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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 25.02.2009
Aktenzeichen: 2 K 484/07
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 6a Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 2. Senat

unter Mitwirkung von

Vizepräsidentin des Finanzgerichts ,

Richter am Finanzgericht und

Richterin am Finanzgericht sowie

den ehrenamtlichen Richtern und

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 25. Februar 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Umsatzsteuerfreiheit einer Lieferung.

Die Klägerin ist umsatzsteuerliche Organträgerin der GmbH (im Folgenden nur PN GmbH). Die US-amerikanische Firma Co. (im Folgenden nur A) mit Sitz in M /USA sowie einer Niederlassung in /Portugal bestellte am 24. November 1998 zwei Lokotrak-Maschinen zum Brechen von Steinen über einen Kaufpreis von DM 750.000. Die Bestellung war mit einem Stempel der A in M versehen. Am 30. November 1998 bestätigte die PN GmbH das Angebot an die A in Portugal über DM 750.000 zuzüglich 16% Umsatzsteuer und forderte die A zur Benennung ihrer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer auf. Die A veräußerte die Maschinen an die Ltd. in Finnland und teilte der PN die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Ltd. mit, die die PN auf ihre Richtigkeit überprüfte. Die Maschinen wurden von der Spedition P , die die A beauftragt hatte, bei der PN GmbH am 14. Dezember 1998 abgeholt und nach verbracht. Am 14. Dezember 1998 legte die PN GmbH Rechnung gegenüber der A in den USA über den Betrag von DM 750.000 ohne Umsatzsteuerausweis. Dabei gab sie die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Ltd. an. Am 17. Dezember 1998 wurden die Maschinen nach Finnland verschifft. Die Zahlung erfolgte von der A, M .

Die Klägerin erklärte diesen Umsatz in ihrer Jahreserklärung für 1998 als umsatzsteuerfrei. Die Umsatzsteuer ermittelte sie mit DM 9.859.718,61. Das Finanzamt erklärte am 31. März 2000 seine Zustimmung zur Erklärung. Anlässlich einer Betriebsprüfung sah der Prüfer die Lieferung als umsatzsteuerfrei an. Mit Bescheid vom 16. August 2005 änderte das Finanzamt Auerbach die Erklärung und setzte die Umsatzsteuer auf DM 9.985.692 fest, wobei es einen Umsatz von DM 750.000 in die Bemessungsgrundlage mit einbezog, und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007 wies der nunmehr aufgrund der Auflösung des Finanzamtes zuständige Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Lieferung an die A unterliege der Umsatzsteuer. Es sei ein innergemeinschaftliches Reihengeschäft mit zwei Lieferungen durchgeführt worden, die erste zwischen der PN GmbH und der A und die zweite zwischen der A und der Ltd. Die A habe die Ware befördert, daher sei sie Abnehmerin der ersten Lieferung. Ort der Lieferung sei Deutschland. Die Steuerfreiheit nach § 6a UStG liege nicht vor, da die A als Abnehmerin keine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Bestimmungslandes oder eines Mitgliedsstaates verwendet habe. Mit Bescheid vom 7. März 2007 änderte der Beklagte nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO den Bescheid und setzte die Umsatzsteuer 1998 auf DM 9.969.140 aus hier nicht streitigen Gründen fest.

Die Klägerin trägt vor, dass bei den Verhandlungen der PN GmbH und der A davon ausgegangen worden sei, dass die A unter ihrer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der portugiesischen Niederlassung auftrete. Die A sei auch damit aufgetreten. Ferner seien die Vereinfachungen des innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes nach § 25b UStG genutzt worden. Die Klägerin habe davon ausgehen können, dass der Umsatz in Finnland als besteuert gilt, da die finnische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Ltd. verwendet worden sei. Im Übrigen sei durch die Frachtbriefe nachgewiesen, dass die Lieferung nach Finnland gelangt sei. Dieser Vorgang sei auch mündlich mit dem zuständigen Sachgebietsleiter des Finanzamts besprochen und vom Prüfer der Außenprüfung nicht beanstandet worden. Insbesondere sei kein Hinweis des Finanzamts hinsichtlich der Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der A erfolgt. Besondere Aufzeichnungsvorschriften sehe § 25b UStG für den ersten Unternehmer nicht vor, auch sei § 17c UStDV für § 25b UStG nicht anwendbar.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, die auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes basiere, seien die Voraussetzungen der §§ 17 a und c UStDV keine materiellen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung. Die Voraussetzungen des § 6a UStG lägen vor. Es habe sich um ein Reihengeschäft gehandelt, bei dem eine Beförderungslieferung der PN an die A vorgelegen habe. Ein Nachweis, dass die A den Gegenstand als Lieferer befördert habe, liege nicht vor. Der Ort der Lieferung liege daher in Deutschland. Die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der A sei ausnahmsweise entbehrlich gewesen, da feststehe, dass der Erwerb in einem anderen Mitgliedsstaat der EU der Umsatzbesteuerung unterliege und der Erwerber auch Unternehmer sei. Darüber hinausgehende Nachweise könne die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nicht erbringen. Kein Mitgliedsstaat habe einen Steuerausfall gehabt, da die Abnehmerin ihre steuerlichen Obliegenheiten in Finnland erfüllt habe. Schließlich sei bei einer Besteuerung der Klägerin der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer verletzt.

Das Fehlen der Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch die A sei für die Steuerbefreiung auch unschädlich, da diese lediglich ein Indiz für die unternehmerische Verwendung der erworbenen Gegenstände sei.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 1998 vom 16. August 2005, zuletzt geändert durch Bescheid vom 7. März 2007 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 1998 auf EUR 5.044.248 festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist unter Verweis auf seine Einspruchsentscheidung der Auffassung, dass die Voraussetzungen für ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft gemäß § 25b UStG nicht vorlägen. Die A sei nicht im Gemeinschaftsgebiet umsatzsteuerlich registriert. Daher käme die Umsatzsteuerfreiheit auch nicht für ein Reihengeschäft in Betracht. Nach § 17a Abs. 1 UStDV sei die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig aufzuzeichnen. Eines Hinweises seitens des Finanzamts habe es deshalb nicht bedurft.

Zudem fehle in der Rechnung der Klägerin nach § 14a Abs. 2 UStG die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der A.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhaltes im Übrigen wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der Umsatzsteuer und der Rechtsbehelfsakte, der Akte über die Dauerunterlagen sowie der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2009 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Umsatzsteuerbescheid 1998 vom 7. März 2007 sowie die Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2007 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

I. Die Klägerin hat weder den Nachweis über eine umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erbracht noch hat die PN eine solche Lieferung vorgenommen.

1. Vorliegend kann das Geschäft nur dann als umsatzsteuerfrei angesehen werden, wenn materiell-rechtlich feststeht, dass der streitige Umsatz eine innergemeinschaftliche Lieferung ist. Dies ist jedoch nicht der Fall.

a) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG nicht vor. Die PN hat keine innergemeinschaftliche Lieferung vorgenommen.

Eine gemäß § 4 Nr. 1 b UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

der Abnehmer ist ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber und der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.

Der Abnehmer hat letztlich nach Nr. 1 der Vorschrift die Maschinen in das Gemeinschaftsgebiet, nämlich nach Finnland verbracht, was sich aus den Frachtbriefen bzw. dem Abfertigungsschein des Hafens ergibt.

Die A hat den Gegenstand der Lieferung für ihr Unternehmen im Sinne der Nr. 2 erworben. Abnehmer im Sinne von § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG ist die Person, welche die Leistung empfängt, was sich aus den zivilrechtlichen Vereinbarungen der Beteiligten ergibt (Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar, § 6a Rn. 30). Das ist im Streitfall die A, mit der die PN GmbH einen Kaufvertrag über die Lieferung der Maschinen schloss. Mit der Klägerin ist davon auszugehen, dass jemand, der Maschinen erwirbt und diese weiterveräußert, dies unternehmerisch als Händler tut. Andere Feststellungen liegen nicht vor.

