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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Beschluss verkündet am 05.05.2006
Aktenzeichen: 2 V 1752/05
Rechtsgebiete: HGB, EStG, AO 1977, GO SN


Vorschriften:

HGB § 25
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 3
EStG § 50a
AO 1977 § 75
AO 1977 § 191
GO SN § 69
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

2 V 1752/05

Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Haftungsbescheid vom 25.08.2005)

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 2. Senat

durch

Vizepräsidentin des Finanzgerichts , Richter am Finanzgericht und Richterin am Landgericht

am 5. Mai 2006 beschlossen:

Tenor:

1. Der Haftungsbescheid vom 25. August 2005 wird gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 33.377,58 EUR bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder bis zu einer anderweitigen Beendigung des Einspruchsverfahrens ausgesetzt. Die Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides wird davon abhängig gemacht, dass die Antragstellerin Sicherheit in Form einer Hinterlegung im Sinne von § 108 Abs. 1 der Zivilprozessordnung, einer Bürgschaft im Sinne von §§ 232, 239 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder in Form der Bestellung von Hypotheken an inländischen Grundstücken im Sinne von § 232 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs leistet.

Im übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wird als Haftungsschuldnerin für Steuerschulden der SE KG (SE KG) in Anspruch genommen.

Die Antragstellerin wurde am 28. September 2004 als K. AG gegründet mit dem Gesellschaftszweck der Organisation und Durchführung von Veranstaltungen jeder Art, insbesondere Musikveranstaltungen, Open Airs und Tourneen. Die SE KG führte 2001, 2002 und 2004 Open-Air-Festivals in C. durch. Am 29. November 2004 hat die Antragstellerin ihre Firmierung in die jetzige Form geändert. Am 21. März 2005 beantragte die SE KG die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Durch Beschluss des AG C. vom 4. Juli 2005 wurde das Insolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt. Nach einer Außenprüfung nahm der Antragsgegner die Antragstellerin mit Haftungsbescheid vom 25. August 2005 für nicht abgeführte Steuern nach § 50a Abs. 4 und 5 EStG gemäß §§ 69, 71 AO in Höhe von 347.159 Euro in Anspruch. Der Antragsgegner gelangte zu der Auffassung, die SE KG hätte als Vergütungsschuldnerin für die ausländischen Künstler die Einkommensteuer abführen müssen. Da die Antragstellerin die SE KG fortgeführt habe, sei sie in Haftung zu nehmen. Den Antrag des Antragstellers auf Aussetzung der Vollziehung des Haftungsbescheides lehnte der Antragsgegner am 16. September 2005 ab. Über den gegen den Haftungsbescheid eingelegten Einspruch ist noch nicht entschieden.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass der Haftungsbescheid rechtswidrig sei. Eine Haftung wegen einer Firmenübernahme nach § 25 HGB komme nicht in Betracht, da § 75 AO die speziellere Regelung sei. Zudem habe die Antragstellerin kein lebendes Handelsgeschäft erworben. Da der Geschäftsbetrieb der SE KG im Juli/August 2004 zum Erliegen gekommen sei, könne es sich nicht um ein lebendes Handelsgeschäft handeln. Nachdem der SE KG wegen interner Auseinandersetzungen im Gesellschafterkreis das Recht zur Benutzung der Firmierung "S." durch den Rechteinhaber am 15. November 2004 entzogen worden sei, hätte die SE KG auch nicht wieder in Gang gesetzt werden können. Dieses Recht habe der Rechteinhaber der Antragstellerin übertragen. Aus der Nutzung dieses Markennamens könne nichts hergeleitet werden, da es an einem Übergang des Namensrechtes von der SE KG auf die Antragstellerin fehle. Die Antragstellerin habe von der SE KG nichts erworben, übernommen oder fortgeführt. Die Durchführung einer Großveranstaltung sei kein Handelsgeschäft. Die Antragstellerin sei weder zu Kunden oder Lieferanten der SE KG noch in Bezug auf Leasingfahrzeuge in Rechtsbeziehungen eingetreten. Für das Festival 2005 seien neue Sponsoren gefunden worden. Ein Rechtsschein einer Firmenübernahme sei nicht entstanden. Die Tatsache, dass die Vorstandsmitglieder der Antragstellerin, T. R. (TR) und M. R. (MR), zuvor Gesellschafter der SE KG gewesen seien, führe nicht zu einer Haftung nach § 25 HGB. Organisationsstrukturen der SE KG seien nicht übernommen worden. Auf Vorbereitungshandlungen der SE KG für das Festival 2005 habe die Antragstellerin nicht zurückgegriffen. Soweit der Antragsgegner Daten von einem privaten PC des MR in den Räumen der Antragstellerin entnommen habe, bestehe ein Verwertungsverbot. Der Haftungsbescheid sei zudem schon deswegen rechtswidrig, da für die Jahre 2001 und 2002 nach den anzuwendenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts Verjährung eingetreten sei.

