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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 19.09.2006
Aktenzeichen: 1 K 533/04
Rechtsgebiete: EStG, FördG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 10e
FördG § 7
AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

1 K 533/04

Einkommensteuer 2001

In dem Finanzrechtsstreit [...]

hat der 1. Senat

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht der Richterin am Finanzgericht und des Richters am Verwaltungsgericht sowie der ehrenamtlichen Richter und

ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 19.09.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid 2001 vom 04.11.2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.02.2004 wird dahingehend geändert, dass Abzugsbeträge nach § 10 e Einkommensteuergesetz -EStG- in Höhe von 3.534 DM und nach § 7 Fördergebietsgesetz - FördG - in Höhe von 67 DM berücksichtigt werden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der hälftige Miteigentumsanteil der Klägerin an dem Einfamilienhaus N.-Str. in D. nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Abgabenordnung -AO- vorrangig dem Beigeladenen als wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen ist.

Die Klägerin war im Streitjahr 2001 mit dem Beigeladenen verheiratet. Beide waren je zur Hälfte Miteigentümer des Eingangs bezeichneten Einfamilienhauses. Das Einfamilienhaus wurde von der Klägerin und dem Beigeladenen zusammen mit dem am geborenen gemeinsamen Sohn T. bewohnt. Ab dem 01.06.2001 bezogen die Klägerin und der Sohn eine Mietwohnung in O., G.-Str..

Bereits mit notarieller Getrenntlebens- und Scheidungsfolgenvereinbarung vom 28.02.2000 hatten die Eheleute Gütertrennung vereinbart. Im Zuge des gegenseitigen Verzichts auf Zugewinnausgleich unter Aufteilung gemeinsamer Vermögensgegenstände hatte die Klägerin dabei ihr hälftiges Miteigentum an dem Einfamilienhaus auf den Beigeladenen übertragen. Dabei war vereinbart worden, dass die Klägerin und das gemeinsame Kind längstens bis zur rechtskräftigen Scheidung der Ehe in dem Einfamilienhaus unentgeltlich wohnen bleiben dürfen, wobei sich die Klägerin dann anteilig an den laufenden Betriebskosten zu beteiligen hatte. Der Beigeladene sollte die auf dem Grundstück lastende Grundschuld und die ihr zugrunde liegende Darlehensverbindlichkeit samt etwaiger Rückstände ab dem Tag des Besitzüberganges allein übernehmen und die Klägerin im Innenverhältnis bis zur Genehmigung der Gläubigerin und bis zur Eigentumsumschreibung freistellen. Der Besitz und die Nutzungen sowie die Lasten und die Gefahr an dem Einfamilienhausgrundstück einschließlich aller Verpflichtungen aus den den Grundbesitz betreffenden Versicherungen sowie die allgemeinen Verkehrssicherungspflichten sollten mit dem Tag des Vertragsschusses auf den Beigeladenen übergehen.

Mit Einkommensteuererklärung vom 04.06.2002 machte die Klägerin wie im Vorjahr Abzugsbeträge in Höhe von 7.067 DM nach § 10 e EStG und in Höhe von 133 DM nach § 7 FördG geltend. Mit Einkommensteuerbescheid 2001 vom 04.11.2002 ließ der Beklagte diese Abzugsbeträge unberücksichtigt, da der Ehemann Alleineigentümer sei. Den dagegen eingelegten Einspruch der Klägerin vom 11.11.2002 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 10.02.2004 als unbegründet zurück. Nach § 10 e EStG und § 7 FördG seien zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnungen im eigenen Haus begünstigt. Der Begriff "eigen" bedeute, dass der Steuerpflichtige Eigentümer des von ihm errichteten oder angeschafften Objekts sein müsse. Fielen# das zivilrechtliche und das wirtschaftliche Eigentum auseinander, sei nur der wirtschaftliche Eigentümer abzugsberechtigt. Wirtschaftlicher Eigentümer nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO sei der Beigeladene, weil mit Abschluss des Übertragungsvertrages Besitz, Nutzungen, Gefahr und Lasten auf ihn übergegangen seien und er damit die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt habe. Sollte - wie von der Klägerin angekündigt - nachträglich die Nichtigkeit des notariellen Vertrages vom 28.02.2000 gerichtlich festgestellt werden, käme ein rückwirkender Verlust der Stellung des Beigeladenen als wirtschaftlicher Eigentümer nicht in Betracht.

