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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 20.11.2007
Aktenzeichen: 6 K 632/02
Rechtsgebiete: BewG, GrStG


Vorschriften:

BewG § 125 Abs. 2
BewG § 19 Abs. 1
GrStG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

6 K 632/02

Grundsteuermeßbescheid und Ersatzwirtschaftswertermittlung

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 6. Senat

durch

den Vorsitzenden als Berichterstatter

gem. § 79a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Finanzgerichtsordnung

ohne mündliche Verhandlung

am 20.11.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Beklagte wird unter Aufhebung der Mitteilung über Neuveranlagungsberechnung auf den 1. Januar 2000 vom 10. Mai 2001 und der Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2002 verpflichtet, unter Ansatz eines Ersatzwirtschaftswerts von 1.000 DM den Grundsteuermeßbetrag auf den 1. Januar 2000 auf 6 DM festzusetzen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/3, der Beklagte zu 1/3.

3. Das Urteil ist hinsichtlich des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß ergebenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7/6 des vorgenannten Betrags abwenden, es sei denn, der Kläger leistet zuvor Sicherheit in dieser Höhe.

Tatbestand:

Bei dem Kläger handelt es sich um einen privaten Naturschutzverband, dessen Zweck der umfassende Schutz, die Pflege und die Wiederherstellung von Natur und Landschaft ist. Mit dieser Zielsetzung überläßt der Kläger streitgegenständliche Flächen der natürlichen Selbstentwicklung. Nach den Feststellungen des Beklagten (des Finanzamts -FA-) findet eine Nichtnutzung statt bzw. unterläßt der Kläger jegliche Bewirtschaftung.

Gegen den Kläger war zuletzt am 6. Juni 1996 ein Grundsteuermeßbescheid auf den 1. Januar 1995 ergangen, mit dem beruhend auf einem Ersatzwirtschaftswert von 1.500 DM der Grundsteuermeßbetrag auf 9 DM festgesetzt worden war. Unter dem 10. Mai 2001 hat das FA dem Kläger mit einem Ersatzwirtschaftswert von -auf volle 100 DM abgerundet- 1.800 DM das Ergebnis einer Neuveranlagungsberechnung auf den 1. Januar 2000 mitgeteilt; unter Hinweis darauf, daß die Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht erreicht seien, ist eine Neuveranlagung unterblieben. Gegenstand der Berechnung waren Grünland auf den Flurstücken 604, 606 und 608 der Gemarkung mit einer Größe von 0,0850 ha, 0,0830 ha und 0,2600 ha (insgesamt 0,4280 ha mit 739 DM) sowie Wald auf den Flurstücken 616 und 358b der Gemarkungen und mit einer Größe von 6,3200 ha und 2,4346 ha (insgesamt 8,7546 ha mit 1.094 DM).

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein und machte geltend, der Grundbesitz sei nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b des Grundsteuergesetzes (GrStG) aufgrund der ausschließlich verfolgten Naturschutzziele von der Steuer befreit; hilfsweise seien die jahrelang brachgefallenen Flächen als Geringst- oder Unland zu bewerten. Mit Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2002 hat das FA den Einspruch gegen die "Neuveranlagung auf den 01.01.2000" bzw. den "Grundsteuermeßbescheid ... (vom) 10. Mai 2001" als unbegründet zurückgewiesen, da eine Grundsteuerbefreiung nach § 3 GrStG ausscheide; befreiungsschädlich sei jede land- und forstwirtschaftliche Nutzung.

Der Kläger macht mit seiner Klage im wesentlichen geltend, diese richte sich gegen eine grundsteuerliche Veranlagung von Grundbesitz, der gerade nicht land- und forstwirtschaftlich genutzt werde.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das FA unter Aufhebung der Mitteilung über Neuveranlagungsberechnung vom 10. Mai 2001 sowie der Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2002 zu verpflichten, unter Ansatz eines Ersatzwirtschaftswerts von 0 DM den Grundsteuermeßbetrag auf den 1. Januar 2000 mit 0 DM festzusetzen,

hilfsweise

bei der Festsetzung des Grundsteuermeßbetrags einen Ersatzwirtschaftswert auf der Grundlage von Geringst- bzw. Unland zu berücksichtigen.

