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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Beschluss verkündet am 15.03.2007
Aktenzeichen: 4 K 2155/05
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, InsO


Vorschriften:

FGO § 78
FGO § 155
ZPO § 240
InsO § 80 Abs. 1
InsO § 115
InsO § 116
InsO § 117 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

4 K 2155/05

Vollstreckungsaufschub

hier: Antrag der Insolvenzverwalterin auf Akteneinsicht

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 4. Senat

am 15.03.2007

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Insolvenzverwalterin vom 28.08.2006 auf Gewährung von Akteneinsicht wird zurückgewiesen.

Gründe:

Das Akteneinsichtsgesuch der Insolvenzverwalterin bleibt ohne Erfolg. Der Verwalterin steht kein Einsichtsrecht in die Gerichts- und Steuerakten des Klägers zu, § 78 FGO.

Nach dieser Vorschrift bestünde ein Akteneinsichtsrecht nur, wenn der vorliegende Prozess infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das klägerische Vermögen gemäß § 155 FGO, § 240 ZPO unterbrochen worden und mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 Abs. 1 InsO) auch die Prozessführungsbefugnis für das vorliegende Verfahren auf die Verwalterin übergegangen ist; in diesem Fall stünde der Verwalterin ein Akteneinsichtsrecht auch bereits vor Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreites zu, ohne dass die Verpflichtung zur Wahrung des klägerischen Steuergeheimnisses gemäß § 30 AO dem entgegenstünde (vgl. BFH-Beschlüsse vom 15.06.2000 IX B 13/00, BStBl II 2000, 431; vom 23.05.2000 IX S 5/00, BFH/NV 2000, 1134;vom 13.11.2003 V B 131/01, BFH/NV 2004, 642).

Jedoch ist im vorliegenden Klageverfahren die Prozessführungsbefugnis nicht auf die Insolvenzverwalterin übergegangen. Das Verfahren wurde mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers nicht unterbrochen, weil es nicht die Insolvenzmasse i.S. von § 240 ZPO, § 155 FGO betrifft: Die Klage ist gerichtet auf eine vom Beklagten abgelehnte einstweilige Einstellung bzw. Beschränkung der Vollstreckung von Abgabenforderungen gemäß § 258 AO. Ein derartiges Verfahren bezieht sich nicht auf die Insolvenzmasse, weil eine im vorliegenden Klageverfahren zu treffende Entscheidung für die Insolvenzmasse ohne Bedeutung wäre. Die Entscheidung des Gerichts ginge ins Leere im Hinblick darauf, dass eine Einzelzwangsvollstreckung in Bezug auf die Abgabenforderungen, hinsichtlich derer der Kläger Vollstreckungsaufschub erlangen wollte, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohnehin nicht mehr statthaft ist, § 89 Abs. 1 InsO. Im Ergebnis dessen ist die vorliegende Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig anzusehen, ohne dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu einer Verfahrensunterbrechung gemäß § 240 ZPO, § 155 FGO geführt hat. Die Rechtslage im vorliegenden Fall entspricht derjenigen bei einem Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 27.11.1974 I R 185/73, BStBl II 1975, 208f.;vom 21.06.1979 IV R 131/74, BStBl II 1979, 780f.; FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.03.1994 9 K 50/93, EFG 1994, 711; Sächsisches FG, Beschluss vom 27.07.2004 5 V 240/04, Juris).

Ohne Erfolg macht die Insolvenzverwalterin zur Begründung ihres Begehrens auf Akteneinsicht des weiteren geltend, das Mandat der bisherigen Prozessbevollmächtigten und die ihnen erteilte Prozessvollmacht seien erloschen, §§ 115, 116, 117 Abs. 1 InsO. Entgegen ihrer Auffassung ist das Mandat der bisherigen Prozessbevollmächtigten, jedenfalls soweit es die vorliegende Klageverfahren betrifft, nicht beendet. Denn insoweit beziehen sich das Mandat und die Prozessvollmacht aus den oben zur Rechtslage nach § 240 ZPO dargelegten Gründen nicht auf die Insolvenzmasse. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Verwalterin herangezogenen Regelungszweck von § 117 InsO: Die Regelungen in §§ 115 bis 117 InsO sollen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters schützen, sollen insbesondere sicherstellen, dass die Befugnisse des Verwalters nicht durch früher vom Schuldner erteilte Aufträge und Vollmachten eingeschränkt werden (vgl. z.B. Wimmer (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zur InsO, 4. Aufl. 2006, § 116 Rn. 1; Braun, InsO, 2. Aufl. 2004, § 117 Rn. 1). Diesem Schutzzweck entsprechend ergeben sich die Regelungen des §§ 115 bis 117 InsO folgerichtig aus dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Verwalter (Haarmeyer/Wuttke/Förster, Handbuch zur InsO, 2. Aufl. 1998, Rn. 191). Da es im vorliegenden Klageverfahren aus den oben dargelegten Gründen nicht zu einem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, somit auch nicht zu einem Übergang der Prozessführungsbefugnis auf die Verwalterin gekommen ist, bleiben das Mandat der bisherigen Prozessbevollmächtigten und die ihnen erteilte Prozessvollmacht im vorliegenden Verfahren bestehen (vgl. den zu § 23 KO ergangenen Beschluss des FG Baden-Württemberg vom 12.03.1994 9 K 50/93, EFG 1994, 711). Entgegen der Auffassung der Verwalterin kann auf die Kommentierung und Rechtsprechung zu § 23 KO, der Vorgängervorschrift zu §§ 115, 116 InsO, grundsätzlich zurückgegriffen werden (vgl. Eickmann/ Flessner/Irschlinger/Kirchhof/Kreft/Landfermann/Marotzke, InsO, 2. Aufl. 2001, § 115 Rn. 11).

Schließlich kann der Verwalterin auch nicht Akteneinsicht gewährt werden im Hinblick darauf, dass der Kläger der damit verbundenen Offenbarung seiner steuerlichen Verhältnisse zugestimmt hat, § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO. Eine derartige Zustimmung hat der Kläger vorliegend trotz einer Anfrage des Gerichts nicht erteilt.

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