Schließlich sei § 50a EStG rechtswidrig. Dazu werde auf die Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 16. Juni 2004 und 28. April 2004 verwiesen. Selbst wenn die Norm nur wegen Verstoß gegen EU-Recht unwirksam sei, erstrecke sich dies auf seinen gesamten Inhalt, auch insoweit als die Abzugssteuern für Künstler aus dem Nicht-EU-Raum geregelt würden. Der vom Antragsgegner angenommene Anteil der EU-Künstler werde mit Nichtwissen bestritten. Soweit sich der Antragsgegner auf Verträge berufe, lege er nicht die Originalverträge vor. Unmittelbare Verträge mit den Künstlern habe die SE KG nicht abgeschlossen. Vielmehr habe sie ausschließlich Verträge mit Agenturen abgeschlossen, die ihren Sitz in Deutschland oder dem EU-Ausland hätten. Diese Agenturen oder der von den Agenturen verpflichtete Künstler selbst schuldeten die Abzugssteuern. Der Haftungsbescheid sei auch deswegen rechtswidrig, weil der Antragsgegner nicht versucht habe, die Abzugssteuern bei der SE KG geltend zu machen, obwohl die SE KG dafür Rückstellungen ausgewiesen habe. Zudem könne die Antragstellerin nicht in Anspruch genommen werden, da die Steuerschuld gegen den Steuerschuldner nicht (mehr) festgesetzt werden könne.

Die Vollstreckung des Haftungsbescheides würde das Aus für die Antragstellerin bedeuten und stellte somit eine unbillige Härte dar.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass der Antrag im wesentlichen unbegründet sei. Der Haftungsbescheid sei rechtmäßig, da die SE KG die Abzugssteuer nach § 50a EStG nicht abgeführt habe. § 191 Abs. 4 AO erlaube eine Haftungsinanspruchnahme auch auf Grund zivilrechtlicher Vorschriften. Die Antragstellerin habe auch das Handelsgeschäft der SE KG seit November 2004 fortgeführt. Die Antragstellerin habe von der SE KG die Ausrichtung des Festivals 2005 übernommen und dabei auf Marken, Strukturen, Personal, Geschäftsbeziehungen, das "know how" und die Mitarbeiter zurückgegriffen, die bereits der SE KG die Organisation und Durchführung des Festivals ermöglicht hätten. Es seien die ursprünglichen Geschäftsräume und die Telefonanschlüsse beibehalten worden. Sämtliche Unterlagen und Daten der KG seien in den Räumen und auf dem Server der Antragstellerin gefunden worden. Das Unternehmen werde von demselben Personenkreis in anderer Rechtsform fortgeführt. Die Kontinuität des Unternehmens trete unverändert nach außen in Erscheinung. Dies ergebe sich daraus, dass durch die Antragstellerin u.a. Briefpapier der SE KG genutzt worden sei. Insbesondere sei das Logo "SPLASH!entertainment" unverändert beibehalten worden. Auch der Internetauftritt sei identisch geblieben. Im November 2004 seien die Vorbereitungen für das Festival 2005 durch die SE KG schon in vollem Gange gewesen und von der Antragstellerin fortgeführt worden.

