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Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 15.04.2008
Aktenzeichen: 3 K 253/05
Rechtsgebiete: EStG, UmwG, HGB, AO


Vorschriften:

EStG § 17
EStG § 10 d Abs. 1 Satz 2
UmwG § 16
UmwG § 20
HGB § 25 Abs. 1
AO § 39 Abs. 2 Nr. 1
Die Übernahme von eigenkapitalersetzenden Bürgschaften und Darlehen für eine Gesellschaft, an der nur eine mittelbare Beteiligung besteht, führt nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten der unmittelbaren wesentlichen Beteiligung
Finanzgericht Schleswig-Holstein

3 K 253/05

Einkommensteuer 1995 und 1996,

In dem Rechtsstreit ...

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts

am 15. April 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe eines Verlustrücktrages.

Der Kläger ist verheiratet und beantragte in der Einkommensteuererklärung 1995 vom 28. April 1997 die Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau, in der Einkommensteuererklärung 1996 vom 28. April 1998 die getrennte Veranlagung. Am 31. Oktober 1997 erging der Einkommensteuerbescheid 1995 und am 14. Oktober 1998 der Einkommensteuerbescheid 1996. Beide Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und wurden mehrfach aus hier nicht streiterheblichen Gründen geändert. Am 14. Mai 2004 erließ der Beklagte weitere Einkommensteueränderungsbescheide 1995 und 1996. Diese Bescheide beinhalteten erstmals einen Verlustrücktrag aus dem Jahr 1997. Diesem Verlustrücktrag lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

In seiner Einkommensteuererklärung 1997 vom 25. März 1999 erklärte der Kläger unter anderem einen Verlust nach § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Kläger war zu 100% am Stammkapital der A GmbH, in X, (im Folgenden: A X) beteiligt, die wiederum 100% der Anteile am Stammkapital der A Y GmbH (in Y) (im Folgenden: A Y) hielt. Der Kläger war zugleich Geschäftsführer beider Gesellschaften. Mit notariellem Vertrag vom 05. Juni 1997 sollte die A Y im Wege der Verschmelzung auf die A X übertragen werden. Vor Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister wurde am 09. September 1997 das Gesamtvollstreckungsverfahren über die A Y eröffnet, am 06. Oktober 1997 das Konkursverfahren über das Vermögen der A X. In § 6 des Verschmelzungsvertrages war vorgesehen, dass die A Y ihren Geschäftsbetrieb bis zur wirksamen Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister an die A X verpachtet.

Der Kläger erklärte aufgrund dieser Vorgänge im Verwaltungsverfahren einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG in Höhe von insgesamt 3.176.526 DM. Der Verlust setzt sich wie folgt zusammen:

 Stammkapital 300.000,00 DM
fehlerhafte Einzahlung225.000,00 DM
Bürgschaften und Inanspruchnahme wegen Kontoüberziehung  
...bank410.424,61 DM
Sparkasse350.470,00 DM
...bank109.612,46 DM
Sparkasse2.934,71 DM
...bank1.150,15 DM
Gesellschafterdarlehen  
für die A X338.000,00 DM
für die A Y480.000,00 DM
Ablösung Bürgschaften  
...bank377.218,96 DM
D100.000,00 DM
D 130.377,58 x 30%39.113,27 DM
...50.000,00 DM
Verlust Pensionszusage 275.088,00 DM
Rechtsstreit ... gegen ...  
Vergleichssumme80.000,00 DM
Kosten Gegenanwalt16.061,40 DM
Kosten ...10.709,12 DM
Kosten ...5.970,06 DM
Kosten ...4.774,04 DM
Summe: 3.176.526,78 DM

Von diesen Aufwendungen erkannte der Beklagte nur diejenigen an, die im Zusammenhang mit der unmittelbaren Beteiligung des Klägers an der A X stehen. Hiervon wurden nur solche Aufwendungen berücksichtigt, die nach Auffassung des Beklagten ausreichend nachgewiesen wurden. Insgesamt führte dies zunächst zu einem Ansatz von Verlusten in Höhe von 581.301 DM. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

 Verlust der Gesellschafterdarlehen an die A X338.000,00 DM
Zahlungen an die Fa. D als Gegenleistung für die Übernahme von Bürgschaftsverpflichtungen100.000,00 DM
Inanspruchnahme Sparkasse für Bürgschaftsverpflichtungen143.301,00 DM
Summe: 581.301,00 DM

Durch die Berücksichtigung dieses Verlustes ergab sich für 1997 ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 247.914 DM. Hiervon wurde ein Anteil in Höhe von 95.351 DM in das Jahr 1995 und ein Anteil in Höhe von 152.563 DM in das Jahr 1996 zurückgetragen. Die Aufteilung des Verlustrücktrags auf die Jahre 1995 und 1996 wurde im Verhältnis des beantragten Verlustrücktrages in der Einkommensteuererklärung 1997 durchgeführt.

