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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 04.07.2006
Aktenzeichen: 2 K 293/06
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 79a Abs. 3
FGO § 79a Abs. 4
FGO § 91 Abs. 2
AO 1977 § 71
AO 1977 § 191 Abs. 1
AO 1977 § 235
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

2 K 293/06

Haftungsbescheid vom 27.05.2005 über Hinterziehungszinsen zur Umsatzsteuer II/1998

In dem Finanzrechtsstreit

hat der 2. Senat durch den Berichterstatter, RiFG , gem. § 79a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Finanzgerichtsordnung auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 4. Juli 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Kläger zur Last.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger als Haftungsschuldner für Hinterziehungszinsen zur Umsatzsteuer in Anspruch genommen werden darf.

Der Kläger war seit dem 22. Mai 1998 Geschäftsführer der M.-C. Werbung Verpackung GmbH (GmbH). Eine Umsatzsteuervoranmeldung für das 2. Quartal 1998 und eine Umsatzsteuererklärung 1998 wurde nicht abgegeben. Der Beklagte erließ im Jahr 2000 und 2002 einen Schätzbescheid zur Umsatzsteuer 1998 und nahm den Kläger mit - hier nicht streitigem - Haftungsbescheid vom 27. Februar 2002 in Anspruch. Auf Grund einer am 5. Juni 2003 beendeten Fahndungsprüfung wurde der für die hier streitigen Hinterziehungszinsen relevante Umsatzsteuerbetrag in Höhe von 4.983,52 DM bekannt und am 1. Oktober 2003 mit Fälligkeit zum 4. November 2003 festgesetzt. Der Beklagte sah wegen des Umsatzsteuerbetrages von einer Änderung des Haftungsbescheides vom 27. Februar 2002 ab, da die Jahresfrist des § 130 AO abgelaufen war. Mit einem am 26. April 2005 rechtskräftig gewordenen Strafbefehl, zugestellt am 9. April 2005, wurde der Kläger u.a. wegen Hinterziehung von 4.983,52 DM Umsatzsteuer verurteilt. Auf den Inhalt des Strafbefehls (Seite 34ff des Auszugs aus der Haftungsakte) wird Bezug genommen. Daraufhin erließ der Beklagte am 27. Mai 2005 den hier streitigen Haftungsbescheid über Hinterziehungszinsen zur Umsatzsteuer für den Voranmeldungszeitraum II/1998.

Der dagegen eingelegte Einspruch wurde nicht begründet. Mit Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2006 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung, die an den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt wurde, weist einen Eingangsstempel mit dem Datum des 16. Januar 2006, einem Montag, auf. Auf der Rechtsmittelbelehrung ist handschriftlich "T. 16.02.06" vermerkt. Am 16. Februar 2006 hat der Kläger Klage erhoben.

Der Kläger begründet die Klage damit, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschulden die Schuldnerin über keinerlei finanzielle Mittel verfügt habe. Die Tilgungsquote sei daher bei Null anzusetzen. Im Übrigen habe der Kläger weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt. Er sei kein Steuerfachmann gewesen und habe die Wichtigkeit bzw. die Voranstellung einzelner Gläubiger nicht erkennen können.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid für Hinterziehungszinsen vom 27. Mai 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt zur Begründung auf den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung Bezug.

Am Tag vor der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter fernschriftlich (Eingang bei Gericht: 15.38 Uhr) beantragt, den Termin zu verlegen, da er eine Eintrittskarte für das Fußballspiel der Fifa WM 2006 in Dortmund, welches am 4. Juli 2006, 21:00 Uhr stattfinde, habe. Dies werde anwaltlich versichert. Die Anreise nach Dortmund dauere 5 Stunden und spätestens 2 Stunden vor dem Spiel müsse man auf Grund der dortigen Parksituation anreisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte durch den Berichterstatter entscheiden, da sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 79a Abs. 3 und 4 FGO).