Am 09.03.2004 hat die Klägerin Klage erhoben.

Sie ist der Auffassung, aufgrund des schuldrechtlich vereinbarten Wohnrechtes sei das wirtschaftliche Eigentum im Streitjahr nicht abweichend vom bei der Klägerin bis zur Eigentumsumschreibung im Grundbuch verbliebenen zivilrechtlichen Eigentum auf den Beigeladenen übergegangen. Denn die Nutzung eines Einfamilienhauses bestehe nun einmal darin, dass man es bewohne. Die Lasten lägen in der (hier anteiligen) Tragung der Betriebskosten. Da die Klägerin ihr Wohnrecht im Streitjahr auch tatsächlich ausgeübt habe, sei auch der Besitz bei ihr verblieben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Einkommensteuerbescheid 2001 in der Form der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Abzugsbeträge nach § 10 e EStG und § 7 FördG als Sonderausgaben festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach einem Hinweis des Berichterstatters ist der Beklagte zu der Auffassung gelangt, dass das wirtschaftliche Eigentum nicht abweichend vom zivilrechtlichen Miteigentum der Klägerin allein auf den Beigeladenen übergegangen sei. Mit Blick auf die notwendige Folgeänderung der Steuerfestsetzung des Beigeladenen nach § 174 Abs. 4 AO müsse das Gericht nach dessen Beiladung gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 Fall 2 AO in Verbindung mit § 60 FGO streitig entscheiden.

Der Beigeladene tritt der Klage entgegen. Er könne dem Hinweis des Berichterstatters nicht folgen, dass er im Streitjahr aufgrund des unentgeltlichen schuldrechtlichen Mitwohnrechts der zivilrechtlichen Miteigentümerin noch nicht über den anderen Miteigentumsanteil an dem Einfamilienhausgrundstück habe verfügen können. Der Besitzübergang sei vertraglich vor dem Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung vereinbart worden. Damit habe der Beigeladene zumindest für eine juristische Sekunde die Verfügungsbefugnis erlangt und von ihr dahingehend Gebrauch gemacht, dass er der Klägerin ein Mitwohnrecht bis zu ihrem letztendlichen Auszug im Juni 2001 eingeräumt habe.

Unter dem 07.04.2005 bzw. dem 14.04.2005 bzw. dem 18.04.2005 haben alle Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet nach § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten und daher vom Gericht antragsgemäß zu ändern (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, Abs. 2 Satz 1 FGO). Das im Streitjahr im zivilrechtlichen Miteigentum der Klägerin stehende und von ihr jedenfalls bis zum 31.05.2001 eigen genutzte Einfamilienhausgrundstück in D. ist der Klägerin nach § 39 AO zuzurechnen.

Die Steuerbegünstigungen nach § 10 e EStG und § 7 FördG kann - jeweils unter weiteren Voraussetzungen - der Steuerpflichtige beanspruchen, der eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung im "eigenen" Haus herstellt oder anschafft bzw. an einem zu eigenen Wohnzwecken genutzten "eigenen" Gebäude Herstellungs- und Erhaltungsarbeiten vornimmt. Beide genannten Voraussetzungen, das Vorhandensein einer Wohnung im "eigenen" Haus bzw. eine "eigenes" Gebäude und deren bzw. dessen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, müssen kummulativ während eines Teiles des Veranlagungszeitraumes vorliegen. Hieraus folgt, dass im Jahr der Veräußerung des Hauses bzw. Gebäudes sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber die Steuerbegünstigungen jeweils im vollen Umfang in Anspruch nehmen können (zu § 10e EStG vgl. BMF vom 31.12.1994, BStBl I 1995, 887).

Der Begriff "eigen" i.S.v. § 10e EStG bzw. § 7 FördG bedeutet, dass der Steuerpflichtige Eigentümer des begünstigten Objekts im Sinne des § 39 AO sein muss. In Fällen, in denen zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum nicht übereinstimmen, ist der wirtschaftliche Eigentümer zur Inanspruchnahme der Steuerbegünstigungen berechtigt. Denn nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter zwar grundsätzlich dem (zivilrechtlichen) Eigentümer zuzurechnen. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO gilt davon abweichend allerdings, dass Wirtschaftsgüter einem anderen als dem (zivilrechtlich) Eigentümer zuzurechnen sind, wenn dieser die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den (zivilrechtlichen) Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (sog. wirtschaftlicher Eigentümer).