Der Kläger erhob am 02. Juni 2004 Einsprüche gegen die Änderungsbescheide vom 14. Mai 2004 und begehrte einen Verlustrücktrag aus 1997 in beantragter Höhe. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Auflösung der A Y im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen seien. Zum einen sei im Rahmen des Verschmelzungsvertrages die Betriebsverpachtung der A Y an die A X bis zur endgültigen Eintragung der zivilrechtlichen Verschmelzung im Handelsregister geregelt worden. Durch diese Verpachtung sei es zu einer gesetzlichen Schuldübernahme nach § 25 des Handelsgesetzbuches (HGB) gekommen. Mithin seien sämtliche Gesellschafterdarlehen und Gesellschafterbürgschaften, die der Kläger der A Y gegeben habe, mit Verpachtung des Unternehmens Schulden der A X geworden. Zum anderen habe der Kläger seine Aufwendungen für die A Y nur getragen, weil er über die A X zu 100% an dieser Gesellschaft beteiligt gewesen sei. Dies ergebe sich auch aus der Präambel der jeweiligen Darlehensverträge. Die Gewährung der Darlehen an die A Y sei als abgekürzter Zahlungsweg zu verstehen. Wirtschaftlich gesehen habe der Kläger der A X die Mittel zugewendet und diese habe sie dann der A Y zukommen lassen.

Mit Bescheiden vom 01. September 2005 wurden die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 nochmals geändert. Der Beklagte berücksichtigte weitere 225.000 DM (fehlerhafte Einzahlung auf das Stammkapital) im Wege des Verlustrücktrages, davon 86.538 DM im Jahr 1995 und 138.462 DM im Jahr 1996.

Mit Einspruchsentscheidung vom 02. September 2005 wurden die Einsprüche des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Bescheiden vom 09. Mai 2006 wurden die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 nochmals aus hier nicht streiterheblichen Gründen geändert. Die Einkommensteuer 1995 wurde auf ... und die Einkommensteuer 1996 wurde auf ... festgesetzt.

Der Kläger hat am 05. Oktober 2005 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass es im Jahr 1996 bei der A Y zu einer existenzbedrohenden Krise gekommen sei, weil eine Forderung in Höhe von 1.000.000 DM nicht bezahlt worden sei. Es seien Mittel nötig gewesen, um die A Y fortführen zu können. Mit einem Forderungsausfall in Höhe von 1.000.000 DM sei die Gesellschaft sofort zahlungsunfähig und gesamtvollstreckungsnotwendig gewesen. Aus diesem Grunde habe sich die Geschäftsleistung der A Y an die alleinige Gesellschafterin A X gewandt. Diese habe sich wiederum an den Kläger gehalten. Im Herbst 1996 seien dann eigenkapitalersetzende Darlehen in der Eigenschaft als Gesellschafter der A X an die A Y gegeben worden. Es handele sich insofern um eine Abkürzung des Zahlungsweges, weil die Darlehen zunächst an die A X hätten gegeben werden müssen, damit diese sie wiederum an die A Y weitergebe. Weil hier jedoch eine hundertprozentige Beteiligungsidentität gegeben sei, seien diese Darlehenshingaben als so genannte krisenbestimmte Darlehen dem Kläger unmittelbar zuzurechnen. Aufgrund von Verrechnungskonten zwischen den Gesellschaften habe sich die Krise der A Y auch auf die A X ausgewirkt, die deshalb zu einer Unterstützung dieser Gesellschaft verpflichtet gewesen sei.

