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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Sachsen
Urteil verkündet am 12.11.2008
Aktenzeichen: 8 K 1919/05 (Kg)
Rechtsgebiete: EStG, GG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4
GG Art. 1
GG Art. 6 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Finanzrechtsstreit

...

hat der 8. Senat

unter Mitwirkung

des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht,

des Richters am Finanzgericht

und

des Richters am Finanzgericht

sowie

der ehrenamtlichen Richter Herr und Frau

auf Grund mündlicher Verhandlung

in der Sitzung vom 12.11.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Klägerin werden die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob ein volljähriges Kind, das seinen Grundwehrdienst leistet, kindergeldrechtlich zu berücksichtigen ist.

Der am 14.09.1986 geborene Sohn der Klägerin S. leistete ab dem 01.10.2004 den neunmonatigen Grundwehrdienst mit anschließendem freiwilligem zusätzlichem Wehrdienst. Am 27.07.2005 beantragte die Klägerin Kindergeld für ihren Sohn ab Oktober 2004. Mit Bescheid vom 25.08.2005 lehnte die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld für S. für den Zeitraum Oktober 2004 bis Juli 2005 ab. Den dagegen am 20.09.2005 eingelegten Einspruch wies die Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 27.09.2005 als unbegründet zurück.

Am 19.10.2005 hat die Klägerin Klage erhoben.

Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung außer Acht gelassen, dass das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 11.01.2005 II BvR 167/02 eine Schlechterstellung von Eltern mit Kindern, die eigene Einkünfte erzielten, für verfassungswidrig erklärt habe. Der vom Sohn der Klägerin bezogene Wehrsold führe nicht dazu, dass die Unterhaltspflicht der Klägerin entfalle. Der Sohn wohne bei der Klägerin und erhalte von ihr insbesondere an den Wochenenden Naturalunterhalt. Zusätzlich leiste die Klägerin Barunterhalt, da der Wehrsold einschließlich der gewährten Mobilitätszulage nicht annähernd ausreiche, um die Fahrtkosten des Sohnes der Klägerin von zu Hause zu seinem Standort abzudecken. Hin- und Rückfahrt ergäben eine Strecke von ca. 1.100 km.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25.08.2005 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 27.09.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Oktober 2004 Kindergeld zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Der angefochtene Ablehnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung (entsprechend § 44 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -) ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 101 FGO). Die Klägerin hat in den Streitmonaten keinen Anspruch auf Kindergeld für ihren Sohn S..

Wer im Inland einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, hat Anspruch auf Kindergeld für Kinder, die im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandt sind (§ 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz - EStG -). Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 und § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG gilt das für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, aber nur, wenn es einen der von der Vorschrift enummerativ aufgezählten Berücksichtigungstatbestände erfüllt. Die Ableistung von Wehrdienst erfüllt keinen Berücksichtigungstatbestand im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Nichtberücksichtigung von wehrdienstleistenden Kindern nicht verfassungswidrig.

Der Gesetzgeber trägt trotz des Ausschlusses der Wehr- und Zivildienstleistenden aus dem Katalog des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG dem Gebot der Verschonung des Familienexistenzminimums gemäß Art. 1, Art. 20 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz - GG - hinreichend Rechnung. Er hat eine Typisierung vorgenommen, in welchen Fällen in der Regel steuerlich zu berücksichtigende Unterhaltslasten bei den Eltern entstehen, die im Rahmen des Familienleistungsausgleiches berücksichtigt werden sollen. Soweit in den nicht erfassten Fällen gleichwohl Unterhaltspflichten gegeben sind, besteht die Möglichkeit, solche Unterhaltslasten als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 a Abs. 1 EStG geltend zu machen. Diese Vorschrift berücksichtigt gerade die Fälle, in denen weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag gemäß § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld haben.

Die unterschiedliche steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltsaufwendungen verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 a GG. Wehr- und Zivildienstleistende erhalten eine einheitliche und umfängliche Besoldung, bestehend aus Leistungen nach dem Wehrsoldgesetz, insbesondere Wehrsold, Verpflegung und Unterbringung, Dienstbekleidung, Heilfürsorge, besondere Zuwendungen und Entlassungsgeld, und gegebenenfalls Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs nach dem Unterhaltssicherungsgesetz. Zudem steht ihnen ein Bahnberechtigungsschein zu, mit dem Familienheimfahrten mit der Bahn in der 2. Klasse kostenlos sind und der zu einer Ermäßigung von 25 v.H. bei allen anderen Bahnfahrten berechtigt. Bei der notwendigen Typisierung im Rahmen der Festlegung des Katalogs in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG durfte der Gesetzgeber diesen Unterschieden in der genannten Weise Rechnung tragen. Der Gesetzgeber durfte eine vergröbernde, die Abwicklung von Masseverfahren erleichternde Typisierung vornehmen, die einerseits einen ungerechtfertigten Ausschluss von Kindern aus dem Familienleistungsausgleich vermeidet, andererseits einfach zu handhabende Regelungen zur Abgrenzung der Gruppen trifft, die in den Familienausgleich einbezogen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Mai 2003 VIII B 248/02, BFH/NV 2003, 1182 und BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 29.03.2004 2 BvR 1670/01 und 2 BvR 1340/01, HFR 2004, 694).

Auch aus dem von der Klägerin angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.2005 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164, lässt sich nicht anderes herleiten. Im Gegenteil: Das Bundesverfassungsgericht weist in dieser Entscheidung ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Trennung zwischen der Grundentscheidung über einen Ausgleich geringerer finanzieller Leistungsfähigkeit unterhaltspflichtiger Eltern einerseits und der Folgeentscheidung über eine sachgerechte Begrenzung entsprechender Ansprüche der Unterhaltsverpflichteten bei anderweitiger Entlastung andererseits hin. Bei der Grundentscheidung wird im steuerlichen Massenverfahren eine pauschalierende Bewertung von Unterhaltsaufwendungen in verschiedenen und auch unterschiedlich gestalteten Lebensphasen der Kinder für zulässig angesehen. Erst bei der Folgeentscheidung, wann ein dem Grunde nach bestehender Kindergeldanspruch auf Grund eigener Einkünfte und Bezüge des Kindes entfällt, ist aus Gründen der Gleichbehandlung konkret auf die verfügbaren Mittel des Kindes abzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

Die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil kann durch Beschwerde angefochten werden.

Ende der Entscheidung

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