehr Kunden zu beliefern, woraus eine höhere Arbeitsbelastung folge. Bei einer Arbeitsleistung von etwa 168 Stunden monatlich habe er bei einem Bruttolohnanspruch von DM 19,39 in 12 Monaten DM 39.090,24 brutto erhalten. Zuzüglich der Jahresleistung und des Urlaubsgeldes habe sich ein Anspruch von insgesamt DM 42.483,24 im Jahr ergeben. Seit dem 01. April 2001 habe dieser nur noch DM 34.272,00 betragen. Eine Verringerung des Bruttolohnanspruches um DM 8.211,24 und damit um 19,33% sei durchaus wesentlich. Hinzu trete die Urlaubskürzung um 16,66%.

Es sei durchaus nicht so, dass es zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung Vereinbarungen gegeben hätte, die den Arbeitnehmern die Übernahme in neue Unternehmen sicherten, oder dass insoweit Geschäftsführeridentität vorliege. Deswegen liege keine Umsetzung innerhalb eines Konzerns vor. Vielmehr sei bereits vor Abschluss des Aufhebungsvertrages vom 30. März 2001 einer Reihe weiterer Arbeitnehmer gekündigt worden. Der Kläger habe nur die Alternative gehabt, den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen oder einer Kündigung entgegenzusehen.

Es sei auch keineswegs die in dem Sozialplan genannte Nachfolgefirma X Verbraucher GmbH & Co. KG identisch mit der tatsächlichen späteren Arbeitgeberin des Klägers, der X Kleinkunden GmbH & Co. KG. Es sei gänzlich lebensfremd, dass zwei Firmen den gleichen Namen haben. Mit einer der im Sozialplan genannten Nachfolgegesellschaften habe der Kläger ein Beschäftigungsverhältnis also gerade nicht aufgenommen.

Die Abfindung habe er nach alledem nicht für die Nachteile durch das neue Arbeitsverhältnis, sondern für den Verlust des alten Arbeitsplatzes erhalten. Sie habe dazu gedient, einen Arbeitsrechtsstreit zu vermeiden.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid vom 23. Dezember 2003 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 16. Februar 2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung lägen nicht vor.

Die Steuerfreiheit der Abfindung nach § 3 Nr. 9 EStG werde für den Verlust des Arbeitsplatzes gewährt. Die darin genannte Auflösung des Dienstverhältnisses verlange daher dessen endgültige Beendigung. Bei Umsetzungen innerhalb eines Konzerns, wie hier, sei für die Frage, ob eine Beendigung des Dienstverhältnisses oder eine steuerlich unbeachtliche Änderungskündigung vorliege, maßgebend, ob das neue Dienstverhältnis nach den konkreten Umständen als Fortsetzung des bisherigen Dienstverhältnisses zu beurteilen sei.

Der freiwillige Interessenausgleich und Sozialplan habe den Arbeitnehmern, die dem Wechsel in eines der neu zu gründenden Unternehmen zustimmten, einen Aufhebungsvertrag und eine (vermeintlich steuerfreie) Abfindung zugesagt, die die mit dem Wechsel verbundenen wirtschaftlichen Nachteile, aber nicht den Verlust des bisherigen Arbeitsplatzes hätten abgelten sollen. Die Anerkennung bisheriger Dienstzeiten sowie der laufenden Urlaubsansprüche spreche ebenso für eine Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses mit einem neuen Rechtsträger.

Mit Beschluss vom 26. April 2004 hat der Senat den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 FGO dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Die Beteiligten haben in einem Erörterungstermin vom 29. November 2004 auf mündliche Verhandlung verzichtet. Die bei dem Beklagten für die Kläger geführten Einkommensteuerakten für das Jahr 2001 einschließlich des Rechtsbehelfsvorgangs haben vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Beklagte hat die im Jahre 2001 gezahlte Abfindung zu Recht als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Besteuerung unterworfen. Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 9 EStG liegen nicht vor.

1. Nach dieser Vorschrift in der für das Streitjahr geltenden Fassung waren Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten Auflösung des Dienstverhältnisses, höchstens jedoch 16.000 Deutsche Mark, steuerfrei; letzterer Betrag erhöhte sich bei höherem Lebensalter und längerer Dienstzeit.

Prototyp für die Auflösung des Dienstverhältnisses sind Kündigung des Arbeitgebers und anschließende Arbeitslosigkeit oder der Abschluss eines gänzlich neuen Dienstvertrages mit einem neuen Arbeitgeber, der mit dem bisherigen Arbeitgeber in keinerlei Verbindung steht.

