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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 19.09.2006
Aktenzeichen: 1 K 698/01
Rechtsgebiete: UStG, AO 1977


Vorschriften:

UStG § 22 Abs. 2
UStG § 3 Abs. 1 Buchst. b Nr. 1
AO 1977 § 162 Abs. 1
AO 1977 § 162 Abs. 2 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

1 K 698/01

In dem Finanzrechtsstreit

hat der 1. Senat unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht, der Richterin am Finanzgericht und des Richters am Verwaltungsgericht sowie der ehrenamtlichen Richter und

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 19.09.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, ob bei der schätzungsweisen Ermittlung des Eigenverbrauchs nach den Pauschbeträgen der Richtsatzsammlung 1998 in der Fassung vom 10.06.1999 Abschläge wegen individueller persönlicher Eßgewohnheiten in der Familie des Klägers vorzunehmen sind.

Der Kläger betrieb im Streitjahr die Gaststätte "K.'l" in W.. In seinem Haushalt leben neben seiner in der Gaststätte als Köchin beschäftigten Ehefrau die beiden Kinder L., geboren am 23.08.1989, und J., geboren am 09.08.1998. Aufzeichnungen über Sachentnahmen wurden vom Kläger nicht geführt. Seiner Gewinnermittlung legte der Kläger die Pauschbeträge für den Eigenverbrauch (unentgeltliche Wertabgaben) nach der Richtsatzsammlung 1998 in der Fassung vom 10.06.1999 (IV D 6-S 1544-3/99, BStBl. I 1999, 525) von 3.084 DM zum Steuersatz von 7 vom Hundert und 1.500 DM zum Steuersatz von 16 vom Hundert pro Person zugrunde. Dabei ging er von zwei Personen aus. Dementsprechend erklärte der Kläger unter dem 25.05.2000 seine Umsätze und unter dem 26.05.2000 seinen Gewerbeertrag.

Der Beklagte erhöhte im Veranlagungsverfahren die Sachentnahmen nach Ziffer 4 Satz 2 der Richtsatzsammlung 1998 für L. (Kind von über 2 bis zu 12 Jahren) um die hälftigen Pauschbeträge von 3.084 DM zum Steuersatz von 7 vom Hundert und 1.500 DM zum Steuersatz von 16 vom Hundert. Mit Bescheiden vom 18.09.2000 setzte er die Umsatzsteuer 1999 mit 25.474 DM und den Gewerbesteuermeßbetrag 1999 mit 9 DM fest. Die dagegen eingelegten Einsprüche des Klägers vom 20.09.2000 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidungen vom 27.03.2001 als unbegründet zurück.

Am 17.04.2001 hat der Kläger Klage erhoben.

Im Klageverfahren vertritt er zuletzt die Auffassung, die vollen Pauschbeträge dürften nur für seine Person zum Ansatz gebracht werden. Für seine Ehefrau, die als Köchin bei ihm angestellt sei, dürften nur die halben Pauschbeträge zum Ansatz kommen. Denn die Verkostung der zubereiteten Speisen durch die Köchin sei im betrieblichen Interesse notwendig. Für das Kind L. dürften nur 22 von Hundert der hälftigen Pauschbeträge zugrunde gelegt werden. Das sei der Anteil, der unter Zugrundelegung der Sachbezugsverordnung auf das Frühstück entfalle. Denn L. nehme das Mittagessen an Schultagen in der Schule und im Übrigen bei den Großeltern ein; Abendbrot erhalte sie stets bei ihren Großeltern. Es müssten die konkreten Verhältnisse beim Kläger berücksichtigt werden. Dazu gehöre auch, dass Wohnung und Gaststätte ca. einen Kilometer räumlich getrennt seien. Die Tochter halte sich nicht in der Gaststätte auf und werde auch nicht über die Gaststätte beköstigt. An Wochentagen öffne die Gaststätte erst Nachmittags und biete keinen Mittagstisch an. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass sich die Ehefrau des Klägers zeitweise im Erziehungsurlaub befand und nicht in der Gaststätte tätig gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über den Gewerbesteuermeßbetrag 1999 vom 18.09.2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.03.2001 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 DM festgesetzt wird,

den Bescheid über Umsatzsteuer 1999 vom 18.09.2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.03.2001 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 25.068 DM festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Die angefochtene Verwaltungsakte sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO-). Ohne Rechtsfehler geht das beklagte Finanzamt gemäß Ziffer 3 des Kapitels "Pauschbeträge für den Eigenverbrauch (unentgeltliche Wertabgaben) für die Kalenderjahre 1998 und 1999" der Richtsatzsammlung 1998 (a.a.O.) davon aus, dass bei der schätzweisen Ermittlung der Sachentnahmen nach den Pauschbeträgen der Richtsatzsammlung keine Zu - oder Abschläge wegen individueller persönlicher Eß- oder Trinkgewohnheiten bzw. wegen Krankheit oder Urlaub zu machen sind.

