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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 29.09.2006
Aktenzeichen: 1 K 447/00 Kg
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 40 Abs. 2
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 63 Abs. 1
EStG § 64 Abs. 1
EStG § 64 Abs. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

1 K 447/00 Kg

Familienleistungsausgleich

In dem Finanzrechtsstreit [...]

hat der 1. Senat

durch

den Richter am Verwaltungsgericht als Einzelrichter

ohne weitere mündliche Verhandlung gem. § 94a Finanzgerichtsordnung -FGO- am 29.09.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Aufhebungsbescheid vom 16.09.1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.02.2000 wird dahingehend geändert, dass das Kindergeld für das Kind Kr. zu Gunsten des Klägers erst ab November 1999 aufgehoben wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Streitig ist zuletzt, ob der Kläger durch den angefochtenen Verwaltungsakt, mit dem die Gewährung des Kindergeldes für seine Tochter Kr. für die Monate September und Oktober aufgehoben wurde, noch beschwert ist, nachdem die Beigeladene, die vom Beklagten zunächst als vorrangig Kindergeldberechtigte angesehen worden war, den vorrangigen Anspruch des Klägers anerkannt und das Kindergeld für die Streitmonate an diesen weitergeleitet hat.

Der Kläger und die Beigeladene sind die Eltern des am 06.10.1985 geborenen Kindes Kr.. Ab Juli 1999 erhielt der Kläger das Kindergeld für Kr. in der gesetzlichen Höhe. Am 06.09.1999 beantragte die Beigeladene das Kindergeld für Kr. und legte eine Haushaltsbescheinigung vor, wonach Kr. ab dem 01.09.1999 zu ihrem Haushalt gehöre. Mit Bescheid vom 16.09.1999 hob der Beklagte gegenüber dem Kläger die Kindergeldgewährung für das Kind Kr. ab September 1999 auf. Dagegen legte der Kläger am 21. September 1999 Einspruch ein und trug vor, dass seine Tochter Kr. bei ihm lebe und von ihm versorgt werde. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.02.2000 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.

Am 07.03.2000 hat der Kläger Klage erhoben.

Die Klage betreffe die Monate September und Oktober 1999. Das Kind Kr. sei erst im November 1999 zu ihrer Mutter bzw. zu ihrem Bruder R. P. gezogen.

Mit am 16.03.2006 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Beigeladene bestätigt, dass sie den Kindergeldanspruch des Klägers für das Kind Kr. für die Monate September und Oktober anerkenne und das vom Beklagten erhaltene Kindergeld an ihn weitergeleitet habe. Zum Nachweis hat die Beigeladene einen entsprechenden Überweisungsträger in Kopie beigelegt.

Daraufhin hat der Beklagte den Kläger aufgefordert, seine Klage zurückzunehmen, weil er nunmehr nicht mehr beschwert sei. Der Kläger hat dazu erklärt, das er die Klage nicht zurücknehmen. Falls das Gericht beschließe, dass ihm das Kindergeld für die streitigen Monate zustehe, gehe er davon aus, dass der Beklagte die Kosten zu tragen habe. Auf Anfrage des Gerichts, ob auf Grund des Anerkenntnisses des Beigeladenen ein Abhilfebescheid erlassen werde, hat der Beklagte auf seinen Schriftsatz, mit dem er den Kläger zur Rücknahme der Klage mangels weiterer Beschwer aufgefordert hat, verwiesen und ausgeführt, das er für eine Abhilfe keinen Raum sehe.