Im Streitfall konnte der Beigeladene die Klägerin vor dem Übergang des zivilrechtlichen Alleineigentums und vor der Aufgabe ihres vorübergehenden schuldrechtlichen(Mit-)Wohnrechts nicht wirtschaftlich von der Einwirkung auf das Einfamilienhausgrundstück ausschließen. Zwar geht im Regelfall wirtschaftliches Eigentum in den Fällen, in denen der Übergang des zivilrechtlichen Eigentums nachfolgen soll, in dem Zeitpunkt auf den Erwerber über, zu dem ihm Besitz, Nutzen, Gefahr und Lasten übertragen werden. Der im Vertrag vom 28.02.2000 vereinbarte sofortige Übergang von Besitz und Nutzen an dem Einfamilienhausgrundstück war aber zunächst rechtlich gegenstandslos, soweit der Klägerin zugleich ein ihrem zivilrechtlichen Miteigentumsanteil entsprechendes Mitwohn- und Mitnutzungsrecht eingeräumt worden ist (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 12.04.2000 X R 69/98, BFH/NV 2000, 1331 m.w.N.). Der Beigeladene konnte deshalb der Klägerin hinsichtlich ihres Miteigentumsanteils kein bereits im Hinblick auf den Auflassungsanspruch im Vertrag vom 28.02.2000 eingeräumtes uneingeschränktes Besitzrecht entgegenhalten.

Unzutreffend nimmt der Beigeladene an, er habe mit dem Vertrag vom 28.02.2000 zunächst das uneingeschränkte Besitz- und Nutzungsrecht an dem Einfamilienhausgrundstück jedenfalls für eine juristisch logische Sekunde eingeräumt bekommen, um sodann der Klägerin das Mitwohnrecht zu gewähren. Im Steuerrecht ist allgemein anerkannt, dass Rechte, die im Zuge der Übertragung von Grundbesitz dem Übertragendem eingeräumt werden, als von diesem vorbehalten anzusehen sind. Der Erwerber erhält den Erwerbsgegenstand von vorneherein belastet durch das eingeräumte Recht übertragen. Es liegt nicht in seiner Hand, frei darüber zu verfügen, ob er dem Veräußerer das im Zuge der Übertragung vereinbarte Recht einräumen will oder nicht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Juli 1981 VII R 49/80, BStBl II 1981, 751, m.w.N.). Von daher geht die Betrachtung des Beigeladenen fehl, er müsse zunächst das uneingeschränkte Besitz- und Nutzungsrecht erhalten haben, um der Klägerin ein Mitwohn- und Mitbenutzungsrecht zugestehen zu können.

Ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Beigeladenen bereits mit dem Tag des Vertragschlusses vom 28.02.2000 ergibt sich auch nicht deshalb, weil grundsätzlich selbst ein dinglich gesichertes Wohnrecht ebenso wenig wie ein umfassendes Nießbrauchrecht wirtschaftliches Eigentum im Sinne von § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO zu begründen vermag (vgl. dazu FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. Juni 2000 1 K 2068/97, EFG 2000, 1117; BFH-Urteil vom 26. November 1998 IV R 39/98, BStBl II 1999, 263 m.w.N.). Denn dieser Grundsatz betrifft die Frage, ob nach dem Übergang des zivilrechtlichen Eigentums die Zurechnung eines Grundstücks weiterhin beim Veräußerer und Wohnrechtsinhaber bzw. Nießbraucher als wirtschaftlichem Eigentümer nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO zu erfolgen hat. Davon zu trennen ist die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage, ob die Klägerin, die im Streitjahr noch zivilrechtliche Miteigentümerin war, sich aufgrund des mit dem Übertragungsvertrag vom 28.02.2000 vereinbarten sofortigen Übergangs von Besitz und Nutzen auf den Beigeladenen eine abweichende Zurechnung des Grundstücks unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigentums nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO vor der grundbuchmäßigen Eigentumsumschreibung entgegenhalten lassen muss. Das ist - wie dargelegt - aufgrund der Einschränkung des Besitz- und Nutzungsrechts des Beigeladenen durch das im Streitjahr vorbehaltene Mitwohn- und Mitnutzungsrecht der Klägerin nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 139 Abs. 4 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 151 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 analog, § 711 Sätze 1 und 2, § 709 Satz 2 Zivilprozessordnung -ZPO-.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 nicht vorliegen.



Ende der Entscheidung

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