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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: 1 K 1262/07
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 38 Abs. 3
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1
EStG § 42d Abs. 3 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

1 K 1262/07

Haftung für Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 1. Senat

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht S.

gemäß §§ 5 Abs. 3 Satz 1, 6 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung als Einzelrichter

im Einverständnis der Beteiligten

ohne mündliche Verhandlung

am 21. Februar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auf erlegt.

Tatbestand:

In der Klägerin haben sich die Rechtsanwälte W. und We. zu einer Anwaltssozietät zusammengeschlossen. Für die angestellte Rechtsanwältin B. (B) (lt. Anwaltsverzeichnis des Leipziger Anwaltvereins e.V. vom 21. Februar 2008 Fachanwältin für Arbeitsrecht) haben sie in den Jahren 2004 bis 2006 Beiträge an die Rechtsanwaltskammer Sachsen in Höhe von jährlich 198 EUR und an den Deutschen Anwaltsverein in Höhe von 225 EUR (2004), 265 EUR (2005) und 169 EUR (2006) geleistet.

Bei einer Lohnsteuer-Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin die Zahlungen nicht als Arbeitslohn beurteilt und daher keinen Lohnsteuerabzug vorgenommen hatte. In Folge dieser Feststellungen erließ das Finanzamt am 23. Oktober 2006 einen Haftungsbescheid über Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 559,14 EUR (Blatt 73 Lohnsteuer-Akten).

Hiergegen hat die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren (vgl. Einspruchsentscheidung des inzwischen zuständig gewordenen Beklagten -des Finanzamts- vom 23. Mai 2007) Klage erhoben. Sie trägt vor, dass die Beiträge im eigenen betrieblichen Interesse entrichtet worden seien. Sowohl die Rechtsanwaltskammer Sachsen als auch der Deutsche Anwaltsverein würden den Rechtssuchenden einen Suchservice für Rechtsanwälte zur Verfügung stellen. Dazu könnten Rechtsanwälte eine begrenzte Anzahl von Rechtsgebieten angeben, in denen sie Beratung und Vertretung anbieten. Die zahlenmäßige Begrenzung der Rechtsgebiete erfolge nicht pro Kanzlei, sondern pro gemeldetem Rechtsanwalt. Durch die Mitgliedschaft der B in der Anwaltskammer und im Anwaltsverein hätte die Klägerin die Anzahl der von ihr angebotenen Rechtsgebiete um 50% erhöhen können. Hierdurch seien der Kanzlei zahlreiche neue Mandate vermittelt worden. Für diese werbewirksame Maßnahme seien der Klägerin durch die Übernahme der Beiträge für die angestellte Anwältin pro Jahr lediglich Kosten in Höhe von 400 EUR entstanden. Dem stünde ein Vielfaches an Einnahmen durch die Bearbeitung der gewonnenen Mandate gegenüber. Hinzu komme, dass B zur regelmäßigen Fortbildung verpflichtet sei. Die Kosten der Fortbildung würden von der Klägerin übernommen werden. Nur so sei eine ordnungsgemäße Büroorganisation und Betreuung der Mandanten gewährleistet. Für Mitglieder des Deutschen Anwaltsvereins seien die Seminargebühren deutlich niedriger, so dass die Ersparnis der Klägerin für die Fortbildung der B den Gesamtbeitrag für Anwaltsverein und Anwaltskammer übersteige. So habe B in den Jahren 2005 und 2006 am Lehrgang "Arbeitsrecht" teilgenommen, bei dem alleine 170 EUR an Seminargebühren gespart werden konnten. Auch habe sie als Mitglied im Anwaltsverein kostenlos das Anwaltsblatt erhalten, das zur Pflichtlektüre in der Kanzlei gehöre. Sie sei auch seit 2004 Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Anwaltsvereins und beziehe auf Grund dieser Mitgliedschaft kostenlos die Zeitschrift "Arbeitsrechtliche Entscheidungen", die zur Hauptlektüre im Arbeitsrecht gehöre. Auch sei sie seit 2006 Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft "Sozialrecht" und beziehe die Zeitschrift "Anwalt/Anwältin im Sozialrecht" mit wichtigen Praxistipps. B habe keine privaten Vorteile aus der Mitgliedschaft. Durch den Kontakt der B zu anderen Kollegen in den Arbeitsgemeinschaften seien der Klägerin bereits mehrfach Mandate in anderen Rechtsgebieten vermittelt worden. Außerdem verweisen die Kläger auf das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 8. März 2006 11 K 165/00.

