Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 02.03.2007
Aktenzeichen: 3 V 1205/06
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 1 S. 2
FGO § 69 Abs. 3 S. 1
FGO § 69 Abs. 4 S. 1
FGO § 137 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen-Anhalt

3 V 1205/06

Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 2003 vom 27. März 2006

In dem Verfahren

...

hat das Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt - 3. Senat -

am 02. März 2007

durch

den Richter am Finanzgericht Burckgard als Vorsitzenden,

den Richter am Finanzgericht Kerber und

den Richter am Finanzgericht Simböck

beschlossen:

Tenor:

Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 2003 vom 27. März 2006 wird in Höhe von EUR 8.580,83 bis zum Abschluss des Klageverfahrens ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin und der Antragsgegner jeweils zur Hälfte zu tragen.

Gründe:

I. Die Antragstellerin wurde ausweislich des Handelsregisters bereits mit Beschluss des Registergerichts vom 11. Mai 2005 aufgelöst. Sie ist jedoch dort bislang nicht gelöscht worden.

Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids vom 27. März 2006, einem Montag, mit dem der Antragsgegner die Steuer für das Streitjahr 2003 auf EUR 305.000,-- festsetzte, nachdem die Antragstellerin insgesamt EUR 296.419,17 vorangemeldet hatte. Es ergab sich eine Umsatzsteuerzahllast von EUR 8.580,83.

Der gegen den Bescheid gerichtete Einspruch ging beim Antragsgegner am 02. Mai 2006, einem Dienstag, ein.

Mit Bescheid vom 29. Mai 2006 lehnte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerjahresbescheids ab.

Unter dem 19. Juli 2006 wies der Antragsgegner den Einspruch gegen den Steuerbescheid als unbegründet zurück.

Mit ihrer am 21. August 2006 eingegangenen Klage begehrt die Antragstellerin sinngemäß, die Umsatzsteuer erklärungsgemäß festzusetzen. Der Senat hat über die Klage bislang nicht entschieden.

Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ging beim Gericht gleichfalls am 21. August 2006 ein.

Zur Begründung der von ihr angestrengten Klage gegen den Bescheid legte die Antragstellerin eine beim Gericht vor Ablauf von nach § 79 b Abs. 1 und 2 FGO gesetzten Fristen eingegangene Umsatzsteuerjahreserklärung vor. In dieser ermittelt sie eine Umsatzsteuer von EUR 268.516,16.

Mit Bescheid vom 13. November 2006 setzte der Antragsgegner die Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids i.H.v. EUR 8.580,83 unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs bis zur Entscheidung über die Klage aus.

Mit Beschluss des Amtsgerichts xxx vom 21. November 2006 wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Klägerin angeordnet und der Schuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt.

Hinsichtlich des Vortrags der Antragstellerin wird auf deren Schriftsätze vom 21. und 25. August 2006 Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt,

durch Aussetzung der Vollziehung sicherzustellen, dass bis zur Entscheidung über die Klage keine Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen werden.

Der Antragsgegner hat den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Er trägt vor, er gewähre der Antragstellerin weiterhin die Aussetzung der Vollziehung unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs. Diesen anzubringen stehe in seinem Ermessen. Er habe berücksichtigt, dass eine derzeit laufende Fahndungsprüfung eine Abweichung von den Steuererklärungen erwarten lasse. Diese habe die Antragstellerin erst am 07. September 2006 und damit nach Eingang des Antrags bei Gericht beim Antragsgegner eingereicht. Hätte die Antragstellerin die Steuererklärungen bereits im außergerichtlichen Verfahren eingereicht, so hätte er seinerseits bereits damals die Aussetzung der Vollziehung gewährt. Die Kosten des Rechtsstreits seien daher der Antragstellerin aufzuerlegen.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags des Antragsgegners wird auf dessen Schriftsätze vom 04. September und 01. November 2006 sowie 17. Januar 2007 Bezug genommen.

II. Der Antrag ist auszulegen. Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids in Höhe der im Abrechnungsteil ausgewiesenen Zahllast von EUR 8.580,83, wodurch Vollstreckungsmaßnahmen vermieden werden.

