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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 25.10.2007
Aktenzeichen: 3 K 214/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Schleswig-Holstein

3 K 214/06

Einkommensteuer 2003 und 2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts

am 25. Oktober 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 06. September 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. September 2006 wird dergestalt geändert, dass die Einkommensteuer auf 4.478 EUR festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Einordnung von Fahrtkosten.

Der Kläger ist als Musiker bei der Theater GmbH angestellt. Der Kläger ist für das Sinfonieorchester tätig, welches seinen Sitz in A hat. Dort finden neben Aufführungen auch sämtliche Proben statt. Die Theater GmbH hat ihren Sitz in B. Sie betreibt Theater in A, B und C.

Der Kläger wohnt in A. In seiner Einkommensteuererklärung 2003 vom 23. Februar 2004 gab er als Werbungskosten bei seiner Tätigkeit für die Theater GmbH 210 Fahrten zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeitsstätte in A zu jeweils 7 Entfernungskilometern an. Daneben machte er Dienstreisen für 17 Fahrten mit dem eigenen Pkw nach B zu Aufführungen des Orchesters mit jeweils 70 gefahrenen km, 21 Fahrten mit dem eigenen Pkw nach C zu Aufführungen des Orchesters mit jeweils 130 gefahrenen km und 3 Fahrten mit dem eigenen Pkw zu Aufführungen des Orchesters in D mit jeweils gefahrenen 190 km geltend. Der Kläger wurde insoweit mit Bescheid vom 16. Juni 2004 erklärungsgemäß veranlagt. Dieser Bescheid stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

In seiner Einkommensteuererklärung 2004 vom 03. Mai 2005 gab der Kläger als Werbungskosten bei seiner Tätigkeit für die Theater GmbH 230 Fahrten mit 7 Entfernungskilometern als Fahrten zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte in A an. Ferner listete der Kläger als Dienstfahrten 31 Fahrten mit dem eigenen Pkw zu Aufführungen des Orchesters in B mit jeweils 70 gefahrenen km, 19 Fahrten mit dem eigenen Pkw zu Aufführungen des Orchesters in C mit jeweils gefahrenen 130 km und 2 Fahrten mit dem eigenen Pkw zu Aufführungen des Orchesters in E mit jeweils gefahrenen 190 km auf.

Mit Bescheid vom 06. September 2005 wurde der Einkommensteuerbescheid 2003 vom 16. Juni 2004 unter anderem dergestalt geändert, dass die Fahrten des Klägers mit dem eigenen Pkw zu Aufführungen des Orchesters in C und B als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte berücksichtigt wurden; entsprechend wurde mit Bescheid vom 06. September 2005 bei der Veranlagung für das Jahr 2004 verfahren, wobei 32 Fahrten nach B und 18 Fahrten nach C berücksichtigt wurden. Die Theater in B und C seien als weitere regelmäßige Arbeitsstätten des Klägers einzustufen.

Der Kläger legte gegen diese Bescheide am 16. September 2005 Einspruch ein, den er - soweit hier noch erheblich - damit begründete, dass seine Fahrten mit dem eigenen Pkw zu Orchesteraufführungen in C und B als Dienstfahrten anzusehen seien. A sei der ortsgebundene Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit als Orchestermusiker. Dort sei der Sitz des Orchesters und A sei deshalb seine regelmäßige Arbeitsstätte. In B und C seien nur in Form von sogenannten Abstecherfahrten vorübergehende Auswärtstätigkeiten vorgenommen worden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 06. September 2006 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Die Einkommensteuer wurde unter Änderung der angefochtenen Verwaltungsakte für das Jahr 2003 auf 5.244 EUR und für das Jahr 2004 auf 4.481 EUR festgesetzt. Die Änderung der Steuerfestsetzungen ergab sich aus aus im Klageverfahren nicht mehr streitgegenständlichen Punkten. Hinsichtlich der Behandlung der Fahrten des Klägers nach C und B hielt der Beklagte an seiner Auffassung fest, dass diese nach den Grundsätzen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu berücksichtigen seien.

Der Kläger hat am 09. Oktober 2006 Klage erhoben. A sei der Sitz des Sinfonieorchesters. Dort fänden die Proben statt, sowie ein Großteil der Aufführungen. Um es den Orchestermitgliedern zu ermöglichen, an Aufführungen in anderen Städten teilzunehmen, u.a. in B und C, biete der Arbeitgeber die Benutzung eines Busses an. Dieses Angebot habe der Kläger nicht wahrgenommen, weil er mit einer direkten Fahrt mit dem eigenen Pkw die Fahrzeit erheblich verkürzen könne. Der Kläger sei zum Großteil in A tätig und suche nur vereinzelt andere Orte auf, um dort mit dem Orchester zu spielen. 2003 seien von 251 Arbeitseinsätzen 17 in B (6,77%), 21 in C (8,37%) und 3 in D (1,2%) getätigt worden. In 2004 sei es bei 281 Arbeitseinsätzen zu 31 in B (11,03%), 19 in C (6,76%) und 1 in E (0,036%) gekommen. In diese Berechnungen seien die Proben in A miteinzubeziehen, weil diese wesentlicher Bestandteil der Arbeitsleistung und entscheidend für den Erfolg der Aufführungen seien. Die auswärtige Tätigkeit mache zusammengerechnet sowohl in 2003 als auch in 2004 weniger als 1/5 der Tätigkeit aus. Der Spielplan des Orchesters sei langfristig festgelegt. In der Vergangenheit seien die geltend gemachten Fahrten vom Beklagten wie beantragt nach Dienstreisegrundsätzen behandelt worden und bei Kollegen sei dies nach wie vor der Fall. Nach den Aufführungen in B und C sei er wieder zurück nach A zu seiner Wohnung gefahren.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuerbescheide für 2003 und 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. September 2006 dahingehend zu ändern, dass die Fahrten nach B und C nach Dienstreisegrundsätzen berücksichtigt werden,