Der Anspruch sei nicht verjährt, da die Verjährungsfrist frühestens mit der Firmenfortführung im November 2004 begonnen habe und somit erst am 31. Dezember 2007 ende. Auf eine vorherige Festsetzung der Steuerschuld komme es nicht an.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, vor allem des Antragsgegners wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen sowie die vorliegenden Steuerakten Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist teilweise begründet.

1. a) Nach § 69 GO kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, BFHE 206, 284).

b) Der angefochtene Haftungsbescheid ist bei der im Verfahren aus Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung weitgehend rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin insoweit nicht ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Nur soweit die SE KG Vergütungen an Künstler oder Agenturen aus anderen EU-Mitgliedstaaten geleistet hat, ist dem Antrag zu entsprechen (siehe unten c)). Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme der Antragstellerin gemäß § 191 Abs. 1 und 4 AO i.V.m. § 25 HGB vor, da die Steuerschuld bei der SE KG wirksam entstanden ist (siehe unten d)), die Antragstellerin nach § 25 HGB für die Schulden der Gesellschaft einzustehen hat (siehe unten e)) und die Inanspruchnahme der Antragstellerin noch nicht verjährt ist (siehe unten f)).

c) Im Streitfall bestehen bei summarischer Prüfung - zwischen den Beteiligten unstreitig - im Hinblick auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 28. April 2004 (BFHE 206, 120) ernsthafte Zweifel, ob es mit Art. 49 und 50 des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte - EG - (vorher: Art. 59 und 60 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft - EGV -) vereinbar ist, dass die Regelungen in § 50a Abs. 4 und 5 und § 50d Abs. 1 EStG auch auf Vergütungen für künstlerische Darbietungen angewendet werden, die ein Vergütungsschuldner an einen in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ansässigen Angehörigen eines EU-Mitgliedsstaates oder an eine diesen gemäß Art. 48 (= Art. 58 EGV) i.V.m. Art. 55 (= Art. 66 EGV) EG gleichgestellte Gesellschaft zu zahlen hat (BFH, BFHE 206, 284). Soweit die SE KG Vergütungen an Künstler oder Agenturen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten geleistet hat, ist dem Antrag deshalb in Höhe von 33.377,58 EUR zu entsprechen.

d) Die SE KG schuldet die geltend gemachten Abzugssteuern. Die Einkünfte der ausländischen Künstler für Gastspiele im Inland unterliegen gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG der beschränkten Steuerpflicht und dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Nr. 2 EStG. Gleiches gilt für Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG aus der Verwertung künstlerischer Darbietungen (§ 50a Abs. 4 Nr. 1 EStG). Die SE KG hat nach den vorgelegten Unterlagen entweder mit Künstlern unmittelbar oder mit anderen Veranstaltern Verträge geschlossen. Als Vergütungsschuldnerin war sie verpflichtet, den Steuerabzug für Rechnung der Künstler vorzunehmen und die einbehaltene Steuer an den Antragsgegner abzuführen (§ 50a Abs. 5 Satz 2 EStG). Da sie diese Verpflichtung nicht erfüllt hat, schuldet sie die einzubehaltende und abzuführende Steuer (§ 50a Abs. 5 Satz 5 EStG).

Die gegen die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides erhobenen Einwände der Antragstellerin greifen nicht durch. Soweit Bedenken an der Rechtmäßigkeit von § 50a EStG vorgetragen worden sind, ist die Aussetzung der Vollziehung gewährt worden. Darüber hinaus bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Wirksamkeit von § 50a EStG. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum eine Unwirksamkeit von § 50a EStG im Hinblick auf die Abzugsbesteuerung von EU-Künstlern sich auch auf die Abzugsbesteuerung von Nicht-EU-Künstlern erstrecken sollte.