Hinzu komme, dass im Frühjahr 1997 die Verschmelzung der Gesellschaften notariell beurkundet worden sei. Mit der Beurkundung sei auch der Geschäftsbetrieb der A Y an die A X verpachtet worden und de facto seien alle Vermögensgegenstände und alle Schulden der A X zuzurechnen. Der Beklagte verkenne, dass damit wirtschaftlich und faktisch die eigenkapitalersetzenden Darlehen solche der A X geworden seien. Dies ergebe sich aus § 25 HGB. § 17 EStG sei im Übrigen dahin zu interpretieren, dass die Verluste des Klägers ihm auf der persönlichen Einkommensteuerebene zuzurechnen seien, weil er dem Umfang nach gehaftet habe wie ein Einzelunternehmer, indem er eigenkapitalersetzende Darlehen und eigenkapitalersetzende Bürgschaften gegeben habe. Weiterhin lasse die Argumentationsweise des Finanzamtes den Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigentums außer Betracht. Das Finanzgericht Köln habe in einer vergleichbaren Fallgestaltung mit Urteil vom 24. August 2006 entschieden (10 K 4703/02, EFG 2006, 1837), dass für die Geltendmachung von Verlusten aus § 17 EStG auch eine mittelbare Beteiligung ausreiche. Die dagegen eingelegte Revision sei noch beim Bundesfinanzhof anhängig (IX R 78/06). Es sei sinnvoll, den Ausgang dieses Revisionsverfahrens abzuwarten.

Nach Abzug der Pensionszusage in Höhe von 275.088 DM ergebe sich ein noch anzuerkennender Verlust für die Jahre 1995 und 1996 in Höhe von 2.095.137,78 DM.

Der Kläger beantragt

das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das vor dem Bundesfinanzhof anhängige Revisionsverfahren Az. IX R 78/06,

hilfsweise,

die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 01. September 2005 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 02. September 2005 dergestalt zu ändern, dass im Wege eines Verlustrücktrags aus 1997 ein weiterer Verlust bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Klägers in Höhe von insgesamt 2.095.138 DM (805.790 DM in 1995 und 1.289.348 DM in 1996) berücksichtigt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung vom 02. September 2005. Ergänzend trägt er im Wesentlichen vor, dass die Verschmelzung mangels Eintragung im Handelsregister nicht wirksam geworden sei. § 25 HGB rechtfertige nicht die Annahme, dass die Aufwendungen des Klägers für die A Y zu solchen für die A X geworden seien.

Der Kläger hat beim Gericht Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 1996 beantragt. Mit Beschluss vom 18. Mai 2006 (3 V 6/06) hat das Gericht den Antrag abgelehnt. Eine Gegenvorstellung des Klägers wurde mit Beschluss vom 14. Juni 2006 (3 V 6/06) abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den der beigezogenen Gerichtsakte zum Verfahren 3 V 6/06 und den Inhalt der beigezogenen Akten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Klageantrag ist bei verständiger Würdigung des Klagebegehrens so auszulegen, dass der Kläger eine Änderung der Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 09. Mai 2006 begehrt, die die vorherigen Bescheide geändert haben und gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind.

Die Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 vom 09. Mai 2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Änderung der Einkommensteuerbescheide 1995 und 1996 durch einen weiteren Verlustrücktrag aus 1997 nach § 10 d Abs. 1 Satz 2 EStG in der maßgeblichen Fassung.

Der Beklagte hat den beantragten weiteren Verlustrücktrag aus 1997 wegen des geltend gemachten Auflösungsverlustes nach § 17 EStG zu Recht nicht berücksichtigt.

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört auch der Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Eine wesentliche Beteiligung ist gegeben, wenn der Veräußerer an der Gesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 1 und 4 EStG in der maßgeblichen Fassung). Veräußerungsgewinn im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG in der maßgeblichen Fassung). § 17 Abs. 1 - 3 EStG sind entsprechend anzuwenden, wenn eine Kapitalgesellschaft aufgelöst wird (§ 17 Abs. 4 Satz 1 EStG in der maßgeblichen Fassung). Vorliegend war der Kläger in den letzten fünf Jahren vor der Konkurseröffnung im Oktober 1997, durch die die Gesellschaft aufgelöst wurde (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -GmbHG-), unmittelbar zu mehr als 25% (zu 100%) am Stammkapital der A X beteiligt. § 17 EStG ist somit - unstreitig - auf diese Beteiligung anzuwenden.

Auflösungsverlust im Sinne des § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten (entsprechend den Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen. Der Begriff der Anschaffungskosten in § 17 Abs. 2 EStG ist mit Rücksicht auf das die Einkommensbesteuerung bestimmende Nettoprinzip weit auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 12. Oktober 1999 VIII R 46/98, BFH/NV 2000, 561). Er umfasst nicht nur die zum Erwerb der Beteiligung aufgewendeten Kosten, sondern auch nachträgliche Aufwendungen des Anteilseigners, soweit sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und weder Werbungskosten im Sinne der §§ 9, 20 EStG, noch Veräußerungskosten sind. Unter diesen Voraussetzungen können etwa Aufwendungen als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung anzusetzen sein, die auf der Ebene der Kapitalgesellschaft als Nachschüsse (§§ 26 ff. GmbHG) oder verdeckte Einlagen zu werten sind (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 52/93, BFHE 194, 120, BStBl II 2001, 286).