Wird nach der Auflösung eines Dienstverhältnisses ein neues Dienstverhältnis begründet, so ist eine gezahlte Abfindung trotz formeller Auflösung des ersten Dienstverhältnisses nicht steuerfrei, wenn die Beteiligten dies nach den Umständen des einzelnen Falles als Fortsetzung eines einheitlichen Dienstverhältnisses ausgestaltet haben. Nur bei endgültiger Beendigung des Dienstverhältnisses und nur für diese wird aus sozialpolitischen Gründen eine Steuerbefreiung gewährt, um nämlich die Folgen des unfreiwilligen Arbeitsplatzverlustes abzumildern. Das bedeutet zweierlei:

a. Eine Fortsetzung des bisherigen Dienstverhältnisses kann - je nach den Umständen - vorliegen bei einer Änderungskündigung und Abschluss eines neuen Vertrages mit demselben Arbeitgeber, bei einem Arbeitgeberwechsel im Rahmen eines Betriebsübergangs oder auch bei Umsetzungen innerhalb eines Konzerns oder sonst zwischen verbundenen Unternehmen. Anhaltspunkt für eine Fortsetzung des bisherigen Dienstverhältnisses ist es unter anderem, wenn bisherige Dienstzeiten für die Berechnung dienstzeitbezogener Leistungen einschließlich Alterssicherungen angerechnet werden, ein Rückkehrrecht zum alten Arbeitgeber besteht und der Arbeitsbereich, die Entlohnung sowie der soziale Besitzstand im wesentlichen unverändert bleiben (Urteile des BFH vom 21. Juni 1990, X R 48/86, BStBl. 1990 II 1021;vom 16. Juli 1997, XI R 85/96, BStBl. 1997 II 666;vom 12. April 2000, XI R 1/99, BFH/NV 2000, 1195;vom 13. Dezember 2005, XI R 8/05, BFH/NV 2006, 1071).

b. Darüber hinaus muss die Abfindungszahlung ihren Grund in der Auflösung des alten und nicht etwa in der Begründung des neuen Dienstverhältnisses haben. "Grund" ist hierbei nicht jeder ursächliche Zusammenhang. Vielmehr muss die Zahlung gerade durch die Auflösung des bisherigen Dienstverhältnisses veranlasst sein (Urteil des BFH vom 16. Dezember 1992, XI R 33/91, BStBl. 1993 II 447; Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Oktober 2003, 2 K 2994/01, EFG 2005, 1915 sowie das nachgehende Urteil des BFH vom 01. August 2007, XI R 18/05, BFH/NV 2007, 2104).

2. An beiden Voraussetzungen fehlt es.

a. Das mit der X Kleinkunden GmbH Co. KG abgeschlossene Arbeitsverhältnis stellt sich als Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses mit der zu einem Unternehmensverbund gehörenden X GmbH & Co. KG dar. Zwar haben sich die Arbeits- und arbeitsvertraglichen Bedingungen verändert, jedoch nicht so tiefgreifend, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des Vorgangs von einem Arbeitsplatzverlust ausgegangen werden könnte.

aa. Es ist nicht klar, ob die Kläger ernstlich bestreiten wollen, dass die bisherige Arbeitgeberin des Klägers, die X GmbH & Co. KG, und die neue Arbeitgeberin, die X Kleinkunden GmbH & Co. KG , zu demselben Unternehmensverbund gehören und über dieselbe Komplementärin denselben Geschäftsführer besitzen. Dies ergibt sich so aus den im Klageverfahren von der Finanzverwaltung eingereichten Unterlagen und bestätigt nur den aus der Firmierung " X ... " folgenden Anschein. Zudem wird der Kläger wissen, dass dieselbe Person seinen Aufhebungsvertrag und seinen neuen Arbeitsvertrag unterzeichnet hat, was nur bei Handlungsbefugnis für alte und neue Arbeitgeberin möglich ist. Der Aufhebungsvertrag und der Abschluss des neuen Vertrages standen daher erkennbar in einem inneren Zusammenhang und waren zwischen den drei Beteiligten, nämlich dem Kläger, der vormaligen Arbeitgeberin und der neuen Arbeitgeberin, abgestimmt.

bb. Die Änderungen der Arbeitsbedingungen und deren Rahmens zum 01. April 2001 stehen einem Arbeitsplatzverlust nicht gleich. Sie sind nicht "wesentlich" im Sinne der unter 1.a. genannten Rechtsprechung.

