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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 10.12.2008
Aktenzeichen: 5 K 2065/06 (Kg)
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 77
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

5 K 2065/06 (Kg)

Familienleistungsausgleich (Kosten im Einspruchsverfahren)

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 5. Senat

durch

den Berichterstatter gem. § 79a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Finanzgerichtsordnung

ohne mündliche Verhandlung am 10.12.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung im Rechtsbehelfsverfahren wegen Kindergeld, § 77 Einkommensteuergesetz (EStG).

Im Laufe des Monats März 2004 zog das Kind F , geb. 24.5.1988, aus der Wohnung der Klägerin aus und wurde in den Haushalt des Vaters aufgenommen. Die Familienkasse kündigte die Aufhebung und Rückforderung des an die Klägerin zunächst weiterbezahlten Kindergeldes an und eröffnete die Möglichkeit, die Weiterleitung des Kindergeldes an den Kindesvater Herrn H mit Hilfe des beigefügten Vordruckes nachzuweisen. Da der Vater sich weigerte, das Weiterleitungsformular auszufüllen, hob die Familienkasse mit Bescheid vom 11.5.2005 die Kindergeldfestsetzung für F ab Juni 2004 auf und forderte das für den Zeitraum von Juni 2004 bis Februar 2005 gezahlte Kindergeld in Höhe von 1.386 EUR zurück. Die Klägerin ließ durch ihre Rechtsanwältin - die Klägervertreterin - Einspruch einlegen, da sie sich mit dem Kindesvater über die Kindergeldzahlungen geeinigt habe. Daraufhin zog die Familienkasse Herrn H zum Einspruchsverfahren hinzu. Am 13.12.2005 übersandte dieser die Bestätigung, dass die Klägerin das Kindergeld an ihn weitergeleitet habe und er seinen Kindergeldanspruch als erfüllt ansehe. Mit Bescheid vom 3.4.2006 änderte die Familienkasse den Bescheid vom 11.5.2005 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a Abgabenordnung (AO) und teilte mit, das Kindergeld für F sei zu Recht gezahlt; der zurückgeforderte Betrag sei nicht zu erstatten; dem Einspruch werde in vollem Umfang entsprochen; die im Einspruchsverfahren entstandenen Kosten würden nicht übernommen, weil sie nicht notwendig gewesen seien. Mit dem dagegen eingelegten Einspruch vom 8.5.2006 begehrte die Klägerin von der Familienkasse, die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung ihrer Rechte für notwendig zu erklären und die im Vorverfahren angefallenen Kosten zu erstatten. Mit Einspruchsentscheidung vom 12.10.2006 wies die Familienkasse den Einspruch zurück und übernahm nicht die im Rechtsbehelfsverfahren entstandenen Aufwendungen.

Mit der hiergegen erhobenen Klage trägt die Klägerin vor, die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts sei zur Durchsetzung der Rechte der Klägerin notwendig gewesen, weil die Erklärungsbemühungen der Klägerin im Einspruchsverfahren erfolglos geblieben seien und aus ihrer Sicht es sich um eine schwierige Rechtsfrage gehandelt habe.

Eine Zuziehung im Sinne des § 77 Abs. 3 EStG liege schon dann vor, wenn im Rahmen eines auf eine Geschäftsbesorgung gerichteten Dienstvertrages ein Rechtsanwalt bevollmächtigt werde und ein entsprechender Gebührenanspruch entstanden sei. Die Familienkasse habe mit dem Abhilfebescheid vom 3.4.2006 dem Einspruch "in vollem Umfange" entsprochen. Der Klägerin könne mangels Sorgfaltspflichtverletzung kein Verschulden vorgeworfen werden. Sie habe mehrfach versucht, gegenüber der Familienkasse darzulegen, dass sie mit dem Kindesvater eine einvernehmliche Regelung über den Bezug des Kindergeldes getroffen habe. Der Kindesvater sei vor Erlass des Aufhebungsbescheides vom 11.5.2005 nicht zur Abgabe einer schriftlichen Erklärung bereit gewesen. Er habe der Beklagten gegenüber fehlerhaft angegeben, dass keine Weiterleitung des Kindergeldes erfolgt sei. Der Familienkasse hätte es oblegen, dem von der Klägerin zunächst ohne anwaltlichen Beistand erhobenen Einwand, dass eine Weiterleitung erfolgt sei, nachzugehen und den Kindesvater zur Abgabe einer entsprechenden Erklärung aufzufordern. Damit wäre eine Aufklärung des Sachverhalts möglich gewesen, der Erlass des Bescheides vom 11.5.2005 hätte sich erübrigt und eine anwaltliche Vertretung wäre nicht notwendig gewesen. Die verzögerte Erklärung durch den Kindesvater sei daher der Familienkasse anzulasten. Erst durch die Hinzuziehung der Bevollmächtigten habe eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung erzielt werden können. Der Klägerin sei es als Laie nicht möglich gewesen, ohne Hilfe eines Rechtsbeistandes die Rechtsfrage zu bewältigen. Die Hinzuziehung habe einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei entsprochen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Abhilfebescheides vom 3.4.2006 und der Einspruchsentscheidung vom 12.10.2006 die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und führt zur Begründung aus, nach § 77 Abs. 1 Satz 3 EStG bestehe die Kostenerstattungspflicht der Familienkasse nicht für solche Aufwendungen, die der Einspruchsführer oder sein Vertreter verschuldet hätten. Im Streitfall sei deswegen von einem solchen Verschulden auszugehen, weil die angeforderte Weiterleitungsbestätigung durch die Klägerin erst im Einspruchsverfahren vorgelegt worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die übersandte Kindergeldakte und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Familienkasse ist nicht zur Kostenerstattung verpflichtet.

Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Familienkasse demjenigen, der den Einspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist. Über ihren Wortlaut hinaus ist die Vorschrift auch auf Einsprüche gegen die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung (Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. Juli 2002 VIII R 73/00, BFH/NV 2003, 25) und gegen die damit verbundene Rückforderung des Kindergelds anwendbar. Zu den erstattungsfähigen Aufwendungen gehören auch die Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten, wenn seine Zuziehung notwendig war, § 77 Abs. 2 und 3 EStG.

Der Einspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 11.5.2005 war nicht in dem Sinne nach § 77 Abs. 1 Satz 1 EStG erfolgreich, dass die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung rechtswidrig war und deswegen rückgängig gemacht werden musste, weil etwa die Voraussetzungen für eine Kindergeldgewährung vorgelegen hätten. Denn der Einspruch hätte von Rechts wegen keinen Erfolg gehabt, weil die Klägerin nach dem Auszug der Tochter nicht mehr kindergeldberechtigt war, so dass die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse rechtmäßig war, § 64 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 70 Abs. 2 EStG. Auch die Rückforderung des nach Aufhebung der Kindergeldfestsetzung rechtsgrundlos geleisteten Kindergelds war gemäß § 37 Abs. 2 AO ebenfalls rechtmäßig. Soweit die Familienkasse in dem Bescheid vom 3.4.2006 zum Ausdruck gebracht hat, den Bescheid vom 11.5.2005 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO geändert und dem Einspruch voll entsprochen zu haben, ist dies rechtsfehlerhaft.

Lediglich die Regelung, dass der Rückforderungsbetrag nicht erstattet zu werden braucht, ist rechtmäßig. Sie findet jedoch keine Stütze im Gesetz, sondern beruht auf dem durch Verwaltungsanweisung manifestierten Gedanken, dass bei Weiterleitung des Kindergeldes an den kindergeldberechtigten Elternteil auf den Rückforderungsanspruch aus Billigkeits- bzw. Vereinfachungsgründen verzichtet wird (vgl. Tz 64. 4 Abs. 4 der Dienstanweisung des Bundesamts für Finanzen vom 5.8.2004 - St I 4-S 2280-75/2004 - zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DA-FamEStG - und BFH-Urteil vom 9. Dezember 2002 VIII R 80/01, BFH/NV 2003, 606, und Urteil des FG Düsseldorf vom 7. August 2003 18 K 1088/03 Kg, EFG 2003, 1802). Die Entscheidung der Familienkasse vom 3.4.2006 ist somit als Billigkeitsmaßnahme anzusehen, die erst dadurch ermöglicht wurde, dass die Klägerin im Einspruchsverfahren die Weiterleitung des Kindergelds an den Kindesvater durch Übersendung der von diesem unterschriebenen Bestätigung vom 13.12.2005 belegte.

Das Einspruchsverfahren hat sich also aus anderen Gründen erledigt, die mit dem wirtschaftlichen Interesse der Klägerin zusammenhängen. In einem solchen Fall hängt die Kostenerstattung davon ab, ob die Behörde, wenn man das erledigende Ereignis außer Betracht lässt, über den Streitgegenstand zugunsten des Klägers hätte befinden müssen. Dies wäre jedoch - wie oben dargestellt - nicht der Fall gewesen. Somit war kein Raum für eine Kostenerstattung gemäß § 77 EStG.

Da ein Erstattungsanspruch bereits dem Grunde nach ausscheidet, kann auch die begehrte Entscheidung, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war § 77 Abs. 3 EStG und dessen Gebühren und Auslagen erstattungsfähig sind, § 77 Abs. 2 EStG, nicht getroffen werden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob - wie die Familienkasse meint - die Erstattung von Aufwendungen wegen Verletzung der Mitwirkungspflichten durch verspätetes Vorlegen der Weiterleitungsbestätigung nach § 77 Abs. 1 Satz 3 EStG ausgeschlossen wäre.

Ende der Entscheidung

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