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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 12.12.2007
Aktenzeichen: 2 K 1099/06
Rechtsgebiete: KraftStG, PBefG


Vorschriften:

KraftStG § 2 Abs. 2 S. 1, 2
KraftStG § 8 Nr. 1
PBefG § 4 Abs. 4 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

2 K 1099/06

Kraftfahrzeugsteuer

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 2. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. Dezember 2007

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Weber als Vorsitzender,

den Richter am Finanzgericht Schulz,

die Richterin am Finanzgericht Dr. Leingang-Ludolph,

den ehrenamtlichen Richter ...

den ehrenamtlichen Richter ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist Halter des Fahrzeugs vom Typ Opel ASTRA-F-LFW mit dem amtlichen Kennzeichen . Das Fahrzeug ist werkseitig dergestalt hergerichtet, dass keine hinteren Sitze vorhanden sind und es eine in etwas bis zur Höhe der Rückenlehne der Vordersitze reichende Trennwand zwischen dem Fahrgastraum und der Ladefläche enthält. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Einbau einer Rückbank wegen des Fehlens von Befestigungspunkten für Sicherheitsgurte und Sitze dauerhaft nicht möglich ist. Das Fahrzeug hat 2 Türen und eine Heckklappe. Die hinteren Seitenfenster sind verblecht. Wegen des äußeren Erscheinungsbildes wird auf die auf Bl. 19 der Verwaltungsakte enthaltenen Bilder verwiesen.

Der Fahrzeugschein weist die Fahrzeugart "LKW geschlossener Kasten", 2 Sitzplätze einschließlich Führersitz, eine Höhe von 1490 mm in Feld 13 und in Feld 33 eine Höhe von "1540 mm je nach Ausr.", ein Leergewicht von 1137 kg, ein zulässiges Gesamtgewicht von 1595 kg, eine Nutz- oder Aufliegelast von 383 kg in Feld 9 und eine Nutz- und Aufliegelast von höchstens 458 kg in Feld 33 und eine Höchstgeschwindigkeit von 149 km/h aus. Wegen der weiteren Einzelheiten - insb. auf das Feld 33 "Bemerkungen" - wird auf die Kopie des Fahrzeugscheins, Bl. 12 der Verwaltungsakte, verwiesen. Im Rahmen einer von dem Beklagten durchgeführten Augenscheinseinnahme hat dieser die der Personenbeförderung dienende Fläche mit 1,68 qm und die Ladefläche mit 2,16 qm unter Berücksichtigung der von den Radkästen eingenommenen Fläche bzw. mit 2,05 qm ohne Berücksichtigung der von den Radkästen eingenommenen Fläche ermittelt.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2005 setzte der Beklagte die Steuer für die Zeit ab dem 16. August 2005 ausgehend von der Fahrzeugart Personenkraftwagen auf 464,- EUR fest.

Den hiergegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 07. Juli 2006 als unbegründet zurück. Der Beklagte führte aus, dass es sich bei dem Grundtyp des Fahrzeugs des Klägers um einen der meistverkauften Personenkraftwagen (PKW) Deutschlands handele, der im Streitfall auf Kundenwunsch umgebaut worden sei. Würde bei einem Serienfahrzeug bereits werkseitig eine Sonderausführung hergestellt, richte sich die kraftfahrzeugsteuerliche Einstufung maßgeblich nach der ursprünglichen Konzeption des Herstellers sowie dem äußeren Erscheinungsbild des Herstellers. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) verweise in Umbaufällen auf die Bedeutung der Herstellerkonzeption , die dem Fahrzeug in den wesentlichen technischen Einrichtungen wie dem Fahrgestell, der Motorisierung, der Gestaltung der Karosserie und dergleichen das Gepräge verleihe. Die entsprechend den Wünschen vorgenommenen Abwandlungen der serienmäßigen Ausführungen beträfen nur einzelne Merkmale, die sich nicht gegen das Grundkonzept des Herstellers durchsetzen würden. Auch der Ladefläche, die bei solchen Fahrzeugen mehr als 50 v.H. der Gesamtfläche ausmache, werde nicht die entscheidende Bedeutung beigemessen. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf den Einspruchsbescheid vom 07. Juli 2006 verwiesen.