Das Gericht möchte nicht dahin missverstanden werden, dass es eine Gehaltskürzung um mehr als DM 8.000,00 bzw. um etwa ein Fünftel für eine zu vernachlässigende Größe halte. Das ist sie natürlich nicht. Der Begriff "wesentlich" muss aber in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund der Zielsetzung des § 3 Nr. 9 EStG verstanden werden, der nur Abfindungen für den Verlust des Arbeitsplatzes und gerade nicht Abfindungen für eine (auch deutlich spürbare) Verschlechterung der Arbeitsbedingungen begünstigen wollte. Hätte der Gesetzgeber letzteres gewollt, hätte er dies besonders regeln müssen und die in der Vorschrift vorausgesetzte "Auflösung des Dienstverhältnisses" um eine Änderung des Dienstverhältnisses zum Nachteil des Steuerpflichtigen ergänzen müssen (ebenso Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 04. Oktober 2005, 13 K 482/04, Haufe-Index 1511973). Vor diesem Hintergrund und in diesem Sinne liegt insgesamt keine wesentliche Änderung vor.

Hier ist zunächst zu berücksichtigen, dass als Eintrittsdatum des Klägers für alle Rechte, die aus der Dienstzeit folgen könnten, wie schon zuvor der 01. Mai 1988 galt. Damit übernahm die neue Arbeitgeberin eine abgeleistete Dienstzeit von immerhin 12 Jahren und 11 Monaten, was nicht zuletzt für den Fall der Sozialauswahl bei Kündigungen von herausragender Bedeutung ist und dem Kläger so einen durchaus bedeutsamen Teil seiner erworbenen Rechte sicherte. Werden Arbeitsverhältnisse neu begründet, gibt es derartige Anrechnungszeiten nicht.

Trotz der von dem Kläger geschilderten Änderungen der tatsächlichen Arbeitsabläufe ist auch der Arbeitsbereich im Wesentlichen unverändert geblieben. Er war weiterhin als Gefahrgutfahrer in der Auslieferung tätig. Es mag in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob er tatsächlich, wie vorgetragen, vorher eine insgesamt geringere Anzahl von Kunden beliefert hat als nachher. Der Vortrag ist nur begrenzt plausibel. Plausibel ist lediglich, dass die jeweiligen Liefermengen bei der Lieferung an Haus- und Kleinkunden geringer sind als bei der Lieferung an Großkunden. Ob der Kläger in einer gegebenen Zeit deshalb eine deutlich größere Anzahl von Kunden anfahren kann, hängt aber nicht nur von der Liefermenge und ggf. der daraus folgenden Entladezeit ab, sondern vor allem von der Länge der zu den Kunden zurückzulegenden Wege, die ihrerseits nicht von der Eigenschaft des Kunden als Groß- oder Kleinkunde abhängt. Selbst wenn jedoch davon auszugehen sein sollte, dass sich die Anzahl der zu beliefernden Kunden erhöht und dafür die Länge der zu fahrenden Strecke vermindert haben sollte, blieb doch die Art der Arbeit mit ihren Anforderungen an Fähigkeiten und Sorgfalt des Klägers im Wesentlichen die gleiche. Es handelte sich - wenn es sich so verhielte - um eine gewisse Verschiebung zwischen reiner Fahrtätigkeit und den mit der eigentlichen Anlieferung zusammenhängenden Tätigkeiten. Eine solche Verlagerung der Gewichte verschiedener Bestandteile der täglichen Arbeit kommt auch bei Dauerarbeitsverhältnissen nicht selten vor, ohne dass dem auch nur eine Änderung des Arbeitsvertrages zu Grunde läge.

Die Einbußen in Gehalt und Urlaub sollen, wie eingangs bereits betont, nicht gering geredet oder geschrieben werden, sind aber nicht als "wesentliche Veränderung" in dem hier geforderten Sinne zu qualifizieren. Sie bewegen sich noch innerhalb der Schwankungen - zu Gunsten oder zu Lasten der Arbeitnehmer -, die man auch bei gleichbleibender Tätigkeit im Laufe der Jahre häufig verzeichnet. Schwankungen aber, die in einer über Jahre gestreckten Form den Charakter des Arbeitsverhältnisses nicht ändern, können dies folglich auch dann nicht, wenn sie auf einen Zeitpunkt kumuliert werden.

Ein Rückkehrrecht zum alten Arbeitgeber schließlich bestand nicht, konnte aber auch aus der Natur der Sache nicht begründet werden, weil die bisherige Arbeitgeberin liquidiert wurde.

