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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 18.07.2007
Aktenzeichen: 2 K 1601/04
Rechtsgebiete: GrEStG


Vorschriften:

GrEStG § 19 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

2 K 1601/04

Grunderwerbsteuer

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 2. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. Juli 2007

durch

den Vizepräsidenten des Finanzgerichts Weber als Vorsitzender, den Richter am Finanzgericht Schulz, die Richterin am Finanzgericht Dr. Leingang-Ludolph, den ehrenamtlichen Richter xxx den ehrenamtlichen Richter xxx

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein bestandskräftiger Grunderwerbsteuerbescheid wegen des nachträglichen Bekanntwerdens neuer Tatsachen geändert werden durfte.

Mit notariellen Vertrag vom 17. November 1998 erwarb der Kläger zum Kaufpreis von insgesamt 150.000,00 DM insgesamt 8 in xxx belegene Eigentumswohnungen von Frau xxx und Herrn xxx: mit Werkvertrag vom 18. November 1998 beauftragte der Kläger sodann die xxx GbR (GbR) mit der "Gesamtsanierung" der erworbenen Eigentumswohnungen zum Festpreis von 2.000,00 DM pro qm Wohnfläche (einschließlich Umsatzsteuer); der Gesamtpreis für die Sanierung betrug (einschließlich Umsatzsteuer) 1.049.321,00 DM. Wegen der weiteren Einzelheiten des Grundstückskaufvertrages und des Werkvertrages wird auf die in den Akten des beklagten Finanzamts (FA) befindlichen Fotokopien der entsprechenden Verträge Bezug genommen.

Dem seinerzeit zuständigen Finanzamt xxx war zunächst ausschließlich der notarielle Kaufvertrag, nicht aber der Werkvertrag bekannt geworden. Auf der Grundlage des notariellen Kaufvertrages setzte das Finanzamt xxx deswegen mit Bescheid vom 5. März 1999 die Grunderwerbsteuer gegen den Kläger und der Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von 1.000.000,00 DM fest; dabei ging das Finanzamt xxx davon aus, dass der Kläger neben dem bereits erwähnten Kaufpreis von 150.000,00 DM als Gegenleistung zusätzlich durch den Grundbesitz abgesicherte Darlehensverbindlichkeiten der Veräußerer in Höhe von insgesamt 850.000,00 DM übernommen habe. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 9. März 1999 zur Niederschrift an Amtsstelle Einspruch ein und begründete diesen Einspruch sogleich damit, dass er ausweislich der Regelungen des Kaufvertrages keine Kreditverbindlichkeiten der Verkäufer des Grundbesitzes übernommen habe sondern vielmehr nach Erwerb des Grundbesitzes seinerseits Darlehensverträge über insgesamt 850.000,00 DM mit Kreissparkasse xxx abgeschlossen habe. Die entsprechenden Darlehensverträge legte der Kläger am 9. März 1999 ausweislich der erwähnten Niederschrift der Sachbearbeiterin xxx des Finanzamts xxx vor. Das Finanzamt xxx änderte daraufhin den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid und setzte die Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 25. März 1999 in der Weise herab, dass nur noch der Kaufpreis in Höhe von 150.000,00 DM als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt wurde.

Am 26. März 2003 erstellte der für die GbR beim Finanzamt xxx zuständige Sachbearbeiter eine Kontrollmitteilung für die Grunderwerbsteuerstelle des Finanzamts xxx: der Sachbearbeiter hatte nämlich im Rahmen seiner Bearbeitung sowohl von dem erwähnten notariellen Kaufvertrag als auch von dem erwähnten Werkvertrag Kenntnis genommen und geschlussfolgert, dass beide Verträge möglicherweise als einheitlicher Erwerbsvorgang im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts zu beurteilen sein dürften. Das Finanzamt xxx änderte daraufhin mit Bescheid vom 23. September 2003 gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) den Grunderwerbsteuerbescheid vom 25. März 1999, indem es als Bemessungsgrundlage nunmehr einen Betrag von 1.199.321,00 DM ansetzte (Kaufpreis 150.000,00 DM + Sanierungskosten 1.049.321,00 DM).