Der Rechtstreit ist nicht etwa durch die Aussetzung der Vollziehung unter Widerrufsvorbehalt in der Hauptsache erledigt (BFH-Beschluss vom 23. Juli 2002 X B 209/01, BFH/NV 2002, 1487). Denn die behördliche Maßnahme bleibt hinter er begehrten uneingeschränkten Aussetzung inhaltlich zurück (Seer in Tipke /Kruse, FGO, 109. Lfg., April 2006, § 69, RZ 63). Zwar hat der Antragsgegner die begehrte Aussetzung der Vollziehung gewährt. Er hat sie jedoch unter den Vorbehalt des Widerrufs durch ihn gestellt. Sie dauert mithin nur solange und soweit an, wie der Antragsgegner von diesem Vorbehalt keinen Gebrauch macht. Eine gerichtliche Entscheidung hingegen ist ausschließlich nach Maßgabe des § 69 Abs. 6 FGO durch das Gericht änderbar.

Der Antrag hat Erfolg.

Die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung hat nicht etwa das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin entfallen lassen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Einzelzwangsvollstreckung gegen sie weiterhin zulässig ist und zum anderen daraus, dass weiterhin Säumniszuschläge zur streitgegenständlichen Steuer entstehen.

Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn die Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (ständige Rechtsprechung, vgl. Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Auflage 2006, Anm. 86 zu § 69). Da durch die Aussetzung der Vollziehung dem Antragsteller nur ein vorläufiger Rechtsschutz zu Teil werden soll, beschränkt sich das Verfahren auf eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage und die Verwertung der dem Gericht vorliegenden Beweismittel. Bei der notwendigen Abwägung der im Einzelfall entscheidungsrelevanten Umstände und Gründe sind ferner die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels zu berücksichtigen (Koch, a.a.O. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts jedenfalls insoweit bestehen, als die festgesetzte Steuer die Summe der vorangemeldeten Steuer übersteigt, zeigt sich bereits darin, dass der Antragsgegner selbst die Aussetzung der Vollziehung gewährt hat

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 137 S. 1 FGO. Die Kosten sind der Antragstellerin trotz ihres Obsiegens im Wege billigen Ermessens, wenn auch nur hälftig aufzuerlegen. Sie hätte den Rechtsstreit vermeiden können, so dass sie an sich die Kostenlast trifft. Andererseits erreicht sie die Aussetzung der Vollziehung nun nicht nur dem Betrag und der Dauer nach, sondern obsiegt auch insofern, als sie die Aussetzung der Vollziehung ohne Widerrufsvorbehalt erreicht, was sie allein durch die rechtzeitige Abgabe der Steuererklärung nicht hätte erreichen können.

Hätte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung nicht unter den Widerrufsvorbehalt gestellt, so wäre der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, die Kosten wären allein der Antragstellerin aufzuerlegen:

Die Aussetzung der Vollziehung beruht auf der von der Antragstellerin schuldhaft verspätet erst während des Gerichtsverfahrens eingereichten Steuererklärung. Die in dieser enthaltenen Tatsachen hätte die Antragstellerin nicht nur früher, nämlich bevor sie das Verfahren anstrengte, geltend machen können, sondern auch in Erfüllung ihrer Steuererklärungspflicht aus § 149 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 S. 1 AO i.V.m. 18 Abs. 3 Satz 1 UStG geltend machen sollen. Die Kosten eines AdV-Antrags sind dem Antragsteller aufzuerlegen, wenn der Antragsgegner seinen Antrag mangels tragfähiger Begründung abgelehnt hat und der Antragsgegner während des gerichtlichen Verfahrens dem Antrag entspricht, weil die Begründung nachgeholt wird (Schwarz in Hübschmann / Hepp / Spitaler, FGO, 173. Lfg., Juni 2002, § 137; RZ 23; Seer in Tipke / Kruse, FGO, 109. Lfg., April 2006, § 69, RZ 144; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. März 1998 6 V 62/97, EFG 1998, 1025). Bei der Kostenentscheidung in einem Rechtsstreit über die Aussetzung der Vollziehung ist zu berücksichtigen, ob der Antragsteller bei vernünftiger Würdigung des erkennbaren bisherigen Verhaltens des Finanzamts die durch die Anrufung des Gerichts entstandenen Kosten hätte vermeiden können. Denn der Prozessbeteiligte ist einem allgemeinen Gedanken, der seinen Ausdruck in § 137 FGO gefunden hat, nach gehalten, alles zu tun, um sein Recht mit möglichst geringem Aufwand zu verfechten und unnötige Kosten zu vermeiden (BFH-Beschluss vom 03. Februar 1976 VII B 27/74, BStBl II 1976, 381). Er muss damit rechnen, mit den durch sein zögerliches Verhalten verursachten Verfahrenskosten belastet zu werden (Brandt in Beermann / Gosch, FGO, § 137, 54. Erg.-Lfg., September 2005, § 137, RZ 2).