Soweit der Antragsgegner davon ausgeht, dass die SE KG Veranstalterin gemäß § 50a EStG gewesen sei, lässt sich bei summarischer Prüfung darin kein Rechtsfehler erkennen. Die vorgelegten Vertragsentwürfe weisen nicht auf eine Zwischenschaltung von Agenturen in dem Sinne hin, dass diese den Vertrag mit dem Künstler geschlossen hätten. Der Verwertung dieser Unterlagen steht auch kein Verwertungsverbot entgegen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Dokumente auf einem PC gespeichert waren, der nicht der Reichweite eines Beschlagnahmebeschlusses unterlegen hat. Die Antragstellerin hat selbst nicht in Abrede gestellt, dass der PC, von dem die Unterlagen stammen, sich in den Räumlichkeiten befand, die im richterlichen Beschluss genannt waren. Es hätte daher ihr oblegen näher darzulegen, weswegen dieser PC nicht ausgewertet werden durfte.

Soweit die Antragstellerin den vom Antragsgegner angenommene Anteil der EU-Künstler mit Nichtwissen bestreitet, sind aus den vorliegenden Unterlagen keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Anteil der EU-Künstler höher war, als vom Antragsgegner angenommen.

f) Die Antragstellerin hat für die SE KG nach § 191 AO Abs. 1 und 4 i.V.m. § 25 HGB zu haften. Nach dieser Vorschrift kann derjenige in Anspruch genommen werden, der ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt. Er haftet für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers einschließlich sämtlicher Steuerschulden (vgl. BFH, BFH/NV 1992, 360). Die Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB wird nicht durch § 75 AO verdrängt. Ob die Haftungsvoraussetzungen des § 25 HGB erfüllt sind, beurteilt sich nach der maßgebenden zivilrechtlichen Rechtsprechung. Danach ist für die Haftung nach § 25 HGB nicht entscheidend, welche Betriebsgrundlagen in welcher - rechtlichen oder wirtschaftlichen - Eigentumsform aufgrund welcher schuldrechtlichen oder dinglichen bzw. rechtswirksamen oder unwirksamen Vertragsgestaltung auf den Erwerber eines Handelsgeschäfts übergehen. Entscheidend ist vielmehr allein, dass ein lebendes Handelsgeschäft in seinem wesentlichen Kernbestand übergeht und die Kontinuität des Unternehmens nach außen hin durch die Fortführung der bisherigen Firma in Erscheinung tritt (vgl. BGH, DB 2006, 444; BFH, BFH/NV 1992, 360). Demgemäß hat der Bundesgerichtshof dem fehlerhaften Vertragsschluss das Fehlen jeglichen Vertragsschlusses gleichgestellt und deshalb, gleichgültig, ob sich die Aufeinanderfolge der haftenden Unternehmensträger rechtsgeschäftlich oder nur tatsächlich vollzieht, für den Erwerb eines Handelsgeschäfts im Sinne des § 25 Abs. 1 HGB auch die rein tatsächliche Weiterführung des Handelsgeschäfts genügen lassen (vgl. zu allem BGH, NJW 2001, 1352).

