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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: 1 K 75/07
Rechtsgebiete: AO, EStG, FGO


Vorschriften:

AO § 37 Abs. 2
AO § 44 Abs. 1
EStG § 26
EStG § 26 Abs. 1
EStG § 26 b
FGO § 100 Abs. 1 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Schleswig-Holstein

1 K 75/07

Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts

am 21. Februar 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die personelle Zuordnung von Vorauszahlungen zur Einkommensteuer (ESt) 2004.

Die Klägerin (geborene A) ist seit Anfang 2002 mit Herrn ... (nachfolgend B) verheiratet und wurde mit ihm im Streitjahr zusammen zur ESt veranlagt. Über das Vermögen des Herrn B ist ein Insolvenzverfahren anhängig, welches im Jahre 2002 beim Amtsgericht eingetragen und am 1. Mai 2003 eröffnet wurde. Es ist am Tag der mündlichen Verhandlung noch nicht beendet. Der Insolvenzverwalter des B ist der obsiegende Einspruchsführer im Abrechnungsstreit über das ESt-Guthaben 2004. Er ist zum Verfahren beigeladen. Im Einzelnen stellt sich der Sachverhalt betreffend die Vorauszahlungen nach Aktenlage wie folgt dar:

Der Beklagte - das Finanzamt (FA) - erließ gegenüber der Klägerin unter ihrem Geburtsnamen und der vorehelich vergebenen Steuernummer 1 am 29. November 2002 einen Vorauszahlungsbescheid, in welchem er sie für 2003 zur quartalsweisen Leistung von jeweils 19.668 EUR ESt-Vorauszahlung sowie 1.081,74 EUR Vorauszahlung zum Solidaritätszuschlag, insgesamt 20.749,74 EUR aufforderte. Ab dem Veranlagungszeitraum 2002 wählten die Eheleute die Zusammenveranlagung. Diese erfolgte zunächst unter der gemeinsamen Steuernummer 2. Mit Schreiben vom 14. November 2003 teilte die Steuerberaterin dem FA im Namen der Eheleute unter Angabe der vorgenannten Steuernummer u.a. Folgendes mit:

"die bisher geleisteten VRZ übersteigen bereits die zu erwartende Steuer für 2003. Ich bitte deshalb die VRZ zum 10.12.2003 auf Null festzusetzen".

Dem Schreiben war eine überschlägliche Berechnung des zu versteuernden Einkommens der Eheleute für 2003 beigefügt. Nach dem Inhalt eines bei den Akten befindlichen Computerausdrucks erließ das FA am 2. April 2004 gegenüber den Eheleuten unter der Steuernummer 3 einen Vorauszahlungsbescheid zur ESt und zum Solidaritätszuschlag 2004 über 20.749,79 EUR pro Quartal. Nach dem Inhalt des Ausdrucks war dem FA bei Erlass des Vorauszahlungsbescheides das laufende Insolvenzverfahren bekannt. Die Klägerin leistete unter Angabe der vorgenannten Steuernummer für die Quartale I - IV 2004 jeweils insgesamt 20.749,74 EUR Vorauszahlungen. Sie gab als Verwendungszweck ESt und Soli an. Am 4. August 2006 erging auf Antrag des Beigeladenen ein Abrechnungsbescheid zur ESt 2004, in welchem das FA die ESt-Vorauszahlungen der Klägerin zurechnete. Hiergegen erhob der Beigeladene am 18. August 2006 Einspruch. Er machte geltend, die Vorauszahlungen seien mangels anderweitiger Tilgungsbestimmung für Rechnung beider Ehegatten gezahlt worden, so dass eine Aufteilung des Guthabens nach Kopfteilen zu erfolgen habe. Das FA zog die Klägerin zum Einspruchsverfahren hinzu. Mit Einspruchsentscheidung vom 7. Februar 2007 teilte es das ursprünglich der Klägerin zugewiesene Guthaben in Höhe von 26.324,32 EUR hälftig auf die Klägerin und den Beigeladenen auf.

Mit der am 8. März 2007 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend:

Unter den vorliegenden Umständen hätte das FA unschwer erkennen können, dass sie ausschließlich für eigene Rechnung habe leisten wollen. An einer Zahlung auch für Rechnung ihres Gatten habe schon mit Rücksicht auf dessen negative Einkünfte und das ihm gegenüber laufende Insolvenzverfahren keinerlei Interesse bestanden. Auf Zumutbarkeitserwägungen komme es nicht an, wenn - wie hier - eine eindeutige Interessenlage und damit auch ein eindeutiger Erklärungswert vorliege.

Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens ergingen am 2. Januar 2008 ein geänderter ESt-Bescheid 2004 und ein entsprechend geänderter Abrechnungsbescheid zur ESt 2004.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

den geänderten Abrechnungsbescheid zur ESt 2004 vom 2. Januar 2008 mit der Maßgabe zu ändern, dass die geleisteten Vorauszahlungen zur ESt und zum Solidaritätszuschlag 2004 über 20.749,74 EUR pro Quartal ausschließlich ihr zuzurechnen sind.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Den Zahlungsbelegen der Klägerin sei ein Wille dahingehend, dass sie lediglich für eigene Rechnung habe leisten wollen, nicht zu entnehmen. Auf die wirtschaftliche Interessenlage komme es nicht an, weil diese für die Finanzbehörde regelmäßig nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit erkennbar sei und eine Nachforschungspflicht grundsätzlich nicht bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der beigezogenen Steuerakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Klägerin steht der begehrte Erstattungsanspruch nicht zu.