Zur Begründung der dagegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Der Umstand, dass er am Tage nach dem Erwerb des Grundbesitzes den Werkvertrag mit der GbR abgeschlossen habe, sei dem Finanzamt xxx nicht nachträglich bekannt geworden. Vielmehr habe er anlässlich der Einspruchseinlegung zur Niederschrift seinen den hier in Rede stehenden Grundbesitz betreffenden Vertragsordner der Sachbearbeiterin des Finanzamts xxx vorgelegt; dieser Vertragsordner habe nicht nur die von ihm abgeschlossenen Darlehensverträge mit der Kreissparkasse xxx sondern auch den mit der GbR abgeschlossenen Werkvertrag enthalten; er, der Kläger, habe die Darlehensverträge und den Werkvertrag aus dem Ordner ausgeheftet und diese Unterlagen der Zeugin xxx zur Einsichtnahme vorgelegt. Im Übrigen sei in den Darlehensverträgen jeweils als Verwendungszweck für die Darlehen die Modernisierung des hier in Rede stehenden Grundbesitzes angegeben. Des Weiteren trägt der Kläger vor, dass der notarielle Kaufvertrag und der Werkvertrag keinen einheitlichen Erwerbsvorgang bildeten. Die Verhandlungen über die am 17. November 1998 beurkundete Veräußerung der Eigentumswohnungen seien nämlich bereits im September 1998 abgeschlossen gewesen. Ab diesem Zeitpunkt habe er, der Kläger, sich intensiv um Angebote für die Sanierung der zu erwerbenden Eigentumswohnungen bemüht. Als Nachweis für seine entsprechenden Bemühungen hat der Kläger vom August 2004 datierende Erklärungen von zwei Bauunternehmen vorgelegt, wonach diese sich im September 1998 geweigert hätten, ein Angebot zur Sanierung der Wohnungen zu den vom Kläger geforderten Bedingungen abzugeben; auf die in Fotokopie in der Gerichtsakte befindlichen Bestätigungen (Bl. 9 und 10 der Gerichtsakte) wird wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

den geänderten Grunderwerbsteuerbescheid vom 23. September 2003 und den Einspruchsbescheid vom 21. Juli 2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA, welches im Laufe des Einspruchsverfahrens für den vorliegenden Fall zuständig geworden ist, steht auf dem Standpunkt, dass der Werkvertrag über die Sanierung des erworbenen Grundbesitzes der Grunderwerbsteuerstelle des seinerzeit zuständigen Finanzamts xxx erst aufgrund der erwähnten Kontrollmitteilung nachträglich bekannt geworden sei, sodass eine Änderung des bestandskräftigen Grunderwerbsteuerbescheides vom 25. März 1999 rechtlich zulässig gewesen sei. Der Werkvertrag sei anlässlich der Vorsprache des Klägers beim Finanzamt am 9. März 1999 nicht der Sachbearbeiterin vorgelegt worden.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 18. Juli 2007 die seinerzeitige Sachbearbeiterin des Finanzamts als Zeugin xxx zum Ablauf der persönlichen Vorsprache des Klägers im Finanzamt xxx am 9. März 1999 vernommen; wegen Einzelheiten der Zeugenaussage wird auf das Protokoll der Zeugenvernehmung vom 18. Juli 2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Das Finanzamt xxx war befugt, die bestandskräftige Grunderwerbsteuerfestsetzung vom 25. März 1999 wegen des Bekanntwerdens neuer Tatsachen durch den angefochtenen Bescheid zu ändern. Denn zum einen bilden Kaufvertrag und Werkvertrag grunderwerbsteuerlich einen einheitlichen Erwerbsvorgang. Zum anderen konnte der Senat jedoch nicht feststellen, dass der Kläger bezüglich des Abschlusses des Werkvertrages die ihm obliegende Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 5 Grunderwerbsteuergesetz ( GrEStG) erfüllt hat oder dass das Finanzamt xxx zum Zeitpunkt des Erlasses des Grunderwerbsteuerbescheides vom 25. März 1999 auf andere Weise Kenntnis von dem Abschluss des Werkvertrages erlangt hatte; diese mangelnde Feststellbarkeit geht zu Lasten des Klägers. Zwar bestanden für das Finanzamt xxx vor Erlass des Bescheides vom 25. März 1999 Anhaltspunkte dafür, bezüglich eines eventuell vorliegenden einheitlichen Erwerbsvorgangs Ermittlungen anzustellen; die daraus resultierende Verletzung der Ermittlungspflichten durch das Finanzamt ist jedoch im Vergleich zu der Verletzung der Anzeigepflicht durch den Kläger als weniger schwerwiegend anzusehen, so dass die Verletzung der Ermittlungspflichten nicht der Annahme einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache entgegen steht. Im Einzelnen:

Die Veräußerer der Wohnungen und die Gesellschafter der mit der Sanierung der Wohnungen beauftragten GbR sind personenidentisch. Weiterhin hat der Kläger die GbR bereits einen Tag nach Erwerb der Wohnungen mit der Sanierung beauftragt. Der Kläger hat somit offenbar den von der Veräußererseite vorbereiteten Geschehensablauf bezüglich des Verkaufs der Wohnungen und ihrer Sanierung hingenommen, wobei die Veräußererseite jeweils aus denselben Personen bestand. Daran ändern auch die vom Kläger im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vorgelegten Bestätigungen der beiden Bauunternehmen nichts. Denn aus diesen Bestätigungen ergibt sich, dass der Kläger vor der Erteilung des Auftrages an die GbR gerade keine ernsthaften Angebote anderer Bauunternehmen eingeholt hat. Aus den beiden Bestätigungen ergibt sich - ihre inhaltliche Richtigkeit unterstellt - lediglich, dass 2 Bauunternehmen die Abgabe von Angeboten verweigert haben. Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der Kläger seinerzeit bei entsprechenden Bemühungen nicht ernsthafte Angebote anderer Bauunternehmen für das hier in Rede stehende Sanierungsvorhaben hätte einholen können. Aus dem Umstand, dass er dies offenbar nicht getan hat, schließt der Senat, dass der Kläger seinerzeit lediglich den von der Veräußererseite vorbereiteten Geschehensablauf hingenommen hat.

