Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 21.06.2006
Aktenzeichen: 6 K 1593/02
Rechtsgebiete: UStG, AO 1977


Vorschriften:

UStG § 9
UStG § 20 Abs. 1
AO 1977 § 130 Abs. 2
AO 1977 § 164 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

6 K 1593/02

Umsatzsteuer 1996

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 6. Senat

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht

der Richterin am Finanzgericht

des Richters am Finanzgericht

des ehrenamtlichen Richters

des ehrenamtlichen Richters

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 21.06.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger mit seinem Einzelunternehmen für das Streitjahr 1996 der Umsatzbesteuerung nach vereinnahmten Entgelten oder der Umsatzbesteuerung nach vereinbarten Entgelten unterliegt.

Der Kläger hat aufgrund Einbringungsvertrag vom 22. Januar 1997 sein Einzelunternehmen "mit wirtschaftlicher Wirkung zum 04.11.1996, 0.00 Uhr" in eine GmbH, deren alleiniger Gesellschafter er ist, eingebracht. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) hatte dem Kläger auf Antrag gemäß § 20 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) gestattet, die Umsatzsteuer seines Einzelunternehmens nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen. Entsprechend ist er für die einzelnen Voranmeldungszeiträume verfahren. Die GmbH war der Sollversteuerung (§ 16 Abs. 1 UStG) unterworfen; die in der Einbringungsbilanz als sonstige Verbindlichkeit gebuchte "Umsatzsteuer noch nicht fällig" bzw. die entsprechenden Umsätze hatte die GmbH zunächst mit der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 1996 erklärt. Am 4. Dezember 1997 reichte der Kläger -vertreten durch den vormaligen steuerlichen Berater- Umsatzsteuerjahreserklärungen 1996 für das Einzelunternehmen und für die GmbH ein, denen die Besteuerung der streitgegenständlichen Umsätze bei dem Einzelunternehmen (Sollversteuerung) zugrunde liegt. Gleichzeitig wurde der sich hieraus ergebende Erstattungsanspruch der GmbH an den Kläger abgetreten; dieser wurde jedoch mit Steuerverbindlichkeiten der GmbH verrechnet.

Mit Schreiben vom 15. Februar 2000 beantragte der Kläger -nunmehr vertreten durch die Prozeßbevollmächtigte- die Besteuerung des Einzelunternehmens gemäß den Voranmeldungen und reichte am 24. Februar 2000 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung 1996 ein. Das FA entsprach dieser zunächst mit gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geändertem Bescheid vom 16. März 2000, hob diesen jedoch mit Bescheid vom 12. Mai 2000 wieder auf mit der Begründung, daß der berichtigten Umsatzsteuererklärung 1996 nicht zugestimmt werden könne, da die betreffenden Umsätze nicht von der -zwischenzeitlich aufgelösten- GmbH versteuert worden seien. Der Einspruch des Klägers hatte in der Einspruchsentscheidung vom 27. Juni 2002 keinen Erfolg, wogegen sich die vorliegende Klage richtet.

Der Kläger macht im wesentlichen geltend, die Umsatzsteuererklärung 1996 vom 4. Dezember 1997 sei fehlerhaft. Ein Unternehmer könne zwar von der Ist- zur Sollversteuerung wechseln, jedoch nur mit Wirkung für die Zukunft. Ein rückwirkender Wechsel sei unter Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Berlin vom 21. Oktober 1981 VI 263/77, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 440 nicht möglich. Die berichtigte Umsatzsteuererklärung 1996 vom 24. Februar 2000 sei daher kein neuerlicher Antrag auf Istversteuerung, sondern lediglich die Korrektur der fehlerhaften Umsatzsteuererklärung 1996 vom 4. Dezember 1997.

- Der Kläger beantragt,

den geänderten Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 12. Mai 2000 und die Einspruchsentscheidung vom 27. Juni 2002 aufzuheben.

- Das FA beantragt

Klageabweisung.

Es bezieht sich auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 10. Dezember 2002 bzw. vom 16. Januar 2003 und auf den protokollierten Vortrag in der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist nicht begründet. Der Änderungsbescheid vom 12. Mai 2000 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Kläger hatte insbesondere keinen Anspruch auf Änderung der am 4. Dezember 1997 erfolgten Steueranmeldung (§ 168 Satz 1 AO1977 ).

a) Mit Eingang der Umsatzsteuererklärung 1996 beim FA am 4. Dezember 1997 ist der Kläger wirksam von der Istversteuerung zur Sollversteuerung übergegangen.

aa) Dem stand nicht entgegen, daß der Kläger für die bereits abgelaufenen Voranmeldungszeiträume -der Gestattung des FA folgend- die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet hatte. Der Kläger konnte jederzeit und ohne Genehmigung zur Sollversteuerung zurückkehren. Die Rückkehr war auch rückwirkend möglich, da die Umsatzsteuerfestsetzung 1996 zu jenem Zeitpunkt noch nicht bestandskräftig war, sondern das Wahlrecht vielmehr mit Einreichen der Umsatzsteuerjahreserklärung ausgeübt wurde (vgl. Urteil des FG München vom 9. Dezember 1999 14 K 289/96, EFG 2000, 830).