Fraglich ist allerdings, ob der geltend gemachte Auflösungsverlust aus der Beteiligung des Klägers an der A X überhaupt im Jahr 1997 entstanden ist oder in späteren Veranlagungszeiträumen, so dass ein Rücktrag nach 1995 und 1996 nicht oder nur in anderer Höhe in Betracht käme. Die Entstehung eines nach § 17 Abs. 4 EStG zu berücksichtigenden Auflösungsverlustes setzt neben der zivilrechtlichen Auflösung der Gesellschaft weiter voraus, dass der wesentlich beteiligte Gesellschafter mit Zuteilungen und Rückzahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen nicht mehr rechnen kann; es muss ferner feststehen, ob und in welcher Höhe noch nachträgliche Anschaffungskosten anfallen werden sowie welche im Rahmen des § 17 Abs. 2 EStG zu berücksichtigenden Aufgabekosten die Gesellschafter noch zu tragen haben. Diese Voraussetzungen sind im Fall der Auflösung mit anschließender Liquidation regelmäßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation erfüllt. Ausnahmsweise kann der Zeitpunkt, in dem der Veräußerungsverlust realisiert ist, schon vor Abschluss der Liquidation liegen, wenn mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Bei einer Auflösung der Gesellschaft wegen Eröffnung des Konkurs- oder Gesamtvollstreckungsverfahrens lässt sich eine solche Feststellung regelmäßig noch nicht treffen. Ausnahmsweise kommt eine Berücksichtigung des Auflösungsverlustes schon vor dem Abschluss des Liquidationsverfahrens in Betracht, wenn aufgrund des Inventars und der Konkurseröffnungsbilanz des Konkursverwalters oder einer Zwischenrechnungslegung ohne weitere Ermittlungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass das Vermögen der Gesellschaft zu Liquidationswerten die Schulden nicht mehr decken wird und ein Zwangsvergleich ausgeschlossen erscheint (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000, VIII R 36/97, BFH/NV 2001, 761).

Nach Aktenlage lässt sich nicht verlässlich feststellen, ob diese Voraussetzungen bereits im Jahr 1997 erfüllt waren. Allein die (telefonische) Mitteilung des Konkursverwalters gegenüber dem Beklagten vom 09. September 1999, dass auf die Gesellschafter keine Quote entfallen werde, reicht dafür nicht aus, zumal der Kläger erst mit Schreiben des Konkursverwalters vom 31. Januar 1998 dazu aufgefordert worden ist, einen Betrag von 225.000 DM zum Ausgleich der noch zu leistenden Stammkapitaleinlage aus einer Kapitalerhöhung zu erbringen. Ende 1997 dürfte deshalb noch nicht festgestanden haben, in welcher Höhe der geltend gemachte Auflösungsverlust entstehen würde.

Diese Frage kann indes dahinstehen, weil der Beklagte zu Recht die weiter geltend gemachten Verluste nach § 17 EStG nicht anerkannt hat.

Die Aufwendungen, die der Kläger für die A Y getätigt hat (insbesondere Darlehensverlust, Bürgschaftsinanspruchnahme) können nicht als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt werden. Die Steuerpflicht nach § 17 EStG erfasst nur Gewinne oder Verluste aus der Veräußerung der dem Veräußerer selbst zuzurechnenden Anteile, also "unmittelbare Anteile"; lediglich bei der Prüfung der Frage, ob der Veräußerer an der Kapitalgesellschaft, deren Anteile (unmittelbare Beteiligung) er veräußert hat, wesentlich, also zu mehr als einem Viertel beteiligt war, ist nicht nur eine unmittelbare, sondern auch eine mittelbare Beteiligung des Veräußerers zu berücksichtigen, und zwar in der Weise, dass die mittelbare Beteiligung der unmittelbaren Beteiligung hinzugerechnet wird (vgl. BFH-Urteile vom 12. Juni 1980 IV R 128/77, BFHE 131, 49, BStBl II 1980, 646;vom 14. Oktober 2003 VIII R 22/02, BFH/NV 2004, 620).