Insbesondere liegt auch keine überhöhte Schätzung vor, die, soweit die geschätzte Steuer überhöht wäre, die Verursachung der Kosten durch die mangelnde Mitwirkung des Steuerpflichtigen ausschlösse (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 30. August 1996 I R 15/96, BFH/NV 1997, 195).

Hätte der Antragsgegner die Aussetzung der Vollziehung ohne Widerrufsvorbehalt gewährt, so wären der Antragstellerin gemäß § 137 Satz 1 FGO die Kosten aufzuerlegen, da sie den gesamten Rechtsstreit durch die rechtzeitige Vorlage ihrer Steuererklärung beim Antragsgegner hätte vermeiden können, so dass sie insoweit ein Verschulden trifft. Auch wenn sie der Antragsgegner nicht ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, so lag es für die durch eine Angehörige der steuer- und rechtsberatenden Berufe vertretene Antragstellerin doch nahe, an den Antragsgegner einen neuerlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unter Einreichung der Steuererklärung zu richten. Es ist anzunehmen, dass der Antragsgegner, hätte die Antragstellerin die Steuererklärung bereits vor seiner Entscheidung über ihren Antrag auf außergerichtliche Aussetzung der Vollziehung vorgelegt, ihr diese gewährt hätte. Dasselbe gilt für einen neuerlichen an den Antragsgegner gerichteten Antrag. Allerdings hätte er die Aussetzung der Vollziehung nach Aktenlage in jedem Fall unter den Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs gestellt. Damit hätte die Antragstellerin ihr im vorliegenden Verfahren verfolgtes Rechtsschutzziel nicht vollständig erreicht. Allerdings wäre dennoch der Zugang zum Finanzgericht nicht eröffnet gewesen, zumal im bloßen Widerrufsvorbehalt keine Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung i.S.d. § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO zu erblicken ist (BFH-Beschluss vom 12. Mai 2000 VI B 266/98, BStBl II 2000, 536). Die Beschränkung des Zugangs zum Finanzgericht kann der Antragstellerin jedoch nicht zum Nachteil gereichen. Die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO soll lediglich das Gericht entlasten. Auch wenn der Widerrufsvorbehalt als bloße Nebenbestimmung nach § 120 Abs. 1 und 2 Nr. 3 AO der finanzgerichtlichen Kontrolle ebenso wie die Entscheidung der Finanzbehörde über die Aussetzung der Vollziehung entzogen ist, weil das Gericht eine eigenständige Ermessensentscheidung zu treffen und nicht etwa diejenige der Behörde zu überprüfen hat (BFH-Beschluss vom 12. Mai 2000 VI B 266/98, BFH/NV 2000, 1411), so soll die Zugangsvoraussetzung die Behörde nicht davor schützen, dass der während des gerichtlichen Verfahrens angebrachte Widerrufsvorbehalt eine für sie ungünstige Kostenfolge nach sich zieht.

Die hälftige Teilung der Kosten benachteiligt den Antragsgegner nicht unangemessen. Er mag keine Möglichkeit haben, der Kostenlast vollständig zu entgehen, ohne dabei auf Nebenbestimmungen, insbesondere einen Widerrufsvorbehalt, zu verzichten. Es wäre ihm jedoch unbenommen gewesen, mit der Einspruchsentscheidung in der Hauptsache bis zum Abschluss seiner Ermittlungen zuzuwarten und hilfsweise zu beantragen, dass Gericht möge die Aussetzung der Vollziehung zunächst einmal maximal bis zum Ablauf der Klagefrist gewähren.

Ende der Entscheidung

Zurück