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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Schleswig-Holstein
Urteil verkündet am 24.05.2007
Aktenzeichen: 3 K 254/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Schleswig-Holstein

3 K 254/06

Kindergeld

In dem Rechtsstreit

...

hat der 3. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts

am 24. Mai 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Aufhebung des Bescheides vom 2. August 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. November 2006 wird für die Tochter A der Klägerin für die Monate Juni, Juli und August 2006 Kindergeld in Höhe von jeweils 154,-- EUR, insgesamt 462,-- EUR festgesetzt.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Festsetzung von Kindergeld für die am 7. April 1983 geborene Tochter A der Klägerin für die Monate Juni bis August 2006.

Anfang 2002 meldete sich A bei ... (Institut) für den Lehrgang Abitur an. Als Lehrgangsbeginn war der 31. Mai 2002 festgelegt. Lehrgangsende war der 30. November 2004. Die Lehrgangsdauer war auf 29 Monate angelegt. Die vom 24. Mai 2002 datierende Anmeldebestätigung sah die kostenlose Verlängerung der Betreuungszeit bis 30. Mai 2006 vor. In der Folgezeit reichte die Klägerin Teilnahmebescheinigungen des Instituts vom 26. März 2003, 04. November 2004, 28. Dezember 2004 sowie 16. Februar 2006 ein. Auf den Inhalt der zitierten Bescheinigungen wird Bezug genommen.

Die Familienkasse hob mit Verwaltungsakt vom 02. August 2006 die Festsetzung des Kindergeldes für A ab Juni 2006 auf und begründete dies im Wesentlichen damit, dass eine schulische Ausbildung im Sinne des § 63 i.V.m. § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz -EStG- nur dann zu berücksichtigen sei, wenn die Schüler in eine schulische Mindestorganisation eingebunden seien, die eine gewisse dauernde Lernkontrolle ermögliche. Die Ausbildung dürfe nicht überwiegend in der Gestaltungsfreiheit des Schülers liegen. Zudem müsse ein gewisser Kontakt und Austausch zwischen dem Schüler und den Lehrern bestehen. Hänge die Dauer und die Intensität des Ausbildungsganges dagegen im Wesentlichen von der Entscheidung und der Selbstverantwortung des Schülers ab, liege keine Ausbildung im Sinne des EStG vor. Die Korrekturleistungen des Instituts endeten mit Ablauf des Monats Mai 2006. Der weitere Ausbildungsverlauf liege somit in der Selbstverantwortung von A.

Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 24. November 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Auf den Inhalt des Einspruchs, den Inhalt eines Erörterungsschreibens der Familienkasse zur Sach- und Rechtslage vom 15. August 2006 und auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung vom 24. November 2006 wird Bezug genommen.

Ihre Klage begründet die Klägerin im Wesentlichen damit, dass A nicht nur ausbildungswillig gewesen sei, sondern sich auch mitten in der Abschlussprüfung einer Berufsausbildung befinde.

Die Klägerin beantragt sinngemäß nach dem Inhalt ihres Vorbringens,

ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 2. August 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. November 2006 für die Monate Juni, Juli und August 2006 Kindergeld für ihre Tochter A in Höhe von jeweils 154,-- EUR zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf ihre Einspruchsentscheidung und trägt darüber hinaus vor, dass unabhängig von einer grundsätzlichen Anerkennung des Fernlehrganges Abitur als Berufsausbildung der Anspruch auf Kindergeld ohnehin ab Juni 2006 beendet sei, da A nach den vorliegenden Bescheinigungen des Instituts seit 31. Mai 2002 an dem Lehrgang teilnehme, die Regelstudiendauer 30 Monate betrage und zusätzlich während weiteren 18 Monaten die Korrekturleistungen kostenlos in Anspruch genommen werden könnten. Dieser Anspruch habe Ende Mai 2006 geendet.

Der Berichterstatter hat am 23. Mai 2007 mit dem Institut ein Telefongespräch folgenden Inhalts geführt: Bei dem von A besuchten Lehrgang handele es sich um einen Vorbereitungslehrgang, der auf 30 bis 42 Monate Dauer, je nach Vorbildung der Schüler, angelegt sei. Prüfungsbehörde sei nicht das Institut, sondern die Schulbehörde des Landes, in welchem sich der Schüler zur Abiturprüfung anmelde. Viele der Lehrgangsteilnehmer würden die Abiturprüfung vor der ... Schulbehörde ablegen, auch weil das Institut über das Prozedere Bescheid wisse. Eine solche Prüfung finde zweimal im Jahr zu unterschiedlichen Terminen statt. Es handele sich um eine externe (Abitur)-Prüfung. In den Lehrgang sei jederzeit ein Einstieg möglich. Da der Lehrgang einen sehr engen Zeitplan vorsehe, der eigentlich nur eingehalten werden könne, wenn eine ganztägige Beschäftigung mit dem Unterrichtsstoff standfände, und ferner keine Urlaubs- und Krankheitszeiten berücksichtige, werde die kostenlose Verlängerung angeboten. Diese Verlängerung beziehe sich auf die gesamte Betreuungsleistung, d.h. den gesamten Leistungskatalog einschließlich Prüfungsvorbereitung und Probeklausuren, welcher auch während des bezahlten Teils des Lehrgangs geboten würde. Soweit sich Lehrgangsteilnehmer über das Institut zum externen Abitur anmeldeten, setze die Anmeldung durch das Institut den Nachweis voraus, dass die Vorbereitung auf das Abitur erfolgreich abgeschlossen worden sei. Konkret sei im Hinblick auf A die kostenlose Betreuungszeit von Juni 2006 bis 31. Januar 2007 verlängert worden. A sei gegenwärtig dabei, dies Abitur zu machen.