Der Kläger war unmittelbar nur an der A X (wesentlich) beteiligt. Über diese war er zwar auch mittelbar wesentlich an der A Y beteiligt. Dies reicht indes für die Anwendung des § 17 EStG nicht aus.

Der Umstand, dass der Kläger zu 100% an der A X beteiligt war, die wiederum alle Gesellschaftsanteile der A Y hielt, führt nicht dazu, ihm eine unmittelbare Beteiligung an der A Y zuzurechnen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger wirtschaftlicher Eigentümer dieser Anteile im Sinne von § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gewesen sein könnte, etwa weil die A X die Beteiligung treuhänderisch für den Kläger gehalten hätte.

Eine direkte Beteiligung an der A Y ergibt sich auch nicht aus der beabsichtigten Verschmelzung der A Y mit der A X, weil diese mangels Eintragung ins Handelsregister nicht wirksam geworden ist (vgl. §§ 16 , 20 des Umwandlungsgesetzes).

Soweit der Kläger geltend macht, die Verpachtung des Geschäftsbetriebes der A Y an die A X nach § 6 des Verschmelzungsvertrages vom 05. Juni 1997 habe nach § 25 Abs. 1 HGB zu einer Haftung der A X für die Verbindlichkeiten der A Y GmbH geführt, folgt auch daraus kein nach § 17 EStG beim Kläger zu berücksichtigender Verlust seiner Aufwendungen für die A Y.

Zum einen hat der Kläger weder nachvollziehbar vorgetragen, noch ist dieses ansonsten ersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB in Form der Fortführung des Handelsgeschäftes der A Y unter deren bisheriger Firma durch die A X gegeben waren. Zum anderen bewirkte die Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB einen gesetzlichen Schuldbeitritt der A X als selbstständiger Schuldgrund gegenüber dem Kläger und neben der A Y als Gesamtschuldnerin (vgl. Baumbach/Hopt/Merk, HGB, 31. Aufl. 2003, § 25 Rdnr. 10 - 12). Ein möglicher eigenkapitalersetzender Charakter der Finanzierungshilfen des Klägers zu Gunsten der A Y würde aufgrund des selbstständigen gesetzlichen Schuldgrundes nicht für sein Verhältnis zur A X gelten.

Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Finanzgerichts Köln (Urteil vom 24. August 2006, 10 K 4703/02, EFG 2006, 1837; Revision eingelegt, BFH IX R 78/06), wonach Finanzierungsmaßnahmen eines mittelbaren Gesellschafters mit denen eines unmittelbaren Gesellschafters gleich zu behandeln seien und eine mittelbare Beteiligung jedenfalls dann ausreiche, wenn der mittelbare Gesellschafter die umittelbare Gesellschafterin beherrsche. Das Finanzgericht Köln folgert dies unter anderem daraus, dass bei der Frage der Beteiligungshöhe nach § 17 Abs. 1 EStG mittelbare und unmittelbare Beteiligungen zusammengerechnet würden. Es sei deshalb nicht einzusehen, dass Finanzierungsmaßnahmen eines mittelbaren Gesellschafters anders behandelt werden sollten als Finanzierungsmaßnahmen eines unmittelbaren Gesellschafters. Dieser Begründungsansatz übersieht, dass die Zurechnung von mittelbaren Beteiligungen nach dem oben Dargelegten lediglich bei der Prüfung der Frage, ob eine wesentliche Beteiligung vorliegt, relevant ist und somit, ob die Steuerpflicht nach § 17 EStG überhaupt eingreift. Diese setzt nach dem Wortlaut und der Systematik der Bestimmung dem Veräußerer oder von der Auflösung Betroffenen selbst zuzurechnende Anteile voraus, weil er nur dann in seiner Person einen nach § 17 steuerpflichtigen Tatbestand (Gewinn oder Verlust aus einer Veräußerung oder Auflösung der Gesellschaft) verwirklichen kann.

Die Aufwendungen des Klägers für A Y können auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Abkürzung des Zahlungswegs oder eines abgekürzten Vertragswegs als nachträgliche Anschaffungskosten über seine Beteiligung an der A X berücksichtigt werden.

