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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 30.01.2008
Aktenzeichen: 1 K 1250/05
Rechtsgebiete: GrStG, AO


Vorschriften:

GrStG § 13 Abs. 1 S. 2
AO § 169 Abs. 2 Nr. 2
AO § 171 Abs. 10
AO § 181 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

1 K 1250/05

Grundsteuermeßbetrag und Einheitswert

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 1. Senat

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht S. des Richters am Finanzgericht H. der Richterin am Finanzgericht F. sowie der ehrenamtlichen Richter H. und K.

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 30. Januar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger erwarben je zur Hälfte Sondereigentum an einem Grundstück in Dr. Bl.. Sie wurden vom Finanzamt nicht gemäß § 149 Abs. 1 Satz 2 AO aufgefordert, eine Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts abzugeben. Der Beklagte (das Finanzamt) erließ am 23. Juni 1998 gegenüber den Klägern einen Einheitswertbescheid (Nachfeststellung auf den 1.1.1998), in dem der Einheitswert mit 40.200 DM festgestellt ist. Das Finanzamt hat in diesem Bescheid bei Ermittlung des Bodenwertes eine Fläche von 2.280 qm zugrunde gelegt. Tatsächlich wäre den Klägern eine Fläche von 228 qm (122,1/1000 x 1.875 qm) zuzurechnen gewesen. Außerdem erging am gleichen Tag ein Grundsteuermessbescheid (Nachveranlagung auf den 1.1.1998), in dem der Grundsteuermessbetrag zum 1.1.1998 auf 281,40 DM festgesetzt wurde. Die Bescheide wurden bestandskräftig.

Auf den "Widerspruch" gegen den "Grundabgabenbescheid" hin erließ das Finanzamt am 1. Juni 2004 nach § 22 Abs. 4 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) geänderte Bescheide über den Einheitswert (Wertfortschreibung auf den 1.1.2004) und über den Grundsteuermessbetrag (Neuveranlagung auf den 1.1.2004). Den Antrag vom 27. September 2004, die Bescheide über den Einheitswert und den Grundsteuermessbetrag vom 23. Juni 1998 gemäß § 129 AO i.V.m. § 181 Abs. 5 AO auf den 1. Januar 2000 zu ändern, lehnte das Finanzamt am 13. Oktober 2004 ab.

Hiergegen haben die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren (vgl. Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005) Klage erhoben. Sie sind der Meinung, dass die Frist für die Festsetzung des Einheitswerts und des Grundsteuermessbetrags zum 1. Januar 2000 noch nicht abgelaufen sei. Die Vorschrift des § 22 i.V.m. § 25 BewG erlaube eine Änderung. § 181 Abs. 5 AO sei teleologisch in der Weise zu reduzieren, dass bei Vorschaltung von zweistufigen Feststellungsverfahren beide Festsetzungsverfahren auch nach Ablauf deren Festsetzungsfrist noch änderbar sein müssten. Ansonsten werde dem Zweck des § 181 Abs. 5 AO nicht Rechnung getragen. Vielmehr würde dann der Gesetzgeber über mehrstufige Feststellungsverfahren diese Norm umgehen können.

Die Kläger beantragen,

den Einheitswertbescheid und den Grundsteuermessbescheid, beide vom 23. Juni 1998, auf den 1. Januar 2000 dahingehend zu ändern, dass bei der Ermittlung des Bodenwertes für die Berechnung des Einheitswertes 228 Quadratmeter statt 2.280 Quadratmeter Miteigentumsanteil an Grund und Boden angesetzt werden,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es ist der Meinung, dass § 181 Abs. 5 AO den Erlass eines Ergänzungsbescheides zum Einheitswertbescheid vom 23. Juni 1998 ermögliche. Allerdings könne dem Klagebegehren nicht entsprochen werden, weil die Kläger bisher einen Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheides mit der Einschränkung, dass dieser nur für Zwecke der Grundsteuer gelten solle, nicht gestellt hätten. Ihr Antrag vom 27. September 2004 sei auf eine uneingeschränkte Änderung des ursprünglichen Einheitswertbescheides gerichtet gewesen, eine Umdeutung auf Erlass eines Einheitswertbescheides mit eingeschränkter Bindungswirkung komme bei einem Steuerberater nicht in Betracht.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

I.

Die Klage ist unzulässig, soweit die Änderung des Grundsteuermessbescheids vom 23. Juni 1998 begehrt wird. Denn der Grundsteuermessbescheid ist Folgebescheid nach dem Einheitswertbescheid, weil der im Einheitswertbescheid festgestellte Einheitswert für den Grundsteuermessbescheid bindend ist (§ 171 Abs. 10 AO). Dies ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 2 Grundsteuergesetz. Der Einheitswertbescheid ist hiernach Grundlagenbescheid im Sinn des § 171 Abs. 10 AO für die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags.

Folgebescheide können in zulässiger Weise nicht mit Einwendungen, die sich allein gegen die Höhe der Steuerfestsetzung im Grundlagenbescheid richten, angegriffen werden (§§ 42 FGO, 351 Abs. 2 AO; vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 21. November 1997 V B 56/97, BFH/NV 1998, 807).

II.

Die Klage auf Änderung des Einheitswertbescheides vom 23. Juni 1998 zum 1. Januar 2000 ist unbegründet, weil Feststellungsverjährung eingetreten ist.