Das FA beantragt

Klageabweisung.

Die Klage richte sich gegen eine Neuveranlagungsberechnung auf den 1. Januar 2000. Der Grundsteuermeßbetrag und der Ersatzwirtschaftswert seien die gleichbleibenden Werte der Nachveranlagung vom 6. Juni 1996, weil die Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 BewG nicht erreicht würden. Vorliegend handele es sich nach wie vor um landwirtschaftliches Flächenvermögen.

Wegen der Einzelheiten des Beteiligtenvortrags wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 25. März, 5. Juni und 23. Juli 2002 sowie vom 21. Januar 2004 bzw. vom 26. April und 2. Juli 2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist gemäß § 40 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Verpflichtungsklage zulässig.

Zwar stellt die "Mitteilung über Neuveranlagungsberechnung ... auf den 1. Januar 2000" vom 10. Mai 2001 keinen Verwaltungsakt dar. Dies ergibt sich vor dem Hintergrund des Grundsteuermeßbescheids auf den 1. Januar 1995 vom 6. Juni 1996 aus dem Hinweis des FA, eine Neuveranlagung komme nicht in Betracht, da die Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 BewG nicht erreicht seien.

Der gegen eine bloße Mitteilung nicht statthafte Einspruch des Klägers vom 5. Juni 2001 hätte vom FA jedoch als Antrag auf Neuveranlagung auf den 1. Januar 2000 bzw. auf Aufhebung des Grundsteuermeßbescheids ab dem 1. Januar 2000 angesehen werden müssen. Demgegenüber hat das FA mit seinen Schreiben vom 16. Juli und 19. September 2001 sowie der Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2002 den Eindruck erweckt und verfestigt, es sei wegen der streitgegenständlichen Flächen am 10. Mai 2001 ein Grundsteuermeßbescheid ergangen.

Spätestens die Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 2002 ist als Ablehnung der begehrten Neuveranlagung auf den 1. Januar 2000 bzw. Aufhebung der Festsetzung des Grundsteuermeßbetrags ab dem 1. Januar 2000 zu verstehen. Gegen diese Einspruchsentscheidung ist nur die Klage gegeben (vgl. § 348 Nr. 1 der Abgabenordnung). Der Antrag auf Aufhebung der Mitteilung über Neuveranlagungsberechnung vom 10. Mai 2001 ist zulässig mit dem Ziel, den durch diese Mitteilung in Gesamtschau mit den zitierten Schreiben und der Einspruchsentscheidung erzeugten Rechtsschein eines Bescheids zu beseitigen.

2. Die Klage ist indes nur zum Teil begründet.

a) Das FA hat dem Grunde nach zu Recht ermittelt. Zu diesem Vermögen gehört im Streitfall zum Stichtag 1. Januar 2000 allerdings nicht das Grünland.

aa) Nach § 125 Abs. 2 BewG sind anstelle der Einheitswerte für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft abweichend von § 19 Abs. 1 BewG Ersatzwirtschaftswerte zu ermitteln und ab dem 1. Januar 1991 der Besteuerung zugrunde zu legen.

Von der Grundsteuer befreit ist dabei nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b GrStG Grundbesitz, der von einer inländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt wird. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall laut Einspruchsentscheidung und Stellungnahme des FA im finanzgerichtlichen Verfahren unstreitig erfüllt. Allerdings gilt diese Steuerbefreiung gemäß § 6 GrStG -vorbehaltlich der hier nicht einschlägigen Gegenausnahmen der Nummern 1 bis 3- nicht für solchen für steuerbegünstigte Zwecke benutzten Grundbesitz, der zugleich land- und forstwirtschaftlich genutzt wird.

bb) Das Grünland des Klägers unterliegt nicht der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung.

Unter einer land- und forstwirtschaftlichen Nutzung ist eine planmäßige und nachhaltige Ausnutzung der natürlichen Kräfte des Grund und Bodens zur Gewinnung pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse sowie deren unmittelbare Verwertung durch Verkauf und/oder Selbstverbrauch zu verstehen; unerheblich dabei sind Ausmaß und Intensität der auf dem Grundbesitz ausgeübten landwirtschaftlichen Betätigung (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 16. Oktober 1996 II R 17/96, BFHE 181, 515, BStBl II 1997, 228).

Nach dem vom FA in Bezug genommenen Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 28. November 1995 I 134/91, EFG 1996, 482 (bestätigt durch BFH-Urteil vom 16. Oktober 1996 II R 16/96 -nicht dokumentiert; Parallelentscheidung zum BFH-Urteil in BFHE 181, 515, BStBl II 1997, 228-) kommt es entscheidend darauf an, ob auf dem Grundbesitz Tätigkeiten ausgeführt werden, die sich nach ihrem objektiven Erscheinungsbild als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft darstellen. Vorliegend wurden solche Tätigkeiten nicht ausgeübt; es ist insbesondere nicht ersichtlich, daß das Grünland gemäht oder abgeweidet worden sei. Vielmehr wurde jegliche Bewirtschaftung unterlassen mit der Folge, daß insoweit eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung nicht gegeben, d.h. das Grünland steuerbefreit ist.

cc) Das Unterlassen jeglicher Bewirtschaftung steht jedoch dem Unterhalten eines Forstbetriebs nicht entgegen, soweit die Waldfläche eine bestimmte Größe aufweist. Denn auch bei einem sog. aussetzenden Forstbetrieb verkörpert vor allem der natürlich wachsende Baumbestand den Betrieb, gegenüber dem die notwendige Bearbeitung und Bestandspflege zurücktreten kann (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 2000 IV R 28/98, BFH/NV 2000, 1455). Für die Einordnung des 8,7546 ha großen Waldbestands des Klägers als land- und forstwirtschaftliches Vermögen wird im übrigen auf das vom BFH bestätigte FG-Urteil in EFG 1996, 482 Bezug genommen.

b) Nachdem das Grünland aus dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen des Klägers auszunehmen ist, hat nach § 126 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 22 Abs. 1 BewG auf den streitgegenständlichen Stichtag eine Wertfortschreibung zu erfolgen.

Der Ersatzvergleichswert für die forstwirtschaftliche Nutzung beträgt gemäß § 125 Abs. 7 Nr. 1 BewG 125 DM je ha, mithin im Streitfall 1.094 DM; eine demgegenüber hilfsweise geltend gemachte Bewertung der Fläche als Geringstland oder Unland (vgl. §§ 44, 45 BewG) kommt nach § 125 Abs. 4 Satz 2 BewG nicht in Betracht, da im Beitrittsgebiet ausschließlich die in der Gegend als regelmäßig anzusehenden Verhältnisse bei dem Vergleich der Ertragsbedingungen zugrunde zu legen sind, d.h. die Entscheidung des "Betriebsleiters" über die Bewirtschaftung des Grundstücks sich nicht auf dessen steuerliche Bewertung auswirken darf (vgl. Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 8. November 2001 3 [2] K 715/97, EFG 2002, 243). Der auf volle 100 DM abgerundete Ersatzwirtschaftswert beträgt danach 1.000 DM, was gegenüber dem zuletzt auf den 1. Januar 1995 ermittelten Ersatzwirtschaftswert von 1.500 DM einer Minderung um 500 DM entspricht.

Nach Erreichen der Wertgrenze des § 22 Abs. 1 BewG ist bei einem Ersatzwirtschaftswert von 1.000 DM und einer Steuermeßzahl von 6 v.T. (§ 14 GrStG) der Grundsteuermeßbetrag auf den 1. Januar 2000 auf 6 DM festzusetzen.

3. Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 90 Abs. 2, 79a Abs. 3 und 4 FGO ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden als Berichterstatter.

4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 151 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 und 709 Satz 2 der Zivilprozeßordnung.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.



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