Nach § 22 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 1 Satz 2 und § 3 Abs. 1b Nr. 1 Umsatzsteuergesetz in der ab 1. April 1999 geltenden Fassung - UStG - sind Aufzeichnungen über die Entnahme von Gegenständen durch den Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, getrennt nach Steuersätzen zu machen. Die Aufzeichnungsverpflichtung aus dem Umsatzsteuergesetz wirkt unmittelbar auch für Zwecke der Einkommensbesteuerung (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1982 VIII R 225/80, BStBl. II 1984, 504); das nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes ermittelte Einkommen ist nach § 7 Satz 1 Gewerbesteuergesetz - GewStG - maßgeblich für den Gewerbeertrag und damit auch für den neben der Umsatzsteuer streitigen Gewerbesteuermeßbetrag.

Der Kläger ist seinen Aufzeichnungspflichten im Streitjahr nicht nachgekommen, weshalb nach § 162 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 Abgabenordnung -AO- die Sachentnahmen zu schätzen sind (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dabei ist mangels besserer Anhaltspunkte - ebenfalls unstreitig - von den auf Erfahrungsätzen der einzelnen Branchen beruhenden Richtsätzen und Pauschalen auszugehen, wie sie in der einschlägigen Richtsatzsammlung 1998 in der Fassung vom 10.06.1999 zusammengefasst sind. Nach Ziffer 3 des Kapitels "Pauschbeträge für den Eigenverbrauch (unentgeltliche Wertabgaben) für die Kalenderjahre 1998 und 1999", dienen diese Regelungen der Vereinfachung und lassen keine Zu- und Abschläge wegen individueller persönlicher Eß- oder Trinkgewohnheiten zu; auch Krankheit oder Urlaub rechtfertigen keine Änderungen der Pauschbeträge.

Ist der Steuerpflichtige seinen Aufzeichnungspflichten als Betreiber einer Gastwirtschaft und Speisewirtschaft nicht nachgekommen, sondern hat die von der Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen in der Richtsatzsammlung aufgestellten Pauschalregelungen zur Ermittlung der Sachentnahmen im Schätzungswege angewandt, muss er sich auch die Ungenauigkeiten, die sich aus der Anwendung dieser Erfahrungsätze ergeben können, gefallen lassen (vgl. FG Berlin, Urteil vom 30. April 1985 VII 481/84, EFG 1985, 581 und FG Saarland, Urteil vom 14. Februar 1991 2 K 222/86, EFG 1991, 772). Die danach entsprechend der zum Haushalt des Steuerpflichtigen gehörenden Personen vorzunehmende Vervielfältigung der festgesetzten Pauschbeträge kann nicht mit der Behauptung beanstandet werden, dass einzelne Familienangehörige anderweitige Verköstigung erhalten haben (vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. Juni 1996 1 K 1624/99, zitiert nach Juris). Der Steuerpflichtige kann sich nicht unter Verstoß gegen seine Aufzeichnungspflichten auf die Methodik der Richtsätze berufen, zugleich aber geltend machen, die dortige Annahme, dass jedes Familienmitglied altersentsprechend einen durchschnittlichen Eigenverbrauch begründet, treffe im Einzelfall auf bestimmte Familienangehörige nicht oder nur eingeschränkt zu. Das muss schon deshalb gelten, weil der Beklagte an Ziffer 3 des entsprechenden Kapitels der Richtsatzsammlung gebunden ist und deshalb nicht auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalles für bestimmte Familienangehörige, z.B. auf Grund ihrer Statur oder ihrer sportlichen Lebensweise, von einer überdurchschnittlichen Nahrungsaufnahme ausgehen darf. Die einseitige Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles nach unten (sog. "Rosinenpickerei") würde der Pauschalierung insgesamt die Grundlage entziehen, zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führen und daher gegen § 162 Abs. 1 Satz 2 AO verstoßen. Der Beklagte geht zutreffend davon aus, dass es für die Schätzung des Eigenverbrauchs eines Gastwirtes und seiner Familie auch nicht darauf ankommt, ob und in welchem Umfang in der Gaststätte hergestellte fertige Gerichte eingenommen werden, mithin ob die Familie in der Gaststätte präsent ist. Entscheidend ist, dass Grundnahrungsmittel eingekauft werden und dass davon die tägliche Ernährung der Familie bestritten werden kann (vgl. FG Berlin, a.a.O.). Ohne Bedeutung ist schließlich der Umstand, dass die Ehefrau außerhalb ihres Erziehungsurlaubs als Köchin zum Gaststättenpersonal zu rechnen war (vgl. ausdrücklich § 3 Abs. 1b Nr. 2 UStG).

Auf Grund der mit einer Schätzung zwangsläufig einhergehenden Unschärfen sieht es der erkennende Senat hinsichtlich der Umsatzsteuer als unbeachtlich an, dass sich der Regelsteuersatz zum 1.04.1999 um einen Prozentpunkt von 15 auf 16 erhöht hat. Auch der Kläger hat eine Aufteilung des Pauschbetrages zum Regelsteuersatz - etwa 1/4 zu 3/4 - nicht vorgenommen und seinen gesamten regelversteuerten Eigenverbrauch als Entnahme von Gegenständen zu 16 von Hundert erklärt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.



Ende der Entscheidung

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