1. Eine Berichtigung des ursprünglichen Einheitswertbescheides nach § 129 AO ist wegen Eintritts der Feststellungsverjährung nicht möglich.

Nach § 181 Abs. 1 AO gelten für die Feststellung des Einheitswerts die Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung sinngemäß, soweit nicht in § 181 Abs. 3 bis Abs. 5 AO Sonderregelungen bestehen. Nach § 181 Abs. 3 AO ist für den Beginn der Feststellungsfrist bei der Einheitswertfeststellung auf den Ablauf des Kalenderjahres abzustellen, auf dessen Beginn die Fortschreibung (§ 22 BewG) vorzunehmen ist (§ 181 Abs. 3 Satz 1 AO).

Ist eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des Einheitswertes abzugeben, beginnt die Feststellungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn die Einheitswertfeststellung vorzunehmen oder aufzuheben ist. Die Pflicht zur Abgabe der Erklärung kann sich aus dem jeweiligen Steuergesetz oder aus einer Aufforderung des Finanzamts (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO) ergeben. Das BewG sieht lediglich für den Hauptfeststellungszeitpunkt eine Erklärungspflicht vor (§ 28 BewG). Da auf die Stichtage nach dem 1. Januar 1935 nur Nachfeststellungen und Fortschreibungen in Betracht kommen, wird die Anlaufhemmung nur wirksam, wenn das Finanzamt den Steuerpflichtigen vor Ablauf der regulären Feststellungsfrist zur Abgabe einer Erklärung auffordert.

Wendet man diese Regelungen auf den Streitfall an, kann der Einheitswertbescheid vom 23. Juni 1998 (Nachfeststellung auf den 1. Januar 1998) wegen Eintritts der Feststellungsverjährung nicht mehr geändert werden. Die Feststellungsfrist, die gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1, § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre beträgt, begann - nachdem die Kläger nicht zur Abgabe einer Steuererklärung aufgefordert worden sind - nach § 181 Abs. 3 AO mit Ablauf des Jahres 1998 und endete mit Ablauf des Jahres 2002. Der Antrag auf Änderung wurde erst im Jahr 2004 gestellt.

2. Die Voraussetzungen des § 181 Abs. 5 AO liegen im Streitfall nicht vor.

a) Nach dieser Vorschrift kann trotz Eintritts der Feststellungsverjährung noch eine Berichtigung insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsverjährung noch nicht abgelaufen ist.

Zwar ist ein Messbetrag keine Steuer; § 181 Abs. 5 AO ist jedoch entsprechend anwendbar, wenn die gesonderte Feststellung für die Festsetzung eines Steuermessbetrags von Bedeutung ist (vgl. § 184 Abs. 1 Satz 3 AO; FG Köln, Urteil vom 21.11.2001 - 6 K 1134/01, EFG 2002, 1245). Die entsprechende Anwendung führt dazu, dass im Rahmen des § 181 Abs. 5 AO nicht auf die Verjährung der Grundsteuerfestsetzungen, sondern auf die Verjährung der Grundsteuermessbetragsfestsetzung abzustellen ist. Nur dieses Ergebnis entspricht dem Zweck des § 181 Abs. 5 AO, dass die Vorschaltung eines Feststellungsverfahrens für den Steuerpflichtigen keinen Nachteil, aber auch keinen Vorteil gegenüber einer Festsetzung ohne Vorschaltung eines Feststellungsverfahrens zur Folge haben soll. Wäre der Festsetzung des Grundsteuermessbetrags kein Feststellungsverfahren vorgeschaltet, wäre für den Eintritt der Verjährung der Grundsteuermessbetragsfestsetzung nur diese und nicht die Festsetzung der Grundsteuer maßgeblich. Denn auf das Verhältnis des Bescheides über den Grundsteuermessbetrag und den Grundsteuerbescheid findet § 181 Abs. 5 AO keine Anwendung, weil der Bescheid über den Grundsteuermessbetrag kein Feststellungsbescheid ist. Diese Auffassung wird gestützt durch die Ausführungen des BFH im Urteil vom 13. Juli 1999 VIII R 76/97 (BStBl II 1999, 747 unter Nr. 4 a) der Gründe), wonach bei zweistufigen Feststellungsverfahren § 181 Abs. 5 AO in der Weise anzuwenden ist, dass anstelle der Steuerfestsetzung auf die gesonderte Feststellung auf der zweiten Stufe (und nicht auf die Steuerfestsetzung auf der letzten Stufe) abzustellen ist.

b) Im Streitfall kann der Einheitswertbescheid vom 23. Juni 1998 nicht mehr geändert werden, weil die Verjährungsfrist für die Festsetzung des Grundsteuermessbetrags bereits abgelaufen war.

Im Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Berichtigung des Einheitswertbescheides vom 23. Juni 1998 gestellt wurde (2004), war die Festsetzungsfrist für den Grundsteuermessbescheid vom 23. Juli 1998 bereits abgelaufen. Gemäß § 170 Abs. 1, § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO begann die Festsetzungsfrist von vier Jahren mit Ablauf des Jahres 1998 und endete mit Ablauf des Jahres 2002. Eine Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist gemäß § 171 AO ist weder geltend gemacht noch ergibt sie sich aus den Akten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Nr.2 FGO zuzulassen.



Ende der Entscheidung

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