Mit der am 07. August 2006 erhobenen Klage wendet sich der Kläger unter Hinweis auf den Beschluss des Senats über die Aussetzung der Vollziehung 2 V 1737/05 vom 14. Februar 2006 gegen die Einordnung seines Fahrzeugs als PKW. Er macht geltend, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei für die Einordnung eines Fahrzeugs als LKW ein wichtiges Indiz, dass mehr als die Hälfte der Nutzfläche des Fahrzeugs Transportfläche sei. Die werkseitig verblechten Seitenfenster stellten keine Sonderausführung dar. Vielmehr sei das in Rede stehende Fahrzeug von der Adam Opel AG als LKW hergestellt worden.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids vom 12. Oktober 2005 und des hierzu ergangenen Einspruchsbescheids vom 07. Juli 2006 die Kraftfahrzeugsteuer ausgehend von der Fahrzeugart LKW festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist im gerichtlichen Verfahren auf seinen Einspruchsbescheid und führt ergänzend aus, im Streitfall handele es sich um ein Fahrzeug, das von dem Hersteller Opel als PKW konzipiert worden sei. Die vorgenommenen Umbauten im inneren des Fahrzeugs ließen keine entscheidenden Abweichungen im äußeren Erscheinungsbild vom ursprünglichen Modell erkennen. Die relativ kleine Ladefläche von 2,05 qm und die geringe Nutzlast (458 kg/ 29 v.H.) sowie die Höchstgeschwindigkeit von 149 km/h sprächen für die Annahme eines PKW.

Hierauf erwidert der Kläger, im Verhältnis zur Größe des Fahrzeugs sei keine relativ kleine Ladefläche vorhanden. Auch könne nicht von einer geringen Nutzlast gesprochen werden. Die Ladefläche und die Nutzlast seien im Verhältnis zur Größe des streitgegenständlichen Fahrzeugs zu sehen, so dass dieses nach den vom BFH aufgestellten Abgrenzungskriterien als LKW einzustufen wäre.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Das Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG) enthält keine eigenständigen Definitionen der Kraftfahrzeugarten. Ob ein Fahrzeug als der Hubraumbesteuerung unterliegender PKW anzusehen ist (§ 8 Nr. 1 KraftStG), richtet sich nach Verkehrsrecht. Denn die Bedeutung der im KraftStG verwendeten verkehrsrechtlichen Begriffe bestimmt sich nach § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG grundsätzlich nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften. Nach § 4 Abs. 4 Nr. 1 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) sind PKW solche Kfz, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschließlich Fahrer) geeignet und bestimmt sind. Als LKW sind hingegen die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern bestimmten Kfz anzusehen (§ 4 Abs. 4 Nr. 3 PBefG). Die Einstufung eines Fahrzeugs durch die Verkehrsbehörde hat als solche weder kraftfahrzeugsteuerrechtlich bindende Wirkung, wie sich im Umkehrschluss aus § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG ergibt, noch lässt sie im Allgemeinen deshalb einen zuverlässigen Rückschluss auf die richtige kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung zu, weil die Verkehrsbehörden insofern eine überlegene Sachkunde anwenden könnten. Vielmehr hat die Kraftfahrzeugsteuerstelle die Einstufung eigenverantwortlich vorzunehmen. Auch der Fahrzeugklassifikation des Herstellers und der darauf beruhenden verkehrsrechtlich orientierten Beurteilung durch das Kraftfahrtbundesamt kommt keine kraftfahrzeugsteuerrechtliche Bindungswirkung zu (s. BFH-Beschluss vom 26. Oktober 2006 VII B 125/06, BFH/NV 2007, 767).

Für die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung von Kraftfahrzeugen als PKW oder als anderes Fahrzeug ist vielmehr grundsätzlich auf deren objektive Beschaffenheit und die diese prägende Konzeption des Herstellers abzustellen. Letzteres gilt nicht nur in sog. Umbaufällen, sondern auch dort, wo - wie im Streitfall - die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einordnung von Serienfahrzeugen strittig ist. Dabei bedarf es keiner näheren Darlegung, dass mit dem Begriff der "Herstellerkonzeption" nicht etwa lediglich und entscheidend auf die Angaben des Herstellers in seinem Verkaufsprospekt abgestellt wird, wenn diese auch ein - wenn auch in der Regel schwaches - Indiz für das Vorliegen oder Fehlen einer bestimmten Herstellerkonzeption sein können. Für welchen Verwendungszweck der Hersteller ein Fahrzeug konzipiert hat, ist vielmehr maßgeblich aus dessen objektiven Eigenschaften, insbesondere seiner Bauart, seiner Motorisierung, seiner Ausstattung und dergleichen abzuleiten, wobei die objektive Beschaffenheit des Fahrzeuges unter Berücksichtigung aller Merkmale in ihrer Gesamtheit zu bewerten ist. Ist die Herstellerkonzeption eines Fahrzeuges auf vielseitige Verwendbarkeit sowohl zur Personen- wie zur Lastenbeförderung gerichtet, etwa auf ein Fahrzeug, das wahlweise als PKW oder als LKW verwendet werden kann, oder beruht das konkrete Serienfahrzeug auf einem Basistyp, der dafür konzipiert ist, je nach dem Kundenwunsch als PKW, Kombinationsfahrzeug oder LKW ausgestattet zu werden, so ist die Herstellerkonzeption für die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einordnung insoweit unergiebig. In einem solchen Fall kann nur auf die festzustellenden objektiven Beschaffenheitsmerkmale als solche abgestellt werden. Eine Einordnung des Fahrzeuges als LKW kann dann nur vorgenommen werden, wenn diese Merkmale den Schluss rechtfertigen, dass die Eignung und Bestimmung des Fahrzeuges zur Lastenbeförderung deutlich überwiegt und die Personenbeförderung in den Hintergrund treten lässt. Es handelt sich demnach bei der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Einordnung eines Fahrzeuges als LKW oder PKW um eine zusammenfassende Würdigung der einzelnen Merkmale des Fahrzeuges, denen für die Bestimmung der Herstellerkonzeption und damit für die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einordnung des Fahrzeuges unter Umständen unterschiedliches Gewicht beizumessen ist und von denen keines für sich genommen allein ausschlaggebend ist (s. BFH-Urteil vom 18. November 2003 VII R 42/02, BFH/NV 2004, 822).