Diese Beurteilung entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Wahl der Steuerfreiheit bzw. Steuerpflicht im Rahmen des § 9 UStG (Beschluß vom 6. August 1998 V B 146/97, BFH/NV 1999, 223). Die Vorschriften des § 9 UStG und des § 20 UStG haben gemein, daß sie für die Ausübung des jeweiligen Wahlrechts, im Streitfall dessen bezüglich der Rückkehr zur Sollversteuerung, keine zeitlichen Grenzen vorsehen; demgegenüber ist ein Widerruf nach den §§ 19 bzw. 23 UStG spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für das er gelten soll, zu erklären. Im Streitfall hat sich der Kläger innerhalb dieser Frist erklärt; rechtssystematisch besteht kein Anlaß, das Wahlrecht des § 20 UStG restriktiver zu handhaben als die Widerrufsmöglichkeiten der §§ 19 und 23 UStG (vgl. BFH in BFH/NV 1999, 223).

Aus dem vom Kläger herangezogenen BFH-Urteil vom 30. Januar 2003 V R 58/01, BFHE 201, 546, BStBl II 2003, 817 ergibt sich nichts anderes. Diese Entscheidung befaßt sich bejahend mit der Rechtsfrage, ob die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer im Zeitpunkt der Ausführung der Leistung auch maßgebend bleiben, wenn der Unternehmer von der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten zur Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten wechselt; mit der Frage, wie lange ein Wechsel der Art der Steuerberechnung zulässig ist, hatte der BFH sich hierbei nicht zu befassen.

bb) Der Kläger konnte den Wechsel zur Sollversteuerung durch bloßes Einreichen der Umsatzsteuererklärung 1996 vollziehen. Ob ihm hierbei eine bestimmte Begrifflichkeit gegenwärtig war, kann dahinstehen (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1997 V R 50/94, BFHE 185, 82, BStBl II 1998, 420 unter II.1.b a.E.). Denn er wollte ausweislich der von ihm gleichzeitig abgegebenen Abtretungsanzeige die entsprechende steuerliche Rechtswirkung herbeiführen.

b) Zwar konnte die Steueranmeldung vom 4. Dezember 1997, die gemäß § 168 Satz 1 AO 1977 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, verfahrensrechtlich nach § 164 Abs. 2 AO 1977 jederzeit geändert werden. Wie oben ausgeführt, gab es jedoch keine materiell-rechtliche Grundlage dafür, dem mit Schreiben vom 15. Februar 2000 gestellten Änderungsantrag des Klägers bzw. dessen "berichtigter" Steuererklärung vom 24. Februar 2000 zu folgen; die Steueranmeldung vom 4. Dezember 1997 stand mit der Rechtslage in Einklang.

Eine neuerliche Gestattung der Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten war aufgrund formeller Bestandskraft der Steuerfestsetzung 1996 nicht möglich; mit dem Schreiben der steuerlichen Vertreterin vom 15. Februar 2000 war auch erklärtermaßen ein solcher Antrag nicht verbunden. Den gleichwohl erlassenen geänderten Umsatzsteuerbescheid vom 16. März 2000 hatte das FA gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 aufzuheben, was mit Bescheid vom 12. Mai 2000 geschehen ist.

c) Am Erlaß des Aufhebungsbescheides vom 12. Mai 2000 war das FA nicht dadurch gehindert, daß es mit Änderungsbescheid vom 16. März 2000, der für sich genommen nach § 164 Abs. 2 AO 1977 jederzeit änderbar war, konkludent dem Kläger neuerlich die Steuerberechnung nach vereinnahmten Entgelten gestattet hätte. Hierbei würde es sich um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt handeln, der nur unter den Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO 1977 zurückgenommen werden kann.

Dem Kläger hat das FA die neuerliche Istversteuerung weder ausdrücklich gestattet noch hat es aus dem Blickwinkel des Klägers bzw. dessen steuerlicher Vertreterin solches erklärt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 185, 82, BStBl II 1998, 420 unter II.1.b a.E.); solches wird mit der Klage im übrigen auch nicht geltend gemacht. Zwar hat das FA im Nachgang zu dem Bescheid vom 16. März 2000 die Auffassung vertreten, daß eine Gestattung der Istversteuerung aufgrund der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Satz 3 UStG nicht möglich sei; hieraus läßt sich jedoch nicht ableiten, daß mit dem Bescheid vom 16. März 2000 bereits eine Gestattung verbunden gewesen wäre.

Danach kommt es nicht mehr darauf an, daß eine etwaige neuerliche Gestattung der Istversteuerung aufgrund der Vorschrift des § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO 1977 zurückgenommen werden konnte und das FA sein Ermessen dahingehend ausgeübt hat, daß an dem Bescheid vom 16. März 2000 nicht festzuhalten war aufgrund der Tatsache, daß die GmbH die streitbefangenen Umsätze -nach erfolgter Verrechnung der Umsatzsteuererstattung 1996 mit anderen Steuerforderungen des FA- im Ergebnis nicht besteuert hat. Die Rechtswidrigkeit einer solchen Gestattung wäre dem Kläger ausweislich der Rechtsausführungen der Prozeßbevollmächtigten bekannt gewesen; deren Rechtskenntnisse sind ihm zuzurechnen (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 130 AO Tz. 32).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück