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Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 18.04.2007
Aktenzeichen: 7 K 2088/05
Rechtsgebiete: MinöStG


Vorschriften:

MinöStG § 25 Nr. 1
MinöStG § 25b Abs. 1
MinöStG § 25c Nr. 1
MinöStG § 25c Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Sachsen

7 K 2088/05

Mineralölsteuervergütung für das Jahr 2002

In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 7. Senat unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht Dr. R ,

des Richters am Finanzgericht H und

des Richters am Amtsgericht S sowie

der ehrenamtlichen Richter E und E

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 18.4.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Der Bescheid über Rückforderung der Vergütung der Mineralölsteuer für das Jahr 2002 für Betrieb der Land- und Forstwirtschaft vom 26.11.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.10.2005 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Agrardieselvergütung für einen Dieselgabelstapler und einen Traktor hat, wenn sie als Genossenschaft für Kartoffelerzeuger deren Kartoffeln einlagert, auslagert und angefallene Beimengungen auf Felder und Deponien verbringt.

Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid über Rückforderung der Vergütung der Mineralölsteuer für das Jahr 2002 für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft vom 26.11.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.10.2005, mit dem der Beklagte gewährte Agrardieselvergütung i.H.v. 10.229,80 EUR zurückforderte.

Die Klägerin ist eine Genossenschaft mit Sitz in W , die von ihren Mitgliedern und von anderen Unternehmen angebaute Kartoffeln verarbeitet. Gegenstand des Unternehmens ist die Annahme pflanzlicher Erzeugnisse, insbesondere Speisekartoffeln, deren Aufbereitung, Lagerung, Verarbeitung und Veredelung für die menschliche Ernährung und die damit verbundene Absatz- und Handelstätigkeit.

Bei der Klägerin stehen ca. 1.350 ha Kartoffelanbaufläche unter Vertrag. Bei einem durchschnittlichen Ertrag von ca. 45 t/ha Rohware (Kartoffeln und Beimengungen) entspricht dies einer jährlich verarbeiteten Menge von ca. 60.000 t. Die Rohware enthält neben den eigentlichen Kartoffeln entsprechend dem Zustand ab Feld noch stückige Beimengungen (Kluten und Steine) sowie Feinerde von durchschnittlich 10 - 12 %, ca. 6.000 - 7.000 t jährlich. Daneben fällt beim Waschen mineralischer Schlamm an im Umfang von ca. 1.500 - 2.000 t jährlich. Die Rohware wird durch den Landwirtschaftsbetrieb (Erzeuger) in Kartoffelgroßbehältern (je 4 t) bzw. lose jeweils vom Feld in das bei der Klägerin befindliche Lager transportiert. Im Lager werden die Großbehälter mit einem Dieselstapler entladen und zum Zwischen- bzw. Endlager transportiert. Lose Ware wird über Fördertechnik eingelagert. Der Auslagerungsprozess erfolgt in umgekehrter Reihenfolge. Der Dieselstapler mit Schaufel oder Zinken nimmt die Kartoffeln lose bzw. in Großbehältern auf und transportiert diese zur Annahmestation der nachfolgenden Aufbereitung. Hierbei fallen Beimengungen im trockenen bzw. nassen Zustand ab. Nach einer Zwischenlagerung werden diese Beimengungen mit dem Traktor auf das Feld bzw. eine Deponie verbracht.

Der Ackerschlepper wird für den Abtransport der trockenen Beimengungen (Kluten, Steine, Kraut) und nassen Beimengungen (mineralischer Schlamm) eingesetzt. Der Dieselstapler wird für das Einlagern und Auslagern der Kartoffeln eingesetzt.

Zwischen der Klägerin und dem jeweiligen Erzeuger wird ein Rahmenvertrag (Bl. 126 der Steuerakte 7 K 2089/05) und darauf basierend ein Jahresvertrag zum Anbau und der Lieferung von Kartoffeln (Bl. 128 der Steuerakte 7 K 2089/05) abgeschlossen. Danach verpflichtet sich der Erzeuger, das erforderliche Pflanzgut ausschließlich über die Klägerin zu beziehen und alle erzeugten Kartoffeln mit Ausnahme eines Anteils zur Eigenvermarktung der Klägerin zur Vermarktung bereitzustellen. Im Annahme- und Übernahmevertrag (vgl. Muster Bl. 130 der Steuerakte 7 K 2089/05) ist vereinbart, dass die Klägerin die Kartoffeln von den Erzeugern frei Annahmestelle zur Vermarktung annimmt. Bei Anlieferung der Rohware berechnet die Klägerin für die Aufbereitung und Sortierung zur Speiseware den Erzeugern eine "Gebühr", bestehend aus einer Grundgebühr und einer Qualitätsgebühr abhängig vom Speisekartoffelanteil der Rohware. Die Abrechnung erfolgt wöchentlich auf Grundlage von Tagesabrechnungen für die zurückliegende Kalenderwoche. Für die Lagerung berechnet die Klägerin ab Reifegruppe 2 Lagergebühren. Der von der Klägerin zu zahlende Erzeugerpreis für den Speisekartoffelanteil ermittelt sich aus einem vertraglich festgelegten Festpreis und einem von einer Preisnotierungskommission wöchentlich ermittelten Notierungspreis. Jeweils am Monatsende rechnet die Klägerin die verkaufte Monatsmenge Speiseware mit den Erzeugerbetrieben ab und erstellt für den jeweiligen Anteil der vermarkteten Menge eine Gutschrift. Die Kartoffeln bleiben bis zur Bezahlung durch die Klägerin Eigentum des Erzeugers. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Verträge verwiesen.

Mit Antrag vom 24.6.2003 (Bl. 1 der Steuerakten) hat die Klägerin die Vergütung der Mineralölsteuer für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft für das Jahr 2002 beantragt. Als Betriebsart hat sie die Schlüsselnummer 30 angegeben, die der Betriebsart Lohnbetriebe entspricht. Ab 18.8.2003 hat das Hauptzollamt bei der Klägerin eine Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer gelangte zu dem Ergebnis, bei der Klägerin handele es sich um ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes. Es handele sich um keinen Betrieb, der für Betriebe i.S.d. § 25 c Nr. 1 und 2 MinöStG Arbeiten zur Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse durch Bodenbewirtschaftung ausübt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 22.9.2003 (Bl. 28 ff. der Steuerakten) verwiesen. Nach Übersendung der Vergütungsnachricht vom 19.11.2003 (Bl. 50 d.A.) hat der Beklagte eine Vergütung für Mineralölsteuer 2002 i.H.v. 10.229,80 EUR ausgezahlt.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.11.2004 hat der Beklagte die gewährte Agrardieselvergütung zurückgefordert. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin sei kein begünstigter Betrieb i.S.d. § 25 c MinöStG. Agrardieselvergütung werde gemäß § 25 b MinöStG nur gewährt, wenn Dieselkraftstoff in Betrieben der Land- und Forstwirtschaft bei der Ausführung von Arbeiten zur Gewinnung pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse durch Bodenbewirtschaftung oder mit Bodenbewirtschaftung verbundener Tierhaltung verbraucht werde. Der Geschäftsbetrieb der Klägerin erstrecke sich auf die Aufbereitung, Lagerung, Verarbeitung und Veredlung von Speisekartoffeln für die menschliche Ernährung und die damit verbundene Absatz- und Handelstätigkeit. Damit sei die Klägerin ein Betrieb, der landwirtschaftliche Erzeugnisse aus zugekauften Produkten durch Weiterverarbeitung herstelle und somit kein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft.

Die Klägerin trägt vor, der Vergütungsbescheid sei bestandskräftig und stehe nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Da das Mineralölsteuergesetz keine Änderungsvorschriften enthalte, könne der Bescheid nur nach §§ 172 ff. AO geändert werden. Aufgrund der Bestandskraft des Bescheides scheide eine Änderung aus, insbesondere seien dem Beklagten keine neuen Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt geworden. Daneben stehe der Bescheid aufgrund der vorangegangenen Außenprüfung unter erhöhter Bestandskraft nach § 173 Abs. 2 AO. Der Beklagte verkenne den Anwendungsbereich des § 167 AO. Der Antrag auf Auszahlung einer Agrardieselvergütung stelle keine Steueranmeldung dar. Dies ergebe sich daraus, dass die Klägerin eine Zahlung erwartet habe. Vergütungsanträge fielen nicht in den Anwendungsbereich des § 167 AO. Die angebliche Vergütungsbenachrichtigung (Zahlungsmitteilung) vom 19.11.2003 stelle einen Verwaltungsakt bzw. einen Steuerbescheid i.S.d. § 155 AO dar. Dies ergebe sich bereits aus der Festsetzung eines zahlenmäßig bestimmten Betrages und der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung. Der Bescheid vom 19.11.2003 habe nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden. Nach §§ 169 Abs. 2 Nr. 1, 170 Abs. 2 Satz 2 AO sei zum 31.12.2003 Feststellungsverjährung eingetreten.

Abgesehen von diesen formellen Einwendungen stehe ihr auch materiell-rechtlich ein Vergütungsanspruch zu. Die gelagerte Rohware sei noch Eigentum des anliefernden Landwirts. Eine Übergabe im Rechtssinne und ein Eigentumserwerb durch die Klägerin erfolge erst mit der Verarbeitung. Das Ein- und Auslagern und die damit zusammenhängenden Arbeiten seien Arbeiten für den einlagernden Landwirtschaftsbetrieb. Die beiden Maschinen würden "bei der Ausführung von Arbeiten zur Gewinnung pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse durch Bodenbewirtschaftung" verwendet. Insoweit sei zu beachten, dass derartige Arbeiten nicht mit der Ernte der Kartoffeln beendet seien, sondern erst mit deren Einlagerung, entweder bei dem Erzeugerbetrieb, einem Lagerhaltungsbetrieb oder bei dem verarbeitenden Betrieb (im Auftrag des Erzeugers). Die Klägerin werde insoweit im Namen und im Auftrag der jeweiligen Landwirtschaftsbetriebe tätig. Es handele sich daher um eine begünstigte landwirtschaftliche Tätigkeit.

Es sei nicht ersichtlich, dass allein durch die Aufhebung des LwGVG und die Einführung des § 25 b MinöStG - bei unverändertem Wortlaut - nunmehr ein anderer rechtlicher Maßstab maßgeblich sein solle. Diese Auslegung entspreche auch den Erläuterungen durch das BMF und BML im gemeinsamen Schreiben vom 16.3.1987. Entscheidend sei, dass ein Auftragsverhältnis mit einem Landwirtschaftsbetrieb vorliege und damit die Tätigkeit für einen LuF-Betrieb erfolge.

Ebenso handele es sich bei der Klägerin um einen begünstigten landwirtschaftlichen Betrieb. Dies ergebe sich aus § 25 c Nr. 3 MinöStG. Die Klägerin sei ein Betrieb, der für die in Nr. 1 und 2 bezeichneten Betriebe Arbeiten zur Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse durch Bodenbewirtschaftung ausführe. Als Lohnbetrieb bzw. Betrieb von Genossenschaften werde die Klägerin ausdrücklich erwähnt. Die kartoffelerzeugenden Landwirtschaftsbetriebe stellten Betriebe der Land- und Forstwirtschaft i.S.d. § 25 c Nr. 1 c MinöStG dar. Das Einlagern der Kartoffeln sowie die Beseitigung der beim Einlagern und Auslagern anfallenden trockenen und nassen Beimengungen stellten noch eine Tätigkeit im Rahmen der Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse durch Bodenbewirtschaftung dar, da diese Tätigkeit erst mit der Auslagerung und Übergabe an den Verarbeitungsbetrieb beendet sei.

Diese Auslegung entspreche Art. 8 Abs. 2 Buchstabe f der 2. Strukturrichtlinie 92/81/EWG. Danach seien Arbeiten in Landwirtschaft und Gartenbau begünstigt. Hierunter fielen auch die Einlagerung der Kartoffeln durch die Erzeuger. Für die Beurteilung, ob eine Tätigkeit noch dem Bereich der Landwirtschaft zuzuordnen sei, sei sowohl im Anwendungsbereich des früheren LwGVG als auch bei den gleichlautenden Bestimmungen der §§ 25 b bis 25 d MinöStG darauf abzustellen, ob diese Arbeiten üblicherweise von einem Landwirt durchgeführt würden. Dabei könne kein Unterschied darin bestehen, ob eine Lagertätigkeit noch bei dem Landwirt selbst erfolge oder ob die Kartoffeln an einem dritten Ort gelagert würden. Lagere der Landwirt seine Kartoffeln selbst ein, müssten diese u.U. umgelagert werden, um eine Fäulnis zu vermeiden und anschließend zu einem Verarbeiter transportiert werden. Insoweit fielen diese Arbeiten auch im Betrieb eines Landwirts an.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über Rückforderung der Vergütung der Mineralölsteuer für das Jahr 2002 für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft vom 26.11.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.10.2005 aufzuheben;

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären;

hilfsweise die Revision zuzulassen;

hilfsweise gemäß Art 177, 178 EGV dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, wie § 8 Abs. 2 Buchstabe f der 2. Strukturrichtlinie 92/81/EWG bzw. der Nachfolgeregelung Art. 8 Abs. 2 Buchstabe a) der Richtlinie 2003/96/EG auszulegen sei.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Er trägt vor, die Klägerin sei weder nach § 25 c Nr. 1 noch nach § 25 c Nr. 3 MinöStG anspruchsberechtigt. Bei den durch die Klägerin für die einzelnen Kartoffelerzeuger ausgeführten Tätigkeiten handele es sich nicht um "Arbeiten zur Gewinnung pflanzlicher oder tierische Erzeugnisse durch Bodenbewirtschaftung oder durch mit Bodenbewirtschaftung verbundener Tierhaltung". Der Dieselverbrauch, für den die Vergütung beantragt werde, sei nach den Erläuterungen der Klägerin ausschließlich auf die Beförderung der Kartoffeln sowie der angefallenen Beimengungen zurückzuführen. Bei der Lagerung und der Aufbereitung selbst werde kein Diesel verbraucht. Die durch die Klägerin durchgeführten Arbeiten stellten keinen Prozess zur Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse durch Bodenbewirtschaftung dar, sondern dienten der Verarbeitung bzw. der Vorbereitung der Verarbeitung solcher Erzeugnisse. Die Klägerin sei somit kein Lohnbetrieb i.S.d. § 25 c Nr. 3 MinöStG.

Selbst wenn man unterstelle, dass die Klägerin ein Lohnbetrieb i.S.d. § 25 c Nr. 3 MinöStG sei, so mangele es am Tatbestand einer begünstigten Tätigkeit i.S.d. § 25 b MinöStG. Grundsätzlich sei nur die Steuer für bei Arbeiten zur Gewinnung pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse durch Bodenbewirtschaftung oder durch mit Bodenbewirtschaftung verbundener Tierhaltung verbrauchte Gasöle vergütungsfähig. Transport- und Beförderungsarbeiten würden ausdrücklich nur bei Vorlage weiterer Voraussetzungen gemäß § 25 b Abs. 3 Nr. 1 MinöStG als begünstigte Tätigkeit anerkannt. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Beförderung im eigenen Betrieb oder im Rahmen der Nachbarschaftshilfe durch andere Betriebe der Land- und Forstwirtschaft erfolge. Bei dem Unternehmen der Klägerin handele es sich nach ihrem Unternehmensgegenstand um keinen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. Sie befördere dementsprechend keine im eigenen Betrieb gewonnenen, sondern ausschließlich die von den einzelnen Kartoffelerzeugern gelieferten Erzeugnisse. Lasse der Erzeugerbetrieb Beförderungsarbeiten von einem Lohnunternehmen durchführen, sei das verbrauchte Gasöl nicht steuerbegünstigt, da § 25 b Abs. 3 Nr. 1 MinöStG die Vergütung auf Beförderungen durch den Betrieb beschränke. Die Beförderungsarbeiten bei der Ein- und Auslagerung der Kartoffeln mit dem Dieselgabelstapler und beim Verbringen der Beimengungen auf das Feld bzw. die Deponie könnten demnach in Anwendung des § 25 b Abs. 1 und 3 MinöStG nicht als Ausführung von Arbeiten zur Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse durch Bodenbewirtschaftung anerkannt werden. Zweifelhaft sei zudem, inwieweit die in Rede stehenden Tätigkeiten beim Erzeuger selbst vergütungsfähig seien. Es seien nur solche Transportarbeiten begünstigt, die in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Gewinnung pflanzlicher und tierischer Produkte stehen. Dies sei im vorliegenden Fall zu verneinen, da zumindest die sich an die Lagerung anschließende Beförderung und Umschichtung der Kartoffeln nicht mehr im Zusammenhang mit deren Gewinnung stehe. Darüber hinaus erfülle der Dieselgabelstapler nicht die Voraussetzungen des § 25 b Abs. 1 MinöStG, da nur Ackerschlepper, bewegliche Arbeitsmaschinen und Sonderfahrzeuge erfasst seien. Der Gabelstapler sei keine standfeste oder bewegliche Arbeitsmaschine, da er nicht zur Verrichtung von Arbeiten zur Gewinnung pflanzlicher oder tierischer Produkte diene (wie z.B. Motorpflüge, Erntemaschinen oder Melkmaschinen).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die zu den Verfahren 4 K 2088/05 und 4 K 2089/05 vorgelegten Steuerakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Der Rückforderungsbescheid vom 26.11.2004 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO), da die aufgrund der Zustimmung des Beklagten vom 19.11.2003 als Vergütungsbescheid geltende Steueranmeldung der Klägerin vom 24.6.2003 für das Kalenderjahr 2002 zutreffend war. Die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung der Mineralölsteuer für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft für den Vergütungsabschnitt 2002 i.H.v. 10.229,80 EUR.

1. Die Klägerin ist als Inhaberin eines Betriebes i.S.d. § 25 c MinöStG Begünstigte der Mineralölsteuervergütung für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (§ 47 a Abs. 3 MinöStV). Die Klägerin ist zwar kein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft i.S.d. § 25 Nr. 1 MinöStG, da sie nicht selbst durch Bodenbewirtschaftung pflanzliche Erzeugnisse gewinnt. Sie ist jedoch, soweit sie im in der Steueranmeldung vom 24.6.2003 bezeichneten Umfang tätig ist, als Betrieb einer Genossenschaft ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, da sie insoweit für Betriebe i.S.d. § 25 c Nr. 1 MinöStG Arbeiten zur Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse durch Bodenbewirtschaftung ausgeführt hat (§ 25 c Nr. 3 MinöStG). Es ist nicht erforderlich, dass die Klägerin ausschließlich als Betrieb der Land- und Forstwirtschaft i.S.d. § 25 c MinöStG tätig ist. Durch die Verwendung des Wortes "soweit" in § 25 c Nr. 3 MinöStG hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass auch einzelne abgrenzbare Tätigkeiten sonstiger Betriebe als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gelten können. Eine Förderung der Klägerin ist daher auch dann möglich, wenn sie nach ihrer wesentlichen Tätigkeit ein Betrieb ist, der landwirtschaftliche Erzeugnisse aus zugekauften Produkten durch Weiterverarbeitung herstellt.

a) Die Klägerin führt Arbeiten zur Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse durch Bodenbewirtschaftung i.S.d. § 25 b Abs. 1 MinöStG aus, da die Ein- und Auslagerung von Kartoffeln nach erfolgter Ernte einschließlich der Beseitigung bei der Aufbereitung und Sortierung zur Speiseware anfallender Beimengungen zu den Arbeiten zur Gewinnung von Kartoffeln gehört. Die Gewinnung der Kartoffeln endet nicht bereits mit der Ernte der Rohware, denn die von der Klägerin angenommene und durchschnittlich 10 - 12 % Beimengungen enthaltende Rohware selbst ist noch kein pflanzliches Erzeugnis i.S.d. § 25 b Abs. 1 Satz 1 MinöStG. Erst wenn die Kartoffeln in vermarktungsfähigem Zustand bereitgestellt sind, kann davon gesprochen werden, dass diese "gewonnen" sind. Nur für diese Kartoffeln erhält der jeweilige Erzeuger sein Entgelt. Demzufolge ermittelt die Klägerin den Kaufpreis für den jeweiligen Erzeugerbetrieb (Erzeugerpreis) nicht nach der Rohware, sondern nach dem Speisekartoffelanteil der Rohware. Das Ein- und Auslagern sowie die nachfolgende Aufbereitung der Kartoffeln durch Entfernen der Beimengungen und die damit zusammenhängenden Arbeiten sind daher noch als Arbeiten zur Gewinnung der pflanzlichen Erzeugnisse anzusehen (vgl. Anhang B der 6. EWG-RL 77/388, wonach die Lagerung landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu den landwirtschaftlichen Dienstleistungen gehört, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen).

Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass der Gesetzgeber im Wege der Fiktion die Beförderung von im eigenen Betrieb gewonnenen Erzeugnissen durch den Betrieb der Gewinnung der Erzeugnisse gleichgestellt hat (§ 25 b Abs. 3 Nr. 1 MinöStG), da von dieser Erweiterung des Anwendungsbereiches die Beförderungen betroffen sind, die zeitlich nach der Gewinnung der Erzeugnisse anfallen. Die Beförderungen, die zur Gewinnung der Erzeugnisse selbst erforderlich sind, sind bereits nach § 25 b Abs. 1 MinöStG vergütungsfähig.

Selbst wenn diese Einlagerungs- und Auslagerungsarbeiten als Beförderung von im eigenen Betrieb gewonnenen Erzeugnissen i.S.d. § 25 b Abs. 3 Nr. 1 MinöStG anzusehen ist, und dem zufolge die von der Klägerin ausgeführten Arbeiten nicht bereits nach § 25 b Abs. 1 MinöStG vergütungsfähig sind, handelt es sich um eine vergütungsfähige Tätigkeit: Die Ausführung der Beförderungsarbeiten durch die Klägerin ist als Ausführung der Beförderungsarbeiten durch den eigenen Betrieb anzusehen. Der Gesetzgeber hat die Genossenschaften und Maschinengemeinschaften in den Kreis der Vergütungsberechtigten aufgenommen, deren Zweck in der Förderung des Erwerbes oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs besteht (§ 1 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften). Regelmäßig gliedern Betriebe i.S.d. § 25 Nr. 1 MinöStG Teile ihres Betriebsablaufes in Genossenschaften aus. Es stellt keinen eine unterschiedliche Sachbehandlung rechtfertigenden Unterschied dar, ob die Beförderungsarbeiten durch den Betrieb selbst oder durch die Genossenschaft erfolgt. Daher ist es nicht nachvollziehbar, dass die Erweiterung des Kreises der Begünstigten durch § 25 c Nr. 3 MinöStG nunmehr durch § 25 b Abs. 3 Nr. 1 MinöStG wieder eingeschränkt werden soll, zumal § 25 c Nr. 3 MinöStG eine solche Einschränkung nicht enthält. Die Beförderung der Erzeugnisse durch Genossenschaften ist demzufolge eine "Beförderung von im eigenen Betrieb gewonnenen Erzeugnissen" (vgl. VGH Baden-Württemberg-Urteil vom 5. Oktober 1987, 7 S 1657/87 im Fall einer Maschinengemeinschaft).

b) Diese Tätigkeiten i.S.d. § 25 b Abs. 1 MinöStG hat die Klägerin als Genossenschaft für die Betriebe i.S.d. § 25 c Nr. 1 MinöStG ausgeführt (§ 25 c Nr. 3 MinöStG). Die Leistungen der Klägerin ersetzen Eigenleistungen der Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, die bei diesen selbst mineralölsteuervergütungsfähig sind. Ob die Einlagerung beim Erzeugerbetrieb selbst, bei einem Lagerhaltungsbetrieb oder bei dem verarbeitenden Betrieb im Auftrag des Erzeugers erfolgt, kann nach Sinn und Zweck des Gesetzes, die Landwirtschaft von Betriebskosten zu entlasten und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen land- und forstwirtschaftlichen Betriebe im Vergleich zu den anderen EU-Migliedsstaaten zu stärken (dazu Teichner in Teichner/Alexander/Reiche, MinöstG/StromStG, MinöStG Vorb Rn. 13 a; Bundestag-Drucksache 14/4218 vom 6. Oktober 2000, A.), keinen Grund für eine unterschiedliche Sachbehandlung darstellen. Denn die Subvention kommt den Erzeugerbetrieben im vorliegenden Falle durch geringere Entgelte für die Lagerung bzw. höhere Gewinnanteile ebenfalls zugute.

Die Klägerin hat diese Tätigkeiten aufgrund der mit den Erzeugern abgeschlossenen Dienstleistungsverträge ausgeführt. Der anliefernde Landwirt hat der Klägerin für die Einlagerung der Kartoffeln zunächst ein Entgelt für die Lagerung sowie für die zukünftige Aufbereitung und Sortierung zur Speiseware zu entrichten. Die Bezahlung der Kartoffeln durch die Klägerin hingegen erfolgt erst nach erfolgreicher Vermarktung durch diese. Bis dahin stand die gelagerte Rohware nach den abgeschlossenen Verträgen noch im Eigentum des anliefernden Landwirts. Die Klägerin hat die Lagerung daher nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchgeführt (dazu FG München-Urteil vom 10.11.2005, 14 K 4234/03, ZfZ 2006, 207). Anders als in dem vom FG München zu entscheidenden Fall werden die Kartoffeln nicht an die Klägerin verkauft und übereignet, sondern bleiben bis zur erfolgreichen Verwertung im Eigentum der Erzeuger. Diese zulässige und übliche rechtliche Gestaltung stellt auch keinen Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO dar, denn sie mindert für die Erzeuger Risiken im Falle einer Insolvenz der Klägerin.

Unzutreffend ist der Einwand des Beklagten, der Erzeuger habe ab dem Zeitpunkt der Übergabe an die Klägerin keinerlei Zugriffsrecht mehr auf seine erzeugten Kartoffeln, da im Betrieb eine Vermischung der Kartoffeln der einzelnen Erzeuger stattfinde: Im Falle der Vermischung der Kartoffeln verschiedener Erzeuger fällt das Eigentum nicht der Klägerin zu, sondern die bisherigen Eigentümer werden an der Gesamtmenge der Kartoffeln Miteigentümer (§ 948 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 947 Abs. 1 BGB). Ihre Eigentumsrechte verlieren die Miteigentümer erst aufgrund der mit ihrem Einverständnis erfolgten Weiterveräußerung an Groß- oder Einzelhändler (§§ 929, 185 BGB) oder aufgrund der Verarbeitung durch die Klägerin (§ 950 BGB). Zeitlich erfolgen diese Vorgänge jedoch erst nach den für die Erzeuger durchgeführten Einlagerungs- und Auslagerungstätigkeiten.

2. Die Klägerin hat daher Anspruch Vergütung für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft für nachweislich versteuerte Gasöle, die sie in ihrem Ackerschlepper (§ 25 b Abs. 1 Nr. 1 MinöStG) und ihrem Dieselgabelstapler als beweglicher Arbeitsmaschine (§ 25 b Abs. 1 Nr. 2 MinöStG) verbraucht hat. Der Höhe nach hat der Beklagte nach Durchführung der Betriebsprüfung durch das Hauptzollamt keine Einwendungen gegen die Steueranmeldung der Klägerin geltend gemacht.

Unerheblich ist, dass die Klägerin entgegen § 47 a Abs. 5 Satz 1 MinöStV ihr Verwendungsbuch nicht nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck geführt hat. Dadurch, dass der Beklagte der Steueranmeldung der Klägerin nach Vorlage des Verwendungsbuches zunächst ohne Einschränkung zugestimmt hat, hat er zugleich nach § 47 a Abs. 5 MinöStV die Verwendung anderer Aufzeichnungen zugelassen, denn der von der Klägerin geführte Verwendungsnachweis enthält alle der in § 47 a Abs. 5 MinöStV geforderten Angaben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war nicht nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären, da sich weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus den beigezogenen Steuerakten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Prozessbevollmächtigte bereits im Vorverfahren tätig war. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind.

Ende der Entscheidung

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