Nach § 37 Abs. 2 AO ist erstattungsberechtigt derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Das ist nicht derjenige, auf dessen Kosten die Zahlung erfolgt ist. Es kommt also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte. Dies gilt auch für den Fall, dass mehrere Personen als Gesamtschuldner die überzahlte Steuer schuldeten, wie es bei zusammen veranlagten Ehegatten hinsichtlich der Einkommensteuer und der daran anknüpfenden Steuern der Fall ist (§ 26 b EStG, § 44 Abs. 1 AO). Auch hier steht der Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. In Ermangelung entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen kann allerdings das FA als Zahlungsempfänger, solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben, was nach § 26 Abs. 1 EStG Voraussetzung für die Zusammenveranlagung ist, davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will. Soweit also im Zeitpunkt der Zahlung Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen, ist davon auszugehen, dass die Zahlung der Einkommensteuer auf Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist. Das hat zur Folge, dass beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist dann zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen (vgl. BFH, Urteil vom 15. November 2005 VII R 16/05, BStBl II 2006, 453 mit weiteren Nachweisen).

Nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Indizien geht der Senat davon aus, dass nach dem objektiven Empfängerhorizont keine zureichenden Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Klägerin ausschließlich für eigene Rechnung hat leisten wollen. Die Klägerin ist antragsgemäß ab dem Jahre 2002 zusammen mit B zur ESt veranlagt worden und hat die streitigen Vorauszahlungen für 2004 - abweichend von der Praxis des Jahres 2003 - unter einer beiden Ehegatten gemeinsam vergebenen Steuernummer (3) geleistet.

Bei dieser Ausgangslage durfte das FA in berechtigter Weise davon ausgehen, dass für Rechnung beider Gatten geleistet wurde. Eine andere Beurteilung ist hier auch nicht aufgrund der wirtschaftlichen Interessenlage der Klägerin angebracht. Ob sich die Einkommensverhältnisse des aktuellen Veranlagungszeitraums im Vergleich zu dem Veranlagungszeitraum, auf dem die Festsetzung der Vorauszahlungen beruht, in einer Weise verändert haben, dass die Leistung der Steuervorauszahlungen voraussichtlich zu einem Steuererstattungsanspruch führen wird, und ob sich die hälftige Aufteilung des möglichen Erstattungsanspruchs aufgrund besonderer Umstände wirtschaftlich nachteilig für die Eheleute auswirken könnte oder aus sonstigen Gründen eine unerwünschte Folge wäre, ist vorrangig von den Eheleuten selbst zu beurteilen. Um derartige nachteilige bzw. unerwünschte Folgen zu vermeiden, bedarf es lediglich eines Hinweises an das FA im Zeitpunkt der Leistung der Steuervorauszahlung, auf wessen Rechnung diese Zahlung bewirkt werden soll. Dieser Hinweis auf eine bestehende bestimmte Tilgungsabsicht ist den Eheleuten eher zuzumuten, als es dem FA zumutbar wäre, einen mutmaßlichen Tilgungswillen des kommentarlos auf die gemeinsame Steuerschuld zahlenden Ehegatten zu ermitteln (BFH, BStBl II 2006, 453, 455) .

Eine andere Beurteilung ist hier auch nicht vor dem Hintergrund der dem FA bekannten Insolvenz des B gerechtfertigt. Es besteht kein allgemeingültiger Erfahrungssatz dahingehend, dass in einer solchen Situation trotz bewusst gewählter Zusammenveranlagung Vorauszahlungen stets nur für Rechnung des nicht insolventen Ehegatten gewollt sind. Die Klägerin hat wegen der hohen Verluste des B durch die Wahl der Zusammenveranlagung erhebliche Steuervorteile erlangt. Der beigeladene Insolvenzverwalter hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass er wegen seiner Zustimmung zur Zusammenveranlagung erwartet hätte, dass diese einen angemessenen Anteil des Vorteils an ihn auskehre. Dieser Umstand zeigt, dass die Insolvenz des Ehepartners in steuerlicher Hinsicht nicht automatisch von Nachteil ist. Deshalb und weil die Vorauszahlungen auch im Rahmen einer mit dem Insolvenzverwalter getroffenen Teilungsvereinbarung hätten geleistet sein und/oder in einer Weise hätten berechnet sein können, dass kein Erstattungsanspruch entsteht, muss eine Vorauszahlung für Rechnung beider Ehegatten auch im Insolvenzfalle nicht zwangsläufig interessewidrig sein. Es besteht daher weder ein konkludenter Erklärungswert, dass allein für Rechnung des nicht insolventen Ehepartners geleistet wird, noch kann eine Pflicht des FA zur Nachfrage nach der konkreten Tilgungsabsicht angenommen werden. Dies gilt hier umso mehr, als die Klägerin im Zahlungszeitpunkt steuerlich beraten war.

Nach allem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen. Der Beigeladene hat von einer Antragstellung abgesehen und ist deshalb kein Kostenrisiko eingegangen, § 135 Abs. 3 FGO. Vor diesem Hintergrund erachtet der Senat es für nicht für sachgerecht, seine außergerichtlichen Kosten der Klägerin aufzuerlegen, § 139 Abs. 4 FGO.

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung über für die Zuordnung von Vorauszahlungen im Falle einer dem FA bekannten Insolvenz eines Ehegatten vorliegt.

Ende der Entscheidung

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