Von diesen Grundsätzen ausgehend erweist sich das Fahrzeug des Klägers nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als PKW. Zwar spricht indiziell für die Klassifizierung des Fahrzeugs als LKW, dass die - durch die halbhohe Trennwand von der zur Personenförderung bestimmten Fläche separierte - Ladefläche mehr als 50 v.H. der gesamten Nutzfläche des Fahrzeugs beträgt. Ein weiteres gewichtiges für die Annahme des Fahrzeugtyps LKW sprechendes Zuordnungsmerkmal stellt das Fehlen der Seitenfenster im rückwärtigen Teil des Fahrzeugs dar. Denn die dauerhaft verblechten Seitenfenster im rückwärtigen Bereich des Fahrzeugs prägen - neben der Form der Karosserie - das Erscheinungsbild des Fahrzeugs. Darüber hinaus führt das Fehlen der Seitenfenster im rückwärtigen Bereich des Fahrzeugs in der Regel auch zu einer mangelhaften Belichtung und Belüftung des Fonds und schließt es daher im allgemeinen aus, anzunehmen, das Fahrzeug sei geeignet und bestimmt, dort Personen zu befördern (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 05. Mai 1998 VII R 104/97, BFHE 185, 515, BStBl. II 1998, 489). Für die Klassifizierung als LKW spricht des Weiteren, dass der Einbau einer Rückbank wegen des Fehlens von Befestigungspunkten für Sicherheitsgurte und Sitze dauerhaft nicht oder jedenfalls nur mit erheblichem Aufwand möglich ist.

Trotz dieser gewichtigen für die Zuordnung eines Fahrzeugs zum Typ LKW sprechenden Merkmale vertritt der Senat die Auffassung, dass das in Rede stehende Fahrzeug als PKW zu klassifizieren ist. Denn nach Auffassung des Senats sind die Größe der Nutzfläche und die erlaubte Zuladung nicht nur im Verhältnis zu der Gesamtfläche bzw. zum Gesamtgewicht oder - wie von dem Kläger vertreten - im Verhältnis zur "Größe" des zu beurteilenden Fahrzeugs zu sehen. Vielmehr muss auch die absolute Größe der Ladefläche bzw. das absolute Gewicht der verkehrsrechtlich erlaubten Zuladung in die Gesamtwürdigung der Beschaffenheitsmerkmale des Fahrzeugs eingestellt werden. Diesen Merkmalen ist bei der Zuordnung eines Fahrzeugs zum Typ des PKW oder des LKW gleichfalls ein besonderes Gewicht beizumessen, weil auch sie maßgeblich auf die Eignung und Bestimmung des Fahrzeugs zur Lastenbeförderung Einfluss haben. Im Streitfall beläuft sich die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung auf 458 kg. Die Ladefläche hat unter Berücksichtigung der von den Radkästen eingenommenen Fläche eine Größe von 2,16 qm. Dies berücksichtigend gelangt der Senat zu der Auffassung, dass die objektiven Beschaffenheit des in Rede stehenden Fahrzeugs nicht den Schluss zulässt, dass die Eignung und Bestimmung des Fahrzeugs Lastenbeförderung die Eignung und Bestimmung zur Personenbeförderung deutlich überwiegt. Ob weitere für die Klassifizierung als PKW sprechende Zuordnungsmerkmale vorhanden sind, lässt der Senat wegen Entscheidungsunerheblichkeit dahinstehen.

Eines Eingehen auf die Vorschrift des § 2 Abs. 2 a KraftStG bedarf es mangels Entscheidungsrelevanz nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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