Die Kläger beantragen,

den Haftungsbescheid vom 23. Oktober 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Das Finanzamt hat die Klägerin dem Grunde und der Höhe nach zu Recht für Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag in Haftung genommen.

1. Die Entschließung des Finanzamts, die Klägerin als Haftende in Anspruch zu nehmen, ist dem Grunde nach nicht zu beanstanden.

Die Klägerin haftet als Arbeitgeberin dafür, dass die von ihren Arbeitnehmern geschuldete Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt wird (vgl. § 38 Abs. 3 EStG, § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG). Soweit die Haftung der Klägerin als Arbeitgeberin reicht, sind sie und die Arbeitnehmer gemäß § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG Gesamtschuldner. Das Finanzamt kann die Steuerschuld oder die Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO) gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen (§ 42d Abs. 3 Satz 2 EStG). Nachdem sich die Klägerin mit der Übernahme der Lohnsteuer einverstanden erklärt hat (Bl. 68 Lohnsteuerakte), ist die Ermessensentscheidung des Finanzamts, die Klägerin in Anspruch zu nehmen, nicht zu beanstanden.

2. Das Finanzamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Übernahme der Beiträge zur Rechtsanwaltskammer Sachsen und zum Deutschen Anwaltsverein für B steuerpflichtigen Arbeitslohn i.S.v. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellt.

a) Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die "für" seine Arbeitsleistung gewährt werden (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Diesem Tatbestandsmerkmal ist zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Demgegenüber sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die vom Arbeitgeber im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gewährt werden, wenn also aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht, folglich das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund tritt (BFH-Urteil VI R 15/86, BStBl II 1990, 472; Schmidt, EStG, 25. Auflage, § 19 Tz.30). (Nur) in diesem Fall kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteil vom 18. August 2005 VI R 32/03, BFH/NV 2005, 2290 m.w.N.).

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Gericht der Auffassung, dass die Übernahme der Beiträge, die von B jährlich an die Rechtsanwaltskammer und den Deutschen Anwaltsverein zu entrichten waren, steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellt.

aa) Beiträge zur Anwaltskammer

Das Gericht ist der Auffassung, dass zwar ein eigenbetriebliches Interesse der Klägerin an der Zulassung der B als Rechtsanwältin und damit an der (Zwangs-) Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer vorgelegen hat, dieses aber das Eigeninteresse der B nicht überwogen und schon gar nicht in den Hintergrund gedrängt hat. Das eigenbetriebliche Interesse der Klägerin liegt darin begründet, dass vor Gericht nur eine zugelassene Rechtsanwältin auftreten kann, so dass eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung, die sich nicht nur auf die Büroarbeit beschränkt, nur mit Zulassung als Rechtsanwältin erbracht werden kann. Der Hinweis der Klägerin, dass die B ihre Arbeit ebenso gut als Assessorin hätte leisten können, vermag vor diesem Hintergrund nicht überzeugen. Daneben unterstellt das Gericht den Vortrag der Klägerin als zutreffend, dass mit der Zulassung als Rechtsanwalt und der damit verbundenen Zwangsmitgliedschaft in der Anwaltskammer eine Erweiterung der von der Kanzlei angeboten Rechtsgebiete einherging, die in den entsprechenden Suchservices werbewirksam dargestellt werden konnte.

Diesem eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin steht aber ein zumindest gleichwertiges Interesse der B gegenüber. Die Mitgliedschaft in der Anwaltskammer und die damit notwendigerweise einhergehende Zahlung der Kammerbeiträge ist für eine Rechtsanwältin zwingende Voraussetzung zur Berufsausübung unabhängig davon, ob sie nach Bestellung selbständig oder als angestellte Anwältin tätig ist. Hieraus folgt, dass für B die Zulassung als Rechtsanwalt deshalb von Bedeutung war, da sie nur durch eine Tätigkeit als Anwältin ihr berufliches Fortkommen sowohl bei der Klägerin als auch - z.B. bei einer beruflichen Veränderung - erhalten und möglicherweise fördern konnte. Hinzu kommt, dass die B nur mit einer Zulassung als Rechtsanwältin den Titel einer Fachanwältin für Arbeitsrecht erwerben konnte, der sich wiederum positiv auf ihr berufliches Fortkommen und damit auf das erzielbare Einkommen auswirkt. Daneben hat sie als Mitglied der Anwaltskammer die Möglichkeit, deren Leistungen (berufsrechtliche Betreuung und Beratung, Verleihung von Fachanwalttiteln, Fortbildungsveranstaltungen und Seminare, Bezug der Mitgliederzeitschrift) in Anspruch zu nehmen (ebenso zu Pflichtbeiträgen zur Steuerberaterkammer: FG Düsseldorf vom 3. April 2003 10 K 3063/00 H (L), EFG 2003, 999; FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 27.03.2006 - 5 K 2776/03, EFG 2006, 1159).