Aber der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt nach Nr. 3 der Vorschrift in keinem anderen Mitgliedsstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung. Lieferort war gemäß § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG Deutschland. Die Beteiligten haben ein sog. Reihengeschäft vorgenommen. Die Beförderung wurde durch die A durchgeführt, indem sie einen Spediteur beauftragte, daher gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung beginnt. Damit ist die Lieferung in Deutschland steuerbar gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Nach § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG ist bei einem Reihengeschäft, an dem mehrere Unternehmer beteiligt sind und der Gegenstand unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt, die Beförderung des Gegenstandes nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch einen Abnehmer befördert, der zugleich Lieferer ist, ist die Beförderung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert hat, § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG. Die Beförderung ist hier der A als Abnehmer zuzuordnen, da sie die Maschinen durch einen Dritten abgeholt hat. Nachweise dafür, dass sie als Lieferin für die Ltd. in Finnland aufgetreten ist, liegen nicht vor. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn dies die Lieferkonditionen belegen, der Unternehmer unter der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Mitgliedsstaates aufgetreten ist, in dem die Lieferung beginnt und dass er die Kosten und die Gefahr der Beförderung übernommen hat (Sölch/Ringleb, a.a.O., § 3 Rn. 479; Absch. 31a Abs. 7 ff. UStR). Die A hat zwar den Transport beauftragt, unklar ist aber, wer die Kosten getragen hat. Eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer hat die A überhaupt nicht verwendet. Damit ist ihr die Lieferung zuzuordnen, es liegt also eine Lieferung der PN an die A vor.

Die A ist Drittlandsunternehmerin. Die vorliegenden Vertragsunterlagen lassen nur den Schluss zu, dass der Kaufvertrag zwischen der PN und der A mit Sitz in M zustandegekommen ist. Von dort stammt das Angebot zum Kauf der Maschinen. Die Klägerin hat dann ihre Annahmeerklärung an die Filiale nach Portugal gesendet. Die Rechnung ist jedoch an die Anschrift in den USA adressiert, von dort ist auch die Bezahlung erfolgt. Anhaltspunkte, dass die Niederlassung in Portugal als selbständiges Unternehmen Partner des Kaufvertrages wurde, liegen nicht vor.

Der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt damit nicht beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedsstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung, sodass keine innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG vorliegt. Denn Sitz der A ist die USA und nicht etwa Portugal. Es kann dahinstehen, ob die Lieferung der A an die Ltd. in Finnland der Umsatzbesteuerung unterliegt, was allerdings naheliegend ist. Denn die Lieferung, für die die Klägerin die Umsatzsteuerfreiheit begehrt, ist die Lieferung der PN an die A und nicht die Lieferung der A an die Ltd. Wenn ein Drittlandsunternehmer am Reihengeschäft beteiligt ist, kommt eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nur dann in Betracht, wenn die Lieferung des Drittlandsunternehmers eine ruhende Lieferung im Sinne von § 3 Abs. 7 UStG ist oder dieser eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der EU verwendet (Plückebaum/Malitzky, UStG-Kommentar § 6a Rn. 186).

b) Folglich kommt es im Streitfall nicht darauf an, ob ausnahmsweise von den formellen Nachweiserfordernissen der §§ 17a, 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV abgesehen werden kann. Die Nachweispflichten sind zwar keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 1. Februar 2007 - V R 41/04, BFH/NV 2007, 1059). Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten jedoch nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte (Urteil des Bundesfinanzhofes vom 7. Dezember 2006 - V R 52/03, BFH/NV 2007, 634). Die Klägerin beruft sich zu Unrecht auf diese Rechtsprechung, denn diese ist nur dann einschlägig, wenn - anders als im Streitfall - feststeht, dass materiell-rechtlich ein innergemeinschaftlicher Erwerb stattgefunden hat.

2. Ferner ist die Annahme eines innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäftes gemäß § 25b UStG auszuschließen, da die A nicht in einem Mitgliedsstaat für umsatzsteuerliche Zwecke erfasst war.

3. Die Steuerfreiheit der Lieferung nach § 6 UStG scheitert daran, dass die Maschinen nicht in Drittlandsgebiet verbracht wurden.

4. Auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 UStG kommt es nicht an, da unrichtige Angaben des Abnehmers, auf die die PN vertraut haben könnte, nicht vorliegen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil der Bundesfinanzhof über einen Sachverhalt mit einem Beteiligten aus einem Drittland noch nicht zu entscheiden hatte.

Ende der Entscheidung

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