Beigezogen und Gegenstand es Verfahrens waren 1 Band Kindergeldakten, Kindergeld.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der Aufhebungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung war aufzuheben. Die Klägerin hat im tenorierten Umfang Anspruch auf Zahlung von Kindergeld.

Bei dem von A besuchten Abiturfernlehrgang handelt es sich gemäß § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 a EStG um eine berufliche Ausbildung. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, welcher sich das Gericht anschließt, muss Kindern zugebilligt werden, zur Vervollkommnung und Abrundung von Wissen und Fähigkeiten auch Maßnahmen eines festumschriebenen Bildungsganges zu ergreifen. Dies ist beispielsweise entschieden für den Erwerb von Fremdsprachenkenntnissen im Rahmen durch Fremdsprachenkurse im Ausland (vgl. BFH, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1999, 701). Nach Überzeugung des Gerichts unterfällt dem Begriff der beruflichen Ausbildung auch der von der Tochter der Klägerin besuchte Abiturfernlehrgang. Der Lehrgang ist prinzipiell geeignet, eine Person in einer vorgegebenen Zeit auf eine externe Abiturprüfung vorzubereiten, sofern er ernsthaft betrieben wird. Unerheblich ist hierbei, dass der Lehrgangsteilnehmer frei den zeitlichen Umfang und die Intensität der Lern- und Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 26.02.2002 - 2 K 212/01 - BFG 2002, 771).

Das Gericht folgt der Beklagten nicht darin, dass, weil keine Einbindung in eine schulische Mindestorganisation vorliege, aus diesem Grund das Vorliegen einer beruflichen Ausbildung zu verneinen sei. Ausschlaggebend ist für das Gericht vielmehr, dass sich das Kind im Rahmen der durch den Lehrgang vorgegebenen Struktur ernsthaft bemüht, das Lehrgangsziel zu erreichen. Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers. Danach ist unter Ausbildung jede ernstlich betriebene Vorbereitung auf einen künftigen Beruf zu verstehen, also die Tätigkeit des Kenntniserwerbs an sich. Nicht erforderlich ist hingegen ein finaler Erfolgseintritt, hier das Bestehen der Abiturprüfung. Wie die Institutsangehörige auf Befragung des Berichterstatters ausführte, weisen die angebotenen Lehrgänge zwar eine bestimmte Lehrgangsdauer, im vorliegenden Fall 29 Monate, aus. Innerhalb dieser Lehrgangsdauer sei das Lehrgangsziel auch zu erreichen, aber nur mit überobligationsgemäßem Einsatz. Da innerhalb dieses Zeitraums auch keine Ferien oder Krankheitszeiten Berücksichtigung finden, sähen die Verträge eine kostenlose Verlängerung der Betreuungsleistungen vor. Diese Verlängerung lief im Fall von A zunächst bis zum 30. Mai 2006, wurde dann aber weiter verlängert. Die Inanspruchnahme der vom Institut angebotenen kostenlosen Betreuungsleistungen führt im vorliegenden Fall nicht zu der Annahme, A habe die Abiturvorbereitung nicht mehr ernstlich betrieben. Zu berücksichtigen ist dabei einmal, dass die Vorbereitung offenbar erfolgreich war: Das Institut meldet Schüler an die hamburgische Schulbehörde zur Ablegung der externen Abiturprüfung nur dann an, wenn der Lehrgangsteilnehmer die erforderlichen Lehrgangsnachweise erbracht hat. Dies treffe, so Frau ..., auf A zu. Zu berücksichtigen ist weiterhin die Parallele zu bestimmten, wenig verschulten und durch keine oder nur wenig Zwischenprüfungen begleitete Studiengänge. Auch hier liegt der Erfolg, ähnlich wie bei Teilnehmer von Fernausbildungsgängen, in der Selbstdisziplin des Studenten. Eine ausreichende Einbindung des Schülers in eine schulische Mindestorganisation liegt darüber hinaus vor, da der Schüler die kostenlose Betreuungszeit nicht beliebig, sondern nur im Einverständnis mit dem Institut verlängern kann. Der Lehrgangsteilnehmer unterwirft sich mit seiner Anmeldung der Lehrgangsorganisation des Instituts. Es genügt, dass der Lehrgangsteilnehmer durch eine Begrenzung der Lehrgangszeit dem Druck ausgesetzt wird, den vorgegebenen Lehrgangszeitplan in der Breite und Tiefe nach Möglichkeit einzuhalten (vgl. Seewald/Felix, Kindergeldrecht, § 63 Rd-Nr. 114 a m.w.N.).

Die übrigen Voraussetzungen der Kindergeldfestsetzung für A liegen vor.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 115 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sind nicht gegeben.

Das Gericht hat, da der Streitwert der Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500,-- EUR nicht übersteigt, gemäß § 94 a FGO entschieden.

Ende der Entscheidung

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