hilfsweise,

den Einkommensteuerbescheid 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. September 2006 dergestalt zu ändern, dass 31 Fahrten nach B und 19 Fahrten nach C als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung Bezug und verweist ergänzend im Wesentlichen darauf, dass der Kläger im Jahre 2000 23-mal zu Aufführungen nach B und 25-mal zu Aufführungen nach C gefahren sei. Auch in den Jahren 2001 und 2002 sei es hochgerechnet zu jeweils 20 Fahrten nach B und C gekommen. Im Jahre 2005 habe der Kläger 20 Fahrten nach B und 15 nach C geltend gemacht. Die Bühnen in C und B seien regelmäßige Aufführungsorte und stellten für den Kläger neben A den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit dar. Die Vorstellungen stellten die Hauptarbeit des Orchesters dar, deshalb seien lediglich die einzelnen Vorstellungen an den Aufführungsorten zueinander ins Verhältnis zu setzen. Dienstreisen hafte regelmäßig ein Moment des Unvorhersehbaren und Unregelmäßigen an. Dies sei bei den Fahrten des Klägers nicht der Fall gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Akten des Beklagten (Einkommensteuerakten, Rechtsbehelfsakte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie ist mit dem Hauptantrag unbegründet (1) und dem Hilfsantrag begründet (2).

(1) Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 2003 und 2004 vom 06. September 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. September 2006 sind rechtmäßig, soweit der Beklagte die Fahrten des Klägers mit dem Pkw nach C und B zu Aufführungen seines Orchesters nicht als Dienstfahrten, sondern als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in den maßgeblichen Fassungen 2003 und 2004 berücksichtigt hat.

Arbeitsstätte im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist nur die regelmäßige Arbeitsstätte. Dies ist der (ortsgebundene) Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers. Regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne dieser Vorschrift ist im Regelfall der Betrieb oder eine ortsfeste Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nachhaltig aufsucht. Dabei ist es nicht von Belang, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer an dieser Arbeitsstätte beruflich tätig wird. Ein Arbeitnehmer kann daher auch mehrere Arbeitsstätten innehaben, wenn er sie nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit aufsucht (vgl. BFH-Urteile vom 09. Dezember 1988 VI R 199/84, BFHE 155, 362, BStBl II 1989, 296;vom 07. Juni 2002 VI R 53/01, BFHE 199, 329, BStBl II 2002, 878 undvom 11. Mai 2005, VI R 15/04, BStBl II 2005, 788).

Daran gemessen stellen die Theater in C und B, die der Kläger zu den Aufführungen seines Orchesters aufgesucht hat, regelmäßige Arbeitsstätten im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG dar. Die Theater in C und B werden vom Arbeitgeber des Klägers betrieben und sind dessen ortsfeste Betriebsstätten. An ihnen finden neben Theatervorführungen auch regelmäßig Aufführungen des Sinfonieorchesters statt. Der Kläger ist arbeitsvertraglich verpflichtet - was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist - an den Aufführungen seines Orchesters in C und B teilzunehmen. Entgegen der Auffassung des Klägers hat er in den Streitjahren die Betriebsstätten in C und B auch mit der erforderlichen Nachhaltigkeit aufgesucht. Der Kläger war - jeweils übers Jahr verteilt - 2003 17-mal und 2004 31-mal zu Konzerten in B. In C war er 2003 21-mal und 2004 19-mal mit seinem Orchesters tätig. Die Anzahl der Tätigkeiten reicht jeweils aus, um von einer gewissen Nachhaltigkeit auszugehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Theater in C und B neben A die regelmäßigen - festen - Spielstätten des Orchesters des Klägers sind, die in den Spielplan integriert sind und an denen jedenfalls die vom Orchester einstudierten Sinfoniekonzerte gleichgewichtig aufgeführt werden.

(2) Der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 06. September 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. September 2006 ist insoweit rechtswidrig, als die Einkommensteuer (mit 4.481 EUR) höher als 4.478 EUR festgesetzt worden ist.

Der Beklagte hat in diesem Bescheid - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - statt 31 Fahrten nach B und 19 Fahrten nach C unzutreffend 32 Fahrten nach B und 18 Fahrten nach C als Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte berücksichtigt. Aus der Aufstellung des Klägers zu seiner Einkommensteuererklärung 2004 ergibt sich aber, dass er 31 Fahrten nach B zu insgesamt 70 gefahrenen km und 19 Fahrten nach C zu insgesamt 130 gefahrenen km absolviert hat. Statt 336 EUR für 32 Fahrten nach B zu 35 Entfernungskilometern waren somit 325,50 EUR für 31 Fahrten nach B zu 35 Entfernungskilometern zu jeweils 30 Cent anzusetzen. Statt 351 EUR für 18 Fahrten nach C zu 65 Entfernungskilometern waren 370,50 EUR für 19 Fahrten nach C zu 65 Entfernungskilometern zu jeweils 30 Cent anzusetzen. Daraus ergibt sich eine Entfernungspauschale von insgesamt 1.041 EUR (anstelle von 1.032 EUR). Das zu versteuernde Einkommen verringert sich dementsprechend auf 22.026 EUR, woraus sich eine Einkommensteuer nach dem Grundtarif von 3.478 EUR ergibt. Zuzüglich Kindergeld von 924 EUR und Altersvorsorgezulage von 76 EUR ergibt sich demgemäß eine festzusetzende Einkommensteuer von 4.478 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, weil der Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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