Nach alledem hat der Kläger bei dem Wechsel der Arbeitgeberin zum 01. April 2001 zwar eine spürbare Verschlechterung der Arbeitsbedingungen hinnehmen müssen, die aber einem Arbeitsplatzverlust nicht gleichkommt. Nach den konkreten Umständen liegt daher eine Fortsetzung des bisherigen Dienstverhältnisses vor.

b. Zudem hatte die Abfindungszahlung ihren eigentlichen Grund nicht in der Auflösung des alten, sondern in der Begründung des neuen Dienstverhältnisses.

Es handelt sich um die in dem Sozialplan vereinbarte Zahlung von DM 7.500,00 für diejenigen Mitarbeiter, die bis zum 01. April 2001 von der X GmbH & Co. KG zu einer der beiden spätestens zum 01. April 2001 neu zu gründenden Gesellschaften wechseln würden, und zwar für diesen Wechsel, nicht für das Ausscheiden aus der X GmbH & Co. KG.

aa. Bei der X Kleinkunden GmbH & Co. KG handelt es sich um eine der beiden in dem Sozialplan genannten Nachfolgegesellschaften der X GmbH & Co. KG, nämlich um die darin als "voraussichtlich" unter X Verbraucher GmbH & Co. KG firmierende Gesellschaft.

Anders kann es sich nicht verhalten haben. Dem Einwand der Kläger, seine neue Arbeitgeberin habe mit der darin genannten X Verbraucher GmbH & Co. KG nichts zu tun, ist nicht zu folgen.

Unschlüssig ist es, soweit die Kläger dies bereits aus der unterschiedlichen Firmierung herleiten. Der Sozialplan benennt noch nicht zwei Gesellschaften mit bestimmter Firma, sondern zwei Gesellschaften mit voraussichtlicher Firma. Es widersprach also den tatsächlichen Prämissen des Sozialplans nicht, wenn die Gesellschaft, die tatsächlich Arbeitnehmer der X GmbH & Co. KG übernahm, tatsächlich anders firmierte als es der Sozialplan ankündigte.

Der Einwand ist auch nicht deshalb richtig, weil der Arbeitsvertrag mit der X Kleinkunden GmbH & Co. KG bereits am 19. März 2001 abgeschlossen worden sein soll, während der Sozialplan vom 20. März 2001 datierte, also eigentlich die zutreffende Firmierung hätte übernehmen können, wenn er denn mit seinen Abfindungsregelungen auch die mit dieser Gesellschaft abgeschlossenen Arbeitsverträge erfassen wollte. Abgesehen von der Frage, ob die Daten der in diesem Zeitraum abgeschlossenen Verträge überhaupt richtig sind, steht aber zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es sich bei der Verwendung einer abweichenden Firma in dem Sozialplan lediglich um einen Versuch handelte, nach außen hin die Voraussetzungen einer Steuerfreiheit der gezahlten Abfindung darzustellen. Das im Zusammenhang mit der Nachfolge der zu liquidierenden X GmbH & Co. KG eingetretene Durcheinander hinsichtlich der Firmierungen diente nur der Verschleierung. Die Vorgänge lassen keine andere Feststellung zu. Klargestellt sei nur, dass damit keine Aussage über den Urheber dieser Gestaltung getroffen ist.

Sowohl aus dem Sozialplan als auch aus dem Prüfungsbericht für die X GmbH & Co. KG geht hervor, dass im Jahre 2001 zwei neue Kommanditgesellschaften gegründet werden sollten bzw. gegründet wurden, um das operative Geschäft der - aufzulösenden - X GmbH & Co. KG einschließlich der dafür benötigten Mitarbeiter zu übernehmen, mit denen laut Prüfungsbericht entsprechende Aufhebungsverträge geschlossen werden sollten. Das operative Geschäft der X GmbH & Co. KG bestand ausweislich des Prüfungsberichts in der subunternehmerischen Erfüllung von Speditionsaufträgen von mit der Unternehmensgruppe Z verbundenen Unternehmen. Tatsächlich wurden zwei neue Kommanditgesellschaften gegründet, deren Unternehmensgegenstand - gleichlautend - die Durchführung von Speditions- und Frachtgeschäften, insbesondere die Durchführung des Transports von X-produkten war. Die Firmenbestandteile "Großkunden" bzw. "Kleinkunden" deuten auf eine Teilung des Transportgeschäfts in die Belieferung von Großkunden und die Belieferung von Kleinkunden auf. Eine der beiden neuen Kommanditgesellschaften - letztere nämlich - ist die X Kleinkunden GmbH & Co. KG , mit der der Kläger einen neuen Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung als Gefahrgutfahrer - wie bisher - geschlossen hat. Eine X Verbraucher GmbH & Co. KG taucht abgesehen von dem Sozialplan nicht auf. Der Finanzverwaltung ist sie nicht bekannt, müsste sie aber bekannt sein, wenn es sie gäbe, was nur folgern lässt, dass es sie nicht gibt.