Die Voraussetzungen einer derartigen Haftung sind im Streitfall gegeben, insbesondere liegt eine Fortführung der bisherigen Firma vor. Aus der - maßgebenden - Sicht der beteiligten Verkehrskreise ist eine Firmenfortführung anzunehmen, wenn die von dem bisherigen Geschäftsinhaber tatsächlich geführte und von dem Erwerber weitergeführte Firma eine derart prägende Kraft besitzt, dass der Verkehr sie mit dem Unternehmen gleichsetzt und in dem Verhalten des Erwerbers eine Fortführung der bisherigen Firma sieht (vgl. BGH, DB 2006, 444; BGH, DB 2004, 1204; OLG Düsseldorf, DStR 2005, 165). Dabei kommt es nicht darauf an, dass die alte Firma unverändert fortgeführt wird; es genügt, dass der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird (vgl. BGH, DB 2006, 444). Die vom Übernehmer verwendete Bezeichnung muss firmenmäßig so geführt werden, dass der Verkehr daraus entnehmen muss, es handle sich um die vom Übernehmer übernommene Firma. Unerheblich ist das Fortbestehen der Firma beim übertragenden Unternehmen (vgl. BGH, NJW 2001, 1352). Wer den Eindruck einer Unternehmenskontinuität und die an sie anknüpfende Rechtsfolge der Haftungskontinuität vermeiden will, muss durch die Wahl einer eindeutig anderen Firma für den nötigen Abstand von der alten sorgen und darf sich nicht an diese "anhängen" (vgl. BGH, NJW 1992, 911 für die Änderung in "KG" statt bisher "GmbH""; ebenso BFH, BFH/NV 1992, 360 für den umgekehrten Fall der Fortführung des Handelsgeschäfts einer KG durch eine GmbH). Bleibt daher nach Änderung des Zusatzes einer Gesellschaftsart die individualisierende Namensgebung des erworbenen Handelsgeschäftes im Wesentlichen erhalten, so liegt darin nach der Verkehrsanschauung die schlichte Klarstellung, dass das Unternehmen nunmehr von einem neuen Rechtsträger in einer anderen Rechtsform unter der bisherigen Firma fortgeführt werden soll (vgl. BGH, NJW 1992, 911). Hier lautete die bisherige Firmierung - vor ihrer Umbenennung - "S. E. KG", die Antragstellerin firmiert dementsprechend jetzt als "S. E. AG". Wegen des nur unwesentlichen Unterschiedes ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von einer Firmenfortführung i.S.d. § 25 HGB auszugehen.

Auch die weiteren Voraussetzungen des § 25 HGB sind gegeben. Beide Firmen haben einen vergleichbaren Geschäftsbereich. Zudem bestand Kontinuität in der Geschäftsleitung, TR war Geschäftsführer der SE KG und ist Vorstand der Antragstellerin. In diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, bei dem auf der Grundlage präsenter Beweismittel zu entscheiden ist, geht der Senat von einer Fortführung des Handelsgeschäfts durch die Antragstellerin aus. Zum fraglichen Zeitraum im Oktober/November 2004 handelte es sich bei der SE KG - soweit aus den präsenten Unterlagen ersichtlich - um ein betriebsfähiges, d.h. lebendes Handelsunternehmen, das erst knapp ein halbes Jahr später die Geschäftstätigkeit einstellte und Insolvenz anmeldete. Selbst die Insolvenz würde die Fortführung nicht ausschließen (vgl. BGH, DB 2006, 444). Ausweislich des Gutachtens in dem Insolvenzverfahren der SE KG vom 28. Juni 2005 stellte der Gutachter fest, dass die Durchführung des Festivals auf die Antragstellerin übertragen wurde. Die SE KG hat im Oktober/November 2004 noch als lebendes Unternehmen bestanden, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt über die Rechte an dem Markennamen "S." nicht mehr verfügte, da die SE KG immer noch in der Lage war, ihren Gesellschaftszweck zu verfolgen. Sie verfügte außerdem über ihre Geschäftsräume, ihren Telefonanschluss, ihre Büroeinrichtung, ihre Fahrzeuge und ihre sonstigen Betriebsmittel, mit denen sie ihr Veranstaltungsunternehmen hätte fortführen können. Dass es hierzu in Bezug auf die bisherige Veranstaltung eines neuen Namens bedurft hätte, führt jedenfalls dann nicht zur Annahme einer substanzlos gewordenen Unternehmensstruktur. Aus den vorliegenden Unterlagen ergeben sich hinreichende Anzeichen, dass die Antragstellerin das Geschäft der SE KG äußerlich im Wesentlichen unverändert fortgeführt hat, indem sie schließlich in dieselben Räumen wie die SE KG ihren Sitz verlegte und dieselbe Telefonnummer genutzt hat. Die Weiterführung der Geschäfte der SE KG ergibt sich auch daraus, dass die Antragstellerin zumindest in einem Fall das Briefpapier der SE KG weiter benutzt hat. Zudem darf nicht außer acht gelassen werden, dass das auf den Briefköpfen und in den Fußzeilen der Briefe auftauchenden Logo identisch ist (Seite 26 der Haftungsakte für SE KG und Seite 50 der Haftungsakte für die Antragstellerin). Schließlich spricht für eine Weiterführung der Geschäfte der SE KG durch die Antragstellerin die am 21. Dezember 2004 ausgesprochene Bitte der SE KG gegenüber der Leasingbank, die bestehenden Bankverbindung für das Lastschriftverfahren der beiden Leasingfahrzeuge am dem 1. Januar 2005 auf das Konto der Antragstellerin umzustellen.