Eine Anzeige im Sinne von § 19 Abs. 5 GrEStG hat der Kläger offenbar nicht beim Finanzamt xxx abgegeben; er hat nicht einmal behauptet, eine entsprechende Anzeige abgegeben zu haben. Der Senat konnte darüber hinaus aber auch nicht feststellen, dass das Finanzamt xxx zum Zeitpunkt des Erlasses des Grunderwerbsteuerbescheides vom 25. März 1999 Kenntnis von dem Werkvertrag vom 18. November 1998 hatte. Aus der Niederschrift über die persönliche Vorsprache des Klägers beim Finanzamt xxx vom 9. März 1999 ergibt sich lediglich, dass der Kläger seinerzeit der Zeugin xxx die von ihm abgeschlossenen Darlehensverträge mit der Kreissparkasse xxx vorgelegt hat. Der Kläger hat zwar vorgetragen, bei dieser Gelegenheit der Zeugin auch den Werkvertrag vorgelegt zu haben; die Zeugin konnte dies in ihrer Vernehmung jedoch nicht bestätigen. Vielmehr hat die Zeugin insoweit erklärt, dass sie über das schriftlich Festgehaltene hinaus keinerlei Erinnerung mehr an den Fall des Klägers habe und insbesondere nicht sagen könne, ob der Kläger ihr am 9. März 1998 den Werkvertrag vorgelegt habe. Angesichts der von der Zeugin erwähnten ca. 6000 Fälle pro Jahr, welche sie seinerzeit zu bearbeiten hatte, erscheint es dem Senat absolut glaubhaft, dass die Zeugin an den hier in Rede stehenden Vorgang keinerlei Erinnerung hat. Unter diesen Umständen erscheint dem Senat der Vortrag des Klägers, er habe neben den Darlehensverträgen auch den Werkvertrag aus dem von ihm mitgeführten Ordner ausgeheftet und der Zeugin vorgelegt, nicht als ausreichend um von der Richtigkeit dieses Vortrags auszugehen. Der Senat sieht deswegen die Behauptung des Klägers, er habe auch den Werkvertrag der Zeugin vorgelegt, als nicht erwiesen an. Da es sich bei der vom Kläger behaupteten Tatsache um eine für ihn günstige Tatsache handelt, muss die mangelnde Feststellbarkeit dieser Tatsache zu seinen Lasten gehen.

Das Finanzamt xxx war auch nicht gehindert, wegen Verletzung der ihm obliegenden Ermittlungspflichten sich auf das nachträgliche Bekanntwerden des Werkvertrages zu berufen. Zwar wäre das Finanzamt xxx seinerzeit verpflichtet gewesen, Ermittlungen hinsichtlich des Vorliegens eines einheitlichen Erwerbsvorganges anzustellen. Denn die bei der seinerzeitigen Vorsprache vom Kläger der Zeugin vorgelegten Darlehensverträge sahen als Verwendungszweck des Darlehens die Sanierung der vorliegend in Rede stehenden 8 Wohnungen vor. Unter diesen Umständen hätte es nahe gelegen, Nachforschungen nach einem eventuellen Zusammenhang zwischen der Veräußerung und der Modernisierung der Wohnungen anzustellen. Dies hat das Finanzamt xxx seinerzeit unterlassen und damit die ihm obliegende Ermittlungspflicht verletzt. Dieser Verletzung der Ermittlungspflicht steht aber auf Seiten des Klägers die Verletzung seiner Anzeigepflicht gem. § 19 Abs. 5 GrEStG gegenüber. Eine Abwägung der beiderseitigen Pflichtenverstöße führt nach Auffassung des Senats zu dem Ergebnis, dass die Verletzung der Anzeigepflicht durch den Kläger die Verletzung der Ermittlungspflichten durch das Finanzamt xxx überwiegt. Denn es war in erster Linie die Pflicht des Klägers, durch Abgabe einer entsprechenden (formlosen) Steuererklärung seine Anzeigepflicht zu erfüllen, während die Ermittlungspflicht des Finanzamt xxx erst daraus resultierte, dass der Kläger dieser Pflicht nicht nachgekommen war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da im Rahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO die Bewertung der Verletzung einer Erklärungspflicht des Steuerpflichtigen bei gleichzeitiger Verletzung der Ermittlungspflicht des Finanzamts grundsätzlich klärungsbedürftig erscheint.



Ende der Entscheidung

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