Dies alles ist nur so zu verstehen, dass die beiden tatsächlichen Nachfolgegesellschaften der X GmbH & Co. KG mit den beiden im Sozialplan gemeinten Nachfolgegesellschaften identisch sind. Sonst müsste es insgesamt drei Nachfolgegesellschaften geben, was mit sämtlichen Erkenntnissen zu der Firmennachfolge nicht vereinbar ist.

bb. Daraus folgt, dass die von dem Kläger vereinnahmten DM 7.500,00 ihren Rechtsgrund in der Vereinbarung des Sozialplans haben und nach dessen Konzept für die Übernahme eines anderen Arbeitsplatzes, nicht für den Verlust des alten Arbeitsplatzes gezahlt wurden. Es fehlt daher an dem in § 3 Nr. 9 EStG geforderten Kausalzusammenhang zwischen der Auflösung des Dienstverhältnisses und der Abfindung.

Es handelt sich um genau den Betrag, den diejenigen Arbeitnehmer erhielten, die bereits zum 01. April 2001 von der X GmbH & Co. KG zu einer der beiden neu zu gründenden Gesellschaften wechselten. Die Vorstellung, dass der Kläger aus einer anderweitigen Vereinbarung heraus zur Vermeidung eines Arbeitsrechtsstreits diesen Betrag erhalten habe, ist verfehlt, weil er dann auf den ihm aus dem Sozialplan zustehenden Anspruch verzichtet hätte. Dazu bestand keine Veranlassung. Dieser Anspruch wiederum stand ihm zu, weil aus den unter aa. genannten Gründen die in dem Sozialplan erfolgte Nennung der voraussichtlich unter X Verbraucher GmbH & Co. KG firmierenden Gesellschaft zivilrechtlich lediglich eine unschädliche Falschbezeichnung der X Kleinkunden GmbH & Co. KG war.

Der Sozialplan zeichnet sich dadurch aus, dass er abgesehen von den Regelungen für ältere Arbeitnehmer, die auf den Kläger keine Anwendung finden, eine Abfindung nur vorsieht, wenn und soweit der betreffende Arbeitnehmer gerade keinen Arbeitsplatzverlust hinnimmt, sondern zu einer der beiden Nachfolgegesellschaften der X GmbH & Co. KG wechselt. Die Abfindung fiel umso höher aus, je früher der Wechsel stattfand. Eine Abfindung für jüngere Arbeitnehmer, die nicht wechselten, sondern die Kündigung riskierten, sah der Sozialplan gerade nicht vor.

Das bedeutet, dass der Kläger die Abfindung gerade nicht für den Arbeitsplatzverlust oder wegen des Arbeitsplatzverlustes, sondern für den Wechsel erhalten hat, wenn und weil er nämlich einen anderen Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmensverbundes annahm, was den Umstrukturierungsvorhaben des Unternehmensverbundes gelegen kam. Hätte er dies nicht getan, sondern tatsächlich den vollständigen Verlust des Arbeitsplatzes riskiert, hätte er nach dem Sozialplan gerade keine Abfindung erhalten. Die Abfindung diente, wie es der Sozialplan selbst auch formuliert, als Ausgleich dafür, dass die wechselnden Arbeitnehmer - möglichst frühzeitig - verschlechterte Arbeitsbedingungen akzeptierten. Damit harmoniert gerade der Umstand, dass die Abfindung sank, je später der Wechsel erfolgte. Als Kompensation für die Einkommensminderungen auf Grund des neuen Arbeitsvertrages kann sie daher allenfalls als Ausgleich für den Verlust des alten Arbeitsvertrages, aber nicht als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes betrachtet werden, wie es § 3 Nr. 9 EStG aber voraussetzt.

Dem steht schließlich auch nicht entgegen, dass die Abfindung noch von der alten Arbeitgeberin gezahlt wurde. Wenn auch die Zahlung durch den neuen Arbeitgeber ein noch stärkeres Indiz dafür sein kann, dass die Zahlung nicht durch die Auflösung des alten, sondern durch die Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses veranlasst ist, so ist das gerade im Rahmen eines Unternehmensverbundes, in dem Zahlungen in erheblichem Umfange frei gestaltet werden können, nicht zwingend. Worauf die Zahlungen in solchen Fällen zurückzuführen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Hier aber sah der Sozialplan eindeutig Abfindungen lediglich für den Wechsel, nicht für das Ausscheiden aus der X GmbH & Co. KG vor.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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