Der Kläger beantragt sinngemäß weiterhin,

den Aufhebungsbescheid vom 16.09.1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.02.2000 dahingehend zu ändern, dass das Kindergeld für Kr. erst ab November 1999 aufgehoben wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Bereits mit Beschluss vom 09.01.2000 hatte der Senat den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Nachdem am 22.02.2006 bereits eine mündliche Verhandlung durchgeführt und vertagt worden war, zu der die Beigeladene, deren persönliches Erscheinen angeordnet worden war, krankheitsbedingt entschuldigt nicht erscheinen konnte, hat das Gericht nach Eingang der Erklärung der Beigeladenen am 16.03.2003 die Beteiligten gebeten, einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung zuzustimmen. Daraufhin haben der Beklagte unter dem 03.08.2006 und der Beigeladene unter dem 16.08.2006 auf mündliche Verhandlung verzichtet. Die Beigeladene hat sich trotz Erinnerung nicht geäußert.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet gem. § 94 a FGO ohne (weitere) mündliche Verhandlung. Ein konkludenter Antrag auf mündliche Verhandlung i. S. von § 94a Satz 2 FGO liegt nicht vor, wenn sich ein Beteiligter - wie hier die Beigeladene - auf die Frage, ob auf mündliche Verhandlung verzichtet werde, überhaupt nicht äußert (vgl. Gräber/Koch, FGO, 6. Aufl. 2006, § 94a Rz. 6 m.w.N.).

Die Klage ist zulässig.

Insbesondere ist der Kläger klagebefugt gem. § 40 Abs. 2 FGO. Nach dieser Vorschrift ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das auch nach dem Anerkenntnis der vorrangigen Kindergeldberechtigung des Klägers durch die Beigeladene und die Weiterleitung des für die Streitmonate an die Beigeladene ausgezahlten Kindergeldes an den Kläger der Fall.

Mit dem angefochtenen Aufhebungsbescheid wird dem Kläger eine öffentlich-rechtliche Rechtsposition, nämlich die mit dem vorausgegangen Bewilligungsbescheid zu seinen Gunsten erfolgte Festsetzung des Kindergeldes für das Kind Kr., genommen. Diese Rechtsposition erlangte der Kläger durch die bloße Anerkennung seiner vorrangigen Berechtigung durch die Beigeladene und die Weiterleitung eines dem Kindergeld für die Streitmonate entsprechenden Betrages nicht zurück. Der Kläger hat aber einen Rechtsanspruch auf eine Kindergeldfestsetzung zu seinen Gunsten, wenn die geltend gemachte vorrangige Kindergeldberechtigung besteht.

Zwar dürfte im Streitfall eine Kindergeldfestsetzung zugunsten des Klägers keinen durchsetzbaren Auszahlungsanspruch begründen. Die Weiterleitung des vom Beklagten an die Beigeladene ausgezahlten Kindergeldes durch die Beigeladene an den Kläger und deren Bestätigung durch den Kläger dürfte nach dem Grundsatz von Treu und Glauben einer Auszahlung entgegenstehen. Gleichwohl gibt die Kindergeldfestsetzung dem Berechtigten eine Rechtsposition, die ihm das Kindergeld umfassend sichert, ohne das es an dieser Stelle einer abfließenden Prüfung eventueller Rückforderungsmöglichkeiten durch die Beigeladene bzw. eventueller Erstattungsansprüche durch den Beklagten nach § 37 Abs. 2 AO bedarf.

Vereinfacht gesagt gilt: Wem ein Recht auf die Festsetzung einer öffentlich-rechtlichen Geldleistung zusteht, der muss sich bei Geltendmachung dieses Rechtes nicht darauf verweisen lassen, das er einen entsprechenden Geldbetrag ohne Verbescheidung des Rechtsgrundes in sonstiger Weise erhalten hat.

Die Klage ist auch begründet.

Die Aufhebung des Kindergeldes für Kr. in den Streitmonaten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Abs. 2 Satz 1 FGO). Der Kläger hat nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 EStG als Kindergeldberechtigter vorrangig Anspruch auf das Kindergeld für Kr. für die Monate September und Oktober 1999. Das er Kr. in dieser Zeit in seinem Haushalt aufgenommen hatte, wurde durch die Beigeladene bestätigt und wird auch vom Beklagten nicht mehr bestritten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 u. 2, 709 Satz 2 Zivilprozessordnung -ZPO-.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 nicht gegeben sind.



Ende der Entscheidung

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