Nach § 91 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung konnte das Gericht trotz des Ausbleibens der Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und aufgrund dieser mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten in der Ladung vom 2. Juni 2006 darauf hingewiesen worden sind.

Aufgrund des Schreibens des Klägervertreters vom 3. Juli 2006 war der Termin nicht aufzuheben oder zu verlegen bzw. die mündliche Verhandlung zu vertagen. Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO - kann aus erheblichen Gründen ein Termin aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Ein solcher erheblicher Grund liegt nicht vor. Die Möglichkeit des Besuchs eines Fußballspiels - selbst der deutschen Nationalmannschaft während der WM im eigenen Land - hat nicht ein solch erhebliches Gewicht, dass ein Rechtsanwalt seine Pflichten, die aus seiner Stellung als Organ der Rechtspflege und seinen Pflichten gegenüber dem Mandanten und dem Gericht resultieren, unberücksichtigt lassen darf. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Besuch des WM-Spiels um eine anderweitige berufliche Verpflichtung des Prozessbevollmächtigten handelt, die eine Aufhebung, Vertagung oder Verlegung des Termins rechtfertigen könnte.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klage ist zulässig. Die einmonatige Klagefrist ist gewahrt. Da die Einspruchsentscheidung als am 14. Januar 2006, einem Samstag, zugestellt gilt, begann die Frist nach § 108 Abs. 3 AO erst am 16. Januar 2006, einem Montag, zu laufen und endete am 16. Februar 2006.

Die Klage ist unbegründet, da der angegriffene Haftungsbescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 FGO).

Der Kläger hat ausweislich des rechtskräftigen Strafbefehls, den sich der Beklagte zu Recht zu eigen macht, eine Steuerhinterziehung zum Vorteil der GmbH begangen und dadurch den in § 71 AO i.V.m. § 235 AO normierten Haftungstatbestand verwirklicht. Der Vortrag des Klägers, zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuerschulden habe die Schuldnerin über keinerlei finanzielle Mittel verfügt habe, die Tilgungsquote sei daher bei Null anzusetzen, er habe weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt, er sei kein Steuerfachmann gewesen und habe die Wichtigkeit bzw. die Voranstellung einzelner Gläubiger nicht erkennen können, sind nicht geeignet, seine vorsätzliche Handlungsweise und seine Haftung für die Hinterziehungszinsen in Frage zu stellen.

Der Beklagte hat sein Ermessen (§ 191 Abs. 1 AO) bei Erlass des Haftungsbescheides auch rechtsfehlerfrei ausgeübt. Die Ermessensentscheidung ist nach § 102 FGO daraufhin zu überprüfen, ob der Haftungsbescheid deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Wegen der Befugnis und Verpflichtung des Gerichts zur Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen lässt, muss die Ermessensentscheidung des Beklagten begründet werden (vgl. § 121 Abs. 1 AO), anderenfalls sie im Regelfall fehlerhaft ist. Die bei der Ermessensausübung angestellten Erwägungen müssen sich - soweit sie dem Adressaten des Bescheids nicht bereits bekannt sind - aus der Entscheidung ergeben. Dabei sind die Anforderungen an die Ausführlichkeit der Darlegung der Ermessenserwägungen von den Umständen des Einzelfalles abhängig (vgl. BFH, DStR 2005, 106). Im Falle der vorsätzlichen Steuerverkürzung ist die Ermessensentscheidung im Sinne der Inanspruchnahme der hierfür verantwortlichen Personen vorgeprägt, und zwar nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der vollen Höhe des hinterzogenen Betrages; auf die nähere Darlegung der Ermessenserwägungen könne in solchen Fällen verzichtet werden (vgl. BFH , BFH/NV 2004, 1006 ).

Demnach hat der Beklagte sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt, als er festgestellt hat, dass weitere als Haftungsschuldner in Betracht kommende Personen nicht ermittelt werden konnten.

Da die Klage erfolglos bleibt, ergibt sich die Kostenentscheidung aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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