bb) Beiträge zum Deutschen Anwaltsverein

Ähnliches gilt für die Beiträge zum Deutschen Anwaltsverein. Der Deutsche Anwaltsverein bietet seinen Mitgliedern die Förderung und Initiierung des für die Berufsausübung notwendigen Erfahrungs- und Informationsaustausches zwischen den Kollegen durch aktuelle Informationen über verschiedene Werbemaßnahmen und Services bis hin zu einem Stellenmarkt und eigenem Rechtsschutz. Darüber hinaus kommen Mitglieder in den Genuss von Rabatten und Sonderkonditionen bei zahlreichen Kooperationspartnern wie Autoherstellern, Hotelketten sowie Bürotechnikanbietern und Telekommunikationsanbietern.

Nach § 1 Nr. 2 der Satzung ist Zweck des Vereins die Wahrung, Pflege und Förderung aller beruflichen und wirtschaftlichen Interessen der Rechtsanwaltschaft und des Anwaltsnotariats, insbesondere durch a. die Förderung von Rechtspflege und Gesetzgebung b. Aus- und Fortbildung c. Pflege des Gemeinsinnes und des wissenschaftlichen Geistes der Rechtsanwaltschaft. Sein Ziel ist die Zusammenfassung aller Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Deutschland und aller deutschen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Ausland.

Auch hier ist nicht erkennbar, dass gegenüber dem sicher vorhandenen Eigeninteresse der Klägerin an der Mitgliedschaft das Interesse der angestellten Anwältin völlig in den Hintergrund tritt. Auch wenn man den Vortrag der Klägerin als zutreffend unterstellt, dass durch die Mitgliedschaft der B die Zahl der Mandate erhöht worden sei, eine Mitgliedschaft schon deshalb geboten sei, weil auf diese Weise die Kosten der Fortbildung reduziert werden konnten und zur Mitgliedschaft der Bezug kostenloser, für die Tätigkeit der Klägerin notwendiger Zeitschriften gehöre, so tritt trotzdem das Interesse der B an der Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein nicht völlig in den Hintergrund. Als Rechtsanwalt, insbesondere auch als Fachanwalt, ist die Erweiterung des Fachwissens unerlässlich. Nur auf diese Weise ist es möglich, am Arbeitsmarkt oder möglicherweise später als Teilhaber oder Inhaber einer Kanzlei zu bestehen. Wie zu den Beiträgen zur Anwaltskammer ausgeführt, dient die Teilnahme an den Fortbildungsveranstaltungen des Deutschen Anwaltsvereins mit der Möglichkeit, Kontakte zu Berufskollegen anzubahnen und aufrecht zu erhalten, die Möglichkeit des Erwerbs von Fortbildungsbescheinigungen des Deutschen Anwaltsvereins und die Möglichkeit von Mitgliedschaften in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften des Deutschen Anwaltsvereins der Erfüllung der Pflichten aus der Tätigkeit als Anwältin bei der Klägerin und liegt daher sicher auch im Interesse der Klägerin. Doch dienen die beschriebenen Möglichkeiten auch der Erhaltung und Steigerung der beruflichen Fähigkeiten der B und damit ihrem weiteren beruflichen Fortkommen. Das Gericht hält das Eigeninteresse der B für so gewichtig, dass es nicht neben dem Interesse der Klägerin in den Hintergrund tritt (vgl. zur Übernahme von Vereinsbeiträgen durch den Arbeitgeber FG Münster, Urteil vom 29. Mai 1990 VI 2192/87L, EFG 1991, 323, bestätigt BFH-Urteil vom 11. November 1992 VI R 66/90).

An diesem Ergebnis vermögen die Ausführungen im Urteil des FG Baden-Württemberg 11 K 165/00 vom 8. März 2006 nichts ändern. Die Entscheidung betrifft einen Einzelfall ("angesichts der Besonderheiten des Streitfalles"...) und kann schon deshalb auf den Streitfall nicht übertragen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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