Die gegen eine Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB sprechenden Argumente der Antragstellerin greifen deswegen nicht durch.

Der Haftungsbescheid ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil der Antragsgegner nicht versucht hat, die Abzugssteuern bei der SE KG geltend zu machen. Eine Geltendmachung der Haftungsschuld bei der SE KG durfte unterbleiben, da eine Festsetzung und Beitreibung bei der SE KG aussichtslos gewesen wäre. Die Antragstellerin geht fehl, wenn er annimmt, der Haftungsschuldner könne nicht in Anspruch genommen werden, wenn die Steuerschuld gegen den Steuerschuldner nicht (mehr) festsetzbar sei. Für die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner kommt es nur auf das Bestehen einer Steuerschuld, nicht aber auf die vorherige Steuerfestsetzung an (vgl. BFH, BFH/NV 1989, 81).

f) Da die Antragstellerin nach § 25 HGB in Haftung genommen wurde, ist die zivilrechtliche Verjährungsfrist einschlägig (§ 191 Abs. 4 AO). Angesichts der zivilrechtlichen Natur des Anspruchs findet zwingend § 195 BGB Anwendung (vgl. FG Münster, EFG 1991, 170). Gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB beginnt die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruch gegen die Antragstellerin mit dem Schluss des Jahres, an dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Da der Antragsgegner erst im Jahr 2004 von den Umständen erfahren hat, die einen Anspruch gegen die Antragstellerin nach § 25 HGB begründet haben, begann die Verjährungsfrist am 1. Januar 2005 zu laufen und ist mithin noch nicht abgelaufen.

g) Die Aussetzung der Vollziehung war nicht wegen einer unbilligen Härte zu gewähren. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes Nachteile drohen, die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führt (z.B. BFH, BFH/NV 1998, 1325). Anhaltspunkte hierfür sind im Streitfall nicht ersichtlich. Zum einen kann die Antragstellerin sich den Rückgriffsanspruch bei den Vertragspartnern der SE KG, den eigentlichen Steuerschuldnern, abtreten lassen. Zum andern ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin nicht in der Lage sein soll, sich notfalls die erforderlichen Mittel zu beschaffen. Der Vortrag der Antragstellerin zu ihrer wirtschaftlichen Situation ist nicht belegt. Er beschränkt sich nur darauf, allgemein die wirtschaftliche Entwicklung der Antragstellerin darzulegen, ohne aber genau selbst aufzuzählen, über welche Vermögenswert sie - nicht - verfügt, etwa durch Angaben zu Kontenständen, zu sonstigen Vermögenswerten etc.

h) In Höhe von 33.377,58 EUR wird die Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FGO von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht. Die Sicherheitsleistung dient der Vermeidung von Steuerausfällen bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang (vgl. BFH, BStBl. II 2005, 351; BFH, BFH/NV 2001, 493). Diese Voraussetzung liegt hier vor, denn die Antragstellerin hat vorgetragen, sie verfüge über nur geringes Vermögen und kein Grundvermögen. Das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Steuerausfällen entfällt nur, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. BFH, BFHE 154, 532; BFH, BFH/NV 2001, 493). Ob der Bescheid, soweit er Honorarzahlungen an Künstler aus EU-Staaten betrifft, wegen Verstoßes gegen Art. 49 und 50 EGV rechtswidrig ist, ist offen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Antragstellerin obsiegen wird, besteht nicht.

Von einer Sicherheitsleistung ist auch nicht mit Blick auf die wirtschaftliche Lage der Antragstellerin abzusehen. Wie unter oben ausgeführt, ist nicht belegt, dass die Antragstellerin im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, Sicherheit in dieser Höhe zu leisten (vgl. BFH, BFH/NV 1997, 512).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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