Unter einer Abkürzung des Zahlungswegs versteht die Rechtsprechung die Zuwendung eines Geldbetrages an den Steuerpflichtigen in der Weise, dass ein Dritter im Einvernehmen mit dem Steuerpflichtigen dessen Schuld tilgt (§ 267 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-), anstatt ihm den Geldbetrag unmittelbar zuzuwenden (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 52/93, a.a.O.). Ein Fall der Abkürzung des Zahlungswegs liegt hier indes nicht vor, weil der Kläger mit der Hingabe der Darlehensvaluta und der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft eine eigene Schuld gegenüber der A Y erfüllt hat.

Den Verlust der Darlehensforderung infolge der Auflösung der A Y und der Verlust seines Rückgriffsanspruches aus der Bürgschaft für diese GmbH kann der Kläger auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Abkürzung des Vertragswegs als eigenen Aufwand bei der Ermittlung des Auflösungsverlustes geltend machen. Ein abgekürzter Vertragsweg liegt vor, wenn der Dritte im eigenen Namen für den Steuerpflichtigen einen Vertrag abschließt und auch selbst die geschuldete Leistung erbringt, um dem Steuerpflichtigen etwas zuzuwenden. Eine Zuwendung wäre nur dann zu bejahen, wenn der Kläger im Interesse der A X von vornherein auf eine Rückzahlung des Darlehens bzw. auf seinen Rückgriffsanspruch bei einer Bürgschaftsinanspruchnahme verzichtet hätte (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 52/93, a.a.O.).

Dafür ist vorliegend indes nichts ersichtlich. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung lediglich unsubstantiiert behauptet, dass die A X und die A Y über Verrechnungskonten wirtschaftlich verbunden gewesen seien, so dass sich die Krise der A Y auch auf die A X ausgewirkt habe. Die A Y habe sich an ihre Mutter (die A X) gehalten und diese wiederum an den Kläger als Alleingesellschafter. Aus diesem Vortrag ergibt sich indes nicht nachvollziehbar, dass der Kläger der A X mit seinen Aufwendungen für die A Y etwas zuwenden wollte. Der Kläger hat sich vielmehr in den Darlehensverträgen gegenüber der A Y vom 27. September 1996 und vom 22. November 1996 behauptete Ansprüche dieser GmbH abtreten lassen und seine Darlehensrückzahlungsansprüche im Rahmen des Gesamtvollstreckungsverfahrens der A Y ausweislich eines Schreibens des Gesamtvollstreckungsverwalters vom 13. November 1997 geltend gemacht.

Die Finanzierungshilfen des Klägers zu Gunsten der A Y können deshalb auch nicht als verdeckte Einlagen in die A X angesehen werden. Dafür wäre ebenfalls erforderlich, dass der Kläger damit der A X etwas zuwenden wollte (vgl. BFH-Urteil vom 12. Dezember 2000 VIII R 62/93, BFHE 194, 130, BStBl II 2001, 234).

Der Beklagte hat zutreffend auch einige Aufwendungen nicht berücksichtigt, die der Kläger im Verwaltungsverfahren im Rahmen des Verlustes nach § 17 EStG geltend gemacht hat und die möglicherweise zu Gunsten der A X erfolgt sind. Insoweit fehlt es an einem entsprechenden nachvollziehbaren Sachvortrag nebst Nachweisen des Klägers. Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 105 Abs. 5 FGO auf die weiterhin zutreffenden Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 02. September 2005 Bezug genommen werden.

Dem Hauptantrag des Klägers auf Ruhen des Verfahrens war nicht stattzugeben. Ein Ruhen des Verfahrens kommt gemäß § 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung (ZPO) nur in Betracht, wenn beide Beteiligte dies beantragen. Der Beklagte hat sich dem Antrag des Klägers indes nicht angeschlossen, sondern in der mündlichen Verhandlung Klagabweisung beantragt.

Auch eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofes im Verfahren IX R 78/06 kommt vorliegend nicht in Betracht. Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei (§ 74 FGO). Voraussetzung dafür ist, dass ein für den zu entscheidenden Rechtsstreit vorgreifliches Rechtsverhältnis den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits oder Verwaltungsverfahrens bildet. Dies ist nicht der Fall, wenn ein anderes Gericht in einem Parallelverfahren lediglich dieselbe Rechtsfrage zu entscheiden hat (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Februar 2003 X E 9/02, BFH/NV 2003, 650). So liegt es hier, soweit es in dem Verfahren des Bundesfinanzhofes zum Aktenzeichen IX R 78/06 um die Frage geht, ob bei der Feststellung eines Auflösungsverlustes aus § 17 EStG auch lediglich mittelbare Beteiligungen zu berücksichtigen sind.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).



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